OGH 12Os68/88

OGH12Os68/8830.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. Juni 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr.Hörburger, Dr.Massauer und Dr.Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Forsthuber als Schriftführer, in der Strafsache gegen Johann W*** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 18. Jänner 1988, GZ 27 Vr 2407/87-14, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Hauptmann, und des Verteidigers Dr.Scheimpflug, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der 43-jährige Johann W*** (zu 1.) des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB, (zu 2.) des Verbrechens der versuchten Notzucht nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und (zu 3.) des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 1 und Z 4 StGB (aF) schuldig erkannt. Darnach hat er in Linz

(zu 1.) im Sommer 1981 der Elfriede M*** mit Gewalt gegen ihre Person, nämlich durch Versetzen von Faustschlägen und Fußtritten während eines zweistündigen Zeitraumes, eine fremde bewegliche Sache, nämlich 1.000 S Bargeld, die er ihr zuvor für einen Geschlechtsverkehr bezahlt hatte, mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern;

(zu 2.) am 11.Dezember 1986 Elfriede M*** durch Würgen mit beiden Händen widerstandsunfähig gemacht und versucht, sie in diesem Zustand zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen;

(zu 3.) am 11.Dezember 1986 der Elfriede M*** eine Geldtasche mit nahezu 10.000 S Bargeld mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, unter Ausnützung des durch Würgen bis zur Widerstandsunfähigkeit und Wehrlosigkeit herbeigeführten Zustandes der Genannten, der sie hilflos machte, weggenommen.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 5, 5 a, 9 lit a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch in keinem Punkt Berechtigung zukommt.

Der Mängelrüge (Z 5) zuwider ist der Ausspruch des Gerichtes über den Hergang der Raubtat (Urteilstat 1) keineswegs undeutlich, werden doch die Gewaltakte des Beschwerdeführers in eindeutiger (auch der Tatschilderung im Urteilstenor entsprechender) Weise beschrieben (S 146, 147 dA). Ebensowenig liegt aber auch die behauptete Undeutlichkeit in Ansehung der Feststellungen zur subjektiven Tatseite vor (S 146 dA), in welcher Beziehung das Gericht sogar ein absichtliches (§ 5 Abs 2 StGB) Handeln des Beschwerdeführers als erwiesen angenommen hat, wiewohl zur Erfüllung des subjektiven Tatbestands des Raubes jede Vorsatzform, somit bedingter Vorsatz (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) genügt. Daß der Beschwerdeführer jedenfalls mit dieser Vorsatzform gehandelt hat, ergibt sich aus seinem wiederholten, auch in der Hauptverhandlung nicht eindeutig widerrufenen Geständnis, auf welches die Tatrichter ihre Konstatierung gründeten (S 151, 152, 153, 157, 158 dA in Verbindung mit S 37, 44, 71, 75 dA) und auch formal mängelfrei gründen konnten.

Die Angabe der Zeugin M***, sie habe dem Beschwerdeführer die 1.000 S widerstandslos zurückgegeben (S 92), schließt ihre vorangegangene Nötigung hiezu durch Gewaltanwendung seitens des Beschwerdeführers weder in tatsächlicher noch in rechtlicher (vgl. hiezu Mayerhofer-Rieder StGB2 ENr. 1 zu § 142) Hinsicht aus, weshalb sie keiner gesonderten Erörterung in den Urteilsgründen bedurfte. Daß M*** etwa zwei Stunden lang fortwährend wehrlos auf dem Boden gelegen und vom Beschwerdeführer (ununterbrochen) mit Schlägen etc. traktiert worden sei, hat das Erstgericht gar nicht festgestellt (vgl. S 146, 147 dA); daher geht die Rüge, soweit sie eine solche Fallgestaltung im Auge hat und daraus unerörtert gebliebene Widersprüche zu den Bekundungen der Zeugin, sie sei von einem Zimmer in das andere getrieben worden und es sei ihr während des Vorfalls einmal möglich gewesen, ein Wohnungsfenster zu öffnen und (wenn auch vergeblich) um Hilfe zu rufen, nicht vom Urteilssachverhalt aus, weshalb darauf nicht weiter einzugehen ist.

Entgegen der Mängelrüge zur Urteilstat 2 hat das Erstgericht den Tatvorsatz des Beschwerdeführers in Richtung der Notzucht keineswegs aus dessen "Absicht", bei Elfriede M*** ohne Bezahlung einen Geschlechtsverkehr zu erreichen, abgeleitet, sondern seine bezügliche Feststellung (S 155, 161 dA) auf den Ablauf des Geschehens, der ein solches Ziel der Gewaltausübung nahelegt, und (auch) auf die Persönlichkeit des Beschwerdeführers gestützt (S 13 ff dA), ohne daß diesbezüglich ein formaler Begründungsmangel zu erkennen wäre.

Einen solchen vermag die Beschwerde schließlich auch nicht in Ansehung der Feststellungen zur Urteilstat 3 darzutun. Wird doch mit dem bezüglichen Vorbringen bloß der Versuch unternommen, der leugnenden Verantwortung des Beschwerdeführers, die das Erstgericht als widerlegt angesehen hat, doch noch zum Durchbruch zu verhelfen, womit aber der Nichtigkeitsgrund der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung gebracht wird. Die Mängelrüge geht daher zur Gänze fehl.

