OGH 3Ob524/88

OGH3Ob524/8827.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gertraud S***, Angestellte, Wien 19., Goltzgasse 5/9, vertreten durch Dr. Christian Prem u.a., Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1) Peter S***, Kaufmann, Wien 19., Peter-Jordan-Straße 68, und 2) Enrico A***, Architekt, Wien 19., Scheibengasse 1, beide vertreten durch Dr. Manfred H. Boyer-Telmer u.a., Rechtsanwälte in Wien, sowie

3) Edith B***, Angestellte, Wien 19., Goltzgasse 5, diese vertreten durch Dr. Hans Pernkopf, Rechtsanwalt in Wien, wegen Zuhaltung eines Mietvertrages, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien als Berufungsgerichtes vom 25. Juni 1987, GZ 41 R 202/87-29, womit infolge Berufung der erst- und zweitbeklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 12. Februar 1987, GZ 5 C 512/86-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen und das Verfahren erster und zweiter Instanz werden als nichtig aufgehoben. Die Klage wird zurückgewiesen.

Die Prozeßkosten aller drei Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Begründung

Die Klägerin als Mieterin begehrt von den drei beklagten Parteien als Vermietern die Wiederherstellung des durch Baumaßnahmen beeinträchtigten früheren Zustandes in der Form, daß ein Kaminanschluß im Wohnzimmer wieder benützbar gemacht werde. Die beklagten Parteien beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Es ging im wesentlichen von folgenden Tatsachenfeststellungen aus:

Als die Klägerin die Wohnung im Jahr 1972 mietete, enthielt diese u.a. im Wohnzimmer einen Kaminanschluß, den die Klägerin für einen Ölofen benützte. Vor 9 Jahren ließ die Klägerin eine Zentralheizung einbauen und verwendet seither diesen Kamin nicht mehr. Wenn die Zentralheizung nicht betrieben wird, gäbe es jetzt weder im Wohnzimmer noch im Schlafzimmer, in dem sich ein zweiter Anschluß an denselben Kamin befindet, die Möglichkeit, einen Heizkörper an einen Kamin anzuschließen, außer wenn zum Kamin in der Küche eine Poterie geleitet wird.

In den Jahren 1984 und 1985 bauten die beklagten Parteien den Dachboden des Hauses aus und ließen die neuen Wohnungen an den strittigen Kamin anschließen. Eine andere Variante wäre sehr aufwendig gewesen. Die beklagten Parteien unterließen es, die Zustimmung der Klägerin zu dieser Bauführung einzuholen. Seit dem Anschluß der neuen Wohnungen ist ein zweiter Anschluß nach den Bestimmungen der Bauordnung verboten.

Das Erstgericht war der Ansicht, daß die Klägerin nur in einem Verfahren nach § 37 Abs. 1 Z 5 MRG verhalten werden könnte, die Baumaßnahmen der beklagten Parteien zu dulden. Solange der Vermieter eine Entscheidung nach dieser Gesetzesstelle nicht erwirkt habe, sei die vorgenommene Veränderung unzulässig. Schikane liege nicht vor, weil der Klägerin trotz derzeitiger Nichtbenützung des Kamins das Interesse nicht abgesprochen werden könne, daß der Kaminanschluß bestehen bleibe.

Das Berufungsgericht änderte das Urteil des Erstgerichtes im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens ab und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und daß die Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht vertrat die Auffassung, daß die Klägerin die Bauführung dann hinnehmen müsse, wenn daraus für sie wie im vorliegenden Fall keine wesentliche Beeinträchtigung entstehe.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei ist berechtigt, weil der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nach § 477 Abs. 1 Z 6 ZPO vorliegt.

Gemäß § 37 Abs. 1 Z 5 MRG ist über Anträge in Angelegenheiten der Duldung von Eingriffen in das Mietrecht zur Durchführung von Erhaltungs-, Verbesserungs- und Änderungsarbeiten einschließlich des Anspruches auf angemessene Entschädigung (§ 8 Abs. 2 und 3 MRG) im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden, wobei in Wien gemäß § 39 Abs. 1 MRG zunächst die Gemeinde anzurufen ist. Ein Dachbodenausbau zur Schaffung neuer Wohnungen ist zwar weder der typische Fall der Durchführung von Erhaltungs- oder Verbesserungsarbeiten an allgemeinen Teilen des Miethauses iSd § 8 Abs. 2 Z 1 MRG noch von Veränderungen (Verbesserungen) in einem "anderen Mietgegenstand" iSd § 8 Abs. 2 Z 2 MRG, also von Erhaltungs-, Verbesserungs- und Änderungsarbeiten iSd § 8 Abs. 3 MRG, läßt sich aber doch dem Begriff der Verbesserung oder Änderung nach diesen Gesetzesbestimmungen subsumieren (EvBl. 1988/1; Call in Korinek-Krejci, HdBW VI - Mon - 1, 43). Das MRG läßt die Tendenz des Gesetzgebers erkennen, daß Entscheidungen über Streitigkeiten zwischen den Mietvertragsparteien in weiterem Umfange als früher in das außerstreitige Verfahren zu verweisen sind (vgl. RZ 1985/82). Zur Erledigung eines Streites der vorliegenden Art ist das außerstreitige Verfahren besser geeignet, weil nur in einem solchen Verfahren der Ausgleich der entgegengesetzten Interessen von Vermieter und Mieter allenfalls auch durch Festlegung einer angemessenen Entschädigung möglich ist.

Dies gilt nicht nur für einen Antrag des Vermieters, den dieser vor Vornahme der strittigen Arbeiten stellt, sondern ebenso für den Antrag des Mieters, der nach eigenmächtiger Vornahme von Änderungsarbeiten die Wiederherstellung des früheren Zustandes anstrebt. Auch für eine solche Klage ist der streitige Rechtsweg ausgeschlossen (ebenso Würth in ImmZ 1984, 7 mit dem Hinweis auf die andere Rechtslage nach dem WEG). Schützt sich der Mieter also gegen einen eigenmächtigen Eingriff des Vermieters nicht fristgerecht durch eine Besitzstörungsklage - in deren Erledigung nicht über die Rechtslage abgesprochen wird -, dann steht ihm nur mehr das außerstreitige Verfahren offen.

Die Urteile der Vorinstanzen waren daher samt dem vorangegangenen Verfahren als nichtig aufzuheben und die Klage zurückzuweisen, weil eine Überweisung der Sache an die Gemeinde nicht in Betracht kommt.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 51 Abs. 2 ZPO. Die klagende Partei hat das Verfahren trotz der Unzulässigkeit des streitigen Rechtsweges eingeleitet, die beklagten Parteien haben dieses erkennbare Prozeßhindernis nicht wahrgenommen.

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