OGH 8Ob61/87 (8Ob62/87)

OGH8Ob61/87 (8Ob62/87)12.4.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Melber und Dr. Kropfitsch als Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Bang Yuen S***, Studentin, Taipej Hsien, Chung-Ho, Yuen-Tong Road 65/3, Taiwan, vertreten durch Dr. Ernst Pallauf, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagten Parteien 1) Friedrich Ö***, Hausbesorger, zuletzt wohnhaft Hellbrunnerstraße 20, 5020 Salzburg, derzeit unbekannten Aufenthaltes, und 2) G*** W*** V***,

Herrengasse 18-20, 8011 Graz, die zweitbeklagte Partei vertreten durch Dr. Helmut Grazer und Dr. Herbert Harlander, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen 1) S 500.000 s.A. (10 Cg 13/86 des Landesgerichtes Salzburg) und 2) Zahlung von S 677.763,50 s.A., Zahlung einer monatlichen Rente von S 11.000 ab 1. September 1985 bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres der Klägerin und Feststellung (S 150.000) (10 Cg 10/86 des Landesgerichtes Salzburg), infolge Revision der zweitbeklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 11. Mai 1987, GZ 3 R 305,306/86-36, womit infolge Berufung der zweitbeklagten Partei das Teil-Zwischenurteil des Landesgerichtes Salzburg vom 14. Mai 1986, GZ 10 Cg 13/86-29, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

1) Die Revision wird, soweit sie sich dagegen richtet, daß die zu 10 Cg 13/86 des Landesgerichtes Salzburg geltend gemachte Forderung gegenüber der erstbeklagten Partei dem Grunde nach mit mehr als zwei Dritteln als zu Recht bestehend erkannt wurde, zurückgewiesen.

In diesem Umfang findet ein Zuspruch von Kosten des Revisionsverfahrens nicht statt.

2) Im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben und die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens dem Endurteil vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 5. Dezember 1981 ereignete sich um 1,05 Uhr in Salzburg auf der Alpenstraße in der Nähe der Kreuzung mit der Karl-Emmingerstraße ein Verkehrsunfall, an dem die Klägerin als Radfahrerin und der Erstbeklagte als Halter und Lenker des PKW mit dem Kennzeichen S 105.267 beteiligt waren. Die Zweitbeklagte ist der Haftpflichtversicherer dieses Kraftfahrzeuges. Die auf der Alpenstraße stadteinwärts fahrende Klägerin wurde von dem in der gleichen Fahrtrichtung fahrenden PKW des Erstbeklagten von rückwärts gerammt. Dabei wurde die auf dem Gepäckträger dieses Fahrrades mitfahrende Li Ru Wei getötet und die Klägerin schwer verletzt. Wegen dieses Verkehrsunfalles wurde der Erstbeklagte mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 16. März 1983, 21 E Vr 3790/81-43, der Vergehen der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB schuldig erkannt. Es wurde ihm zur Last gelegt, daß er mit einer für die gegebenen Verhältnisse überhöhten Geschwindigkeit (ca 70 km/h) und unter Außerachtlassung der im Straßenverkehr erforderlichen Aufmerksamkeit fuhr. In ihrer am 8. Februar 1982 eingebrachten Klage (nunmehr 10 Cg 13/86 des Landesgerichtes Salzburg) begehrte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines Betrages von S 500.000 sA (Schmerzengeld) im wesentlichen mit der Begründung, daß der Erstbeklagte den Unfall allein verschuldet habe. Er habe seinen PKW in alkoholisiertem Zustand gelenkt und hiebei die Klägerin, die mit einem Fahrrad ordnungsgemäß auf der Alpenstraße stadteinwärts gefahren sei, von rückwärts kommend gerammt. Überdies habe der Erstbeklagte nach dem Unfall Fahrerflucht begangen. Diese Klage konnte beiden Beklagten zugestellt werden. Zu der für den 30. Jänner 1985 anberaumten ersten Tagsatzung erschien nur der Vertreter der Zweitbeklagten, nicht aber der Erstbeklagte. Der Klagevertreter stellte hinsichtlich des Erstbeklagten keine Anträge (ON 9).

