OGH 9ObA4/88

OGH9ObA4/8829.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Helmut Mojescick als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Hermann D***, Direktor in Ruhe, Salzburg, Markus

Sittikusstraße 23, vertreten durch Dr. Peter Raits, Dr. Alfred Ebner, Dr. Harald Lettner, Dr. Walter Aichinger und Dr. Peter Bleiziffer, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei V*** DER Ö*** B*** V***

AG, Wien 2., Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr. Josef Bock, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert S 1,383.822,-) und S 95.248,- sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Oktober 1987, GZ 12 Ra 1058/87-30, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 18. März 1987, GZ 38 Cga 40/87-22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden teilweise abgeändert und teilweise mit der Maßgabe bestätigt, daß sie insgesamt zu lauten haben:

"1. Der zwischen der klagenden Partei und der beklagten Partei im § 12 bis 15 des Dienstvertrages vom 1. Jänner 1963 geschlossene Pensionsvertrag in der zum 1. November 1984 geänderten Fassung besteht aufrecht.

2. Das Zahlungsbegehren der klagenden Partei besteht mit einem Betrag von brutto S 95.248,- samt 4 % Zinsen aus S 31.812,- vom 1. Mai 1986 bis 31. Mai 1986, aus S 63.684,- brutto vom 1. Juni 1986 bis 30. Juni 1986 und aus S 95.248,- brutto seit 1. Juli 1986 zu Recht.

Die Gegenforderung der beklagten Partei besteht bis zur Höhe der Klagsforderung zu Recht.

Das Begehren des Inhalts, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von brutto S 95.248,- samt 4 % Zinsen aus S 31.812,- vom 1. Mai 1986 bis 31. Mai 1986, aus S 63.684,-

brutto vom 1. Juni 1986 bis 30. Juni 1986 und aus S 95.248,- brutto seit 1. Juli 1986 zu zahlen, wird daher abgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 156.288,88 bestimmten Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz (darin S 14.208,09 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, dem Kläger die mit S 15.736,15 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.430,56 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger wurde mit 1. Jänner 1963 zum Leiter der Landesstelle Salzburg der beklagten Partei mit dem Titel Filialleiter ernannt. Eine Tätigkeit bei der Austria Versicherung seit 1947 wurde mit 14 Jahren und 10 Monaten als Vordienstzeit angerechnet. Das Einkommen des Klägers bestand aus einem Monatsfixgehalt, einem am 1. Februar auszuzahlenden Anschaffungsbetrag, einem am 1. April auszuzahlenden Bilanzgeld, einer am 1. Juni auszuzahlenden Urlaubsremuneration, einem am 1. Oktober auszuzahlenden Heizmaterialzuschuß und einer am 1. Dezember auszuzahlenden Weihnachtsremuneration im Ausmaß je eines halben Monatsfixgehaltes, einer Einmalprovision für selbstvermittelte Geschäfte und einer Inkassosteigerungs- und Superprovision. Nach dem Dienstvertrag war diese Inkassosteigerungs- und Superprovision eine Aufwandsentschädigung, die zur Deckung des mit der Stellung des Klägers verbundenen erhöhten Aufwandes dienen sollte. Sie sollte kein Entgelt im Sinn des Angestelltengesetzes sein und bei der Bemessung der Abfertigung außer Betracht bleiben. Der Anspruch auf diese Aufwandsentschädigung sollte mit der Beendigung der Leitung der Landesstelle Salzburg erlöschen. Die während des laufenden Dienstverhältnisses erhaltene Superprovision wurde zur Gänze der Lohnsteuer und der Sozialversicherung unterworfen. Nach den §§ 12 ff des Dienstvertrages wurde dem Kläger ein Ruhegenuß zuerkannt. Die Höhe dieses Ruhegenusses, welcher ebenso wie die Aktivbezüge vierzehneinhalbmal jährlich gezahlt wird, richtet sich einerseits nach dem Dienstalter und andererseits nach dem Monatsfixgehalt. Daneben sah der Dienstvertrag auch - hier nicht entscheidungswesentliche - Hinterbliebenenleistungen vor. § 15 des Dienstvertrages hat folgenden Wortlaut: "Sie nehmen zur Kenntnis, daß jede mit dem Versicherungsgewerbe in Beziehung stehende Beschäftigung sowie Betätigungen, die das Interesse oder das Ansehen der Anstalt schädigen, Ihnen sowohl während des aktiven Dienstverhältnisses wie auch im Ruhestand verboten sind. Zuwiderhandeln gegen obige Bestimmung während des Bestehens des Dienstverhältnisses berechtigt die Anstalt, das Übereinkommen gemäß § 27 AngG aufzulösen; ein Zuwiderhandeln im Ruhestand bringt ihre Pensionsansprüche bzw. die Pensionsanwartschaft Ihrer Angehörigen zum Erlöschen."

