Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Antrag der Klägerin, den Beklagten den Ersatz der Kosten der Revisionsbeantwortung aufzuerlegen, wird abgewiesen.
Text
Begründung
Die Klägerin wurde am 19. August 1983 bei einem vom Erstbeklagten verschuldeten Unfall schwer verletzt. Sie begehrte unter anderem die Feststellung der Haftung der Beklagten für ihre künftigen Schäden und unter Berücksichtigung einer Teilzahlung von S 350.000,- - S 1,200.000,- ausgehend - ein restliches Schmerzengeld von S 850.000,-.
Die Beklagten wendeten hinsichtlich des Schmerzengeldes ein Mitverschulden der Klägerin von einem Viertel ein und gestanden der Höhe nach ein solches von (ungekürzt) S 700.000,- zu. Im übrigen beantragten sie die Abweisung des über ihr Anerkenntnis hinausgehenden Klagebegehrens.
Das Erstgericht gab mit Teilurteil dem Feststellungsbegehren statt und sprach der Klägerin ein (restliches) Schmerzengeld von S 850.000,- zu. Es traf nachstehende, für das Revisionsverfahren relevante Feststellungen:
Die Klägerin erlitt eine schwere Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule mit einer "Subluxation C5/C6" und einer Kompressionsfraktur des 5. Halswirbelkörpers sowie eine Zerreißung der benachbarten Bandscheiben mit einer irreversiblen traumatischen Läsion des Rückenmarks. Wesentliche Folge dieser Verletzung ist eine komplette Querschnittläsion "ab Höhe C5" mit einer spastischen Tetraparese, einer neurogenen Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung sowie einer weitgehenden Sensibilitätsstörung für alle Qualitäten. Sie wurde operiert und war anschließend mehrere Monate im Rehabilitationszentrum Bad Häring in Behandlung. Während im körpernahen Bereich der Arme eine geringe Motorik wiedererlangt werden konnte, blieben die körperfernen Abschnitte der Arme und auch der Beine motorisch stumm. Die Klägerin ist für immer an den Rollstuhl gebunden und benötigt ständig fremde Hilfe für die täglichen Verrichtungen. Eine berufliche Eingliederung ist nicht möglich. Als besonders belastend ist neben der spastischen Tetraparese und der Sensibilitätsstörung die Blasen- und Mastdarmentleerungsstörung anzusehen, die zu schweren pflegerischen Belastungen führt.
Die Klägerin erlitt durch den Unfall 3 Monate starke Schmerzen, 2 Monate mittelstarke und 3 Monate leichte Schmerzen. Sie wird ihr Leben lang an vegetativem Schmerz leiden, der sich indirekt als Schmerz zeigt und auch indirekt als Schmerz empfunden wird. Dieser wird von wechselnder Intensität sein, und zwar größer bei Blasenentzündungen oder anderen Komplikationen, sonst auch geringer. Bei der Klägerin liegt ein irreversible Rückenmarksschädigung in Höhe des mittleren Halsmarks vor, die eine 100 %ige Invalidität verursacht. An dieser Invalidität wird sich in Zukunft nichts ändern. Ein normales Sexualleben ist für die Klägerin nicht möglich. Darüber hinaus hat sie unter Umständen mit einer verringerten Lebenserwartung zu rechnen. Sie leidet an schwersten psychischen Belastungen, die sich in einer ständigen seelischen Irretation zeigen.
Rechtlich erachtete das Erstgericht die Mitverschuldenseinwände der Beklagten als unbegründet, hielt ein Schmerzengeld von S 1,2 Mio für angemessen, und sprach der Klägerin unter Berücksichtigung der oben dargestellten Teilzahlung den Betrag von S 850.000,- s.A. zu. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten, die eine Herabsetzung des Schmerzengeldes um S 300.000,- anstrebten, nicht Folge und sprach aus, daß die Revision - da der Streitwert S 300.000,- nicht übersteigt (siehe § 502 Abs 4 Z 2 ZPO) - zulässig sei, weil die Frage der "aktuellen Höchstgrenze" eines Schmerzengeldzuspruches zur Wahrung der Rechtssicherheit von erheblicher Bedeutung sei. Das Gericht zweiter Instanz verneinte die von den Beklagten behauptete Mangelhaftigkeit des erstgerichtlichen Verfahrens und erachtete die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens nicht für erforderlich. Im übrigen vertrat es die Auffassung, daß die übliche Höchstgrenze des Schmerzengeldes von S 1 Mio für Schmerzen der vorliegenden qualvollen Art nicht ausreiche, weshalb von dem Globalbetrag von S 1,200.000,- auszugehen sei.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß der Klägerin um S 300.000,- weniger, nämlich nur S 550.000,- s.A. zugesprochen werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Gemäß § 508 a Abs 1 ZPO ist das Revisionsgericht bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an einen Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 3 ZPO nicht gebunden. Nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ist die Revision, wenn sie nicht schon nach § 502 Abs 2 und 3 ZPO unzulässig ist, nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Von einer erheblichen Rechtsfrage des materiellen Rechts kann nicht gesprochen werden, wenn für die Bemessung des Schmerzengeldes die besonderen Umstände des Einzelfalles als einer von vielen möglichen Fallgestaltungen den Ausschlag geben. Zwar könnte zur Wahrung der Rechtseinheit auch eine Schmerzengeldbemessung revisibel sein, die von einer in ständiger Rechtsprechung anerkannten Ermessensübung extrem abweicht. Die bloßen Umstände des Einzelfalles dagegen sind nicht maßgebend (2 Ob 15/87; vgl. auch 2 Ob 1004/84 u.a.).
Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, kann der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß die mit den oben dargestellten qualvollen Schmerzen verbundene Querschnittlähmung der Klägerin mit all ihren Folgen körperlicher und psychischer Art die Ausmessung eines besonders hohen Schmerzengeldes gebiete, die Berechtigung nicht abgesprochen werden. Wie das Gericht zweiter Instanz richtig darstellt, kennt das ABGB keine Höchstgrenze für Schmerzengeld; im Gegensatz zu dessen weiterer Auffassung kann es aber logischerweise auch keine "derzeit aktuelle Höchstgrenze" des Schmerzengeldes geben. Bei der Beurteilung des der Klägerin zustehenden Schmerzengeldes handelt es sich im wesentlichen Belang vielmehr um die Berücksichtigung aller für die richtige Ausmessung desselben maßgeblichen Umstände des Einzelfalles, auf die aber nach der oben dargestellten Judikatur nur dann unter dem Gesichtspunkt einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 Z 4 ZPO Bedacht zu nehmen ist, wenn die Schmerzengeldbemessung von einer in ständiger Rechtsprechung anerkannten Ermessensübung "extrem" abweicht. Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht die Rede sein. Die Revision war somit als unzulässig zurückzuweisen. Die Kosten der Revisionsbeantwortung waren der Klägerin nicht zuzuerkennen, weil sie auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen hat.
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