Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin stürzte am 11. September 1986 beim Versuch, den Hauptplatz in Schladming zu überqueren, und verletzte sich dabei schwer.
Sie forderte von der Beklagten den Ersatz ihrer mit insgesamt S 50.665,-- bezifferten Schäden, davon S 50.000,-- Schmerzengeld und S 665,-- Sachschäden, weil diese nur auf einen schadhaften, von der Beklagten infolge grober Fahrlässigkeit zu vertretenden Zustand dieser Verkehrsfläche, deren Halterin sie sei, zurückzuführen seien. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, weil sie ihre Erhaltungspflichten ausreichend erfüllt habe. Hilfsweise wendete die Beklagte eine mit 80 % zu bewertende Sorglosigkeit der Klägerin in eigener Sache wegen unzureichender Beobachtung der von ihr benützten Verkehrsfläche ein und bestritt auch die Höhe der geltend gemachten Ansprüche. Im Berufungsverfahren stellte sie jedoch außer Streit, daß die einzelnen Ansprüche der Klägerin der Höhe nach mit zumindest einer Währungseinheit zu Recht bestehen. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, wobei es zusammengefaßt von folgenden wesentlichen Feststellungen ausging:
Die Unfallstelle befindet sich in Schladming, direkt vor dem Bezirksgericht Schladming. Entlang der Südfront des Gerichtsgebäudes befindet sich zunächst ein Gehsteig, welcher asphaltiert ist und eine Breite von 1,40 m hat, sodann beginnt im Anschluß an die südliche Bordsteinkante ein Niveauunterschied zur asphaltierten Straße von 4 cm. Bei diesem Niveauunterschied handelt es sich um einen unterschiedlichen, der teilweise auch 8 cm beträgt. Vom nördlichen Fahrbahnrand des Hauptplatzes in Richtung Süden befindet sich in einer Entfernung von der Gehsteigkante von 1,50 m eine Vertiefung; diese Vertiefung hat eine ovale Form, in West-Ost-Richtung beträgt der Durchmesser 30 cm und in Süd-Nord-Richtung 40 cm. Die größte Tiefe beträgt 4 cm. Am Fuß der Vertiefung befindet sich ein Schieberdeckel. Im Zentrum dieser Vertiefung in einer Entfernung Richtung Süden von 2,25 m befindet sich der Beginn einer Kurzparkzone, sodann schließt eine 5 m breite asphaltierte Straße an. Im Anschluß daran besteht im südlichen Bereich ein 1,5 m breiter Gehsteig. Die Vertiefung befindet sich in der Mitte eines Parkstreifens, 6 m östlich eines Zebrastreifens. Bei diesem Zebrastreifen beginnt der Hauptplatz Schladming, der in diesem Bereich als Einbahn von West Richtung Osten gekennzeichnet ist. Aufgrund des Asphaltunterschiedes, der auch auf den Fotos Beilage./B deutlich erkennbar ist, ergibt sich, daß in dem Bereich, in dem sich die Vertiefung befindet, nachasphaltiert wurde. Es ist ein deutlicher Farbunterschied erkennbar, sowohl in der Natur als auch auf den Fotos. Die Tafel "Kurzparkzone" befindet sich 1 m westlich dieser Vertiefung, und zwar am nördlichen Fahrbahnrand. Die Vertiefung ist solcherart ausgestaltet, daß von der Asphaltfläche zum Deckel eine Abschrägung von etwa 45 Grad besteht, sodaß also der Durchmesser am Asphaltrand größer ist als 4 cm tiefer. Der Durchmesser auf Höhe des Schiebers beträgt 10 cm. Im Jahre 1980 wurde das Gebäude des Bezirksgerichtes Schladming generalsaniert. Über Auftrag der S*** S*** stellte die Firma
P*** einen neuen Wasserleitungsanschluß für das Bezirksgericht her. Der ehemals vorhandene Rohrquerschnitt war für den nunmehrigen Bedarf zu klein. Diese Arbeiten wurden über mündliche Aufforderung durch die S*** S*** an die Fa. P*** vergeben,
