OGH 10ObS80/88

OGH10ObS80/8826.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier und Dr.Angst als weitere Richter sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Martin Meches (Arbeitgeber) und Renate Csörgits (Arbeitnehmer) in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Christine Z***, Pensionistin, 1190 Wien, Hardtgasse 31/1/5/16, vertreten durch Dr.Rudolf Müller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei

P*** DER A***, 1021 Wien, Friedrich

Hillegeist-Straße 1, diese vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Hilflosenzuschuß, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Dezember 1987, GZ 31 Rs 258/87-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 23.September 1987, GZ 16 Cgs 1074/87-17, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Das Erstgericht wies das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der Klägerin ab 13.Mai 1987 den Hilflosenzuschuß im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren, ab. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die 79jährige Klägerin ist auf Grund ihres - im einzelnen beschriebenen körperlichen und geistigen Zustands - imstande, allein aufzustehen und sich niederzulegen, an- und auszuziehen, die Toilette aufzusuchen, zu essen und zu trinken, den Körper zu reinigen und zu pflegen, die Wohnung oberflächlich zu reinigen, die kleine Leibwäsche zu waschen, einfache Speisen zuzubereiten und den Ofen zu warten. Das regelmäßige Einholen von Lebensmitteln ist ihr ohne fremde Hilfe nicht möglich. Außerdem bedarf sie zu sämtlichen schwierigen Tätigkeiten, wie dem Heranbringen von Heizmaterial, der Besorgung der Großwäsche, dem Großreinemachen und dem Fensterputzen, fremder Hilfe.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den von ihm festgestellten Sachverhalt im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien als bis 31.Dezember 1986 zuständiges Höchstgericht dahin, daß der Klägerin der Hilflosenzuschuß nicht gebühre, weil hiefür erforderlich sei, daß sie ständig sowohl der Wartung als auch der Hilfe bedürfe, bei ihr aber die Notwendigkeit einer Wartung, worunter Hilfeleistungen im persönlichen Lebensbereich zu verstehen seien, nicht bestehe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es schloß sich der nunmehr vorhandenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (JBl 1988, 64; ZAS 1988, 53 ua) an, wonach es genüge, daß der Rentner oder Pensionist nicht in der Lage sei, auch nur einzelne dauernd wiederkehrende lebensnotwendige Verrichtungen selbst auszuführen. Es kam aber zu dem Ergebnis, es sei auszuschließen, daß der Aufwand, der nach dem Lebenskreis der in großstädtischen Verhältnissen lebenden Klägerin üblicherweise entstehe, wenn die ihr nicht mehr allein möglichen Verrichtungen durch Dritte besorgt würden, im monatlichen Durchschnitt auch nur annähernd rund 2.840 S - so hoch wäre derzeit der monatliche Durchschnitt des Hilflosenzuschusses - erreiche. Dies sei aber nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes Voraussetzung für den Anspruch auf Hilflosenzuschuß.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne des Klagebegehrens abzuändern. Die beklagte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Klägerin wendet sich in der Revision gegen die in der bezogenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vertretene Ansicht, aus der Höhe und dem Zweck des Hilflosenzuschusses folge, daß ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe nur dann angenommen werden könne, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Rentners oder Pensionisten üblicherweise aufzuwendenden und daher nicht bis ins einzelne, sondern nur überschlagsweise (vgl. § 273 ZPO) festzustellenden Kosten im Monatsdurchschnitt mindestens so hoch wie der begehrte Hilflosenzuschuß seien. Ihre Ausführungen vermögen aber nicht zu überzeugen.

