OGH 9ObA200/87

OGH9ObA200/871.6.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Richard Bauer und Franz Erwin Niemitz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Josef K***, Angestellter, Rum, Murstraße 40 a, vertreten durch Dr.Heinz Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. S*** & K*** KG, 2. K*** & Co. Gesellschaft mbH, beide Wien 23., Großmarktstraße 10-12, beide vertreten durch Dr.Josef Klaunzer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 71.020,48 brutto sA (Revisionsstreitwert S 7.326,-- brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17.September 1987, GZ 5 Ra 1108/87-13, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 24.März 1987, GZ 45 Cga 58/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß auch das restliche Klagebegehren, die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei S 7.326,-- samt 4 % Zinsen seit 16.Juni 1985 binnen 14 Tagen zu zahlen, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit S 3.450,-- (Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit S 500,-- (Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 3.494,08 (darin S 181,28 Umsatzsteuer und S 1.500,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 5.März 1984 bis 15.Juni 1985 bei der Erstbeklagten als Außendienstmitarbeiter angestellt. Es kam ihm Kunden- und Gebietsschutz zu, so daß er auch Provisionen für Geschäfte erhielt, die ohne seine unmittelbare Mitwirkung zustandegekommen waren. Er bezog zuletzt ein monatliches Fixum von S 9.500,-- und Provisionen, die nach Zahlung der Kunden an die Erstbeklagte fällig wurden. Nach dem am 5.März 1984 abgeschlossenen Dienstvertrag war ein Provisionssatz von 4 % zuzüglich eines Zuschlages von 1 % laut Punkt 9 des Dienstvertrages vereinbart.

Punkt 9 des Dienstvertrages lautete:

"Kranken- und Urlaubsentgelt:

Die während eines Krankenstandes oder eines Urlaubes auf Grund bereits vorliegender indirekter Aufträge entstehenden Provisionsansprüche werden Ihnen wie immer verrechnet........Die während eines Urlaubs aus direkten Aufträgen entstehenden Provisionsansprüche werden wie immer verrechnet.

Um einen allfälligen Ausfall an Provisionen für indirekte Aufträge im Krankheits- und Urlaubsfall pauschal abzugelten, erhalten Sie zu den laut Punkt 5 verdienten Provisionen für indirekte Aufträge (das ist 4 %) laufend einen Zuschlag von 1 %. Den gleichen Zuschlag verrechnen wir bis auf weiteres - ohne Präjudiz - für alle direkten Aufträge. Diese laufend zu gewährende Pauschalabgeltung gilt ausdrücklich als konkreter Ersatz etwa entgangener Provisionen anläßlich eines bestimmten Krankenstandes oder Urlaubes. Aus dem Titel Kranken- bzw. Urlaubsentgelt können kraft ausdrücklicher Vereinbarung keine anderen als die hiemit umschriebenen Ansprüche gestellt werden."

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endete durch Arbeitgeberkündigung. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Kläger noch einen offenen Urlaubsanspruch von 40 Werktagen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger - für das Revisionsverfahren noch wesentlich - eine restliche Urlaubsentschädigung von S 15.941,28 brutto sA. Er habe von Juli 1984 bis Juni 1985 insgesamt S 97.873,-- brutto an Provisionen verdient. Die Erstbeklagte habe ihm die Urlaubsentschädigung lediglich auf der Grundlage des Fixums samt den anteiligen Sonderzahlungen, jedoch ohne Berücksichtigung des Provisionsdurchschnittes ausgezahlt. Der vereinbarte Zuschlag von 1 % zum Provisionsanspruch habe das gesetzliche Urlaubsentgelt nicht abgelten können. Das Urlaubsrecht enthalte diesbezüglich nicht nur die Höhe des Entgeltes betreffende, sondern auch hinsichtlich des Erwerbes des Anspruches, der Fälligkeit und der Periodizität zwingende Bestimmungen. Eine Aufteilung des Urlaubsentgelts sei schon aus Gründen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers unzulässig. Die Beklagten beantragten, das Klagebegehren abzuweisen. Dem Kläger sei vereinbarungsgemäß ein Zuschlag von 1 % zu seiner 4 %igen Provision als Pauschalabgeltung für etwaige entgangene Provisionen anläßlich des Urlaubs gezahlt worden. Dieser Zuschlag befreie die Erstbeklagte von jeglichen weiteren Zahlungen aus dem Titel des Urlaubsentgeltes. Dabei habe es sich für den Kläger um eine günstigere Regelung gehandelt, die über das Mindestmaß seiner Ansprüche hinausreiche.

Das Erstgericht, das auch noch über Krankenentgeltansprüche und restliche Provisionsansprüche des Klägers zu entscheiden hatte, gab dem Klagebegehren mit S 7.326,-- brutto sA statt und wies das Mehrbegehren von S 63.694,48 sA ab. Es traf im wesentlichen noch folgende Feststellungen:

Der 5 %ige Provisionsdurchschnitt zur Ermittlung des Anspruches des Klägers auf Urlaubsentschädigung beträgt unter Ausschluß der weitergezahlten Provisionen aus Direktgeschäften von Juni 1984 bis Mai 1985 rund S 5.200,--. Daraus ergibt sich ein auf die Urlaubsentschädigung anrechenbarer Provisionsanteil von insgesamt S 8.000,--, dem eine Überzahlung aus dem Titel Krankenentgelt von S 674,-- gegenübersteht.

Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß nach dem zwischen der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund zu § 6 UrlG abgeschlossenen Generalkollektivvertrag Entgelte in Form von Provisionen mit dem Durchschnitt der letzten 12 Kalendermonate vor Urlaubsantritt in das Urlaubsentgelt einzubeziehen seien. Provisionen für Geschäfte, die ohne unmittelbare Mitwirkung des Arbeitnehmers zustandegekommen seien (Direktgeschäfte), seien jedoch in den Durchschnitt nur insoweit einzubeziehen, als für während des Urlaubs einlangende Aufträge aus derartigen Geschäften keine Provision gebühre. Diese Bestimmung dürfe nach § 12 UrlG nicht zu Ungusten des Arbeitnehmers abgeändert werden. Dem Kläger gebühre daher durch die Einbeziehung der durchschnittlichen Provision eine weitere Urlaubsentschädigung in Höhe von S 8.000, von welcher ein Übergenuß an Krankenentgeltfortzahlung von S 674,-- abzuziehen sei. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision nach § 46 Abs 2 Z 1 ASGG zulässig sei. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß § 12 UrlG nur eine Beeinträchtigung des Arbeitnehmers, nicht aber eine Besserstellung verbiete. So könne das in § 3 ArbVG vorgesehene Günstigkeitsprinzip auch im Urlaubsrecht dort angewendet werden, wo dies begrifflich möglich sei. Es sei daher zwar zulässig, ein höheres Urlaubsentgelt zu vereinbaren, doch dürfe der Zeitpunkt der Fälligkeit als eigener, nicht ohne weiteres mit der Höhe des Entgelts vergleichbarer Wert nicht unberücksichtigt bleiben. Es entspreche der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, die für die Urlaubserholung der Arbeitskraft des Arbeitnehmers vorgesehenen Arbeitsentgelte so zeitgerecht zu zahlen, daß sie ihrem Zweck dienen und nicht - in Raten zerlegt vorzeitig für andere Zwecke verbraucht werden könnten. Es gehe nicht an, die zwingenden Bestimmungen hinsichtlich Fälligkeit und Periodizität von Arbeitnehmeransprüchen durch die Vereinbarung eines überkollektivvertraglichen Monatsentgelts und durch pauschalierte Vorauszahlungen hinfällig zu machen.

Auch wenn die arbeitsvertragliche Regelung insgesamt ein höheres Entgelt bewirke als die gesetzliche Regelung, sei daher im vorliegenden Fall kein Günstigkeitsvergleich anzustellen, da der Eigenwert des Fälligkeitsdatums und die Periodizität des Urlaubsentgelts dadurch nicht abgegolten seien. Dem Kläger stehe somit die mit dem erstgerichtlichen Zuspruch der Höhe nach außer Streit gestellte Differenz an fehlendem Urlaubsentgelt zu. Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Abweisung des restlichen Klagebegehrens. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Richtig ist, daß sich den Bestimmungen des § 6 UrlG und des § 2 Z 4 des Generalkollektivvertrages über den Begriff des Entgelts gemäß § 6 UrlG zwar deutlich die Absicht des Gesetzgebers entnehmen läßt, daß der Arbeitnehmer durch den Urlaubsantritt keinen wirtschaftlichen Nachteil erleiden und er daher das vor dem Urlaubsantritt regelmäßig bezogene Entgelt in grundsätzlich gleicher Höhe für die Zeit seines Urlaubs weiterbeziehen soll (DRdA 1983/10 mwH; Arb. 6.361, 7.442 ua). Es trifft auch zu, daß die Urlaubsentgeltforderung für den gewährten Urlaub mit dem Antritt dieses Urlaubs zur Gänze im voraus fällig wird (§ 6 Abs 6 UrlG; ZAS 1987/11). Der vorliegende Fall betrifft jedoch keinen Anspruch des Klägers auf Urlaubsentgelt wegen Inanspruchnahme eines Erholungsurlaubes, sondern einen solchen auf Urlaubsentschädigung nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Dem Arbeitnehmer gebührt gemäß § 9 Abs 1 UrlG für den nicht verbrauchten Urlaub zwar eine Entschädigung in der Höhe des noch ausstehenden Urlaubsentgeltes, doch wird dieser Anspruch erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig. Auch wenn daher bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 UrlG eine Entschädigung im vollen Ausmaß des noch ausstehenden Urlaubsentgeltes gebührt (Arb. 8.937, 9.643, 10.095 ua), können die vom Berufungsgericht dazu angestellten Erwägungen über die auf den Urlaubszweck bezogenen Bestimmungen über Fälligkeit und Periodizität nicht ohne weiteres auf die Höhe des Anspruches auf Urlaubsentschädigung übertragen werden (4 Ob 70/78). Von der Doppelnatur des Urlaubsanspruches ist lediglich der Anspruch auf eine dem Urlaubsentgelt entsprechende Geldleistung verblieben (Klein-Martinek, Urlaubsrecht UrlG § 9 Erl. 2.2). Die vom Berufungsgericht zitierte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 6.November 1957, Zl. 206/56 (ARD 1115/5), betrifft ebenso wie die Ausführungen von Martinek-Schwarz (AngG6 § 16 Erl. 1, S 325) die Aufteilung von Remunerationen auf die laufenden Bezüge, die aus Gründen der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers für unzulässig erachtet wurde.

Für den geltend gemachten Differenzanspruch des Klägers auf restliche Urlaubsentschädigung ist davon auszugehen, daß eine Verletzung kollektivvetraglicher Mindestansprüche nicht behauptet wurde und diese der im Dienstvertrag enthaltenen Vereinbarung zwischen den Parteien sohin nicht entgegenstehen. Dem Kläger wurde eine dem Fixum und den anteiligen Sonderzahlungen entsprechende Urlaubsentschädigung ausgezahlt. Es standen ihm auch Provisionen aus Direktgeschäften für während des Urlaubs einlangende Aufträge zu. Den Feststellungen ist weiters zu entnehmen, daß die laufenden Zuschläge im Sinne des Punktes 9 des Dienstvertrages zu den mit 4 % vereinbarten Provisionen im Ergebnis höher waren als die begehrte Differenz zur Urlaubsentschädigung. Die auf eine (fiktive) Fälligkeit und Periodizität des Urlaubsentgeltes abgestellten Überlegungen des Klägers lassen unberücksichtigt, daß er einerseits mangels Urlaubsverbrauches gar keinen Provisionsentgang hatte, was ohnehin zu einer höheren Durchschnittsprovision führte, und er andererseits zur Ermittlung des Urlaubsentgelts nur von einer vereinbarten Provision von 4 % ausgehen hätte dürfen, da der Aufschlag von 1 % ausdrücklich als Ersatz für etwa entgangene Provisionen wegen eines Krankenstandes oder Urlaubs gewidmet war. Der Kläger nimmt insoweit, als er auch den Zuschlag als regelmäßiges Entgelt in Form von Provisionseinkommen wertet, eine (unzulässige) Doppelverrechnung vor.

Wie bereits ausgeführt, ist die Fälligkeit der Urlaubsentschädigung nicht identisch mit jener des Urlaubsentgelts. Die Urlaubsentschädigung hätte daher nicht so zeitgerecht gezahlt werden können, daß sie dem Zwecke eines Erholungsurlaubes hätte dienen können und nicht vorzeitig für andere Zwecke verbraucht werden konnte. Die zwischen den Parteien getroffene Akontierungsvereinbarung konnte die Fürsorgepflicht der Beklagten hinsichtlich der Urlaubsentschädigung sohin nicht einschränken. Auch wenn der Kläger berechtigt gewesen wäre, eine monatliche Vorauszahlung des Urlaubsentgelts nicht anzunehmen (vgl. Cerny Urlaubsrecht4 UrlG § 6 Erl. 11), bleibt es für die Ermittlung des bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch ausstehenden Urlaubsentgeltes in retrospektiver Abrechnung beachtlich, daß der Kläger die monatlichen, der dem Provisionsersatz für den Fall eines Urlaubs gewidmeten Pauschalabgeltungen vorbehaltlos angenommen hat (vgl. SrM I C 475). Da diese Akontierungen aber ohnehin höher waren als die Differenz zur begehrten Urlaubsentschädigung, besteht auch sein restliches Klagebegehren nicht zu Recht.

Die Kostenentscheidungen sind in den §§ 41 bzw. 41 und 50 ZPO begründet.

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