OGH 2Ob651/87

OGH2Ob651/8717.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Karin L***, kaufmännische Angestellte, 8605 Kapfenberg, Heimsiedlung Nr. 4,

2. Klaus L***, technischer Angestellter, 8160 Weiz, Schulgasse 8, beide vertreten durch Dr. Gudrun Petsch-Lindmayr und Dr. Bernhard Lindmayr, Rechtsanwälte in Kapfenberg, wider die beklagte Partei Ursula K***, Angestellte, 8605 Kapfenberg, Pestalozzistraße 1, vertreten durch Dr. Gerhard Folk, Rechtsanwalt in Kapfenberg, wegen Herausgabe (Streitwert S 414.281,88), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 24. April 1987, GZ 1 R 30/87-24, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 19. November 1986, GZ 5 Cg 385/86-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte hat den Klägern die mit S 14.964,68 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.360,43 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beiden Kläger sind die aus der geschiedenen Ehe des Waldemar und der Margarethe L*** stammenden Kinder. Die Beklagte stand mit Waldemar L*** bis zu dessen Tod in sehr enger Beziehung. Der Nachlaß des Genannten wurde den Klägern auf Grund des Gesetzes je zur Hälfte rechtskräftig eingeantwortet.

In der vorliegenden Klage wird die Herausgabe des sogenannten "goldenen Sparbuches" mit einem Einlagenstand von S 414.281,88 mit der Begründung begehrt, dieses habe zum Nachlaß des Vaters der Kläger gehört und werde ihnen von der Beklagten rechtswidrig vorenthalten.

Die Beklagte beantragte Klagsabweisung und berief sich darauf, daß ihr das "goldene Sparbuch" von Waldemar L*** geschenkt worden sei.

Das Erstgericht traf die Feststellung, Waldemar L*** habe der Beklagten das genannte Sparbuch durch wirkliche Übergabe geschenkt und wies die Klage ab.

Das Berufungsgericht kam nach Beweiswiederholung entgegen dem Erstgericht zur Ansicht, daß eine Feststellung, Waldemar L*** habe das genannte Sparbuch der Beklagten, wie von dieser behauptet, zu Weihnachten 1983 unter Bekanntgabe des Losungswortes in Schenkungsabsicht übergeben, nicht getroffen werden könne. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus, die Beklagte habe die sie treffende Beweispflicht für eine Schenkung nicht erfüllt, sodaß davon auszugehen sei, daß das klagsgegenständliche Sparbuch zum Verlassenschaftsvermögen gehöre. Somit seien die Kläger berechtigt, dessen Herausgabe zu fordern. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, den Betrag von S 300.000 übersteigt.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt die Beklagte eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils.

Die Kläger beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Die Revisionswerberin verweist darauf, daß gemäß § 369 ABGB der Kläger beweispflichtig für sein Eigentum sei, wobei dieser strenge Eigentumsbeweis auch durch eine Rechtsvermutung im Sinne des § 372 ABGB ersetzt werden könne. Vorliegendenfalls hätten die Kläger ihren Besitz am Sparbuch nicht bewiesen, denn dieses sei bereits im Zeitpunkt des Todes des Waldemar L*** im Besitze der Beklagten und daher im Nachlaß nicht vorhanden gewesen. Im übrigen nimmt die Revision ausführlich zur Beweiswürdigung des Berufungsgerichtes Stellung, wobei die Revisionswerberin selbst erkennt, daß eine Überprüfung dieser berufungsgerichtlichen Beweiswürdigung durch das Revisionsgericht nicht zulässig ist (§ 503 Abs 1 ZPO).

Den Rechtsausführungen der Revisionswerberin ist zu erwidern:

Gemäß § 797 ABGB darf niemand eine Erbschaft eigenmächtig in Besitz nehmen. Das Erbrecht muß vielmehr vom Gericht verhandelt werden und das Gericht bewirkt durch die Einantwortung (vgl. § 819 ABGB) die Übergabe in den rechtlichen Besitz. Mit der Einantwortung tritt die Universalsukzession des Erben nach dem Erblasser ein. Besitz, Eigentum, Forderungen und sonstige Rechte gehen über, der Erbe erwirbt die volle Herrschaft über den Nachlaß (Welser in Rummel, ABGB, Rz 5 zu § 797). Die Einantwortung umfaßt alle zum Nachlaß gehörigen Vermögensbestandteile und nicht nur jene, die sich im Besitz des Nachlasses befanden oder die der Abhandlung unterzogen wurden (Weiß in Klang2 III 1046; Welser a.a.O. Anm. 7; MietSlg. 18.203; JBl 1976, 534 ua).

Kraft der Legitimationswirkung der Einantwortungsurkunde wird dem Erben als Eigentümer ein weiterer Legitimationsbeweis bei Verfolgung seiner Eigentumsansprüche hinsichtlich einzelner Erbschaftsstücke im Sinne des § 823 ABGB erspart (Weiß a.a.O. 1051). Gemäß § 366 ABGB kann er wie jeder andere Eigentümer die Herausgabe seiner ihm vorenthaltenen Sache von jedem Inhaber durch die Eigentumsklage gerichtlich fordern. Dabei hat er gemäß § 369 ABGB lediglich sein Eigentum und die Innehabung durch den Beklagten darzutun (vgl. Spielbüchler in Rummel ABGB Rz 1, 2 zu § 366; 1 Ob 507/84 ua). Anders ist dies nur in jenen Fällen, in denen es zu keiner Verlaßabhandlung und Einantwortung kam (siehe §§ 72, 73 AußStrG); die Erben können dann mangels Eigentumserwerbs nicht die Eigentumsklage nach § 366 ABGB sondern nur jene aus dem rechtlich vermuteten Eigentum nach § 372 ABGB erheben. Vorliegendenfalls gründet sich die Herausgabeklage der Kläger auf ihren durch die rechtskräftige Einantwortung eingetretenen Eigentumserwerb am klagsgegenständlichen Sparbuch als Teil des Nachlaßvermögens. Da die von der Beklagten behauptete Schenkung desselben nicht erwiesen wurde, gehört dieses Sparbuch im Sinne der obenstehenden Ausführungen zum Nachlaßvermögen des Waldemar L***. Die Kläger haben daher ihrer Beweispflicht im Sinne des § 369 ABGB genügt. In der berufungsgerichtlichen Stattgebung ihrer Klage kann demgemäß kein Rechtsirrtum erkannt werden. Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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