Mit Schreiben vom 7. März 1983 stellte der Kläger wegen seines schlechten Gesundheitszustandes einen Antrag auf einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses zum 30. Juni 1983. Dieser Antrag wurde mit Schreiben der beklagten Partei vom 18. Mai 1983 genehmigt, und der Kläger schied mit 30. Juni 1983 aus dem Unternehmen der beklagten Partei aus. Er hatte einen Anspruch auf Ruhegenuß in der Höhe von 70 % des monatlichen Fixgehaltes erworben. Dieser Ruhegenuß war vertragsgemäß nach dem Gehaltsschema für Prokuristen zu ermitteln. Auf Grund einer Vereinbarung mit dem damaligen Vorstandsdirektor der beklagten Partei Dr. R*** wurde der Berechnung des Ruhegenusses das Gehaltsschema für Direktoren (S 43.817,-) zugrunde gelegt. Bei seinem Ausscheiden im Jahr 1983 wurde dem Kläger die Abfertigung vertragsgemäß berechnet; er erhielt einen Betrag von S 520.950,- brutto im Nettobetrag ausgezahlt. Der Kläger beabsichtigte, von der beklagten Partei die Einbeziehung der Superprovision in die Abfertigungsbemessungsgrundlage zu fordern und allenfalls den Rechtsweg zu beschreiten. Er besprach diese Sache sowohl mit dem Personalchef der beklagten Partei, Mag. K***, wie auch mit Generaldirektor Dr. R***; diese Frage war auch Gegenstand von Gesprächen zwischen dem Personalchef und Dr. R***. Mag. K*** vertrat die Auffassung, daß die Einbeziehung der Superprovision in die Abfertigungsbemessungsgrundlage laut Dienstvertrag ausgeschlossen und dies auch durch das Gesetz gedeckt sei. Im Vorstand der beklagten Partei wurde dieser Sachverhalt ebenfalls erörtert. Die beklagte Partei hatte bereits im Jahr 1966 ein Rechtsgutachten eingeholt, das ihren Standpunkt bekräftigte. Dr. R*** erklärte gegenüber Mag. K***, daß die beklagte Partei bei ihrem bisherigen Rechtsstandpunkt (Nichteinbeziehung der Superprovision bei der Abfertigung) verbleibe; dies gab der Personalchef auch dem Kläger bekannt. Die ausscheidenden Landesdirektoren erhielten die Abfertigung vertragsgemäß nur auf der Basis des Grundgehaltes, nicht jedoch für die Superprovision. Es bestanden Bestrebungen, auf dem Rechtsweg die Abfertigung für die Superprovision zu erzwingen. In diesem Fall hätte der Kläger für die Prozeßkosten die Unterstützung der anderen Landesdirektoren erhalten. Hätte er diesen Prozeß gewonnen, so hätte die beklagte Partei mehrere Millionen Schilling zahlen müssen. Der Prozeß hätte Beispielsfolgen für alle Landesdirektoren gehabt. Gen.Dir. Dr. R*** wollte wegen der drohenden Klage des Klägers keinen Präzedenzfall schaffen, weil er über den Ausgang des Prozesses unsicher war. Er sagte dem Kläger zu, daß er die begehrte Abfertigung für die Superprovision erhalte, und besprach mit dem Kläger auch die Modalitäten der Abwicklung. Dabei teilte er dem Kläger mit, er solle eine Rechnung schicken und sein Konto bekannt geben; der Betrag würde als fingierter Schadensbetrag auf dieses Konto überwiesen werden. Dr. R*** wollte die Einigung mit dem Kläger nicht "an die große Glocke hängen." Dem Vorstand der beklagten Partei war bekannt, daß der Kläger einen der Abfertigung äquivalenten Betrag ausgezahlt bekommen werde. Es steht nicht fest, daß die anderen Vorstandsmitglieder von dem gewählten Abwicklungsvorgang Kenntnis hatten. Gegenüber dem Personalchef Mag. K*** erklärte Dr. R*** anläßlich der einvernehmlichen Beendigung des Dienstverhältnisses, daß die beklagte Partei bei ihrem Rechtsstandpunkt bleibe und er den Abfertigungsanspruch des Klägers ablehnen solle. Auf Grund der internen Vereinbarung zwischen Dr. R*** und dem Kläger übermittelte dieser in der Folge das Schreiben vom 6. Oktober 1983, in welchem er sein Konto sowie die Polizzennummer der Haushalts- und Eigenheimbündelversicherung bekanntgab und Rechnungen der Firmen D*** vom 22. August 1983 sowie S*** vom 27. Juni 1983 über die Beträge von S 866.570,96 und S 99.396,64 vorlegte. Dr. R*** ließ bei der beklagten Partei einen Schadensakt zur Polizzennummer 1.336/003242-2 (Eigenheimbündelversicherung) anlegen. Der Schadensakt wurde als Akt Feuer-Zivil geführt. Über Anweisungsverfügung Gen.Dir. Dr. R*** erfolgte am 19. Dezember 1983 die Überweisung eines Betrages von S 760.000,- auf das Konto des Klägers. Auf dem Überweisungsbeleg war als Zahlungszweck "Schaden" vermerkt. Weiters waren die Schadensnummer und die Polizzennummer angeführt. Der überwiesene Betrag entsprach dem Differenzbetrag, der sich als zusätzlicher Abfertigungsbetrag bei Einbeziehung der Superprovision in die Abfertigungsbemessungsgrundlage ergeben hätte. Im Zug der Erhebungen gegen Gen.Dir. Dr. R*** wurde anläßlich einer Innenrevision festgestellt, daß der Kläger über einen fingierten Schadensfall einen Betrag von S 760.000,- erhalten hatte. Gegen den Kläger und den früheren Gen.Dir. Dr. R*** ist in dieser Sache ein Strafverfahren anhängig. Die beklagte Partei richtete am 16. April 1986 ein Schreiben nachstehenden Inhalts an den Kläger:

