Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß sie zu lauten haben:
"Es wird festgestellt, daß das Dienstverhältnis der Prozeßparteien über den 31.März 1987 hinaus aufrecht fortbesteht."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 15.415,40 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin 1.401,40 S Umsatzsteuer), die mit 8.838,50 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 803,50 S Umsatzsteuer) sowie die mit 2.829,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 257,25 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war in der Zeit vom 25.Juni 1971 bis 31. Dezember 1981 bei der Stadtgemeinde Eisenerz als Vertragsbedienstete beschäftigt. Ab 1.Jänner 1982 wurde sie von der Beklagten mit der Zusage übernommen, daß für sie dienst- und besoldungsrechtlich die Bestimmungen des Steiermärkischen Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes Anwendung zu finden haben. Mit Schreiben vom 15.September 1986 wurde die Klägerin zum 31.März 1987 gekündigt.
Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß die Kündigung rechtsunwirksam sei und das Dienstverhältnis über den 31.März 1987 hinaus aufrecht fortbestehe. Sie sei im Reisebüro der Beklagten als Geschäftsführerin tätig gewesen und habe diese Agenden zur vollsten Zufriedenheit geführt. Die Kündigung sei nicht berechtigt. Ergänzend brachte die Klägerin vor, daß laut Verordnung des Bundesministeriums für Handel, Gewerbe und Industrie BGBl. 315/1975 in jeder Betriebsstätte eines Reisebüros mindestens 2 Arbeitnehmer mit Fachkenntnissen ständig ausschließlich mit Tätigkeiten des Reisebürogewerbes beschäftigt sein müßten (AS 28).
Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die schlechte wirtschaftliche Situation der Beklagten, insbesondere auch des Bereiches Reisebüro, habe die Beklagte zu drastischen Sparmaßnahmen gezwungen. Im Rahmen einer Organisationsänderung habe die Beklagte der Klägerin den Posten einer Vorstandssekretärin in gleicher Einstufung und zu gleicher Arbeitszeit wie bisher angeboten; damit sei die Möglichkeit gegeben, das Reisebüro mit einer Halbtagskraft weiterzubetreiben. Die der Klägerin angebotene Tätigkeit - Vereinbaren von Terminen, Telefondienst, Abwicklung des Kundenverkehrs und Führung des Schriftverkehrs - hätte ähnliche Agenden umfaßt, wie ihre bisherige Tätigkeit; der Dienstort wäre ebenfalls in Eisenerz gewesen. Die Klägerin habe aber den Dienstantritt als Vorstandssekretärin abgelehnt und auf ihrer Weiterverwendung im Reisebüro beharrt. Der Beklagten könne nicht zugemutet werden, betriebsnotwendige Sanierungsmaßnahmen und damit verbundene Organisationsänderungen wegen der uneinsichtigen Haltung der Klägerin hintanzustellen. Zwischen den arbeitsrechtlichen Maßnahmen der Beklagten und allfälligen gewerberechlichen Bestimmungen für die Ausübung der Reisebürotätigkeit bestünde kein Rechtswidrigkeitszusammenhang (AS 40).
Das Erstgericht wies die Klage ab und stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:
Die wichtigsten Betriebe der Beklagten sind ein Elektroversorgungsunternehmen, die Wasserwerke, das Reisebüro, die Gärtnerei, die Bestattung, die Verkehrsbetriebe, das Hallenbad und der Elektrohandel. Da sich mit Ausnahme der Bestattung und der Gärtnerei alle Betriebe in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden, wurden 1985 Sanierungsmaßnahmen ergriffen. Eine Wasser- und Heizungsinstallationsfirma wurde abgestoßen und eine Liegenschaft verkauft; ferner wurde Personal dadurch eingespart, daß Abgänge nicht ersetzt und Bedienstete der Verkehrsbetriebe in anderen Betriebszweigen eingesetzt wurden. Der Verlust der Beklagten betrug im Jahre 1984 4,174.000 S, im Jahre 1985 10,579.000 S. Um beim Reisebüro Kosten zu sparen, wurden die beiden dort beschäftigten Mitarbeiterinnen mit deren Zustimmung ab 1986 nur mehr halbtägig beschäftigt. Da die Geschäftsführung der Beklagten meinte, die Arbeit im Reisebüro sei auch von einer Halbtagskraft zu bewältigen, wurde der Klägerin im August 1986 der freigewordene Posten einer Chefsekretärin bei der Beklagten angeboten. Im Hinblick auf die gewerberechtliche Bestimmung, daß ein vollkonzessioniertes Reisebüro mindestens 2 Arbeitnehmer mit Fachkenntnissen beschäftigen muß, wurde