OGH 15Os64/88

OGH15Os64/883.5.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 3.Mai 1988 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schumacher als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Franz S*** wegen des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 16.März 1988, GZ 3 a Vr 1051/87-72, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Schuldspruch wegen des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB (Pkt II) teils in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde im Umfang der Anfechtung, sowie darüber hinaus von Amts wegen gemäß § 290 Abs. 1 StPO (somit zur Gänze), ferner im Strafausspruch (einschließlich des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft) aufgehoben. Die Sache wird - zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung - an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte hierauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz S*** zu I des Verbrechens der versuchten Nötigung zum Beischlaf nach §§ 15, 202 Abs. 1 StGB sowie zu II des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. In Ansehung des genannten Vergehens werden ihm Unterhaltsverletzungen

1. in der Zeit vom 13.November 1984 bis 29.Jänner 1987 gegenüber seinen ehelichen minderjährigen Kindern Barbara S***, geboren am 2.September 1971 und Antonia S*** (im Ersturteil unrichtig: S***), geboren am 3.Juni 1975 sowie

2. in der Zeit vom 1.Jänner 1986 bis zum 29.Jänner 1987 gegenüber dem am 27.Juli 1983 außerehelich geborenen minderjährigen Markus Z*** angelastet.

Nur den Schuldspruch nach § 198 Abs. 1 StGB bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus § 281 Abs. 1 "Z 9 lit a bzw 5" StPO, wobei sich die Anfechtung - ungeachtet des globalen Schlußantrages in der Rechtsmittelschrift - auf das Faktum II 1 (Unterhaltsverletzung gegenüber den beiden obgenannten ehelichen Kindern), und zwar überdies noch eingeschränkt auf den Zeitraum vom 13. November 1984 bis 13.November 1985 beschränkt.

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Mit Recht releviert der Angeklagte Feststellungsmängel (Z 9 lit a) zum Tatbestandsmerkmal der gröblichen Verletzung der Unterhaltspflicht. Hiefür sind neben der Dauer der Pflichtverletzung jedenfalls auch die finanzielle Situation, die Verdienstmöglichkeiten und die Lebensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen sowie dessen bisheriges Verhalten und die Gründe für die Nichterbringung der Unterhaltsleistung maßgebend (11 Os 203/85 uva). Hierüber aber und über die weitere Frage, ob dem Angeklagten die von ihm verlangten Leistungen auch zumutbar waren, läßt das Ersturteil jedoch jegliche Feststellungen vermissen.

Rechtliche Beurteilung

Derartige Konstatierungen wären aber nach Lage des Falles umsomehr geboten gewesen, als sich der Angeklagte, ein selbständiger Tischlermeister, der sich nach der Aktenlage vom 11.Juni 1982 bis zum 12.November 1984 (praktisch durchgehend) in Haft befunden hat, zwar in der mit Urteil beendeten Hauptverhandlung der ihm angelasteten Unterhaltsverletzungen letztlich uneingeschränkt schuldig bekannt (S 370), in diesem Zusammenhang aber auch auf seine lange Haftzeit Bezug genommen und dargelegt hat, deswegen nicht in der Lage gewesen zu sein, Unterhaltsleistungen zu erbringen (erneut S 370).

Bei dieser Sachlage aber wäre das Erstgericht schon angesichts dieser, wenngleich auch nur rudimentär auf Unzumutbarkeit der Erbringung von Unterhaltsleistungen abgestellten Verantwortung des Angeklagten verpflichtet gewesen, entsprechende Feststellungen über dessen wirtschaftliche Situation anläßlich seiner Haftentlassung - die am 12.November 1984 erfolgt ist - zu treffen sowie darüber, ob und zu welchem Zeitpunkt nach seiner Enthaftung es ihm möglich gewesen wäre, ausreichende Beträge zur Leistung von Unterhaltszahlungen zu erbringen. Da der Angeklagte - unbestritten - keinerlei Zahlungen geleistet hat, wäre des weiteren zu erheben gewesen, welche Schritte der Angeklagte nach seiner Haftentlassung unternahm, um sich wiederum eine wirtschaftliche Grundlage zu schaffen, die es ihm auch ermöglichte, seine im Familienrecht begründeten Verpflichtungen zu erfüllen. Fehlt es demnach im Ersturteil, wie in der Beschwerde der Sache nach zutreffend aufgezeigt, an ausreichenden Feststellungen zum objektiven Tatbestand, kann aber, wie der Vollständigkeit halber aufzuzeigen ist, auch nicht übersehen werden, daß sich das Ersturteil zur subjektiven Tatseite völlig unsubstantiiert auf die nicht weiter unbegründete Konstatierung beschränkt, daß der Angeklagte mit bedingtem Vorsatz "im Sinne des § 5 Abs. 1 StGB gehandelt" habe. In Ansehung der dem Angeklagten nun angelasteten Unterhaltsverletzungen ist dem Ersturteil jedoch nicht zu entnehmen, ob sich der (allenfalls bedingte) Vorsatz des Angeklagten sowohl auf die gröbliche Pflichtverletzung als auch auf die Herbeiführung der Gefährdung des Unterhaltes und/oder der Erziehung seiner Kinder erstreckte.

Der Angeklagte beschränkt sich in der Anfechtung des Urteils zwar in Ansehung des Faktums II 1 auf den Zeitraum vom 13. November 1984 bis zum 13.November 1985, weil er seiner Ansicht nach als selbständiger Tischlermeister den Zeitraum eines Jahres benötigte, um wirtschaftlich wieder in der Lage zu sein, seinen Unterhaltsverpflichtungen nachkommen zu können. Nach dem Vorgesagten ist jedoch der gesamte Schuldspruch zum Faktum II, und zwar zum Unterabschnitt 1, soweit der Schuldspruch über den 13.November 1985 hinausgeht, zum Faktum II 2 zur Gänze, mit dem oben dargelegten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund im Sinn des § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO behaftet. Dies war über den Umfang der Anfechtung hinaus von Amts wegen gemäß § 290 Abs. 1 zweiter Satz StPO wahrzunehmen. Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

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