"Im Zusammenhang mit den Malversationen des früheren Gen.Dir. Dr. Kurt R*** haben wir festgestellt, daß Sie aus fingierten Schadensfällen am 21. Dezember 1983 einen Betrag von S 760.000,- auf Ihr Konto Nr. 294.871-5 der Salzburger Landeshypothekenbank PSK

4.108.898 erhalten haben. Wir nehmen dies zum Anlaß, Ihren in Geltung stehenden Pensionsvertrag mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grund fristlos zu lösen. Gleichzeitig fordern wir Sie auf, den Ihnen am 21. Dezember 1983 zugeflossenen Betrag in der Höhe von S 760.000,- zuzüglich 8 % Zinsen innerhalb von 8 Tagen mittels beiliegenden Erlagscheines an uns zu überweisen." Die mit 1. Mai 1986 fällige Pensionszahlung im Betrag von S 31.812,- für Mai 1986 sowie die weiteren Pensionszahlungen hat der Kläger von der beklagten Partei nicht mehr erhalten. Eine Geschäftsordnung des Vorstandes der Beklagten gab es während der Generaldirektorentätigkeit Dr. R*** nicht. Sämtliche Personalentscheidungen hat der Personalchef der beklagten Partei direkt vom Gen.Dir. Dr. R*** erhalten. Wäre der Personalchef der beklagten Partei von Gen.Dir. Dr. R*** beauftragt worden, die Abfertigung für die Superprovision an den Kläger auszuzahlen, hätte er diese Anordnung durchgeführt, ohne zu fragen, ob diesbezüglich ein Vorstandbeschluß vorliege. Für den Anspruch des Klägers auf Einbeziehung der Superprovision in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung wäre nach der internen Bereichsverteilung des Vorstandes zum damaligen Zeitpunkt Gen.Dir. Dr. R*** und das Vorstandsmitglied Dr. D*** zuständig gewesen. Der Vertrag des Klägers war von Dr. D*** und Dr. R*** unterschrieben worden. Usancenmäßig hätte Gen.Dir. Dr. R*** eine gehaltsrechtliche Frage, die über den Dienstvertrag hinausreicht im Vorstand behandeln sollen. Er war aber befugt, die Sache selbst zu entscheiden.