Gleichermaßen fehl geht die Beschwerde aber auch, soweit sie eine Nichtigkeit gemäß der Z 5 a der zitierten Gesetzesstelle reklamiert. Das bezügliche Beschwerdevorbringen ist nämlich in keiner Weise geeignet, erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der tatrichterlichen Feststellungen zu den drei Urteilstaten zu erwecken. Zur Urteilstat 1 erschöpft es sich weitgehend in einer Wiederholung des Vorbringens in der Mängelrüge. Zusätzlich ist in diesem Zusammenhang noch festzuhalten, daß weder die Unfähigkeit der Zeugin M***, sich ohne Zuhilfenahme eines Sessels vom Boden zu erheben, noch die Behauptung, vom Angeklagten durch die Wohnung getrieben worden zu sein, gegen die Urteilsannahme ins Treffen geführt werden können, der Angeklagte habe während des rund zweistündigen Vorfalls sein Opfer auch zu Boden gestoßen, während die Beschwerdebehauptung, die Zeugin M*** habe nicht einmal selbst bekundet, auf dem Boden zu liegen gekommen zu sein, aktenwidrig ist (vgl. S 100/Mitte dA). In Ansehung der Urteilstat 2 hinwieder lassen sich derartige Bedenken auch nicht darauf gründen, daß die Zeugin M*** - was das Erstgericht keineswegs übersehen hat (S 156 dA) - zur Tatzeit stark alkoholisiert gewesen ist; denn Anhaltspunkte für eine dadurch bedingte Aufhebung ihres Wahrnehmungs- und Erinnerungsvermögens in bezug auf wesentliche Tatumstände sind in diesem Zusammenhang nicht hervorgekommen. Gegen die Würdigung der Aussage der genannten Zeugin spricht letztlich auch nicht der Umstand, daß die Genannte dem Angeklagten nicht ausdrücklich einen Notzuchtsvorsatz unterstellte; im übrigen hat die Zeugin einen derartigen Eindruck vom Tatvorhaben des Beschwerdeführers ohnehin angedeutet (S 97; vgl. auch S 50 b, 49 c sowie S 24 dA).

Im Kern wendet sich die Tatsachenrüge ausschließlich dagegen, daß die Tatrichter der Zeugin M***, mit deren unterschiedlichen Bekundungen sie sich im Urteil ohnedies auseinandergesetzt haben (S 154 f dA), in freier Beweiswürdigung Glauben schenkten, worauf (allein) der geltendgemachte Nichtigkeitsgrund (Z 5 a) nicht gestützt werden kann (vgl. 12 Os 40/88, 14 Os 41/88 ua). Entgegen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) zur Urteilstat 1 deckt die Feststellung, wonach der Angeklagte mit der "vorgefaßten Absicht" handelte, der Elfriede M*** die ihr zuvor für den (stattgefundenen) Geschlechtsverkehr bezahlten 1.000 S und womöglich noch weiteres Bargeld aus ihren Ersparnissen gewaltsam abzunötigen (S 146, 156 dA), sehr wohl in rechtlicher Hinsicht die Annahme eines vorsätzlichen Handelns im Sinne des § 142 (Abs 1) StGB. Wenn die Beschwerde vermeint, das Gericht hätte sich im Urteil ausdrücklich damit auseinandersetzen müssen, ob der Angeklagte "die dem § 142 StGB entsprechende Sachverhaltsverwirklichung ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hat", so übersieht sie, daß ein Täter, dem es (geradezu) darauf ankommt, den dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhalt zu verwirklichen (§ 5 Abs 2 StGB), dessen (zumindest ernstlich für möglich gehaltene) Verwirklichung (gezielt) will (§ 5 Abs 1 erster Halbsatz StGB), sodaß es einer Erörterung darüber, ob er sich mit dieser Verwirklichung (bloß) abgefunden habe, nicht bedarf. Der zur Urteilstat 2 vorgetragene Einwand hinwieder, Würgen stelle keine Gewaltanwendung dar, die geeignet wäre, einen wirklichen oder auch nur erwarteten Widerstand des Tatopfers, dessen Mißbrauch zum außerehelichen Beischlaf der Täter anstrebt, zu überwinden, geht deshalb fehl, weil ein derartiges Verhalten - das zur Bewußtlosigkeit und unter Umständen sogar zum Tod des Opfers führen kann - sehr wohl als Gewalt (im Sinne der Entfaltung einer unmittelbar gegen den Körper der Frau wirkenden Kraft) zu beurteilen ist, durch welche die Bewegungsfreiheit des Opfers derart eingeschränkt wird, daß es seinen dem Tätervorhaben entgegenstehenden Willen nicht verwirklichen kann (vgl. Pallin WrK § 201 Rz 8). Daß vorliegend das Würgen jene Intensität erreicht hat, die ausreichte, um die Zeugin M*** widerstandsunfähig zu machen, sie also zu überwältigen, hat das Schöffengericht festgestellt (S 149 dA); davon ausgehend kommt aber eine bloße Willensbeugung, worauf § 202 Abs 1 StGB abstellt, nicht in Betracht, was der Beschwerdeführer bei seiner Rüge, es sei nicht festgestellt worden, inwiefern M*** zu einem willkürlichen Verhalten bestimmt werden sollte, übersieht. Nicht von Bedeutung ist es im übrigen für die rechtliche Beurteilung, ob die Widerstandsunfähigkeit der Zeugin M*** aufgrund der Unmöglichkeit, der Aussichtslosigkeit oder der Unzumutbarkeit weiteren Widerstands eintreten hätten sollen: In subjektiver Hinsicht setzt der Tatbestand der Notzucht nämlich nicht voraus, daß der Täter die geistig-seelischen oder körperlichen Abläufe und Zusammenhänge, zufolge welcher die von ihm gewollte extreme Hilflosigkeit des Opfers eintreten konnte, im einzelnen bedenkt und beschließt; genug daran, daß er durch die von ihm angewendete Gewalt das Opfer in diese Lage bringen, ihren Willen also nicht nur beugen, sondern ausschalten will. Einen derartigen Vorsatz hat das Erstgericht aber - der Rechtsrüge zuwider - beim Beschwerdeführer ausdrücklich konstatiert (vgl. erneut S 155, 161 dA).

