OGH 8Ob81/87

OGH8Ob81/8712.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hermann Z***, Disponent, Gries 46, 9853 Gmünd, vertreten durch Dr. Werner Russek, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wider die beklagten Parteien

  1. 1) Adolf S***, Heeresbeamter, Purbachgasse 6, 8750 Judenburg, und
  2. 2) I*** U*** UND S***,

    Tegetthoffstraße 7, 1010 Wien, beide vertreten durch Dr. Gottfried Eisenberger und Dr. Jörg Herzog, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 272.237,30 s.A. und Feststellung (S 200.000,-), Revisionsstreitwert S 275.569,96, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 8. Juli 1987, GZ 2 R 139/87-59, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 21. April 1987, GZ 8 Cg 277/86-54, teilweise bestätigt und teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit S 10.594,15 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 963,10, keine Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 19. Jänner 1983 ereignete sich gegen 4,10 Uhr auf der Bundesstraße 336 bei Km 7,2 im Gemeindegebiet von Kraubath (Freilandgebiet) ein Verkehrsunfall, bei dem der neben abgestellten LKW-Zügen auf der Fahrbahn in Richtung Leoben gehende Kläger von dem in der Gegenrichtung fahrenden PKW mit dem Kennzeichen St 15.009 niedergestoßen und schwer verletzt wurde. Der Erstbeklagte ist der Halter und Lenker, die Zweitbeklagte der Haftpflichtversicherer dieses PKW. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde der Erstbeklagte mit rechtskräftigem Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 15. März 1984, 10 E Vr 217/83-33, des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach dem § 88 Abs 4 weiter Fall StGB schuldig erkannt. Es wurde ihm zur Last gelegt, daß er mit seinem PKW so unaufmerksam fuhr, daß er auf die linke Fahrbahnhälfte geriet und dort den neben einem LKW-Zug gehenden Kläger mit seinem Fahrzeug anfuhr und zu Boden schleuderte, wobei er sich vor der Tat, wenn auch fahrlässig, durch Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, obwohl er vorhergesehen hat oder vorhersehen hätte können, daß ihm mit der Lenkung seines PKW eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall zuletzt (mit Teilanerkenntnisurteil vom 18. Dezember 1985, ON 31 S 133, war ihm bereits ein Betrag von S 137.000,- s.A. (Schmerzengeld, Verdienstentgang, Fahrt- und Besuchskosten, Kleiderschaden, Kosten von Heilbehelfen und für vermehrten Aufwand); überdies stellte er ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand, der Zweitbeklagten im Rahmen des den PKW des Erstbeklagten betreffenden Haftpflichtversicherungsvertrages, für alle seine künftige Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Der Höhe nach sind die Klagsansprüche nicht mehr strittig; auch das Feststellungsinteresse des Klägers ist unbestritten. Dem Grunde nach stützte der Kläger sein Begehren im wesentlichen auf die Behauptung, daß den Erstbeklagten das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe. Der Kläger sei mit eine LKW-Zug auf der Bundesstraße 336 in Richtung Leoben gefahren. Kurz vor Kraubath habe er den Lenker eines vor ihm fahrenden LKW-Zuges mit der Lichthupe veranlaßt, anzuhalten, weil die Beleuchtungseinrichtung am Anhänger dieses LKW-Zuges nicht funktioniert habe. Der Kläger habe diesen LKW-Zug überholt und dann am rechten Fahrbahnrand angehalten; auch der überholte LKW-Zug sei hinter dem des Klägers ordnungsgemäß am rechten Fahrbahnrand angehalten worden. Die Beleuchtung an beiden LKW-Zügen sei eingeschaltet geblieben. Der Kläger sei ausgestiegen, habe den Lenker des hinter ihm stehenden LKW-Zuges davon in Kenntnis gesetzt, daß sein Anhänger unbeleuchtet sei und sei mit ihm zu dem unbeleuchteten Anhänger zurückgegangen. Danach seien beide Lenker entlang dieses LKW-Zuges wieder vorgegangen, wobei der Kläger ganz knapp neben dem LKW-Zug gegangen sei. Der Erstbeklagte sei aus der Gegenrichtung gekommen, aus Unachtsamkeit auf die linke Fahrbahnhälfte geraten und habe dort mit seinem PKW den Kläger niedergestoßen und schwer verletzt.