Der Kläger begehrt die Feststellung des aufrechten Bestandes des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Pensionsvertrages gemäß §§ 12 bis 15 des Dienstvertrages vom 1. Jänner 1963 sowie die Pensionszahlungen für die Monate Mai, Juni und Juli 1986. Die beklagte Partei sei nicht berechtigt gewesen, den Pensionsvertrag fristlos aufzulösen und es liege auch kein Grund hierfür vor. Die sogenannte Superprovision sei in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung einzubeziehen gewesen, da es sich hiebei um einen unabdingbaren gesetzlichen Anspruch handle. Der Kläger habe daher von Gen.Dir. Dr. R*** die Einbeziehung der Superprovisionen in die Abfertigung verlangt. Dr. R*** habe ihm mitgeteilt, daß er mit der Problematik vertraut sei und mit der Einbeziehung der Superprovisionen an die Abfertigung einverstanden sei. Er müsse jedoch dieses Thema vorerst im Vorstand behandeln, da die Textierung des Dienstvertrages anders laute. Nach mehrmaligen Interventionen bei Dr. R***, zuletzt unter Klagsandrohung, sei dem Kläger schließlich im November 1983 die definitive Zusage erteilt worden, daß mit der Auszahlung der restlichen Abfertigung, in welcher die Superprovision berücksichtigt sein würde, in den nächsten Tagen zu rechnen sei. Von der Abwicklungsform habe der Kläger keine Kenntnis gehabt. Er habe ein vorwerfbares Verhalten nicht gesetzt. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung der Klage. Bei der Superprovision handle es sich um eine Aufwandsentschädigung. Diese sei kein Entgelt im Sinn des Angestelltengesetzes und habe daher bei der Bemessung der Abfertigung außer Betracht zu bleiben. Der frühere Gen.Dir. Dr. R*** habe unter Fingierung eines Schadensfalles dem Kläger schließlich S 760.000,- zur Anweisung gebracht. Der Kläger habe an dieser strafbaren Handlung Dr. R*** mitgewirkt, um in den Besitz des Betrages von S 760.000,- zu kommen. Eine Zustimmung des kollektivzeichnungsberechtigten Vorstandes, diesen Betrag oder eine zusätzliche Abfertigung auszuzahlen, sei nicht vorgelegen. Auf Grund der Mitwirkung des Klägers an einer strafbaren Handlung habe die beklagte Partei zu Recht die fristlose Auflösung des Pensionsvertrages aus wichtigem Grund erklärt. Da der Kläger den Betrag von S 760.000,- nicht zurücküberwiesen habe, werde aus dem Titel des Schadenersatzes diese Forderung bis zur Höhe der Klagsforderung aufrechnungsweise eingewendet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Ein Pensionsvertrag sei ein Dauerschuldverhältnis, das aus wichtigen Gründen jederzeit gelöst werden könne. Solche wichtige Gründe müßten die dem Vertrag zugrundeliegende Vertrauensbasis betreffen. Handlungen, die die Kriterien der Vertrauensunwürdigkeit erfüllten, seien ein Auflösungstatbestand. Es komme nicht darauf an, ob der Kläger ein Recht auf die Einbeziehung der Superprovisionen in die Abfertigungsbemessungsgrundlage gehabt habe. Es wäre ihm jedenfalls freigestanden, eine Klage gegen die beklagte Partei einzubringen. Zu beurteilen sei, ob das Verhalten des Klägers geeignet sei, eine Vertrauensunwürdigkeit zu begründen. Dabei sei darauf Bedacht zu nehmen, daß das Verhalten des Klägers auf Grund seiner