seitens der Beklagten erwogen, entweder nur eine Teilkonzession zu beantragen oder einen zweiten Arbeitnehmer der Beklagten lediglich "pro forma" im Reisebüro einzusetzen. Als die Klägerin am 23.August 1986 von ihrem Urlaub zurückkehrte, wurde ihr vom Geschäftsführer der Beklagten mitgeteilt, daß sie in Zukunft als seine Sekretärin zu arbeiten habe. Die Klägerin lehnte dieses Anbot ab und blieb bei dieser Haltung auch als ihr mitgeteilt wurde, daß das Reisebüro wegen der schlechten Geschäftsergebnisse möglicherweise geschlossen werden müsse. Das Reisebüro war von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 14.30 Uhr bis 18.00 Uhr geöffnet; Dienstbeginn war 7.30 Uhr. Die Klägerin und Ulrike K***, die gleichfalls als Halbtagskraft im Reisebüro beschäftigt war, machten wochenweise abwechselnd Vormittags- bzw. Nachmittagsdienst. Die Klägerin war gewerberechtliche Geschäftsführerin des Reisebüros. Ihr Tätigkeitsbereich umfaßte den Verkauf von Reisen, die Kundenberatung, den Verkauf von Bahnkarten, Vermittlung von Flugkarten, Telefon- und Telexkontakte mit Reiseveranstaltern sowie zwei- bis dreimal jährlich die Veranstaltung von Busreisen ins Ausland. Im Jahre 1986 wurden im Reisebüro der Beklagten von etwa 400 Kunden Reisearrangements und von 80 weiteren Kunden Bahn- oder Flugreisen gebucht. Der Aufgabenbereich der Vorstandssekretärin umfaßt die Führung von Verhandlungsniederschriften, Schreiben der Kostenvoranschläge für die Stromversorgung, Telefondienst und Kundenkontakte. Als Vorstandssekretärin hätte die Klägerin täglich von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr arbeiten müssen. An Tagen, an denen Aufsichtsratssitzungen, Verhandlungen oder andere Sitzungen stattfinden, muß die Vorstandssekretärin auch länger als 4 Stunden pro Tag im Büro anwesend sein. In der dienstund besoldungsrechtlichen Stellung der Klägerin hätte sich bei Übernahme dieser Tätigkeit keine Änderung ergeben. Seit 15.September 1986 ist der Posten der Vorstandssekretärin der Beklagten wieder besetzt. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die organisatorische Änderung - Weiterführung des Reisebüros mit nur einer Bediensteten - eine Kündigung der Klägerin nicht notwendig gemacht habe, weil für sie eine Stelle als Vorstandssekretärin zur Verfügung gestanden sei. Durch die ungerechtfertigte Ablehnung dieses Postens sei aber die Kündigung der Klägerin notwendig geworden.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Gegenstand der Berufungsentscheidung 30.000 S Ubersteige. Das Berufungsgericht traf folgende weitere - zum Teil geringfügig abweichende - Feststellungen:
Im Jahre 1985 betrug der Verlust im Reisebürobereich 690.000 S, der Umsatz 5 Mill. S. Im Jahre 1986 war das Reisebüro Montag bis Freitag von 7.30 Uhr bis 12.00 Uhr und von 14.30 Uhr bis 18.00 Uhr, am Samstag von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr geöffnet. In dem zwischen der Klägerin und ihrem ursprünglichen Arbeitgeber, der Stadtgemeinde Eisenerz, abgeschlossenen Dienstvertrag wurde die Dienststelle, für die die Klägerin aufgenommen wurde, mit "Reisebüro" bezeichnet. Seit dem 1.April 1987 ist das Reisebüro von Montag bis Freitag von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr und von 15.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet; am Samstag ist es geschlossen. Der Umfang der gebotenen Leistungen ist gleich geblieben. Gewerberechtliche Geschäftsführerin ist Ulrike K***, deren Dienstzeit mit den Öffnungszeiten identisch ist. Sie wird auf der Grundlage einer wöchentlichen Arbeitszeit von 25 Stunden - früher waren es 20 Stunden entlohnt. Im Reisebüro ist überdies eine Hilfskraft beschäftigt. Diese Hilfskraft die gehaltsmäßig nicht dem Reisebüro zugezählt wird, verrichtet in der Hauptsache wie bisher Büroarbeiten für andere Abteilungen und springt nur bei Bedarf, insbesondere bei Abwesenheit von Ulrike K***, ein. In diesen Fällen betreut sie Kunden, erteilt Auskünfte und gibt Prospekte aus; Ulrike K*** geht auf Urlaub, wenn etwa 90 % des Urlaubsgeschäftes abgewickelt sind. In dieser Zeit kommt es vor, daß die Hilfskraft mit Kunden Abschlüsse vornimmt, wobei sie erforderlichenfalls vom Leiter der Verkehrsbetriebe der Beklagten unterstützt wird.
Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Einschränkung der Öffnungszeiten des Reisebüros von 43 auf 25 Stunden wöchentlich eine wesentliche Änderung des Arbeitsumfanges und der Organisation im Sinne des §,35 Abs 2 lit f des Steiermärkischen Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes bedeute; dadurch sei das Erfordernis der Beschäftigung der Klägerin im Reisebüro weggefallen. Der Einsatz der Hilfskraft und die Verlängerung der Dienstzeit der Ulrike K*** um 5 Stunden wöchentlich könne der bisherigen Tätigkeit der Klägerin nicht gleichgesetzt werden.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Klägerin aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne des Klagebegehrens abzuändern.
Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Nach dem inhaltlich § 32 Abs 2 lit g Vertragsbedienstetengesetz entsprechenden § 35 Abs 2 lit f des Steiermärkischen Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes LGBl. 160/1962 kann ein Vertragsbediensteter - wenn das Dienstverhältnis länger als ein Jahr gedauert hat - gekündigt werden, wenn eine Änderung des Arbeitsumfanges, der Organisation des Dienstes oder der Arbeitsbedingungen die Kündigung notwendig macht. Dem Berufungsgericht ist nun zwar darin beizupflichten, daß die erhebliche Einschränkung der Öffnungszeiten des Reisebüros von 43 auf 25 Stunden wöchentlich als Änderung sowohl des Arbeitsumfanges als auch der Organisation anzusehen ist, nicht aber darin, daß diese Änderungen die Kündigung der Klägerin notwendig machten. Die Beklagte betreibt das Reisebüro weiterhin mit unbeschränkter Konzession und hat daher nach § 3 der auf Grund der §§ 69 Abs 2 und 212 GewO erlassenen Verordnung BGBl. 315/1975 in jeder Betriebsstätte mindestens zwei Arbeitnehmer mit durch entsprechende Zeugnisse nachzuweisenden Fachkenntnissen regelmäßig, dauernd und ausschließlich mit Tätigkeiten des Reisebürogewerbes zu beschäftigen. Wenn nun auch der Beklagten zugegeben sei, daß diese Vorschriften, wie sich aus den Vorordnungsermächtigungen ergibt, dem Schutz der Kunden und des Ansehens der Österreichischen Fremdenverkehrswirtschaft und nicht dem Schutz der in den Reisebüros Beschäftigten dienen, kommt ihnen doch für die Beurteilung der Frage Bedeutung zu, wie viele fachkundige, ausschließlich mit Tätigkeiten des Reisebürogewerbes beschäftigte Arbeitnehmer zum Betrieb eines Reisebüros mit unbeschränkter Konzession notwendig sind. Ist nach den gewerberechtlich vorgeschriebenen Mindesterfordernissen die Weiterbeschäftigung der Klägerin, neben der lediglich eine weitere Arbeitnehmerin mit Fachkenntnissen im Reisebüro der Beklagten tätig war, notwendig, so kann aus dem Umstand, daß sich die Beklagte über diese Bestimmungen hinwegsetzt und anstelle der Klägerin eine nicht einmal ausschließlich mit Agenden des Reisebürogewerbes beschäftigte Hilfskraft einsetzt, nicht darauf geschlossen werden, daß die Änderung der Öffnungszeiten des weiterhin mit Vollkonzession betriebenen Reisebüros der Beklagten die Kündigung der ohnehin nur teilzeitbeschäftigten Klägerin notwendig machte. Ist aber die Weiterbeschäftigung der Klägerin notwendig, um wenigstens die gewerberechtlichen Mindesterfordernisse des von der Beklagten betriebenen Reisebüros zu erfüllen, dann war der Kündigungstatbestand des § 35 Abs 2 lit f des Steiermärkischen Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetzes nicht erfüllt. Da schließlich die laut Dienstvertrag für die Tätigkeit im Reisebüro aufgenommene Klägerin auch die Versetzung auf den Posten einer Vorstandssekretärin nicht hinnehmen mußte, erweist sich die Kündigung als ungerechtfertigt und daher als rechtsunwirksam. Daraus folgt, daß das Dienstverhältnis der Parteien über den 31.März 1987 hinaus fortbesteht. Dieses Rechtsverhältnis war sohin festzustellen. Hingegen ist die Voraussetzung des aufrechten Bestandes des Arbeitsverhältnisses, nämlich die Rechtsunwirksamkeit der Kündigung, nicht festzustellen, weil die Wirksamkeit von Rechtshandlungen nicht feststellungsfähig ist (Fasching III, 61; Kuderna, Entlassungsrecht, 30 mwH).
Der Revision war daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.
Die Entscheidung über die Prozeßkosten beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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