Die zur Urteilstat 3 schließlich erhobene Subsumtionsrüge (Z 10), die sich gegen die Annahme der Qualifikation(en) des § 128 Abs 1 Z 1 und Z 4 StGB wendet, ist zur Gänze nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt. Abgesehen davon, daß sie sich auf den unsubstantiierten Hinweis auf Beschwerdeausführungen zur Urteilstat 2 beschränkt, übergeht sie (der Sache nach) zum einen die Feststellung, wonach der Diebstahl unter Ausnützung der (zuvor) herbeigeführten Lage extremer Hilflosigkeit der (im übrigen körperbehinderten) Zeugin M*** verübt wurde (S 161 dA), während sie zum anderen die (für die Unterstellung der Tat unter § 128 Abs 1 Z 4 StGB in der im Urteilszeitpunkt noch maßgebenden Fassung vor dem Inkrafttreten des StRÄG 1987 entscheidende) Konstatierung außeracht läßt, daß der Angeklagte "knapp" 10.000 S Bargeld, sohin eine Sache in einem 5.000 S übersteigenden Wert, gestohlen hat. Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten nach §§ 28, 142 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 5 (fünf) Jahren. Dabei wertete es das Zusammentreffen zweier Verbrechen mit einem Vergehen, die fünf einschlägigen Vorstrafen (davon vier gegen fremdes Eigentum und eine gegen die Sittlichkeit) sowie den raschen Rückfall (sowohl in Ansehung der Gewaltanwendung beim Raub nach einer vorangegangenen versuchten Notzucht während des damals noch anhängigen Strafverfahrens als auch in Ansehung der Straftaten vom 11. Dezember 1986, die noch am Tag der Entlassung aus der letzten Strafhaft verübt wurden) als erschwerend; als mildernd hielt es dem Angeklagten das Geständnis zugute, mag dieses auch in den einzelnen Verfahrensstadien und zu den einzelnen Fakten nicht gleich rückhaltlos gewesen sein, weiters eine geistige Schwerfälligkeit, den Umstand sexuellen Entzuges während längerer Haftdauer sowie daß die Notzucht beim Versuch geblieben ist und daß der Raub lange zurückliegt.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Strafe an; auch diesem Begehren kommt keine Berechtigung zu. Die vom Erstgericht festgestellten Strafzumessungsgründe bedürfen nämlich insoweit einer Korrektur zu Lasten des Berufungswerbers, als ihm zu Unrecht der "sexuelle Entzug während längerer Haftdauer" als mildernd zugute gehalten wurde und das lange Zurückliegen der Raubtat deshalb keinen Milderungsgrund darstellt, weil sich der Angeklagte in der Folge keineswegs wohlverhalten hat, wie dies § 34 Z 18 StGB verlangt. Dazu kommt, daß nach der Aktenlage von einem umfassenden und reumütigen Geständnis (iS § 34 Z 17 StGB) wohl nicht gesprochen werden kann.

Recht besehen überwiegen daher die erschwerenden Umstände bei weitem, wobei zu Lasten des Berufungswerbers vor allem entscheidend ins Gewicht fällt, daß er am Tag seiner Entlassung aus einer längeren Strafhaft sogleich wieder gravierend straffällig wurde. Angesichts der solcherart offenkundigen kriminellen Neigung des Angeklagten, der durch die bisher verhängten (und verbüßten) Strafen ersichtlich nicht wirksam begegnet werden konnte, bedarf es nunmehr einer empfindlichen Sanktion, um den Angeklagten von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten. Diesem Erfordernis entspricht das in erster Instanz gefundene, der Schwere der personalen Täterschuld durchaus angemessene Strafmaß, sodaß dem Begehren um Reduzierung der Strafe nicht nähergetreten werden konnte. Es war sohin insgesamt spruchgemäß zu erkennen.

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