leitenden Stellung bei der beklagten Partei während seines Dienstverhältnisses nach strengeren Gesichtspunkten zu beurteilen sei als das eines durchschnittlichen Angestellten, da er ja im Hinblick auf seinen Sondervertrag auch größere Vorteile als andere Angestellte eingeräumt erhalten habe. Ausgehend von diesen Kriterien müßte das Verhalten des Klägers als vertrauensunwürdig gewertet werden. Diese Vertrauensunwürdigkeit sei so schwerwiegend, daß die beklagte Partei berechtigt gewesen sei, den Pensionsvertrag zu lösen. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Bereits aus § 15 des zwischen den Parteien abgeschlossenen Dienstvertrages vom 7. Jänner 1963 ergebe sich, daß Betätigungen, die das Interesse oder das Ansehen der Anstalt schädigen, auch im Ruhestand verboten seien und bei Zuwiderhandeln der Pensionsanspruch erlösche, wobei auf die Bestimmung des § 27 AngG verwiesen werde. Diese Bestimmung könne nur so ausgelegt werden, daß bereits bei Vorliegen eines Verhaltens des Dienstnehmers, welches im aktiven Dienstverhältnis einen Entlassungsgrund nach § 27 AngG bilden würde, der ehemalige Dienstgeber zur Einstellung des Pensionsbezuges berechtigt sei. Die sonst für die berechtigte Einstellung einer Betriebspension notwendigen schwerwiegenden Verstöße gegen Treu und Glauben seien hier vertraglich darauf eingeschränkt, daß auch Gründe, deren Gewicht einem Entlassungsgrund entsprechen, ausreichten, um den Pensionsbezug zum Erlöschen zu bringen. Das Verhalten des Klägers habe das Interesse und das Ansehen der Beklagten als Versicherungsanstalt in ganz gröblicher Weise geschädigt. Unabhängig davon, ob den Vorstandsmitgliedern der beklagten Partei bekannt gewesen sei, daß an den Kläger ein weiterer Betrag von S 760.000,- als eine der Abfertigung äquivalente Summe zur Auszahlung gelangen werde, unabhängig davon, ob der frühere Gen.Dir. Dr. R*** oder auch noch ein anderes Vorstandsmitglied vom Abwicklungsmodus gewußt habe, stehe fest, daß der Kläger gewußt habe, daß nach der bisher von der beklagten Partei geübten Praxis, gestützt auf ein Rechtsgutachten aus dem Jahr 1966, die Abfertigung unter Einbeziehung der Superprovision nicht geleistet worden sei. Diese Regelung sei ausdrücklich im Dienstvertrag aufgenommen worden. Dem Kläger sei bekannt gewesen, daß die beklagte Partei den bisher vertretenen Rechtsstandpunkt beibehalten werde. Auch wenn Gen.Dir. Dr. R*** dabei mitgewirkt habe, sei es ein besonderes pflichtwidriges und gegen Treu und Glauben verstoßendes Verhalten des Klägers, der immerhin in leitender Position bei der beklagten Partei tätig gewesen sei und dessen pflichtgemäßes Verhalten daher unter einem noch strengeren Blickwinkel zu beurteilen sei, wenn er auf eine derartige Verschleierungstaktik eingegangen sei und an dieser auch noch durch Übersendung von Rechnungen zur Fingierung des Schadensfalles mitgewirkt habe. Eine derartige Regelung des Abfertigungsanspruchs sei als im besonderen Maß vertrauensunwürdig und dem Ansehen der beklagten Partei schädigend zu beurteilen und berechtige die beklagte Partei, die Pensionszahlungen einzustellen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist teilweise berechtigt.

