OGH 10ObS127/88

OGH10ObS127/8814.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dr. Rudolf Pokorny (Arbeitgeber) und Walter Darmstädter (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Martin U***, Diepoldsbergerstraße 44, 8061 St. Radegund, vertreten durch Dr. Stefan Herdey, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei P*** DER A***, Roßauer Lände 3, 1090 Wien, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Hilflosenzuschusses, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 26. Feber 1988, GZ 8 Rs 1149/87-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 25. Juli 1987, GZ 36 Cgs 1121/87-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das Begehren des Klägers, die beklagte Partei zur Zahlung eines Hilflosenzuschusses ab 27. Jänner 1987 zu verpflichten, ab. Es stellte fest, daß der Kläger sich allein an- und ausziehen, sich reinigen und seine Notdurft verrichten kann. Er kann sich kleine aber ausgewogene Mahlzeiten zubereiten, ohne fremde Hilfe Nahrung zu sich nehmen und seine Medikamente einnehmen. Die Betreuung eines Ofens, waschen der Leibwäsche und eine oberflächliche Wohnungsreinigung sind ihm möglich. Auf Grund des Bandscheibenleidens kann der Kläger die Wegstrecke bis zum nächsten Geschäft derzeit nicht bewältigen und daher auch nicht kleine Mengen an Lebensmitteln selbst herbeischaffen. Eine Besserung dieses Zustandes wäre nach einer Bandscheibenoperation zu erwarten. Auf den Umstand, daß der Kläger nicht in der Lage sei, selbst kleine Mengen von Lebensmitteln herbeizuschaffen, könne nicht Bedacht genommen werden, weil sich dieser nur auf die örtliche Situation (Wegstrecke zwischen Wohnung und dem nächsten Geschäft) gründe, dies aber bei der Beurteilung der Hilflosigkeit nicht berücksichtigt werden könne.

Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung des Klägers keine Folge. Es erachtete die durchgeführten Beweise für ausreichend und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes.

Bei Prüfung der Hilflosigkeit sei nicht auf die persönlichen Lebensverhältnisse des Pensionisten abzustimmen, es müsse daher unberücksichtigt bleiben, daß der Kläger den Weg zum nächstgelegenen (nach dem Sachverständigengutachten) 2 km entfernten Geschäft nicht zurücklegen könne. Überdies sei auch auszuschließen, daß der Kläger für dritte Personen zur Herbeischaffung der Lebensmittel Aufwendungen erbringen müsse, die die Höhe des Hilflosenzuschusses auch nur annähernd erreichen könnten.

Rechtliche Beurteilung

In der wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revision führt der Kläger aus, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Notwendigkeit der Bestellung eines weiteren Sachverständigen verneint. Die Beantwortung der Frage, ob ein weiteres Sachverständigengutachten eingeholt werden soll, fällt in das Gebiet der Beweiswürdigung und ist, da es die Lösung der Tatfrage zum Gegenstand hat, nicht revisibel.

Wie der Oberste Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkannt hat (JBl. 1988, 64 uva), besteht ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe nur dann, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Rentners oder Pensionisten üblicherweise aufzuwendenden Kosten im Monatsdurchschnitt mindestens so hoch sind, wie der begehrte Hilflosenzuschuß. Bei der Frage, ob es sich um notwendige Dienstleistungen handelt, müssen die dem Hilfsbedürftigen tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel berücksichtigt werden. Die Lebensumstände des Pensionisten und damit auch die Wegstrecke zur nächsten Einkaufsmöglichkeit sind daher nicht unbeachtlich. Aber auch ausgehend von der Feststellung des Erstgerichtes, daß es dem Kläger "derzeit" nicht möglich ist, auch kleine Mengen an Lebensmitteln selbst heranzuschaffen, liegt Hilflosigkeit nicht vor. Wegen der heute üblichen Ausstattung der Haushalte mit einem Kühlschrank ist die Besorgung von Lebensmitteln nicht mehr täglich, sondern nur im Abstand von mehreren Tagen erforderlich. Daß aber die dafür aufzuwendenden Kosten durch Inanspruchnahme einer Hilfskraft auch nur annähernd die Höhe des Hilflosenzuschusses erreichen könnten, ist auszuschließen. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht das Vorliegen von Hilflosigkeit im Sinne des § 105 a ASVG verneint.

Der Revision war ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.

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