OGH 9ObA70/88

OGH9ObA70/8827.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Bauer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Peter Scheuch und Olga Makomaski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Lisa Roswitha L***, Unternehmerin, Laßnitzhöhe, Hauptstraße 150, vertreten durch Dr. Guido Held, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Mag. Michael L***, Wirtschaftstreuhänder, Graz, Schießstattgasse 17, vertreten durch Dr. Walter Dürnberger, Rechtsanwalt in Graz, wegen 276.900,- S brutto s.A. infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. Dezember 1987, GZ 7 Ra 1115/87-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgerichtes vom 2. Juli 1987, GZ 34 Cga 1015/87-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 9.631,05 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 875,55 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile leben in aufrechter Ehe; ein Scheidungsverfahren ist anhängig. Die Klägerin war ab 1. August 1983 als Sekretärin im Steuerberatungsbüro des Beklagten mit einer (vereinbarten) Arbeitszeit von 20 Wochenstunden angestellt. Bei der S*** G*** wurde das monatliche Entgelt

der Klägerin mit 5.500,- S brutto angegeben. Ab 1. April 1984 erfolgte vom Beklagten eine Änderungsmeldung bezüglich des Entgeltes der Klägerin auf 6.000,- S monatlich brutto bei einer Arbeitszeit von 25 Wochenstunden. Eine weitere Änderungsmeldung erfolgte ab 1. Dezember 1985 auf 3.000,- S brutto bei 14 Wochenstunden. Der vom Beklagten für die Klägerin verfaßte Lohnzettel weist für 1984 ein Bruttogehalt (gemeint: einen Jahresbruttobezug) von 82.500,- S, für 1985 ein solches von 81.000,- S und für 1986 ein solches von 51.000,- S inklusive einer Abfertigung von 9.000,- S brutto aus. Von der Reduzierung des Gehaltes ab Dezember 1985 wurde die Klägerin nicht informiert. Es gab zwischen den Streitteilen darüber keine Vereinbarung; die Änderung bei der S***

G*** erfolgte durch den Beklagten ohne Wissen und Willen der Klägerin. Diese hat trotz ihrer Tätigkeit für die eigene Firma ihre Arbeitsleistung für den Beklagten nicht unter 20 Wochenstunden eingeschränkt. Die letzte Gehaltsauszahlung an die Klägerin erfolgte im Jahr 1983. Seit 1984 erhielt sie keine Zahlungen mehr. Da der Betrieb des Beklagten sich in der Aufbauphase befand, begehrte die Klägerin bis zu ihrer Kündigung ihr Gehalt nicht bzw. stellte sie die Gehälter nicht fällig. Es wurde zwischen den Streitteilen keine Vereinbarung dahin getroffen, daß das Gehalt der Klägerin zur Abdeckung der Kosten des Familienunterhaltes oder des Hauses der Klägerin in Laßnitzhöhe, in dem sich auch die Ehewohnung der Streitteile befand, verwendet werden sollte. Der Beklagte trug die Betriebskosten für die Ehewohnung, doch trug auch die Klägerin Kosten für Bauarbeiten bei. Die Streitigkeiten zwischen den Streitteilen begannen im August 1985. Seit Herbst 1986 verkehrte der Beklagte mit der Klägerin nur mehr schriftlich. Mit Schreiben vom 29. Oktober 1986 teilte der Beklagte der "Firma I*** E*** L***" mit, daß er das Dienstverhältnis mit der Klägerin per 31. Dezember 1986 als beendet betrachtete. Dieser Brief langte bei der Klägerin am 18. November 1986 ein.