Gerügt werden ausschließlich Feststellungsmängel, welchen jedoch entscheidende Bedeutung nicht zukommt.

Ausgehend vom Entgeltcharakter der Betriebspension halten Schwarz-Holzer (Die Treuepflicht des Arbeitnehmers und ihre künftige Gestaltung, 115) den Ruhegeldempfänger bloß für einen Gläubiger einer Geldforderung, "den man wohl kaum mit Rücksichtspflichten über den von den guten Sitten gesteckten Rahmen hinaus belasten kann." Er unterscheide sich darin in nichts von anderen ehemaligen Arbeitnehmern, deren Treuepflichten gleichermaßen mit dem Ende des Arbeitsverhältnisses entfallen. Selbst ein Verstoß gegen die guten Sitten brächten dem Arbeitgeber lediglich einen Schadenersatzanspruch. Das längst verdiente Ruhegeld könnte er dem Ruheständler nicht mehr entziehen. Binder (Das Zusammenspiel arbeits- und sozialrechtlicher Leistungsansprüche 368 ff) argumentiert ähnlich. Obwohl er nachvertraglichen Interessenwahrungspflichten nicht so ablehnend gegenübersteht wie Schwarz-Holzer (Binder aaO, 156 ff) sieht auch er keine "besonderen nachwirkenden Treuepflichten" des Betriebspensionärs. Der bereits erarbeitete Ruhegenuß bleibe ihm daher erhalten. Für den Arbeitgeber komme nur die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruches in Betracht.

Ein Anspruch auf Betriebspension bedarf stets einer besonderen Vereinbarung, wonach der Arbeitgeber als Gegenleistung für die von seinem Mitarbeiter - je nach dem Zeitpunkt der Pensionszusage - bereits erbrachte oder noch zu erbringende Betriebstreue diesem gegenüber zur Zahlung betrieblichen Ruhegeldes verpflichtet ist. Nach Petrovic in Runggaldier/Steindl (Hrsg), Handbuch der betrieblichen Altersversorgung, 311 ff, insb 318 ff mwN ist die Rentenleistung - ungeachtet einer je nach Lage der Dinge mehr oder weniger stark hervortretenden Fürsorgekomponente - Entgelt dafür, daß sich der Arbeitnehmer während seines ganzen oder eines erheblichen Teiles seines Berufslebens in die Dienste dieses Arbeitgebers gestellt habe. Daran ändere auch die Zielsetzung, den Ausgeschiedenen zu versorgen, nichts. Der von Lehre und Judikatur umfassend interpretierte arbeitsrechtliche Entgeltbegriff erstrecke sich unabhängig von dem Motiv der Zuwendung schlechthin auf jede Leistung, die der Empfänger durch die Zurverfügungstellung seiner Arbeitskraft veranlasse und an der er - im Unterschied zum Aufwandsersatz - ein selbständiges Leistungsinteresse habe. Die Betonung des Versorgungszweckes mache die Betriebspension somit zu keiner fürsorglichen Gabe. Auf Seiten des Pensionspflichtigen dominiere nicht das Gefühl sozialer Verantwortlichkeit dem einstigen Arbeitnehmer gegenüber, sondern die Absicht, die von ihm in der Vergangenheit bewiesene Betriebstreue zu entgelten. Diese Form der Arbeitnehmerloyalität sei nicht identisch mit dienstlicher Treue, setze sie aber in bestimmtem Maß voraus. Im Ergebnis unterliege der Ruheständler - wie jeder ehemaliger Arbeitnehmer - lediglich den aus dem Arbeitsverhältnis (in abgeschwächter Form) nachwirkenden Treuepflichten und habe bei Zuwiderhandeln gleichfalls "nur" mit einem Unterlassungsanspruch bzw. - Verschulden vorausgesetzt - einem gegen die Ruhegeldforderung aufrechenbaren (§ 1438 ABGB) Schadenersatzanspruch zu rechnen. Der Entzug schon "erdienter" pensionsvertraglicher Rechte sei ausgeschlossen.