Die Zweitbeklagte wendete in ihrer Klagebeantwortung dem Grunde nach im wesentlichen ein, daß die Klägerin ein mit einem Drittel zu bewertendes Mitverschulden treffe. Sie sei mit ihrer Freundin Wei Li Ru auf dem Fahrrad durch die Alpenstraße gefahren, wobei eine von ihnen das Fahrrad gelenkt habe und die andere am Gepäckträger gesessen sei. Wer von den beiden das Fahrrad gelenkt habe, sei nicht bekannt. Zur Unfallszeit habe Schneeregen geherrscht und es sei daher nur schlechte Sicht gegeben gewesen. Am Fahrrad sei kein Licht eingeschaltet gewesen. Kurz vor dem herankommenden PKW des Erstbeklagten seien die Klägerin und ihre Freundin plötzlich in Richtung Straßenmitte in die Fahrbahn des PKW des Erstbeklagten gefahren, sodaß es zum Zusammenstoß gekommen sei.

In ihrer am 4. Dezember 1984 eingebrachten Klage (nunmehr 10 Cg 10/86 des Landesgerichtes Salzburg) begehrte die Klägerin die Verurteilung der Beklagten zur ungeteilten Hand zur Zahlung eines Betrages von S 677.763,50 sA (weiteres Schmerzengeld, Heilungskosten, Sachaufwand, Verunstaltungsentschädigung) und einer monatlichen Rente von S 11.000 ab 1. September 1985 bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres der Klägerin (Verdienstentgang); überdies stellte sie ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten zur ungeteilten Hand (der Zweitbeklagten im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages) für alle künftigen Unfallschäden gerichtetes Feststellungsbegehren. Dem Grunde nach stützte die Klägerin dieses Begehren im wesentlichen auf das gleiche Vorbringen wie in ihrer ersten Klage.

Diese Klage konnte nur der Zweitbeklagten zugestellt werden. Sie erhob in ihrer Klagebeantwortung dem Grunde nach im wesentlichen die gleichen Einwendungen wie im ersterwähnten Rechtsstreit. Die beiden Rechtssachen wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das Erstgericht erkannte nach Einschränkung des Verfahrens auf den Grund des Anspruches mit Zwischenurteil zu Recht, daß die Forderung der Klägerin zu 10 Cg 13/86 gegenüber beiden Beklagten dem Grunde nach zur Gänze zu Recht besteht und daß die Forderung der Klägerin zu 10 Cg 10/86 gegenüber der Zweitbeklagten dem Grunde nach zur Gänze zu Recht besteht.

Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:

Die Unfallstelle liegt im Ortsgebiet von Salzburg auf der Alpenstraße. Dort besteht eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 70 km/h. Die Alpenstraße verläuft in Annäherung an die Unfallstelle in Richtung stadteinwärts und auch darüber hinaus völlig gerade. Die Fahrbahn ist 14,6 m breit und in zwei in Richtung stadteinwärts und drei in Richtung stadtauswärts führende Fahrstreifen aufgeteilt. Zur Unfallszeit war die Fahrbahn naß; es herrschte Schneeregen und Dunkelheit. Durch die zur Unfallszeit funktionierende Straßenbeleuchtung war die Fahrbahn im Bereich der Unfallstelle sehr gut beleuchtet.

Der Erstbeklagte lenkte seinen PKW durch die Alpenstraße stadteinwärts. Die Klägerin lenkte ihr Fahrrad, auf dessen Gepäckträger ihre Freundin Wei Li Ru mitfuhr, ebenfalls auf der Alpenstraße stadteinwärts. Auf Höhe der Kreuzung mit der Karl-Emmingerstraße stieß der PKW des Erstbeklagten von hinten gegen das Fahrrad, wodurch Wei Li Ru getötet und die Klägerin schwer verletzt wurde.

Der PKW des Erstbeklagten hatte zum Zeitpunkt der Kollision eine Geschwindigkeit von rund 70 km/h. Der Zusammenstoß erfolgte derart, daß der PKW und das Fahrrad im Moment des Zusammenstoßes achsparallel waren oder allenfalls eine geringfügige Schrägstellung zueinander aufwiesen; der 1,585 m breite PKW stieß mit der Mitte seiner Front von hinten gegen das Fahrrad.