da diese sämtliche Arbeiten am Wasserleitungsrohrsystem für die S*** S*** durchführt. Der Verschluß der Straßendecke im Bereiche der Hauswasseranschlußleitung, in der Rechnung der Fa. G*** nicht aufscheinend, wurde von der S***
S*** durchgeführt. Auch in der Benützungsbewilligung vom 9. April 1981 wurde der vorhandene Wasserleitungsanschluß samt Straßenschieber-Sperrkappe in Ordnung befunden. Laut Niederschrift zur Kollaudierung und Garantieabnahme vom 22. März 1983 wurden diesbezüglich keine Mängel festgestellt, insbesondere keine Mängel, betreffend die Hauswasseranschlußleitung und Straßendecke in diesem Bereich. Am Unfallstag, das ist der 11. September 1986, am Nachmittag, ging die Klägerin Helga P*** im Bereiche der Fußgängerzone am Hauptplatz mit ihrem Gatten spazieren. Die Ehegatten P*** befanden sich bereits seit 31. August 1986 im Schütterhof, Rohrmoos, auf Urlaub und waren mit der Örtlichkeit, insbesondere auch mit der Fußgängerzone vertraut, nämlich insoweit, als ab 11,00 Uhr vormittags der Hauptplatz Fußgängerzone ist. Die Ehegatten P*** gingen so, daß der Mann der Klägerin links ging. Sie gingen entlang des Gehsteiges beim Bezirksgericht von Westen Richtung Osten, dann verließen sie den Gehsteig und wollten von Westen in Richtung Osten den Hauptplatz überqueren. Die Klägerin trug am Unfallstag normale Sommerschuhe ohne hohe Stöckel. Es waren Halbschuhe mit flachem Absatz, festes Schuhwerk, allerdings kein Wanderschuh. Im Zuge der Überquerung der Straße, nachdem die Klägerin bereits den Gehsteig verlassen hatte, sackte sie plötzlich zusammen. Die Klägerin war mit dem rechten Fuß in die Vertiefung gekommen und auf die linke Körperseite gestürzt. Sie hat sich dabei den rechten Fuß verdreht. Durch den Sturz auf die linke Seite wurde auch das linke Knie aufgeschürft und der kleine Finger sowie der Ringfinger der linken Hand aufgeschürft. Zunächst erlitt die Klägerin einen Schock, dann spürte sie einen Schmerz. Am nächsten Tag nahm die Klägerin ärztliche Hilfe in Anspruch. Sie hat Dr. F*** in seiner Ordination aufgesucht. Die Klägerin wurde dann in das Diakonissenkrankenhaus Schladming geschickt, um Röntgenaufnahmen durchführen zu lassen. Die Röntgenaufnahmen ergaben einen Bruch des 5. Mittelfußknochens rechts. Die Klägerin bekam einen Unterschenkelgips. Sie bekam auch zwei Krücken. Am 16. September 1986 fuhr die Klägerin in die Bundesrepublik Deutschland zurück und nahm dort ärztliche Hilfe in Anspruch, und zwar bei Dr. G***. Vier Wochen mußte sie einen Gips tragen. Im Anschluß daran bekam sie einen elastischen Verband. Sie durfte zunächst den Fuß nicht voll belasten. Eine Woche nach Gipsabnahme erhielt die Klägerin auch krankengymnastische Übungen, die sich auf 3 Wochen erstreckten. Insgesamt war die Klägerin 8 Wochen im Krankenstand. Bei Witterungsumschwüngen verspürt die Klägerin auch derzeit noch immer Schmerzen. Auch bei längerer Belastung entstehen Schmerzen. Zur Unfallszeit selbst war die Sonnenbestrahlung so, daß entlang der Westfront des Bezirksgerichtes Schladming noch Sonne war, nicht aber entlang der Südfront. Die Vertiefung auf der Straße war bereits im Schatten.
Das Erstgericht gelangte zur Auffassung, daß der Beklagten als Wegehalter im Sinne des § 1319 a ABGB keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könne und daher der Klagsanspruch nicht zu Recht bestehe.