Da aus diesen in der Lehre zutreffend dargelegten Gründen eine einseitige Einstellung der Betriebspension selbst bei einem Treueverstoß des damaligen Arbeitnehmers ohne besondere Vereinbarung nicht in Frage kommt, bleibt zu prüfen, ob § 15 des Dienstvertrages eine taugliche Grundlage für den von der beklagten Partei vertretenen Standpunkt bilden kann. Der Wortlaut des § 15 des Dienstvertrages schließt eine Zuordnung des Verhaltens des Klägers unter diese Bestimmung nicht aus, da unter "Betätigung" nicht nur ein Dauerverhalten auf längere Zeit, wie etwa eine Berufsausübung, verstanden werden kann, sondern auch einmalige Handlungen darunter subsumiert werden können. Die Revision führt hiezu aus, eine bloße Wortauslegung reiche nicht aus; es wäre erforderlich gewesen, den Willen der Vertragsteile zu erforschen. Dabei hätte sich ergeben, daß § 15 des Dienstvertrages im Sinn einer Erweiterung einer Konkurrenzklausel vereinbart worden sei.

Ein Eingehen auf diese Frage ist jedoch entbehrlich, weil in keinem Fall das vom Berufungsgericht an der Vereinbarung gewonnene Ergebnis nicht abgeleitet werden könnte.

Die Parteien einer Pensionsversicherung haben die Möglichkeit, eine sogenannte "Treuepflichtklausel" in das Vertragswerk aufzunehmen. Dabei handelt es sich um einen Leistungsausschlußtatbestand, der die den betrieblichen oder geschäftlichen Interessen des ehemaligen Dienstgebers zuwiderlaufenden Verhaltensweisen des Rentners umschreibt, die den Dienstgeber zur Kündigung, zum Widerruf (Entzug bzw. Einstellung) der laufenden Zahlungen berechtigen. Dabei dürfen die Treueanforderungen an den Pensionär keineswegs überspannt werden. Insbesondere muß ein Vergehen, das bei aufrechtem Arbeitsverhältnis zur Entlassung führen würde, nicht schon den Entzug des Ruhegeldes rechtfertigen. Mit Rücksicht auf die besonders schutzwürdige Position des Ruheständlers - der ja bereits vorgeleistet hat und nun seinem Partner gleichsam ausgeliefert ist - erweist sich der Rentenvertrag im Vergleich zum Arbeitsvertrag als die weitaus standfestere Rechtsbeziehung. Sanktionsfähig sind daher nur grobe Treueverstösse, d. h. Aktivitäten, die vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig ohne berechtigtes Eigeninteresse vorgenommen wurden und dem Arbeitgeber nach Lage der Dinge derart erheblichen Schaden zugefügt haben, daß es für ihn unter objektiven Gesichtspunkten unzumutbar ist, noch länger am Vertrag festzuhalten (Petrovic aaO 326 ff).

Im vorliegenden Fall steht fest, daß der Kläger den von ihm unter dem Titel einer Abfertigungsdifferenz begehrten Betrag nicht auf reguläre Weise erhielt. Im Hinblick auf den gewählten Abwicklungsmodus mußte ihm klar sein, daß er sich an Malversationen beteiligte, die zum Nachteil der beklagten Partei unternommen wurden, zumal ihm der Rechtsstandpunkt der beklagten Partei, daß die von ihm erhobene Forderung nicht berechtigt sei, durch die Mitteilungen Mag. K*** bekannt war. Wohl erklärte ihm Gen.Dir. Dr. R***, daß seine Forderung anerkannt werde, doch war aus der vereinbarten Abwicklung die Rechtswidrigkeit dieses Vorgehens Dr. R*** klar erkennbar. Auch der Generaldirektor war nicht bereit, die Forderung des Klägers unter dem geltend gemachten Rechtsgrund zu erfüllen. Es fehlt daher auch die Grundlage für die Annahme eines konstitutiven Anerkenntnisses. Wenn auch Dr. R*** zufolge seiner Stellung im Unternehmen der beklagten Partei die Möglichkeit gehabt hätte, im Rahmen einer entsprechenden Weisung die reguläre Auszahlung an den Kläger zu veranlassen, hat er diesen Weg nicht gewählt. Das Verhalten des Klägers ist zweifellos ein grober Verstoß gegen die Interessen und das Ansehen der beklagten Partei. Er hat auf diese Weise erreicht, daß ihm eine Forderung, die die beklagte Partei unter dem geltend gemachten Rechtsgrund nicht zu zahlen bereit war, unter Vorgabe eines angeblichen Versicherungsschadens erfüllt wurde. Wenn ihm auf diese Weise auch nur das zukam, was ihm möglicherweise unter einem anderen Rechtsgrund zugestanden wäre, ändert dies nichts an der Rechtswidrigkeit seines Verhaltens. Wie bereits ausgeführt, ist allerdings bei der Auslegung von Treuepflichtklauseln ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, daß der Kläger eine zumindest vertretbare Forderung erhoben hatte, daß er bereit war, diese gegen die beklagte Partei notfalls klageweise geltend zu machen und die Initiative zur Abwicklung in der letztlich realisierten Weise von dem seine Forderung schließlich grundsätzlich anerkennenden Generaldirektor des Unternehmens ausging. Wenn auch in der Vorgangsweise des Klägers ein schwerer Verstoß gegen die Interessen und das Ansehen der beklagten Partei gelegen ist, so wiegt dieser im Hinblick auf diese Umstände doch noch nicht so schwer, daß er im Sinn der obigen Ausführungen geeignet wäre, einen Widerruf des Pensionsvertrages zu rechtfertigen. Die Wirksamkeit des Pensionsvertrages konnte daher durch eine einseitige Erklärung der beklagten Partei nicht beseitigt werden, sodaß das Feststellungsbegehren des Klägers zu Recht besteht. Damit kommt auch dem der Höhe nach unbestrittenen Zahlungsbegehren des Klägers Berechtigung zu. Gegen dieses Begehren hat die beklagte Partei bis zur Höhe der Klagsforderung eine auf den Rechtsgrund des Schadenersatzes gegründete Gegenforderung eingewendet; der Kläger habe den Betrag von S 760.000,- zu Unrecht erhalten und sei zur Rückzahlung verpflichtet.