Der Oberste Gerichtshof führt zur Begründung der wiedergegebenen Ansicht aus, dem Gesetzgeber könne nicht unterstellt werden, daß er einem Rentner oder Pensionisten durch die Gewährung des Hilflosenzuschusses mehr geben wolle, als für die notwendigen Dienstleistungen erforderlich ist. Der Hilflosenzuschuß solle ja nicht zu einer Erhöhung der Rente oder Pension führen, sondern nur den dem Hilflosen entstehenden Mehraufwand wenigstens teilweise abdecken. Zu diesem Argument wird in der Revision unmittelbar nichts vorgebracht. Es wird durch die Überlegungen gestützt, daß es sicherlich nicht sachgerecht sein kann, dem Rentner oder Pensionisten einen Hilflosenzuschuß auch dann zu gewähren, wenn der für die notwendige Wartung und Hilfe zu veranschlagende Aufwand nur ganz geringfügig ist. Muß aber der Anspruch auf Hilflosenzuschuß an der Höhe des Aufwandes gemessen werden, so erscheint es am ehesten vertretbar, die Grenze mit dem Betrag anzusetzen, den der Gesetzgeber zur Bestreitung des Aufwandes bestimmt hat. Dabei wird entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung nicht außer Acht gelassen, daß durch die Gewährung des Hilflosenzuschusses nach Möglichkeit schädliche Folgen für die Gesundheit oder das Leben des Rentners oder Pensionisten vermieden werden sollen. Es ist damit noch nicht gesagt, daß die Gefahr solcher Folgen, die darauf zurückgehen, daß der Rentner oder Pensionist bestimmte Verrichtungen nicht selbst ausführen kann, in jedem Fall zur Gewährung des Hilflosenzuschusses führen muß, weil es dem Rentner oder Pensionisten auch zuzumuten ist, die ihm ohne den Hilflosenzuschuß zur Verfügung stehenden Mittel zur Vermeidung der schädlichen Folgen heranzuziehen.

Die Notwendigkeit, diese Mittel einzusetzen, kann zwar den Rentner oder Pensionisten entsprechend der Höhe seiner Rente oder Pension verschieden hart treffen. Daß der Gesetzgeber dies in Kauf nimmt, ergibt sich aber daraus, daß für den Hilflosenzuschuß ein Höchstbetrag vorgesehen ist. Der Rentner oder Pensionist kann daher auch bei Gewährung des Hilflosenzuschusses gezwungen sein, noch andere Mittel für die erforderliche Wartung und Hilfe einzusetzen, weshalb die Möglichkeit von Härten bei Beziehern von niedrigen Renten oder Pensionen nicht gegen die vom Obersten Gerichtshof vertretene Rechtsansicht spricht. Im übrigen stellt sich die in der Revision aufgeworfene Frage, wie weit die Bezieher von Ausgleichszulagen in der Lage sind, die durch ihre Gebrechlichkeit entstehenden Mehrkosten zu tragen, hier mit Rücksicht auf die Höhe der Pension der Klägerin von fast 10.000 S netto, nicht. Der Klägerin kann schließlich auch nicht darin gefolgt werden, daß sich die vom Obersten Gerichtshof vertretene Lösung nicht handhaben lasse, weil der für die Wartung und Hilfe zu veranschlagende Aufwand nicht festzustellen sei. Der Oberste Gerichtshof hat in der bezogenen Rechtsprechung betont, daß es dabei auf die Verhältnisse im Lebenskreis des Hilflosen ankomme. Es ist nicht zu erkennen, warum es unmöglich sein sollte festzustellen, in welcher Häufigkeit die lebensnotwendigen Verrichtungen, die der Hilflose nicht selbst ausführen kann, in seinem Lebenskreis üblicherweise vorkommen und welche Kosten hiedurch verursacht werden. Die Feststellung dieser Kosten ist umso eher möglich, als sie, wie sich ebenfalls schon aus der bisherigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ergibt, gemäß § 273 ZPO nach freier Überzeugung festgesetzt werden können.

Bei der Lösung der Frage, ob hier der Aufwand, der für die der Klägerin zu leistende Wartung und Hilfe zu veranschlagen ist, den Betrag des von ihr begehrten Hilflosenzuschusses erreicht, ist davon auszugehen, daß die Klägerin im Jahre 1987 eine Pension von 11.380,40 S im Monat bezog. Für die Höhe des Hilflosenzuschusses wäre daher gemäß § 105 a Abs 2 ASVG der in dieser Gesetzesstelle vorgesehene Höchstbetrag von 2.724 S maßgebend, was unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen im Durchschnitt einen Betrag von etwa 3.180 S monatlich ergibt. Auch der erkennende Senat ist der Auffassung, daß ausgeschlossen werden kann, daß der Aufwand für die Dienstleistungen, die die Klägerin wegen ihrer Hilflosigkeit in Anspruch nehmen muß, diesen Betrag erreicht. Es ergibt sich auch nichts anderes, wenn man den Überlegungen folgt, die in der Revision hiezu angestellt werden. Die Entscheidung des Berufungsgerichtes ist daher unter diesem Gesichtspunkt richtig.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG.

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