Infolge Berufung der Klägerin änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß mit Zwischenurteil die Forderung der Klägerin gegenüber der Beklagten mit 50 % als zu Recht und mit 50 % als nicht zu Recht bestehend erkannt wurde. Das Berufungsgericht sprach aus, daß die Revision gegen den abändernden Teil seiner Entscheidung gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei; es erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei, übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich, traf aber nach Beweiswiederholung noch folgende ergänzende Feststellungen:
Straßenhalter, und zwar auch in jenem Bereich, wo sich die für dieses Verfahren maßgebliche Vertiefung befindet, ist die Beklagte. Die vorliegende Vertiefung beträgt ca. 4 cm. Es ist üblich, daß die Straßenkappen und Kanäle tiefer versetzt werden, weil durch Frosteinwirkung ansonsten unter Umständen Deckel in ihrer oberen Begrenzung herauskommen könnten, was wiederum zu Hindernissen führen könnte. Die übliche Vertiefung solcher Deckel, also der Niveauunterschied zur Fahrbahn, beträgt etwa 2 cm. Ein solcher Niveauunterschied wäre auch ausreichend, um die Frostbewegung aufzufangen. Von der Beklagten wird im Gegensatz zu früheren Zeiten darauf Bedacht genommen, daß solche Vertiefungen möglichst gering sind, also maximal etwa 2 cm betragen. Die Gemeindebediensteten der Beklagten kontrollieren auch den Zustand der ein Ausmaß von etwa 40 km aufweisenden Gemeindestraßen der Beklagten. Diese Kontrollen erfolgen durchgehend. Wahrgenommene Schäden werden dem Leiter des Bauamtes der Beklagten bekanntgegeben, worauf er für Abhilfe sorgt. Ihm ist vor dem Unfall der Klägerin die in Rede stehende Vertiefung selbst nicht aufgefallen, er wurde auf sie erst durch diesen Unfall aufmerksam. Dies, obwohl die fragliche Vertiefung damals schon durch mehr als fünf Jahre in jenem Zustande sichtbar war, wie sie sich am Unfallstage darstellte.
In Erledigung der Rechtsrüge der Berufung führte das Gericht zweiter Instanz aus, die Streitteile gingen zutreffend davon aus, daß eine Haftung der Beklagten für die Schäden der Klägerin nur nach § 1319 a ABGB in Betracht käme, was aber voraussetze, daß einerseits der Zustand der in Rede stehenden Verkehrsfläche als mangelhaft zu qualifizieren sei und andererseits feststehe, daß die Organe (Leute) der Beklagten diesen Mangel vorsätzlich oder grob fahrlässig verschuldet hätten. Dabei habe das Vorliegen beider Kriterien die Geschädigte, hier also die Klägerin, zu beweisen. Daß ein vorsätzliches Verschulden vorliege, behaupte nicht einmal die Klägerin; auch das Beweisverfahren habe keinerlei Anhaltspunkte in diese Richtung ergeben. Es bleibe demnach zu untersuchen, ob angesichts der getroffenen Feststellungen der Beklagten selbst oder ihren Leuten eine grobe Fahrlässigkeit anzulasten sei. Schon das Erstgericht habe hiebei, der herrschenden Rechtsprechung folgend, jene Kriterien umschrieben, die das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit indizieren: es müsse sich um eine auffällige Sorglosigkeit handeln, bei der die gebotene Sorgfalt nach den Umständen des Falles ungewöhnlicherweise verletzt wurde, wobei der Eintritt eines Schadens nicht nur als möglich, sondern geradezu als wahrscheinlich vorauszusehen sei. Grobe Fahrlässigkeit sei somit immer dann gegeben, wenn ein objektiv schwerer Verstoß auch subjektiv schwer anzulasten sei. Was nun die Frage anlange, ob der Zustand der strittigen Verkehrsfläche als mangelhaft zu qualifizieren sei, so habe die Klägerin nachgewiesen, daß an Ort und Stelle zur Unfallszeit ein ca. 4 cm tiefer Niveauunterschied zwischen der Fahrbahnoberfläche und der Oberfläche des in die Fahrbahn versenkten Schieberdeckels bestanden habe, welcher Niveauunterschied aber als ungewöhnlich bezeichnet werden müsse, sei er