Diese Gegenforderung ist berechtigt. Dem Kläger ist durch die Abwicklung eines fingierten Schadens ein Betrag von S 760.000,-

zugekommen. Er ist daher zur Rückzahlung dieses, unter dem geltend gemachten Titel nicht zu Recht bezogenen Betrages verpflichtet. Eine auf den Rechtsgrund des Abfertigungsanspruches gegründete Gegenforderung gegen die von der beklagten Partei eingewendete Gegenforderung hat der Kläger nicht eingewendet. Im übrigen stünde einer solchen Einwendung das Kompensationsverbot des § 1440 ABGB entgegen. Der Kläger hat unter Vorgabe eines tatsächlich nicht eingetretenen Schadensfalles der beklagten Partei den Betrag von S 760.000,- listig entzogen. Listig entzogene Sachen sind jedoch nach der zitierten Gesetzesstelle kein Gegenstand der Kompensation. Dem Anspruch auf Rückstellung listig entzogener Sachen (auch Geld) kann die Aufrechnung auch dann nicht entgegengesetzt werden, wenn die Sachen in Selbsthilfe zur Befriedigung eines eigenen Anspruches herausgelockt wurden (SZ 11/150). Zu Recht hat daher die beklagte Partei die geltend gemachte Pensionszahlung gegen den Rückzahlungsanspruch des Klägers aufgerechnet, sodaß das Zahlungsbegehren des Klägers letztlich nicht berechtigt ist. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 43 Abs 2, hinsichtlich des Rechtsmittelverfahrens überdies auf § 50 ZPO. Im Hinblick auf das Verhältnis des Obsiegens und des Unterliegens besteht ein Kostenersatzanspruch des Klägers im Ausmaß von 86 % der gesamten Prozeßkosten. Gemäß § 16 Z 1 lit a GGG beträgt die Bemessungsgrundlage für Gerichtsgebühren bei Streitigkeiten über Dienstbarkeiten der Wohnung und über das Ausgedinge sowie arbeitsrechtliche Streitigkeiten, soweit in diesen Fällen nicht ein Geldbetrag verlangt wird, S 6.000,-. Gemäß TP 1 Anm. 8 sind Verfahren vor in Arbeitsrechtssachen bei einem Wert des Streitgegenstandes bis S 6.000,- gebührenfrei. Der Gebührenpflicht unterlag daher nur das Zahlungsbegehren des Klägers. In diesem Umfang ist der Kläger jedoch unterlegen, sodaß Gerichtsgebühren nicht zuzuerkennen waren.

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