OGH 7Ob13/88

OGH7Ob13/8828.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma Karl V***, Inhaber Peter S***, Gewürzhandlung, Neunkirchen, Beethovengasse 1-3, vertreten durch Dr. Ernst Fasan, Dr. Wolfgang Weinwurm, Dr. Erwin Lorenz und Dr. Manfred Moser, Rechtsanwälte in Neunkirchen, wider die beklagte Partei B*** V***T IN Ö***,

Wien 3., Lothringerstraße 16, vertreten durch Dr. Axel Friedberg, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 145.347,-- s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. Jänner 1988, GZ 1 R 193/87-13, womit das Urteil des Kreisgerichtes Wiener Neustadt als Handelsgerichtes vom 17. Juli 1987, GZ 3 Cg 1152/86-7, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 6.225,45 bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten S 565,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Die klagende Partei hat mit der B*** Versicherungsgesellschaft, Direktion für Österreich Wien 3., Lothringerstraße 16, der inländischen Zweigniederlassung der B*** Versicherungsgesellschaft mit dem Sitz in Basel (im folgenden nur Zweigniederlassung) eine Betriebshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Die Zweigniederlassung wurde aufgrund eines Vertrages zwischen der B*** Versicherungsgesellschaft und der B*** V***T mit dem Sitz in Wien 3.,

Lothringerstraße 16 in die seit 19. Juli 1983 protokollierte inländische Aktiengesellschaft eingebracht und am 23. September 1983 im Handelsregister gelöscht. Der Bestand der mit der Zweigniederlassung abgeschlossenen Versicherungsverträge wurde auf die B*** V***T übertragen, deren

Firmenwortlaut in der Folge auf B***

V***T IN Ö*** geändert wurde.

Am 18. Mai 1983 wurde unter der Firma der Zweigniederlassung beim Erstgericht (1 Cg 849/83) eine Prämienklage gegen die klagende Partei eingebracht. Letztere wendete aufrechnungsweise eine Gegenforderung aus einem Versicherungsfall vom Mai 1982 bis zur Höhe der Klagsforderung ein. Mit einem an die B***

V***T gerichteten Schreiben vom 10. Februar 1984 schlug der Vertreter der klagenden Partei den Verzicht auf den Verjährungseinwand gegen die Forderung der klagenden Partei aus dem Versicherungsfall vom März 1982 bis einen Monat aach Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung in jenem Rechtsstreit vor. Die B*** V***T IN

Ö*** gab daraufhin am 17. Dezember 1984 eine entsprechende Verzichtserklärung ab (Beilagen 1 und 2). Mit Urteil des Erstgerichtes vom 25. März 1985 wurde die Gegenforderung der klagenden Partei bis zur Höhe der Klagsforderung von S 5.702,40 als zu Recht bestehend erkannt und das Klagebegehren demgemäß abgewiesen. Die bestätigende Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 11. Juli 1985 wurde dem Vertreter der klagenden Partei am 23. Juli 1985 zugestellt. Am 20. August 1985 und somit innerhalb der obgenannten einmonatigen Frist brachte der Klagevertreter gegen die Zweigniederlassung die Klage auf die restliche Versicherungsleistung aus dem Versicherungsfall vom Mai 1982 ein. Ein Antrag der klagenden Partei auf Berichtigung der Parteienbezeichnung auf B*** V***T IN

Ö*** wurde rechtskräftig abgewiesen. Die klagende Partei zog daraufhin die Klage zurück.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei die

restliche Versicherungsleistung von der B***

V***T IN Ö***. Die beklagte Partei

erhob unter anderem die Einrede der Verjährung. Nach dem Standpunkt der klagenden Partei verstoße die Erhebung der Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren wegen Verjährung ab. Das Berufungsgericht schloß sich dem Standpunkt der klagenden Partei an und hob das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Rekurs der beklagten Partei ist unzulässig.

Nach § 519 Abs.2 ZPO darf das Berufungsgericht einen Rechtskraftvorbehalt nur aussprechen, wenn der Rekurs nicht schon nach § 528 Abs.1 ZPO unstatthaft ist und es die Voraussetzungen des § 502 Abs.4 ZPO für gegeben erachtet. Im vorliegenden Fall kommt lediglich der erste Fall des § 502 Abs.4 ZPO in Betracht, daß nämlich die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt. Diese Voraussetzung liegt jedoch nicht vor. Wurden die grundsätzlichen Rechtsfragen vom Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Lehre und der Rechtsprechung gelöst, wird diese Lösung gar nicht bekämpft und richtet sich die Anfechtung nur gegen die zu der richtigen Lösung der grundsätzlichen Rechtsfragen nicht in Widerspruch stehende Anwendung auf einen konkreten Einzelfall sind diesbezüglich die Voraussetzungen des § 502 Abs.4 Z 1 ZPO nicht gegeben (7 Ob 30/87;

7 Ob 701/86). Insbesondere schließt die Kasuistik des Einzelfalles in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus (7 Ob 701/86;

8 Ob 79/85; 3 Ob 4, 5/84).

Das Berufungsgericht folgte der ständigen, im Schriftum gebilligten Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach die Erhebung der Verjährungseinrede gegen Treu und Glauben verstößt, wenn die Fristversäumnis des Klägers auf ein Verhalten des Beklagten zurückgeht (NZ 1987, 317; RZ 1984/59; SZ 47/104; SZ 40/100; JBl. 1969, 442; EvBl. 1967/435 uva; Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 1502). Die Richtigkeit dieser Rechtsansicht wird von der beklagten Partei nicht in Zweifel gezogen. Sie versucht lediglich, an Hand der besonderen Umstände darzutun, daß die Fristversäumnis nicht auf ihr Verhalten zurückgeht, sondern von der klagenden Partei selbst zu vertreten ist. Ausschlaggebende Bedeutung kommt hier den besonderen Umständen des Falles zu, weshalb die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 519 Abs.2 und § 502 Abs.4 Z 1 ZPO nicht gegeben sind. Fehlen aber diese Voraussetzungen, ist der Rekurs zurückzuweisen (Fasching, LB Rdz 1822).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Da die klagende Partei die Unzulässigkeit des Rekurses geltend machte, hat sie auch Anspruch auf Ersatz der Kosten der Rekursbeantwortung.

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