Die Klägerin begehrte ihr Gehalt für die Jahre 1984, 1985 und 1986, ferner Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsentschädigung in der Gesamthöhe von (eingeschränkt) 276.900,- S brutto. Die zum 31. Dezember 1986 ausgesprochene Kündigung sei zeitwidrig gewesen, sodaß ihr die Ansprüche bis zum Kündigungstermin 31. März 1987 zustünden.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Das Gehalt der Klägerin sei vereinbarungsgemäß zur Abdeckung der Betriebs- und sonstigen Kosten eines der Klägerin gehörigen Hauses, in dem sich die Ehewohnung befunden habe, sowie der gesamten Familienausgaben verwendet worden. Die Klägerin habe im Betrieb des Beklagten in Erfüllung ihrer ehefraulichen Beistandspflicht nach §§ 44 ff ABGB mitgearbeitet. Es sei bis 31. März 1984 ein Monatsbruttogehalt von 5.500,- S, sodann bis 30. November 1985 ein solches von 6.000,- S und ab 1. Dezember 1985 wegen verringerter Arbeitszeit ein solches von 3.000,- S vereinbart worden. Dieses Gehalt sei der Klägerin stets bar ausgezahlt worden. Der Beklagte habe der Klägerin in von ihm gemieteten Lokalitäten Räume zur Ausübung eines eigenen gewerblichen Betriebes überlassen, wofür insgesamt 94.680,- S in Rechnung zu stellen gewesen wären. Die Klägerin habe diese Leistungen des Beklagten als Gegenleistung aus ihrem Arbeitsverhältnis angenommen. Die zweimonatige Kündigungsfrist sei bei Zumittlung des KÜndigungsschreibens eingehalten worden. Das Erstgericht gab dem Begehren der Klägerin statt. Ausgehend von dem eingangs wiedergegebenen Sachverhalt führte es aus, daß der Arbeitgeber grundsätzlich kein Zurückbehaltungsrecht am Lohn und nur im Fall der gesetzlich normierten Ausnahmen ein Aufrechnungsrecht mit dem Lohn seines Arbeitnehmers habe. Solche Ausnahmen, nämlich Aufrechnung zur Einbringung eines Vorschusses, einer im rechtlichen Zusammenhang stehenden Forderung oder aus absichtlicher Schadenszufügung entstandenen Ersatzforderung, lägen nicht vor. Davon abgesehen, sei eine Aufrechnungsvereinbarung nicht nachgewiesen worden. Durch den Hinweis auf die eheliche Beistandspflicht der Klägerin würden ihre vertraglichen Ansprüche nicht berührt. Seine Aufwendungen für die eheliche Wohnung müsse der Beklagte in einem Aufteilungsverfahren nach erfolgter Ehescheidung geltend machen. Vereinbarungen zwischen den Streitteilen über Bürobenützung bzw. Aufteilung von Mietzinsen für gemeinsame Bürobenützung seien nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Das Kündigungsschreiben sei der Klägerin nicht mindestens zwei Monate vor dem Kündigungstermin zugekommen, sodaß die Kündigung verspätet erfolgt sei. Insgesamt seien daher alle eingeklagten Ansprüche der Höhe nach berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der nur wegen unrichtiger Tatsachenfeststellung und unrichtiger Beweiswürdigung erhobenen Berufung nicht Folge.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus den Revisionsgründen der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Rechtssache zur Fällung eines neuen Urteiles nach Verfahrensergänzung an das Berufungsgericht, allenfalls an das Erstgericht zurückzuverweisen. Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die behauptete Mangelhaftigkeit liegt nicht vor

(§ 510 Abs 3 ZPO). Der Neuverhandlungsgrundsatz des § 25 Abs 1 Z 3 ArbgG wurde in das ASGG nicht übernommen (vgl. Kuderna Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz 346 f). Die Frage, ob das Berufungsgericht eine Beweiswiederholung für notwendig hält, gehört aber der im Revisionsverfahren nicht angreifbaren Beweiswürdigung an (EvBl 1985/70; 9 Ob A 154/87 uva). Dadurch, daß das Berufungsgericht den Antrag des Berufungswerbers auf Wiederholung der Beweise nicht gefolgt ist und die Feststellungen des Erstgerichtes übernommen hat, wurde ein Verfahrensmangel nicht begründet.

Mit der Berufung bekämpfte der Beklagte lediglich die Tatsachengrundlagen der Entscheidung des Erstgerichtes; unrichtige rechtliche Beurteilung wurde nicht geltend gemacht. Grundsätzlich kann eine in der Berufung nicht ausgeführte Rechtsrüge in der Revision nicht mehr nachgetragen werden (JBl 1954, 516; JBl 1959, 458; ÖRZ 1966, 204; 9 Ob A 156/87 ua). Damit ist dem Obersten Gerichtshof eine Überprüfung der Rechtsfrage verwehrt. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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