Weitere Feststellungen über den Unfallshergang können nicht getroffen werden. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, daß die Beleuchtung (das Rücklicht) am Fahrrad zur Unfallszeit nicht in Betrieb gewesen oder das Rücklicht des Fahrrades durch ein Kleidungsstück der Wei Li Ru verdeckt gewesen wäre. Auch kann nicht festgestellt werden, daß das Fahrrad vor der Kollision einen Seitenversatz nach links durchgeführt hätte. Die Kollisionsposition des PKW und des Fahrrades in bezug auf die Fahrbahnbreite kann gleichfalls nicht festgestellt werden.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß den Erstbeklagten das Alleinverschulden an diesem Verkehrsunfall treffe. Infolge seiner strafgerichtlichen Verurteilung sei sein Verschulden bindend festgestellt. Der Beweis eines Mitverschuldens der Klägerin sei den Beklagten nicht gelungen. Das Mitführen einer Person am Gepäckträger sei zwar vorschriftswidrig, es mangle aber an der Kausalität dieses Verhaltens für den Anstoß durch den PKW des Erstbeklagten. Da die Klägerin schwerste Verletzungen erlitten habe, könne davon ausgegangen werden, daß ihr jedenfalls ein Schaden entstanden sei, weshalb über den Grund des Anspruches ein Zwischenurteil habe gefällt werden können.

Hiebei sei zu berücksichtigen, daß zwischen der Klägerin und dem Erstbeklagten nur zu 10 Cg 13/86 ein Prozeßrechtsverhältnis entstanden sei, da nur in diesem Verfahren die Klage dem Erstbeklagten zugestellt habe werden können, während dies zu 10 Cg 10/86 nicht möglich gewesen sei. Der Erstbeklagte sei sohin ungeachtet des Umstandes, daß er sich zufolge seines nicht bekanntgegebenen Wohnsitz- bzw. Aufenthaltswechsels am Verfahren nicht mehr beteiligt habe, Partei im Verfahren 10 Cg 13/86 geworden, sodaß in diesem Verfahren auszusprechen gewesen sei, daß die Ansprüche der Klägerin auch hinsichtlich des Erstbeklagten dem Grunde nach zu Recht bestehen. Hinsichtlich des Verfahrens 10 Cg 10/86 habe ein derartiger Ausspruch mangels einer Zustellung der Klage an den Erstbeklagten nicht erfolgen können. Diese Entscheidung des Erstgerichtes wurde nur von der Zweitbeklagten mit Berufung bekämpft. Sie beantragte in diesem Rechtsmittel die Abänderung des angefochtenen Urteiles dahin, "daß die Forderung der klagenden Partei zu 10 Cg 13/86 gegenüber der erstbeklagten Partei und der zweitbeklagten Partei dem Grunde nach lediglich zu 2/3 als zu Recht bestehend und die Forderung der klagenden Partei zu 10 Cg 10/86 gegenüber der zweitbeklagten Partei dem Grunde nach lediglich zu 2/3 als zu Recht bestehend erkannt wird."

Das Berufungsgericht gab mit dem angefochtenen Urteil diesem Rechtsmittel der Zweitbeklagten keine Folge; es bestätigte das angefochtene Zwischenurteil mit der Maßgabe, daß seine Bezeichnung "Teil-Zwischenurteil" zu lauten hat.

Das Berufungsgericht führte, ausgehend von den unbekämpft gebliebenen Feststellungen des Erstgerichtes, rechtlich im wesentlichen aus, in zahlreichen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes sei der Leitsatz zu finden, daß es im Fall der Übertretung einer Schutzvorschrift zur Begründung eines Ersatzanspruches eines strengen Beweises eines Kausalzusammenhanges nicht bedürfe und daß sich der Übertreter einer Schutzvorschrift im Sinne des § 1311 ABGB von der Haftung für die Schadensfolgen nur befreien könne, wenn er beweise, daß der Schaden auch ohne die Verletzung der Vorschrift eingetreten wäre. Der Oberste Gerichtshof habe aber klargestellt, daß dies nicht dahin verstanden werden dürfe, daß im Fall der Verletzung eines Schutzgesetzes die Vermutung bestehe, daß die Verletzung des Schutzgesetzes für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen sei und daß auf diese Weise eine Umkehrung der Beweislast eintrete und der Verletzer des Schutzgesetzes zu beweisen hätte, daß der Eintritt des Schadens nicht durch die Verletzung des Schutzgesetzes verursacht worden sei. Allerdings könne bei Nachweis der Übertretung eines Schutzgesetzes ein Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, daß der von dieser Norm zu verhindernde Schaden durch dieses Verhalten verursacht worden sei. Ob ein Ereignis für den Eintritt eines anderen Ereignisses ursächlich gewesen sei, also die Beurteilung der natürlichen Kausalität, falle in den Bereich der Tatsachenfeststellung. Die Bedeutung des § 1311 zweiter Satz ABGB liege vielmehr darin, daß der Übertreter einer Schutznorm für die daraus entstehende Beschädigung auch dann hafte, wenn diese Folge im Einzelfall nicht vorhersehbar gewesen sei.

Im vorliegenden Fall sei infolge der strafgerichtlichen Verurteilung des Erstbeklagten davon auszugehen, daß dieser die Verletzung der Klägerin dadurch verursacht habe, daß er eine überhöhte Geschwindigkeit eingehalten und die erforderliche Aufmerksamkeit außer acht gelassen habe. Hingegen spreche keine Feststellung und kein Beweisergebnis auch dem ersten Anschein nach dafür, daß die Klägerin ihre Fahrlinie geändert hätte und dadurch in den Gefahrenbereich des PKW gekommen wäre; vielmehr sei der PKW mit der Mitte seiner Front von hinten gegen das zumindest nahezu achsparallel fahrende Fahrzeug gestoßen. Damit bestehe kein Anhaltspunkt für die Annahme einer natürlichen Kausalität des Mitführens einer weiteren Person auf dem Fahrrad für den folgenden Unfall. Nur dann, wenn etwa eine Instabilität der Fahrlinie des Fahrrades zumindest Mitursache für den folgenden Anstoß gewesen wäre, spräche die Vermutung für die Ursächlichkeit des unzulässigen Mitführens einer weiteren Person für den folgenden Unfall. Das Erstgericht habe daher ohne Rechtsirrtum keine Schadensteilung vorgenommen.

Da der Entscheidungswille des Erstgerichtes dahin gegangen sei, nur über den Grund der geltend gemachten Leistungsansprüche zu entscheiden, sei sein Urteil mit der Maßgabe zu bestätigen, daß es als Teil-Zwischenurteil zu bezeichnen sei.

Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Zweitbeklagten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, "daß ihrer Berufung Folge gegeben werde". Die Klägerin hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, der Revision keine Folge zu geben.

Aus dem Revisionsantrag der Zweitbeklagten in Verbindung mit ihrem oben wiedergegebenen Berufungsantrag ist zu erkennen, daß sie die Entscheidung des Berufungsgerichtes auch insoweit bekämpft, als die zu 10 Cg 13/86 des Landesgerichtes Salzburg geltend gemachte Forderung gegenüber dem Erstbeklagten dem Grunde nach zu mehr als zu zwei Dritteln als zu Recht bestehend erkannt wurde. In diesem Umfang ist die Revision unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ZVR 1974/185; ZVR 1976/227; ZVR 1982/365 ua) bilden im Schadenersatzprozeß nach einem Verkehrsunfall Versicherer und Versicherter nur insoweit eine einheitliche Streitpartei nach § 14 ZPO, als dies zur Verwirklichung der im § 63 Abs 3 KFG (nunmehr § 24 KHVG 1987) vorgesehenen Erstreckung der Wirkung eines den Schadenersatzanspruch hinsichtlich des Versicherten bzw. des Versicherers aberkennenden rechtskräftigen Urteils auf den anderen Streitgenossen erforderlich ist. Daraus folgt, daß es der Dispositionsbefugnis eines jeden derartigen Streitgenossen überlassen bleibt, ob er ein gegen ihn ergangenes, den Schadenersatzanspruch eines geschädigten Dritten bejahendes Urteil bekämpft oder nicht und daß sich weder die Wirkung der Anfechtung eines derartigen Urteils durch einen von solchen Streitgenossen notwendigerweise auf den anderen erstreckt noch einem von solchen Streitgenossen auch nur die Befugnis zuerkannt werden kann, ein nur den anderen Streitgenossen beschwerendes, einen Schadenersatzanspruch des geschädigten Dritten gegen diesen bejahendes Urteil zu bekämpfen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Zweitbeklagten ist daher, soweit sie sich dagegen richtet, daß die zu 10 Cg 13/86 des Erstgerichtes geltend gemachte Forderung gegenüber dem Erstbeklagten dem Grunde nach mit mehr als zwei Dritteln als zu Recht bestehend erkannt wurde, als unzulässig zurückzuweisen.