Die Beklagten wendeten dem Grunde nach im wesentlichen ein, daß den Kläger ein mit einem Drittel zu bewertendes Mitverschulden treffe. Beide LKW-Züge seien nicht am äußersten rechten Fahrbahnrand zum Stillstand gebracht worden. Es hätte überhaupt keine Notwendigkeit bestanden, die LKW-Züge auf der Fahrbahn der Bundesstraße anzuhalten. Für den Kläger habe kein Anlaß bestanden, sich zur Nachtzeit im Bereich neben den abgestellten LKW-Zügen etwa in der Fahrbahnmitte aufzuhalten; er hätte am Bankett bzw straßenaußenseitig neben den abgestellten LKW-Zügen zurückgehen müssen. Tatsächlich habe der Kläger einen Abstand von mehr als 1 m zu dem abgestellten LKW-Zug eingehalten und eine Gehlinie in der Fahrbahnmitte gewählt, was vor allem deshalb besonders riskant gewesen sei, weil der Kläger den nahe der Fahrbahnmitte herankommenden PKW des Erstbeklagten schon auf große Entfernung sehen habe können.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt.

Seine Feststellungen über die Unfallsörtlichkeit und den Unfallshergang lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Asphaltfahrbahn der Bundesstraße 336 ist auf Höhe der Bezugslinie (Normale zur Fahrbahn bei Straßenkilometer 7,2) 8,6 m, zwischen den weißen Randlinien 7,4 m breit. Sie wird durch eine Leitlinie in zwei ungleiche Hälften geteilt. Die südliche Hälfte, auf der die LKW-Züge des Klägers und des Zeugen K*** knapp hintereinander in Fahrtrichtung Leoben (Osten) abgestellt waren, ist nur 3 m breit. Zwischen den linken Flanken der LKW-Züge und der Leitlinie bestand eine Distanz von ca 50 cm (hintere Ecke des Anhängers des von K*** gelenkten LKW-Zuges) bis 70 cm (linke Flanke des Zugwagens des LKW-Zuges des Klägers). Die nördliche Fahrbahnhälfte, auf der sich der PKW des Erstbeklagten von Osten her näherte, ist 4,4 m breit. Die Bankette waren zur Unfallszeit mit hart gefrorenem Schnee bedeckt; die Fahrbahn selbst war trocken. Sichtbehinderungen bestanden, abgesehen von der Dunkelheit, nicht. Der mit dem von ihm gelenkten LKW-Zug in Richtung Osten fahrende Kläger hatte bemerkt, daß die Anhängerbeleuchtung an dem von K*** gelenkten LKW-Zug nicht funktionierte und hatte hierauf K*** durch Signale mit der Lichthupe zum Anhalten veranlaßt. Dann hatte er seinen eigenen LKW-Zug unmittelbar vor dem des K*** am rechten Fahrbahnrand angehalten. Die Beleuchtung beider Züge war eingeschaltet geblieben. Hierauf hatte der Kläger sein Fahrzeug verlassen und war straßeninnenseitig zu K*** nach hinten gegangen, um ihn über den Defekt an der Beleuchtungseinrichtung seines Anhängers zu informieren. Gemeinsam hatten der Kläger und K*** sodann bei der Anhängerdeichsel des von K*** gelenkten LKW-Zuges die Defektursache, ein abgerissenes Kabel, festgestellt. Während K*** weiterhin dort hantierte, ging der Kläger entlang der Leitlinie zurück nach vorn in Richtung zum Führerhaus seines LKW-Zuges, sodaß er dem sich von Osten mit einer Geschwindigkeit von etwa 60 km/h nähernden PKW des Erstbeklagten entgegenschaute. Der PKW des Erstbeklagten kam nach links (Süden) ab und hinterließ schräg nach links (in einem Winkel von 5 Grad zur Fahrbahnlängsachse) verlaufende Bremsspuren. Er erfaßte den Kläger mit der linken Seite und prallte letztlich gegen den Anhänger des LKW-Zuges des K***. Im Augenblick der Kollision befand sich der Kläger mit seiner linken Körperseite etwa 50 cm über (nördlich) der Leitlinie und gerade zwischen den beiden LKW-Zügen, also ca 10 m westlich der Bezugslinie.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall dem Erstbeklagten anzulasten und eine Schadensteilung nicht vorzunehmen sei. Dem Kläger könne die von ihm gewählte straßeninnenseitige Gehlinie, mit der er die Leitlinie gerinfügig überschritten habe, nicht zum Vorwurf gemacht werden, zumal er die für Fußgänger geltenden Vorschriften des § 76 StVO nicht zu beachten gehabt habe. Während der Ausführung der Reparaturarbeit habe die Beziehung zwischen Fahrzeug und Lenker fortbestanden und es sei durchaus gerechtfertigt gewesen, daß der Kläger auf dem kürzesten Weg zurückgegangen sei. Im übrigen sei ein allfälliges geringes Verschulden des Klägers mit Rücksicht auf das schon durch das Strafgericht bindend festgestellte grobe Verschulden des Erstbeklagten zu vernachlässigen.

Der gegen diese Entscheidung des Erstbeklagten gerichteten Berufung der Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil teilweise Folge. Es änderte die Entscheidung des Erstgerichtes, die es bezüglich des Feststellungsbegehrens bestätigte, bezüglich des Leistungsbegehrens dahin ab, daß es dem Kläger (zusätzlich zu dem bereits mit Teilanerkenntnisurteil vom 18. Dezember 1985 zugesprochenen Betrag von S 137.000,- s.A.) noch einen weiteren Betrag von S 222.237,30 s.A. zuerkannte, sein auf Zahlung eines weiteren Betrages von S 50.000,- s.A. gerichtetes Mehrbegehren aber abwies. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des von der Bestätigung betroffenen Streitgegenstandes S 60.000,- und der Wert des gesamten Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 300.000,- übersteigt.

Das Berufungsgericht übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte zur Frage der Haftung der Beklagten dem Grunde nach rechtlich im wesentlichen aus, es teile die Auffassung des Erstgerichtes, daß der Erstbeklagte diesen Unfall allein verschuldet habe.

Daß der Kläger nicht sein eigenes Fahrzeug repariert, sondern K*** bei einer Raparatur geholfen habe, sei nicht von entscheidender Bedeutung. Eine Person sei als Fußgänger zu beurteilen, wenn sie den Weg zu Fuß zurücklege, sich also, losgelöst von jeder Verbindung mit anderen Fortbewegungsmitteln jeder Art, lediglich mit den Füßen fortbewege. Halte der Lenker eines Kraftwagens diesen an und verlasse er sein Fahrzeug, halte sich aber weiterhin in unmittelbarer Nähe bei diesem auf, ohne seinen Weg fortzusetzen, dann bleibe er Lenker im weiteren Sinn des Wortes. Er unterliege dann noch nicht den für den Fußgängerverkehr geltenden Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung. Der Kläger sei daher nicht wie ein Fußgänger zum Gehen am Bankett verpflichtet gewesen. Im übrigen hätte das Gehen auf einem schneebedeckten Bankett auch von einem Fußgänger nicht verlangt werden können. Der Kläger habe bei der Rückkehr zur Führerkabine seines LKW-Zuges außer der von ihm selbst gewählten kürzesten Wegverbindung keine vernünftige sonstige Wahlmöglichkeit gehabt. Es liege demnach auf seiner Seite keine Verletzung einer Schutznorm (insbesondere der Bestimmungen des § 76 StVO) vor.

Bei der festgestellten Breite der südlichen Fahrbahnhälfte von 3 m zwischen der Randlinie und der Leitlinie, einer Breite des LKW-Zuges von 2,5 m und einem Seitenabstand zur Leitlinie von 70 cm ergebe sich, daß sich die rechte Flanke des LKW-Zuges des Klägers 20 cm außerhalb der als Fahrbahnrand zu wertenden Randlinie befunden habe; damit sei der Vorschrift des § 23 Abs 1 StVO entsprochen worden.

Der Kläger müsse von dem unvermuteten Abkommen des PKW des Erstbeklagten nach links, also auf ihn zu, völlig überrascht worden sein und habe daher nicht mehr rechtzeitig ausweichen können. Es könne ihm daher auch kein Mitverschulden aus dem Gesichtspunkt der Unterlassung einer zumutbaren Abwehrhandlung angelastet werden. Das Erstgericht habe also zutreffend keine Schadensteilung vorgenommen.

Zur teilweisen Abweisung des Leistungsbegehrens des Klägers kam das Berufungsgericht nur deswegen, weil es ein geringeres Schmerzengeld für angemessen erachtete als das Erstgericht. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Beklagten. Sie bekämpfen sie aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß das Klagebegehren in Ansehung eines Betrages von S 208.903,30 s.A. und der Feststellung der Haftung der Beklagten für mehr als zwei Drittel der künftigen Schäden des Klägers abgewiesen werde; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.

Der Kläger hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision der Beklagten keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Die Beklagten versuchen in ihrer Rechtsrüge im wesentlichen darzutun, daß dem Kläger deswegen ein mit einem Drittel zu bewertendes Mitverschulden anzulasten sei, weil er sich entgegen den im § 76 StVO für Fußgänger normierten Verkehrsvorschriften verhalten und überdies auf das Herankommen des PKW des Erstbeklagten nicht rechtzeitig und ausreichend reagiert habe.

Dem kann nicht gefolgt werden.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ZVR 1977/251; ZVR 1981/92; ZVR 1982/312 ua) ist, wenn der Lenker eines Kraftfahrzeuges dieses anhält und es verläßt, um sich weiterhin unmittelbar bei seinem Fahrzeug aufzuhalten, ohne den Weg zu Fuß fortzusetzen, wie dies etwa bei der Ausführung einer kurzen Reparaturarbeit am Fahrzeug zutrifft, die während der Benützung des Fahrzeuges im öffentlichen Verkehr fortbestehende und dauernde Beziehung zwischen Fahrzeug und Lenker noch nicht aufgehoben und es unterliegt dann der Lenker noch nicht den für den Fußgängerverkehr geltenden Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung. Fußgänger im Sinne des 76 StVO ist, wer seinen Weg - losgelöst von jeder Verbindung mit anderen Fortbewegungsmitteln irgendwelcher Art - zu Fuß zurücklegt (Dittrich-Stolzlechner, StVO3 § 76 Rz 4; ZVR 1971/77). Daraus läßt sich die allgemeine Schlußfolgerung ableiten, daß die Fußgängereigenschaft solchen Personen nicht zukommt, die sich nicht primär um ihrer Fortbewegung willen, sondern vor allem zur Erreichung eines anderen von der Rechtsordnung ausdrücklich gebilligten oder zumindest tolerierten Zweckes auf der Fahrbahn aufhalten (Dittrich-Stolzlechner aaO § 76 Rz 8). Nach den im vorliegenden Fall festgestellten Umständen muß dem Kläger ein berechtigtes Interesse daran zuerkannt werden, den Lenker des LKW-Zuges, an dessen Anhänger die Beleuchtung ausgefallen war, auf diesen Defekt aufmerksam zu machen, um eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer zu vermeiden und die Gefahr eines Auffahrunfalles hintanzuhalten. Die einzige praktische Möglichkeit für eine solche Warnung bestand für den Kläger darin, daß er K*** zum Anhalten seines LKW-Zuges veranlaßte und auch den von ihm selbst gelenkten LKW-Zug anhielt, um sich zum Führerhaus des anderen LKW-Zuges zu begeben und dessen Lenker von dem wahrgenommenen Defekt Mitteilung machen zu können. Damit wurde im Sinne obiger Rechtsausführungen die Beziehung zwischen dem Kläger und dem von ihm gelenkten LKW-Zug noch nicht aufgehoben. Es mag dahingestellt bleiben, ob das erforderliche örtliche Naheverhältnis zwischen dem Kläger und dem von ihm gelenkten LKW-Zug auch während der Zeitspanne bejaht werden kann, in der sich der Kläger mit K*** zum Ende des von diesem gelenkten LKW-Zuges und dann zur Anhängerdeichsel begab, wo sie die Ursache des aufgetretenen Lichtdefektes in einem abgerissenen Kabel erkannten. Jedenfalls befand sich der Kläger im Unfallszeitpunkt in unmittelbarer Nähe des von ihm gelenkten LKW-Zuges auf dem Rückweg zu dessen Führerhaus, sodaß in diesem Zeitpunkt das erforderliche örtliche Naheverhältnis zwischen dem Kläger und dem von ihm gelenkten Fahrzeug bestand. Unter diesen im vorliegenden Fall festgestellten Umständen erscheint es somit im Sinne obiger Rechtsausführungen gerechtfertigt, den Kläger nicht als Fußgänger im Sinne des § 76 StVO zu qualifizieren, sodaß von ihm nicht die Einhaltung der in dieser Gesetzesstelle aufgestellten Verhaltensvorschriften zu verlangen war.

Allerdings oblag dem Kläger auch dann, wenn man ihm unter den gegebenen Umständen den Aufenthalt auf der Fahrbahn zubilligt, die Pflicht, das sich während dieses Aufenthaltes abspielende Verkehrsgeschehen besonders aufmerksam zu beobachten, soweit ihm dies bei seiner Tätigkeit auf der Fahrbahn möglich und zumutbar war (Dittrich-Stolzlechner aaO § 76 Rz 9 und die dort angeführte Judikatur). Es trifft sicher zu, daß er die Scheinwerfer des herankommenden PKW des Erstbeklagten bereits auf weitere Entfernung sehen konnte. Trotzdem ist die von ihm eingehaltene Gehlinie (nach den Feststellungen der Vorinstanzen unter Einhaltung eines Abstandes von etwa 0,5 m zur linken Begrenzung der abgestellten LKW Züge) zunächst nicht zu beanstanden, weil bei dieser Gehlinie zwischen dem Kläger und dem nördlichen Fahrbahnrand ein Zwischenraum von 3,9 m verblieb, der ohne weiteres für eine unbehinderte und gefahrlose Durchfahrt des herankommenden PKW ausreichte. Daß aber der Kläger, als das Linksabkommen des sich näherenden PKW des Erstbeklagten für ihn auffällig werden mußte, überhaupt noch eine Möglichkeit gehabt hätte, durch eine ihm zumutbare Abwehrmaßnahme der drohenden Kollision zu entgehen, ergibt sich aus den Feststellungen der Vorinstanzen nicht. Im übrigen würde eine allfällige Reaktionsverspätung des Klägers durch den groben Verkehrsverstoß des Erstbeklagten, der noch dazu in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gesetzt wurde, in ihrem Gewicht derart überwogen, daß sie vernachlässigt werden müßte.

Mit Recht haben somit die Vorinstanzen unter den im vorliegenden Fall gegebenen Umständen eine Kürzung der Schadenersatzansprüche des Klägers wegen eines ihm anzulastenden Mitverschuldens abgelehnt. Der Revision der Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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