OGH 7Ob597/88

OGH7Ob597/8816.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Aurelia M***, Pensionistin, Hagenbrunn, Kirchenweg 3, vertreten durch Dr. Heinz Wechsler, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Karl M*** jun., Gastwirt, Wien 21., Stammersdorfer Straße 20, vertreten durch Dr. Peter Pewny, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung (Streitwert 320.000 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 16. Februar 1988, GZ 11 R 279/87-41, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg vom 7. September 1987, GZ 15 Cg 75/86-36, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 10.766,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 978,75 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Karl M*** sen. ist am 15.1.1985 verstorben. Zu seinem Nachlaß haben die Klägerin aufgrund eines schriftlichen Testamentes vom 20.11.1984 zur Hälfte und der Beklagte, der Sohn des Verstorbenen, aufgrund des Gesetzes zur Gänze eine Erbserklärung abgegeben. Beide Erbserklärungen wurden vom Verlassenschaftsgericht angenommen und für den Erbrechtsstreit der klagenden Partei die Klägerrolle zugeteilt.

Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß das schriftliche Testament vom 20.11.1984, in dem sie und der Beklagte je zur Hälfte als Erben eingesetzt wurden, gültig sei und ihr aufgrund dieses Testamentes das Erbrecht zum Nachlaß des Karl M*** sen. gemäß den Bestimmungen des Testamentes zustehe (ein Eventualbegehren ist nicht von Bedeutung).

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren stattgegeben. Es stellte fest, daß der Erblasser in nüchternem Zustand und im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte am 20.11.1984 gegenüber Oskar K***, Herta S*** und einer weiteren unbekannten Frau erklärte, ein Testament errichten zu wollen, in dem die Klägerin zur Erbin eingesetzt werden solle. Sein Sohn solle nichts bekommen. Diesen seinen Willen änderte der Kläger noch vor Abfassung des Testamentes dahin, daß die Klägerin und der Beklagte je zur Hälfte als Erben eingesetzt werden sollten. Über Diktat des Erblassers verfertigte hierauf Herta S*** mit einer Schreibmaschine ein Testament des Inhaltes:

"Mein Testament!

Ich Karl M*** möchte betonen, daß ich nicht betrunken und bei geistiger Frische bin. Ich vererbe mein gesamtes Hab und Gut zu gleichen Teilen meiner Schwägerin Aurelia M*** und meinem Sohn Karl M***. Begründung (!!): Da ich die Hilfe meiner Schwägerin und dessen Familie immer hatte, wogegen sich mein Sohn fast nicht um mich gekümmert hat, fühle ich mich dazu verpflichtet, meinen Dank durch die Hälfte meines gesamten Eigentums abzustatten."

Dieses Testament wurde von den drei oben erwähnten Personen unterfertigt, wobei sich alle drei bewußt waren, daß sie als Testamentszeugen fungieren. Ihnen war auch der Inhalt des Testamentes bekannt.

Das Testament konnte nach dem Tod des Erblassers nicht mehr aufgefunden werden, doch nahm das Erstgericht als erwiesen an, daß es gegen den Willen des Erblassers verlorengegangen ist. In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht bezüglich des Testamentes vom 20.11.1984 die Formvorschriften des § 579 ABGB als erfüllt. Da dieses Testament nach dem Tod des Erblassers nicht aufgefunden worden sei, treffe denjenigen, der sich darauf berufe, die Beweislast, daß das Testament nur zufällig und ohne Kenntnis des Erblassers in Verlust geraten sei. Diesen Beweis habe die Klägerin erbracht.

Das Berufungsgericht übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und billigte auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wobei es aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.000 S übersteigt. Es änderte die erstgerichtliche Entscheidung jedoch dahin ab, daß es aussprach, dem Beklagten stehe das von ihm in Anspruch genommene gesetzliche Erbrecht zum gesamten Nachlaß des Karl M*** sen. nicht zu. Das Mehrbegehren, das schriftliche Testament vom 20.11.1984 sei gültig; der Klägerin stehe aufgrund dieses Testamentes das Erbrecht gemäß den Bestimmungen des Testamentes zu, wies es ab. Hiezu führte das Berufungsgericht aus, daß im Erbrechtsstreit nur festzustellen sei, ob der Erbrechtstitel, auf den der Beklagte seine Erbserklärung gestützt hat, schwächer ist als der in der Erbserklärung des Klägers genannte Titel, nicht aber, ob der Kläger erbberechtigt sei. Das in einer Erbrechtsklage gestellte Begehren auf Feststellung des Erbrechtes des Klägers umfasse aber auch das Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit des Erbrechtstitels, auf den sich der Beklagte berufe, weshalb das zweitgenannte Begehren gegenüber dem erstgenannten kein aliud, sondern ein Minus sei.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen § 501 Abs.1 Z 1, 2 und 4 ZPO erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Daß im Erbrechtsstreit nur festzustellen ist, ob der Erbrechtstitel, auf den der Beklagte seine Erbserklärung gestützt hat, schwächer ist als der in der Erbserklärung des Klägers genannte Titel, nicht aber, ob der Kläger erbberechtigt ist, entspricht der nunmehr ständigen Rechtsprechung (EvBl.1983/99, SZ 27/132 u.a.) und wird von keiner der Parteien mehr bestritten. Entgegen der in der Revision vertretenen Rechtsansicht macht jedoch der Kläger, der die Feststellung seines eigenen Erbrechtes begehrt, damit auch notwendigerweise geltend, daß der Erbrechtstitel, auf den sich der Beklagte beruft, ungültig ist. Unter anderen Voraussetzungen wäre ja die Feststellung des den Beklagten von der Erbschaft ausschließenden Erbrechtes des Klägers nicht möglich. Das in einer Erbrechtsklage gestellte Begehren auf Feststellung des Erbrechtes des Klägers umfaßt daher auch das Begehren auf Feststellung der Unwirksamkeit des Erbrechtstitels, auf den sich der Beklagte beruft. Das zweitgenannte Begehren ist gegenüber dem erstgenannten kein aliud, sondern nur ein Minus. Auch bei Feststellungsklagen ist der Zuspruch eines Minus zulässig. Es kann hier entweder ein quantitativ geringerer Umfang des Rechtes, dessen Feststellung begehrt wird, urteilsmäßig festgestellt werden oder aber anstelle des begehrten Rechtes ein qualitativ geringeres Recht, das aber begrifflich in dem Recht oder Rechtsverhältnis, dessen Feststellung begehrt wird, zur Gänze seine Deckung findet (SZ 56/38 u.a.). Im Falle einer auf Feststellung des Erbrechtes des Klägers gerichteten Erbrechtsklage ist daher, da die letztgenannten Voraussetzungen zutreffen, ohne Überschreitung der Vorschrift des § 405 ZPO die Feststellung der Unwirksamkeit des Erbrechtstitels, auf den sich der Beklagte beruft, bei Abweisung des auf Feststellung des Erbrechtes des Klägers gerichteten Mehrbegehrens möglich (8 Ob 579/85).

Die Vorgangsweise des Berufungsgerichtes begründet daher weder eine Nichtigkeit noch eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens. Mit der Rechtsrüge unternimmt der Beklagte ausschließlich den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der vorinstanzlichen Tatsachenfeststellungen, weshalb darauf nicht weiter eingegangen werden muß. Die Vorinstanzen sind bezüglich der Frage des Verlustes des Testamentes nicht von einer unrichtigen Beweislastverteilung ausgegangen, sondern haben aufgrund tatsächlicher Schlußfolgerungen als bewiesen angenommen, daß das Testament gegen den Willen des Erblassers verlorengegangen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte