Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zur Gänze wie folgt zu lauten hat:
"Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei ab 1. Oktober 1986 einen Unterhaltbetrag von monatlich S 6.500,-- bei Exekution zu zahlen, und zwar die bis zur Rechtskraft dieser Entscheidung fällig werdenden Beträge binnen 14 Tagen, die künftig fällig werdenden Beträge am Ersten eines jeden Monats im vorhinein. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei ab 1. Oktober 1986 einen weiteren Unterhaltsbetrag von S 1.500,-- zu zahlen wird hingegen abgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei S 33.685,38 an Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 5/8 der mit S 27.203,55 (darin enthalten S 2.473,05 Umsatzsteuer), bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens, d.s. S 17.002,20, binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Anläßlich der einvernehmlichen Scheidung ihrer am 8. Mai 1971 geschlossenen Ehe regelten die Streitteile vor dem Erstgericht in Punkt 1 des Vergleiches vom 12. September 1979, 31 Sch 283/79-2, ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen wie folgt:
"Der Erstantragsteller (Beklagter) anerkennt die grundsätzliche Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Zweitantragstellerin (Klägerin) und behält sich diese ausdrücklich die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen bei geänderten Verhältnissen vor, wobei derzeit von einem monatlichen Durchschnittseinkommen des Erstantragstellers von S 9.500,-- und der Zweitantragstellerin von rund S 6.800,-- ausgegangen wird."
Die Klägerin, die seit 1957 bei der L***
L***-T***-G*** AG beschäftigt war, wurde zum 30. September 1985 gekündigt; ihre Abfertigung betrug S 182.338,80 netto (12 Monatsbezüge). Vom 1. Oktober 1985 bis 28. April 1986 bezog die Klägerin die Arbeitslosenunterstützung von täglich S 209,90; seit dem 29. April 1986 erhält sie die Notstandshilfe von täglich S 193,10. Die Klägerin ist beim Arbeitsamt als Arbeitssuchende gemeldet und bemüht sich auch persönlich um eine Arbeit, konnte jedoch bisher keinen neuen Arbeitsplatz finden. Grundsätzlich können Frauen im Alter der Klägerin auf Grund der Arbeitsmarktverhältnisse in der Textilbranche bei entsprechender Arbeitssuche wieder Arbeit finden. Die Klägerin steht jedoch seit Oktober 1984 wegen Depressionen in nervenärztlicher Behandlung. Auf Grund ihres Zustandsbildes kann ihr derzeit eine regelmäßige berufliche Tätigkeit nicht zugemutet werden; sie ist daher zur Zeit arbeitsunfähig.
Der Beklagte verdiente von Oktober 1986 bis September 1987 insgesamt S 269.586,-- sohin durchschnittlich S 22.465,50 im Monat. Er ist noch für einen minderjährigen ehelichen Sohn unterhaltspflichtig und leistet für diesen einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 2.300,--.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von S 8.000,-- seit 1. Oktober 1986. Seit dem Abschluß des Vergleiches hätten sich die Umstände wesentlich geändert. Der Beklagte sei nur noch für den ehelichen Sohn der Streitteile sorgepflichtig; die Unterhaltsansprüche der Kinder des Beklagten aus dessen früheren Ehen seien bereits erloschen. Der Beklagte verdiene wesentlich mehr, als im Vergleich angegeben worden sei. Die Klägerin hingegen sei wegen massiver Depressionen arbeitsunfähig, beziehe nur noch die Notstandshilfe und verfüge sonst über keine Einkünfte. Auf Grund des monatlichen Nettoeinkommens des Beklagten von S 24.000,-- sei unter Berücksichtigung seiner weiteren Sorgepflicht für ein eheliches Kind ein monatlicher Unterhaltsbetrag von S 8.000,-- angemessen. Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Er habe für zwei weitere Kinder aus früheren Ehen zu sorgen. Die Klägerin habe ihren Arbeitsplatz wegen eines Raufhandels und sonstiger Unzulänglichkeiten schuldhaft verloren. Sie beziehe als Blumenverkäuferin und Helferin in einem Kinderheim ein Nebeneinkommen, habe aber auch eine erhebliche Abfertigung erhalten. Es treffe nicht zu, daß die Klägerin derzeit nicht arbeitsfähig sei. Sein monatliches Nettoeinkommen betrage nur S 15.000,--. Die Unterhaltsvereinbarung sei nur für den Fall unverschuldeter Notlage getroffen worden.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Die Streitteile hätten in dem anläßlich der Scheidung geschlossenen Vergleich den Unterhaltsanspruch der Klägerin grundsätzlich für den Fall geänderter Verhältnisse festgelegt. Da die Klägerin in der Folge ohne ihr Verschulden ihren Arbeitsplatz verloren habe und bis auf weiteres nicht arbeitsfähig sei, der Beklagte hingegen jetzt wesentlich mehr verdiene, sei der Unterhaltsanspruch dem Grunde nach zu bejahen. Der von der Klägerin begehrte Unterhaltsbetrag sei angemessen.
Das Berufungsgericht wies die Klage ab und sprach aus, daß die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte in rechtlicher Hinsicht folgendes aus:
In dem anläßlich der Scheidung geschlossenen Vergleich hätten die Streitteile keinen Unterhaltsanspruch der Klägerin begründet, sei doch damit überhaupt keine Regelung getroffen worden, wer wem in welchem Ausmaß Unterhalt zu leisten habe bzw. wer auf den Unterhalt verzichte. Die Darstellung der damaligen Einkommensverhältnisse der Streitteile ändere nichts daran, daß Punkt 1 des Scheidungsvergleiches in Wahrheit inhaltsleer sei. Ohne Vereinbarung eines bestimmten Unterhaltsbetrages könne aber kein vertraglicher Unterhaltsanspruch bestehen. Fehle jedoch in einem anläßlich einer Scheidung geschlossenen Vergleich - entgegen § 55 a Abs 2 EheG - die Regelung der unterhaltsrechtlichen Beziehungen der vormaligen Ehepartner, dann habe der geschiedene Ehepartner auch keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch. § 69 Abs 3 EheG, wonach der Ehegatte, der die Scheidung verlangt hat, dem anderen Unterhalt nach Billigkeit zu gewähren habe, wenn das Urteil keinen Schuldausspruch enthält, könne auf die einvernehmliche Scheidung der Ehe nach § 55 a EheG nicht angewendet werden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Revisionsgründe nach § 503 Abs 1 Z 2 bis 4 ZPO gestützte Revision der Klägerin mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen; hilfsweise stellt die Klägerin auch einen Aufhebungsantrag. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin nicht nur eine unrichtige Auslegung des Vergleiches durch das Berufungsgericht geltend; sie beansprucht auch nur einen im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten vertraglichen Unterhalt, dessen Bemessung nicht der Anfechtungsbeschränkung nach § 502 Abs 2 Z 1 ZPO unterliegt. Daher ist die Revision - im Hinblick auf den Streitwert allerdings eingeschränkt auf die in § 502 Abs 4 Z 1 ZPO bezeichneten Rechtsfragen - zulässig; sie ist auch teilweise berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Weder die gerügte Aktenwidrigkeit noch die gerügte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegen vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Die Klägerin führt in ihrer Revision im wesentlichen aus, daß das Berufungsgericht die Unterhaltsregelung im Punkt 1 des Scheidungsvergleiches unrichtig als "Leerformel" angesehen habe. Tatsächlich habe der Beklagte ihren Unterhaltsanspruch grundsätzlich anerkannt, wobei die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen bei geänderten Verhältnissen vorbehalten worden sei. Unter den im Vergleich genannten Umständen hätte die Klägerin zwar keinen Unterhaltsanspruch gehabt. Nunmehr aber hätten sich die Verhältnisse wesentlich geändert. Selbst dann aber, wenn die getroffene Unterhaltsvereinbarung unwirksam sein sollte, stünde ihr analog § 69 Abs 3 EheG ein Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten zu. Da die Ausführungen in der Revision, daß der Klägerin Unterhalt schon auf Grund des Vergleiches zustehe, zutreffen, muß auf die Streitfrage, ob im Fall der Unwirksamkeit eines anläßlich der einvernehmlichen Scheidung geschlossenen Unterhaltsvergleiches ein Unterhaltsanspruch nach § 69 Abs 3 EheG zusteht (verneinend:
JBl 1986, 777; bejahend: JBl 1986, 778; Hoyer, Gesetzlicher Unterhalt nach einverständlicher Scheidung, JBl 1986, 772 ff; Ent-Hopf, Das neue Eherecht 90), nicht eingegangen werden. Eine Ehe darf auf Grund eines gemeinsamen Antrages der Ehegatten nur dann geschieden werden, wenn diese (ua.) eine schriftliche Vereinbarung über ihre unterhaltsrechtlichen Beziehungen dem Gericht unterbreiten oder vor dem Gericht schließen (§ 55 a Abs 2 EheG). Einer solchen Vereinbarung bedarf es nicht, soweit über diese Gegenstände bereits eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung vorliegt (§ 55 a Abs 3 EheG). Eine solche Regelung der unterhaltsrechtlichen Beziehungen der Ehegatten liegt nicht nur im Fall der Festsetzung eines bestimmten Unterhaltsbetrages vor, sondern auch dann, wenn der - grundsätzlich
anerkannte - Unterhaltsanspruch eines Ehegatten von der Änderung bestehender Verhältnisse abhängig gemacht wird; sie kann aber auch in der Erklärung eines Ehegatten bestehen, daß auf Unterhalt verzichtet wird (Bericht des JA zu Art. II Z 3 EheRÄndG, 916 BlgNR 14.GP 9).
Im vorliegenden Scheidungsvergleich hat der Beklagte seine grundsätzliche Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Klägerin anerkannt; die Klägerin hat sich die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen bei geänderten Verhältnissen vorbehalten. Da die Parteien nicht vorgetragen haben, daß sie über den schriftlichen Vergleichstext hinausgehende übereinstimmende Erklärungen abgegeben hätten - die einzige vom Beklagten dazu erstattete Behauptung, diese Formulierung habe bloß zum Ausdruck bringen sollen, daß er der Klägerin nur im Fall unverschuldeter Not Unterhalt zu gewähren habe, ist nicht erwiesen -, ist der Inhalt der Unterhaltsregelung durch Auslegung zu ermitteln. Die Klägerin sollte demnach so lange keinen Unterhaltsanspruch haben, als sie in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt durch ein eigenes Einkommen zu decken. Da der Vergleich den Unterhaltsanspruch aber sonst nicht einschränkt, enthält er die Vereinbarung der angemessenen Alimentierung der Klägerin nach den Lebensumständen der Streitteile zumindest für den - jetzt vorliegenden - Fall der Erwerbsunfähigkeit. Damit haben die Parteien den Unterhaltsanspruch der Klägerin nicht anders geregelt, als dies bei Scheidung der Ehe aus dem alleinigen oder überwiegenden Verschulden des Beklagten nach § 66 EheG der Fall wäre. Daß sich die Verhältnisse nach dem Vergleichsabschluß wesentlich geändert haben, kann nicht fraglich sein. Die Klägerin ist nunmehr zumindest vorübergehend nicht arbeitsfähig, hat derzeit kein eigenes Einkommen und bezieht nur die Notstandshilfe; der Beklagte hingegen verdient wesentlich mehr als beim Vergleichsabschluß und hat nur noch für ein eheliches Kind zu sorgen. Ab dem Zeitpunkt, in dem sich diese Verhältnisse für die Klägerin tatsächlich ausgewirkt haben, steht ihr daher der Unterhaltsanspruch zu. Das war nur so lange nicht der Fall, als die Klägerin die Arbeitslosenunterstützung bezog und durch die Abfertigung im Ausmaß von 12 Monatsbezügen einem Arbeitseinkommen gleichzuhaltende Einkünfte hatte (siehe zur Abfertigung SZ 15/127; zur Arbeitslosenunterstützung EFSlg 51.036). Die aus 12 Monatsbezügen errechnete Abfertigung ist von der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an als Einkommen nur auf die folgenden 12 Monate aufzuteilen. In diesen Zeitraum fällt auch der Bezug der Arbeitslosenunterstützung. Nach dem 1. Oktober 1986 aber hatte die Klägerin keine einem Arbeitseinkommen gleichzuhaltenden Einkünfte mehr. Die Notstandshilfe, die die Klägerin seit 29. April 1986 bezieht, wird nach § 33 Abs 2 lit c AlVG 1977 nur dann gewährt, wenn sich der Arbeitslose (ua.) in Notlage befindet. Die Unterhaltspflicht des geschiedenen Mannes geht aber dem Anspruch auf die Notstandshilfe vor. Der Klägerin steht daher der vereinbarte angemessene Unterhalt ab 1. Oktober 1986 zu.
Da die Klägerin mit Ausnahme der auf den Unterhalt nicht anrechenbaren Notstandshilfe kein Einkommen hat, erscheint unter Berücksichtigung des derzeitigen Durchschnittseinkommens des Beklagten und dessen Sorgepflicht für ein eheliches Kind ein monatlicher Unterhaltsbetrag von S 6.500,-- als angemessen. Daher war der Revision teilweise Folge zu geben und wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Prozeßkosten erster Instanz gründet sich auf § 43 Abs 1 und Abs 2 ZPO. Die Klägerin hat für den ersten Verfahrensabschnitt, in dem sie einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 3.550,-- geltend gemacht hatte, Anspruch auf Ersatz der gesamten Prozeßkosten von S 11.320,65; das in der zeitlichen Einschränkung dieses Anspruches liegende Unterliegen ist im Verhältnis zum gesamten geltend gemachten Unterhaltsanspruch geringfügig und hat auch keine besonderen Kosten verursacht (§ 43 Abs 2 ZPO). Im zweiten Verfahrensabschnitt hat die Klägerin mit 13/16 des geltend gemachten Anspruches obsiegt, so daß ihr dafür der Ersatz von (13/16 - 3/16 =) 5/8 ihrer vom Erstgericht richtig mit S 35.783,57 bestimmten Prozeßkosten gebührt. Insgesamt ergibt sich daraus ein Kostenersatzanspruch von S 33.685,38. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, für das das gleiche Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen gilt, beruht zusätzlich auf § 50 ZPO.
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