doch doppelt so groß gewesen, als dies der Leiter des Bauamtes der Beklagten als üblich und erforderlich angesehen habe. Diese Tiefe sei insbesonders auch nicht zum Auffangen von Frostbewegungen notwendig gewesen, hätten doch hiefür nach der Aussage des Zeugen Ing. G***, der insoweit als fachkundig angesehen werden könne, bereits 2 cm ausgereicht. Halte man sich weiters vor Augen, daß der Durchmesser dieser Vertiefung auf der Fahrbahnoberfläche zwischen 30 und 40 cm betragen habe und an deren Basis, also am Schieberdeckel, immerhin noch 10 cm, wobei diese Vertiefung als kraterförmig zu bezeichnen sei, so könne der Zustand dieser insbesonders auch für den Fußgängerverkehr bestimmten Verkehrsfläche objektiv nicht als ordnungsgemäß angesehen werden. Ob nämlich ein derartiger Zustand als mangelhaft anzusehen sei, richte sich gemäß § 1319 a Abs 2 letzter Satz ABGB danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar sei. Dabei seien dem öffentlichen Verkehr dienende Straßen so herzustellen und zu erhalten, daß sie von allen Verkehrsteilnehmern bei Beachtung der Straßenverkehrsvorschriften gefahrlos benutzbar seien. Bedenke man nun, daß diese Verkehrsfläche unmittelbar vor einem öffentlichen Gebäude (Bezirksgericht) in einer weit über die Grenzen Österreichs hinaus bekannten Fremdenverkehrsgemeinde liege, und ziehe man in Betracht, daß dort mit einem Fußgängerverkehr nicht bloß bei Tageslicht, sondern auch in der Dunkelheit zu rechnen sei, in der die Wegoberfläche nicht so genau beobachtet werden könne, müsse eine Vertiefung der in Rede stehenden Art jedenfalls als Zustand angesehen werden, der gefahrengeneigt sei - wie nicht zuletzt auch der vorliegende Unfall beweise - und der daher im Sinne des § 1319 a ABGB als mangelhaft bewertet werden müsse. Was nun die Frage des Vorliegens eines schwerwiegenden objektiven Sorgfaltsverstoßes, d.h. eines Sachverhaltes, der als grob fahrlässig im objektiven Sinne qualifiziert werden könne, anlange, wofür ebenfalls die Klägerin die Beweislast treffe, sei zunächst zu untersuchen, ob der Wegehalter (hier die Beklagte) oder einer seiner Leute Kenntnis von dieser Gefahrenquelle hatten. Sei dies nämlich der Fall gewesen und hätte der Wegehalter nicht deren sofortige Beseitigung oder zumindest die Absicherung des Mangels veranlaßt, dann wäre der Eintritt eines Schadens wahrscheinlich und grobe Fahrlässigkeit anzunehmen. Habe hingegen der Wegehalter oder einer seiner Leute vom Mangel keine Kenntnis gehabt, dann sei grundsätzlich auch der Eintritt eines Schadens für ihn nicht vorhersehbar gewesen. In diesem Fall käme eine Haftung nur dann in Betracht, wenn die fehlende Kenntnis des Mangels als grobe Fahrlässigkeit gewertet werden müßte. Ein Wegehalter könne sich nämlich dadurch seinen Pflichten nicht entziehen, daß er es unterlasse, sich positive Kenntnis vom Zustand der von ihm zu betreuenden Verkehrsflächen zu verschaffen. Im vorliegenden Fall stehe nun fest, daß diese Vertiefung sich im Bereiche des Hauptplatzes der Beklagten vor einem Amtsgebäude befand, somit an einer Stelle, die an und für sich schon das besondere Augenmerk der Beklagten hätte auf sich lenken müssen. Dazu komme, daß diese Vertiefung auch optisch - jedenfalls bei Tageslicht - ohne weiters wahrnehmbar war, wie die Lichtbilder Beilage./B klar beweisen. Wenn daher weder die maßgeblichen Organe der Beklagten noch einer ihrer Leute trotz laufender Kontrollen diesen Mangel wahrgenommen hätten, wovon aber nach den Feststellungen ausgegangen werden müsse, so müsse dieses Übersehen umso eher als eine objektiv grobe Fahrlässigkeit angesehen werden, als die fragliche Vertiefung bereits mehr als fünf Jahre vor dem Unfall bestanden habe und es den maßgeblichen Organen bzw. Leuten der Beklagten bei ihren Kontrollen wenigstens einmal auffallen hätte