OGH 3Ob516/88

OGH3Ob516/8813.7.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Jörg I***, Chemiker, Villach, Wernbergerstraße 122, vertreten durch Dr. Johann Subarsky, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Franz T***, und 2. Friedrich T***, beide Schausteller, Vösendorf, Ortsstraße 100, beide vertreten durch Dr. Helmut Schmidt und Dr. Ingo Schreiber, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wegen S 80.000,-- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23. November 1987, GZ 14 R 234/87-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt vom 12. Juni 1987, GZ 3 Cg 1392/86-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, den Beklagten die mit S 4.668,18 (darin S 424,38 Umsatzsteuer und keine Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten betreiben auf Grund einer von der zuständigen Behörde erteilten Veranstaltungsbewilligung eine transportable Geisterbahn. Die Wagen werden auf einer Strecke von 13 m bis zu einer Höhe von 2,5 m emporgeführt und gleiten anschließend auf derselben Strecke wieder hinab. Beim Hinauffahren erreichen sie eine Geschwindigkeit von 1,5 km/h und beim Hinunterfahren eine Geschwindigkeit von 3 km/h. Im Anschluß an das Gefälle beginnt in einer Entfernung von 1,5 m eine Kurve von 90 .

Am 3.August 1985 war die Geisterbahn in Villach aufgestellt. Der Kläger bestieg an diesem Tag gegen 21 Uhr 20 einen Wagen, nachdem er hiefür eine Fahrkarte gekauft hatte. Der Wagen blieb in der an das Gefälle anschließenden Kurve unerwartet ruckartig stehen und sprang aus den Schienen. Dadurch schlug der Kläger mit der linken Körperseite gegen die Wand der Geisterbahn und erlitt einen Bruch des linken Schlüsselbeines sowie Prellungen am linken Ober- und Unterarm und im Bereich des linken Brustwirbels und der linken Rückenseite.

Die Ursache für das plötzliche Anhalten des Wagens lag darin, daß die Gewindeverbindung, die zwischen der Rotorwelle und dem Antriebszahnrand des am Wagen angebrachten Antriebsmotors besteht, zuerst gelockert und dann zerstört wurde. Dazu konnte es kommen, weil am Wagen eine einen solchen Vorfall verhindernde Sicherungseinrichtung nicht vorgesehen war. Dieser Konstruktionsfehler war für die Personen, welche die Geisterbahn betrieben oder entsprechend dem Auftrag der Behörde überprüften oder sie reparierten, nicht erkennbar.

Der Kläger begehrt von den Beklagten die Bezahlung eines Schmerzengeldes von S 80.000,-- sA. Er stützte dieses Begehren auf das Verschulden der Beklagten und auf die mit der allgemeinen Beschaffenheit ihres Betriebes zusammenhängende Gefahr. Das Verschulden liege darin, daß die Beklagten nicht einen gefahrlosen Betrieb der Geisterbahn gewährleistet hätten.

Die Beklagten bestritten, daß sie ein Verschulden treffe und daß für ihren Betrieb eine Gefährdungshaftung bestehe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren im wesentlichen mit der Begründung ab, daß den Beklagten ein Verschulden nicht anzulasten sei und sich der Unfall nicht beim Betrieb einer Eisenbahn oder eines Kraftfahrzeuges im Sinn des § 1 EKHG und auch nicht im Rahmen eines Betriebes ereignet habe, für den nach der Rechtsprechung wegen der besonderen Gefährlichkeit eine Gefährdungshaftung anerkannt werde.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge und sprach aus, daß gegen sein Urteil die Revision zulässig sei. Die in Sondergesetzen geregelte Gefährdungshaftung könne nur auf solche Betriebe analog angewendet werden, die schon nach ihrer allgemeinen Beschaffenheit die Interessen Dritter in einer Art gefährden, die das normale Ausmaß der im modernen Leben bestehenden Gefährdung wesentlich übersteigt. Es reiche nicht aus, daß ein an sich ungefährlicher Betrieb im Einzelfall zufolge besonderer Umstände zu einem gefährlichen Betrieb werde. Die Geisterbahn der Beklagten sei trotz des festgestellten Konstruktionsfehlers und der dadurch ermöglichten Unterbrechung der Kraftübertragung kein gefährlicher Betrieb.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist nicht berechtigt.

Das Berufungsgericht hat die Frage, wann ein gefährlicher Betrieb gegeben ist, bei dem kraft Analogie Gefährdungshaftung angenommen wird, unter Anwendung der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (vgl. aus jüngerer Zeit etwa JBl 1985, 556 und JBl 1986, 525) zutreffend beantwortet. Es erkannte auch richtig, daß die hiefür maßgebenden Kriterien hier nicht vorliegen, zumal der Oberste Gerichtshof dies schon für sogar etwas gefährlichere, sonst aber vergleichbare Betriebe verneinte (Autodromanlage in EvBl 1982/129; Sturmboot in JBl 1985,556).

Der Kläger versucht in der Revision die allgemeine Gefährlichkeit des Betriebes der Beklagten daraus abzuleiten, daß alle Wagen der Geisterbahn mit demselben Konstruktionsfehler behaftet gewesen seien. Nach ständiger Rechtsprechung reicht es jedoch nicht aus, daß ein an sich ungefährlicher Betrieb im Einzelfall wegen besonderer Umstände zu einen gefährlichen wird (EvBl 1982/129; JBl 1986, 525 ua; zuletzt 8 Ob 604/87). Dies gilt nicht nur, wenn die Schadensursache selbst auf solche besondere Umstände zurückzuführen ist, sondern allgemein, wenn es sich um Umstände handelt, die bei einem Betrieb derselben Art gewöhnlich nicht gegeben sind. Eine für einen Betrieb ungewöhnliche Gefahrenquelle macht diesen also nicht zu einem die Gefährdungshaftung rechtfertigenden gefährlichen Betrieb. Es gehen nämlich auch die Rechtsvorschriften, die nach der angeführten Rechtsprechung im Weg der Analogie zur Bejahung der Gefährdungshaftung führen (vgl. hiezu Koziol, Umfassende Gefährdungshaftung durch Analogie? Wilburg-FS-1975-173), nicht von solchen ungewöhnlichen Gefahren aus, weshalb sie die Analogie nicht decken können.

Entgegen der in der Revision vertretenen Auffassung kann die Haftung der Beklagten auch nicht aus § 1310 ABGB abgeleitet werden. Diese Bestimmung ist unmittelbar nur dann anzuwenden, wenn bei gleichem Geschehen ein Schädiger, der nicht dem Personenkreis des § 1308 ABGB angehört, haften würde (EFSlg.13.687; EvBl 1974/234; JBl 1982, 375 ua). Dies trifft hier nicht zu. Aber auch für eine analoge Anwendung des § 1310 ABGB ist kein Grund zu finden, zumal dieser nur in den persönlichen Verhältnissen des Schädigers liegen könnte (vgl. Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 12 zu § 1310). Der Vorwurf des Verschuldens wird in der Revision nicht ausgeführt, weshalb hierauf nicht einzugehen ist (EvBl 1985/154). Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte