Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger hat die Kosten seines Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 10.10.1935 geborene Kläger, der seit 19.4.1972 in einem Linzer Betrieb als Lagerarbeiter beschäftigt war, erlitt am 15.6.1972 bei einem Arbeitsunfall einen Bruch des rechten Unterschenkels, einen distalen Fibula (= Wadenbein)bruch rechts und einen Knöchelbruch links.
Mit Bescheid der beklagten Partei vom 21.5.1974 wurde dieser Unfall nach § 175 ASVG als Arbeitsunfall anerkannt und die für seine Folgen zu gewährende Versehrtenrente nach den §§ 203 bis 207 ASVG vom 15.12.1972 bis 15.6.1973 als Vollrente, ab 16.6.1973 für (weitere) 11 Monate mit 20 vH der Vollrente festgesetzt und ausgesprochen, daß über diesen Zeitraum hinaus kein Rentenanspruch bestehe, weil eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in einem rentenbegründenden Ausmaß nicht mehr vorliege.
Am 3.4.1981 beantragte der Kläger wegen dieses Arbeitsunfalls eine Rente aus der Unfallversicherung.
Daraufhin wurde er am 8.7.1981 in Jugoslawien untersucht, wobei eine (leichte) Muskelverschmächtigung am rechten Bein, eine Bewegungseinschränkung am linken unter unteren und oberen Sprunggelenk und eine Beinkürzung diagnostiziert wurden. Mit Bescheid vom 8.9.1981 gewährte die beklagte Partei dem Kläger für die Folgen des erwähnten Arbeitsunfalls auf Grund des neuerlichen Antrages nach den §§ 203 bis 205 und 97 Abs 1 ASVG mit dem Tag der Verschlechterungsmeldung (3.4.1981) eine Rente von 20 vH der Vollrente, und zwar nach § 209 Abs 1 ASVG als Dauerrente. Dafür waren die Einschränkung der Beweglichkeit der linken Sprunggelenke, die Schwellneigung in deren Bereich, eine Muskelschwäche und die Beinverkürzung rechts, eine Gangbehinderung und glaubhafte Beschwerden maßgebend.
Im Zuge des über das Ausmaß dieser Rente beim Schiedsgericht der Sozialversicherung für Wien in Wien zu 1 C 126/83 geführten Verfahrens wurde der Kläger am 13.4.1983 in Wien von dem zum Sachverständigen bestellten Facharzt für Chirurgie Dr. Herbert K*** untersucht, der keine Muskelverschmächtigung des rechten Beines und auch keine Schwellungsbereitschaft im Sprunggelenk, sondern nur mehr eine geringgradige endlagige Einschränkung der Beweglichkeit des Hüftgelenkes und Kniegelenkes und eine Beinverkürzung rechts feststellen konnte und die Minderung der Erwerbsfähigkeit ab der Antragstellung mit 10 vH einschätzte. In der mündlichen Verhandlung vom 21.7.1983 ergänzte der genannte Sachverständige, daß im objektiven Befund gegenüber dem Anstaltsgutachten vom 6.5.1974 sicher keine Verschlechterung, sondern eher eine Besserung eingetreten sei, welche durch das Fehlen von Muskelverschmächtigungen zum Ausdruck komme. Daraufhin nahm der Kläger die Klage in dieser Tagsatzung zurück. Deshalb stellte die beklagte Partei mit Bescheid vom 9.8.1983 nach § 385 Abs 1 ASVG fest, daß dem Kläger ab dem Zeitpunkt der Zurücknahme der Klage eine Dauerrente von 20 vH (der Vollrente) gebühre.
Mit Bescheid vom 24.8.1983 entzog die beklagte Partei die bisher gewährte Dauerrente nach § 99 Abs 1 und 3 ASVG ab 1.10.1983 wegen der in dem im erwähnten Leistungsstreitverfahren erstatteten Gutachten Dr. K***s diagnostizierten Zunahme der Beweglichkeit der linken Sprunggelenke und der Abnahme der Schwellneigung in diesem Bereich sowie der Kräftigung der Beinmuskulatur und weil eine Minderung der Erwerbsfähigkeit im rentenbegründenden Ausmaß nicht mehr vorliege.
Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig eine nach Präzisierung auf Weitergewährung der entzogenen Versehrtenrente gerichtete Klage. Im ersten Rechtsgang wies das Schiedsgericht der Sozialversicherung für Wien in Wien die Klage ab.
Dieses Urteil wurde auf Berufung des Klägers mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 10.6.1985, 31 R 156/85-40, aufgehoben und die Rechtssache zur Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Das Berufungsgericht erachtete die erstgerichtlichen Feststellungen für eine abschließende rechtliche Beurteilung nicht als ausreichend, weil der Zustand des Klägers zum Entziehungszeitpunkt nicht geklärt worden sei. Ohne neuerliche Untersuchung mit einem Vergleich zum genannten Zeitpunkt könne weder eine wesentliche Besserung noch eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 vH abgeleitet werden.
Im fortgesetzten Verfahren wurde der Kläger im Jahre 1986 in Jugoslawien durch einen Facharzt des militärmedizinischen Zentrums, Ambulanz für orthopädische Erkrankungen untersucht, der einen geheilten operierten Unterschenkelbruch rechts, eine geheilte Knöchelfraktur innen und außen links, eine Beinverkürzung links um 1 cm (offenbare Seitenverwechslung), eine Arthrose in beiden Sprunggelenken und eine Muskelverschmächtigung des linken Ober- und Unterschenkels feststellte.
In seinem Ergänzungsgutachten vom 20.3.1987 führte der chirurgische Sachverständige Dr. K*** dazu aus, daß in diesem Befund im wesentlichen keine neuen unfallbedingten Verletzungen geschildert würden. Die Knochenbrüche würden als geheilt bezeichnet. Die beschriebene Arthrose habe der Sachverständige bei seiner Untersuchung noch nicht festgestellt. Es handle sich um ein anlagebedingtes, nicht auf den Unfall zurückzuführendes Leiden. Die nunmehrige Muskelverschmächtigung des linken Ober- und Unterschenkels habe bei seiner Untersuchung ebenfalls noch nicht bestanden und könne auf Grund der Unfälle nicht erklärt werden. Der Sachverständige erklärte, daß sich zu seinem am 13.4.1983 erstellten Kalkül, wonach die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit 10 vH betrage, keine Änderung ergebe. Beim Kläger bestünden aber schwerwiegende, seinen Allgemeinzustand stark beeinträchtigende Erkrankungen, die allerdings mit dem Unfall nichts zu tun hätten. In der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vom 19.5.1987 ergänzte der Sachverständige für Chirurgie, daß zum Zeitpunkt der Entziehung gegenüber der Dauerrentengewährung eine wesentliche Besserung der Unfallfolgen eingetreten sei.
Im zweiten Rechtsgang wies das Erstgericht die Klage neuerlich
ab.
Es stellte folgenden Sachverhalt fest:
Der am 10.10.1935 geborene Kläger erlitt am 15.6.1972 bei einem Arbeitsunfall einen Bruch des rechten Unterschenkels und des linken Knöchels. Dafür gewährte ihm die beklagte Partei mit Bescheid vom 8.9.1981 eine Dauerrente von 20 vH der Vollrente. In dem über das Ausmaß dieser Rente geführten Leistungsstreitverfahren wurde der Kläger untersucht, wobei eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 vH festgestellt wurde. Als Unfallfolgen bestehen nur noch ein geheilter operierter Unterschenkelbruch rechts und eine geheilte Knöchelfraktur innen und außen links sowie eine Beinverkürzung rechts. Die vom jugoslawischen Arzt geschilderte Muskelverschmächtigung kann nicht auf Grund des Unfalls erklärt werden. Rein unfallbedingt ergibt sich eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 10 vH. Zum Zeitpunkt der Entziehung ist gegenüber der Dauerrentengewährung eine wesentliche Besserung der Unfallfolgen eingetreten.
Diese wesentliche Besserung rechtfertige die Entziehung der Versehrtenrente.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Nach seiner Meinung bedurfte es keiner amtswegigen Ergänzung der im Rechtshilfeweg durchgeführten Untersuchung des Klägers. Für die Beurteilung der Berechtigung der Rentenentziehung sei vor allem das Vergleichsgutachten maßgeblich. Ob auf Grund einer Jahre nach der Entziehung vorgenommenen Untersuchung eine Besserung der Unfallfolgen zum Entziehungszeitpunkt eingetreten sei, sei nicht im Rechtshilfeweg, sondern vom Sachverständigen zu klären gewesen, dem die Erstellung eines Vergleichsgutachtens oblag. Dieser habe sich dabei auf das letzte vor der Entziehung gelegene Gutachten stützen dürfen, das nur einige Monate vor der Entziehung erstattet worden sei und auf einer persönlichen Untersuchung des Klägers durch den Gutachter beruhe. Die neuerliche Untersuchung des Klägers (in Jugoslawien) sollte nur der Überprüfung dienen, ob der nach der Entziehung vorliegende Zustand in Verbindung mit dem Gutachten vom 13.4.1983 den Schluß zulasse, daß zur Zeit der Entziehung gegenüber der Zeit der Gewährung eine wesentliche Besserung eingetreten sei. Die diesbezügliche klare Aussage des Sachverständigen für Chirurgie sei maßgeblich, der auch eindeutig zum Ausdruck gebracht habe, daß die im Jahre 1986 festgestellte Muskelverschmächtigung nicht unfallkausal sein könne. Welche andere Gründe dazu geführt haben könnten, sei daher nicht entscheidungswesentlich. Eine Veränderung des auf den Unfall zurückzuführenden Zustandes des Klägers zwischen April 1983 und Oktober 1986 bzw April 1987 lasse sich nicht ausschließen, wäre aber in `iesem Rechtsstreit nicht erheblich, in dem nur die Frage zu lösen sei, ob im Zeitpunkt der Entziehung (Oktober 1983) gegenüber dem Gewährungszeitpunkt eine wesentliche Besserung eingetreten sei. Diese Frage habe der chirurgische Sachverständige unter Heranziehung des nur wenige Monate vor der Entziehung erstellten Befundes durch Vergleich mit dem jetzigen Zustand und dem Zustand zur Zeit der Gewährung beurteilt. Die nunmehrige Untersuchung habe nur mehr Kontrollcharakter und hätte nur insoweit Bedeutung, als eine zu diesem späteren Zeitpunkt feststellbare, auf den Unfall zurückzuführende Verschlechterung des Zustandes Rückschlüsse auf ihr Vorliegen zur Zeit der Entziehung zuließe. Eine solche Rückbeziehung sei jedoch vom chirurgischen Sachverständigen veneint worden. Ausgehend von den auf einem von wesentlichen Mängeln freien Verfahren und einer unbedenklichen Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen sei auch die Rechtsrüge nicht berechtigt. Wegen der zum Entziehungszeitpunkt festgestellten wesentlichen Besserung durch komplette Ausheilung der Knochenbrüche und Erholung der Muskelqualität, die eine Reduzierung der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vH auf 10 vH zur Folge gehabt habe, sei die Entziehung berechtigt.
Dagegen richtet sich die nach § 46 Abs 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Abs 2 leg cit zulässige Revision des Klägers wegen der im § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO bezeichneten Gründe mit den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinne abzuändern oder es allenfalls aufzuheben.
Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Bei einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse, die für die Feststellung einer Rente maßgebend waren, hat der Träger der Unfallversicherung auf Antrag oder von Amts wegen die Rente nach § 183 Abs 1 ASVG neu festzustellen.
Sind die Voraussetzungen des Anspruches auf eine laufende Leistung überhaupt nicht mehr vorhanden, so ist diese Leistung nach § 99 Abs 1 ASVG zu entziehen, sofern nicht der Anspruch gemäß § 100 Abs 1 leg cit ohne weiteres Verfahren erlischt. Die Entziehung einer Leistung wird, wenn der Entziehungsgrund in der Wiederherstellung oder Besserung des körperlichen oder geistigen Zustandes des Anspruchsberechtigten gelegen ist, mit dem Ablauf des Kalendermonates wirksam, der auf die Zustellung des Bescheides folgt (§ 99 Abs 3 ASVG).
Die Entziehung einer Versehrtenrente setzt daher eine wesentliche Änderung der für die Rentenfeststellung wesentlichen Verhältnisse und bei Dauerrenten in der Regel den Ablauf mindestens eines Jahres nach der letzten Feststellung (§ 183 Abs 2 ASVG) voraus:
Eine solche wesentliche Änderung wird dann vorliegen, wenn sich der körperliche oder geistige Zustand und dadurch der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit wesentlich gebessert haben (zB Tomandl, SV-System 3.ErgLfg 343).
Im vorliegenden Fall waren daher die dem (Wiedergewährungs- bzw. Neufeststellungs)Bescheid vom 8.9.1981 zugrunde gelegten Verhältnisse und die Verhältnisse zur Zeit des Entziehungsbescheides vom 24.8.1983 festzusstellen und miteinander zu vergleichen. Diese Feststellungen wurden von den Vorinstanzen im zweiten Rechtsgang in einem von wesentlichen Mängeln und Aktenwidrigkeiten freien Verfahren in einer den erforderlichen Vergleich und daher eine gründliche rechtliche Beurteilung der Streitsache ermöglichenden Art getroffen.
Daher liegen weder die geltend gemachte Mangelhaftigkeit und Aktenwidrigkeit (§ 503 Abs 1 Z 2 und 3 ZPO), noch wesentliche Feststellungsmängel vor.
Die nur den Vorinstanzen zukommende Würdigung des Gutachtens des Sachverständigen für Chirurgie und die Richtigkeit der auf Grund dieses Gutachtens getroffenen, nicht aktenwidrigen Feststellungen der Tatsacheninstanzen dürfen vom Obersten Gerichtshof nicht überprüft werden, weil die Beweisrüge kein zulässiger Revisionsgrund ist (§ 503 Abs 1 ZPO).
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, daß die zur Entziehungszeit festgestellte Besserung der Unfallfolgen gegenüber dem für den Wiedergewährungsbescheid maßgeblichen Zustand und die dadurch bewirkte Besserung der Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 vH auf 10 vH eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des § 183 Abs 1 ASVG darstellen und die Entziehung der Versehrtenrente nach § 99 Abs 1 ASVG rechtfertigen, ist richtig (§ 48 ASGG). Daß aber seither eine unfallbedingte Verschlechterung des Zustandes eingetreten wäre, wurde von den Vorinstanzen nicht festgestellt. Die nunmehrige Muskelverschmächtigung ist nach den getroffenen Feststellungen nicht unfallkausal.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.
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