müssen, daß an dieser exponierten Stelle eine übergroße Vertiefung bestehe. Daß sich jahrelang an der strittigen Stelle noch kein Unfall ereignet hatte, vermöge die Beklagte nicht zu exkulpieren, weil die Vorschrift des § 1319 a ABGB ihrem Sinn nach derartige Unfälle von vornherein verhindern wolle, nicht aber dazu führen solle, daß Gefahrenquellen erst dann beseitigt werden, wenn bereits Schäden eingetreten sind. Zur Annahme einer groben Fahrlässigkeit, welche die Beklagte zu vertreten habe, gelange man umso eher, als das Leitbild für den Sorgfaltsmaßstab eines Straßenhalters wie die Beklagte hoch anzusetzen sei, sei sie doch im Sinne des § 1299 ABGB als sachkundig zu betrachten. Daß der Beklagten diese grobe Fahrlässigkeit subjektiv nicht vorwerfbar wäre, habe die Beklagte nicht einmal behauptet, geschweige denn bewiesen. Zusammenfassend gelange daher das Berufungsgericht zur Auffassung, daß die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten für die Schäden der Klägerin dem Grunde nach gegeben seien. Die Klägerin müsse sich allerdings eine erhebliche Sorglosigkeit in eigener Sache anrechnen lassen. Hatte nämlich die strittige Vertiefung durchaus einen Auffälligkeitswert - dies begründe ja nicht zuletzt auch die Haftung der Beklagten -, so hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit der Klägerin diese auch - der Unfall ereignete sich zur Tageszeit - das Unfallsgeschehen dadurch vermeiden können, daß sie der Vertiefung ausgewichen wäre. Der Unfallsablauf lasse nur den Schluß zu, daß die Klägerin die vor ihr liegende und von ihr begangene Verkehrsfläche nicht ausreichend beobachtet habe und auch deshalb zum Sturz gekommen sei. Bei Abwägung der beiderseitig anlastbaren Kriterien erscheine es gerechtfertigt, die Haftung für die Schäden zu gleichen Teilen den Parteien aufzuerlegen. Da die Ansprüche der Klägerin der Höhe nach mit wenigstens einer Währungseinheit außer Streit stehen, habe das Berufungsgericht im Sinne des § 393 ZPO ein entsprechendes Zwischenurteil fällen können.
Gegen den abändernden Teil des Urteiles des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes (§ 503 Abs 2 ZPO) mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist unzulässig.
Die Beklagte bekämpft die Auffassung des Berufungsgerichtes, der Zustand des Weges, auf dem sich der Unfall der Klägerin ereignet habe, sei mangelhaft gewesen. Bei der Vertiefung habe es sich nur um eine Art Unebenheit gehandelt, wie sie immer und überall vorkomme, es habe sich keinesfalls um einen gefährlichen Zustand gehandelt; es habe sich auch dort jahrelang noch kein Unfall ereignet. Die Beklagte bestreitet weiters das Vorliegen einer groben Fahrlässigkeit ihrerseits als Wegehalter oder ihrer Leute. Unrichtig sei, daß der Sorgfaltsmaßstab eines Straßenhalters wie die Beklagte deshalb hoch anzusetzen sei, weil es sich um eine Gebietskörperschaft handle.
Zunächst war die Zulässigkeit der Revision zu prüfen, wobei das Revisionsgericht an den Ausspruch des Berufungsgerichtes nach § 500 Abs 3 ZPO nicht gebunden ist (§ 508 Abs 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Zulässigkeit der Revision hinsichtlich des abändernden Teiles seiner Entscheidung damit begründet, daß die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes, nämlich der Tragweite der Haftung einer Gebietskörperschaft für die Erhaltung von Wegen, abhänge, der zur Wahrung der Rechtssicherheit erhebliche Bedeutung zukomme. Dies vor allem deshalb, weil das Maß der Haftung solcher Wegehalter nur anhand einer "rückhaltigen" oberstgerichtlichen Judikatur im Einzelfall abgeschätzt werden könne, diesfalls also - ähnlich wie in Fällen von behaupteten Verstößen gegen das UWG - nur durch eine solche Rechtsprechung des Höchstgerichtes ein wünschenswertes Maß an Rechtssicherheit erreicht werden könne.
Nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO ist bei einem S 300.000,-- nicht übersteigenden Streitwert die Revision nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechtes oder des Verfahrensrechtes abhängt, der zur Wahrung der Rechtssicherheit, Rechtseinheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt. Die Kasuistik des Einzelfalles schließt in der Regel eine beispielgebende Entscheidung im Sinne dieser Grundsätze aus. Wurden die grundsätzlichen Rechtsfragen in Übereinstimmung mit der Lehre und der Judikatur gelöst und richtet sich die Anfechtung nur gegen die zu der richtigen Lösung der grundsätzlichen Rechtsfragen nicht in einem unlösbaren Widerspruch stehende Anwendung auf einen konkreten Einzelfall, sind diesbezüglich die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für die Zulässigkeit einer Revision nicht gegeben (7 Ob 701/86, 7 Ob 30/87 u.a.). Der Oberste Gerichtshof hat auch bereits ausgesprochen, daß durch das Wort "Zustand" im Abs 1 des § 1319 a ABGB zum Ausdruck gebracht wird, daß nicht nur für den Weg selbst im engeren Sinn, sondern für dessen Verkehrssicherheit im weitesten Sinn gehaftet werden soll. Die dem öffentlichen Verkehr dienenden Straßen sind derart herzustellen und zu erhalten, daß sie von allen Verkehrsteilnehmern bei Beachtung der Straßenverkehrsvorschriften gefahrlos benützbar sind (vgl. SZ 55/142 u.a.). Im Falle einer Haftung nach § 1319 ABGB wurde dargelegt, daß eine besondere Fachkenntnis einen höheren Grad der Haftung bewirkt (vgl. § 1299 ABGB), und daß etwa einer Stadtgemeinde gegenüber der Allgemeinheit eine besondere Verantwortung aufgebürdet wird (vgl. EvBl 1987/192, EvBl 1957/19).
Welche Maßnahmen der Wegehalter im einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich gemäß § 1319 a Abs 2, letzter Satz, ABGB danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, für seine Anlage und Betreuung angemessen und zumutbar ist. Daraus folgt, daß der Umfang der Sorgfaltspflicht eines Halters nicht allgemein bestimmt werden kann (vgl. JBl 1988, 41 u.a.).
Diese grundsätzlichen Rechtsfragen hat aber das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der dargestellten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes gelöst. Die Frage der Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Einzelfall erfüllt aber nicht die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO. Dasselbe muß für die Lösung der Frage gelten, ob der Beklagten als Wegehalter oder ihren Leuten hinsichtlich des Zustandes der Unfallsstelle grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf verwiesen, daß nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes grobe Fahrlässigkeit anzunehmen ist, wenn eine außergewöhnliche und auffallende Vernachlässigung einer Sorgfaltspflicht (Pflicht zur Unfallsverhütung) vorliegt und der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich vorhersehbar ist. Der Begriff der groben Fahrlässigkeit erfordert, daß ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß bei Überlegung aller Umstände des konkreten Einzelfalles auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist. Entscheidendes Kriterium für die Beurteilung des Fahrlässigkeitsgrades ist die Schwere des Sorgfaltsverstoßes und die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes, wobei diese Beurteilung stets nur nach den Umständen des Einzelfalles vorgenommen werden kann (ZVR 1984/142; ZVR 1984/176; SZ 56/157 uva). Die Beurteilung des Verschuldensgrades unter Anwendung der richtig dargestellten Grundsätze, ohne daß ein wesentlicher Verstoß gegen die Abgrenzungskriterien vorliegt, unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles, kann aber nicht als Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO gewertet werden (7 Ob 1503/83, 8 Ob 1007/84). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes liegt daher im vorliegenden Fall keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO vor, so daß die Revision zurückzuweisen war.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 52, 393 Abs 4 ZPO.
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