In diesem Umfang hat die Zweitbeklagte die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen und sind der Klägerin keine Kosten für die erstattete Revisionsbeantwortung zuzusprechen, weil sie den vorliegenden Zurückweisungsgrund nicht geltend gemacht hat (§§ 41, 50 ZPO).

Im übrigen ist die Revision der Zweitbeklagten zulässig, und zwar im Hinblick auf die Höhe des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, ohne die im § 503 Abs 2 ZPO normierte Einschränkung der Revisionsgründe.

Sachlich ist sie aber in diesem Umfang nicht berechtigt. Die Zweitbeklagte versucht in ihrer Rechtsrüge im wesentlichen darzutun, daß die Klägerin dadurch, daß sie ihre Freundin Wei Li Ru auf dem Gepäckträger des Fahrrades mitführte, gegen die als Schutznorm anzusehende Vorschrift des § 66 Abs 6 StVO verstoßen habe. Es bestehe im Sinne des § 1311 ABGB eine Vermutung dafür, daß diese Schutzgesetzverletzung für den eingetretenen Schaden ursächlich gewesen sei. Die Klägerin habe nicht bewiesen, daß sie die Schutznorm des § 66 Abs 6 StVO schuldlos übertreten habe und sie habe auch nicht bewiesen, daß der gleiche Erfolg auch ohne diese Schutzgesetzverletzung eingetreten wäre. Es sei ihr daher ein Mitverschulden im Ausmaß von einem Drittel anzulasten. Dem kann nicht gefolgt werden.

Es ist sicher richtig, daß eine Begrenzung der Zurechnung der Schadensfolgen aus dem Normzweck auf die Schadenstragung wegen Mitverschuldens ebenso anzuwenden ist wie auf die Schadenshaftung gegenüber Dritten (ZVR 1979/282; ZVR 1980/39 ua) und daß es sich bei der Vorschrift des § 66 Abs 6 StVO (im Zusammenhalt mit der des § 65 Abs 3 StVO) um ein Schutzgesetz im Sinne des § 1311 ABGB handelt, das nicht nur dem Schutz der auf dem Fahrrad fahrenden Personen, sondern auch anderer Verkehrsteilnehmer insofern dient, als eine durch unzulässige Personenbeförderung auf Fahrrädern bedingte erschwerte Lenkbarkeit und Instabilität dieser Fahrzeuge vermieden werden soll (vgl. Dittrich-Stolzlechner StVO3 § 66 Rz 9). Nicht gefolgt werden kann der Revisionswerberin allerdings, wenn sie vermeint, daß die Übertretung der Schutzvorschrift des § 66 Abs 6 StVO durch die Klägerin auch eine Vermutung für die natürliche Kausalität zwischen dieser Übertretung und dem eingetretenen Erfolg begründe.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen, daß auch bei Verletzung eines Schutzgesetzes hinsichtlich des Kausalzusammenhanges - der primär zu beweisen ist - keine Umkehr der Beweislast eintritt. Der in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung häufig verwendete Satz, daß es bei Verletzung eines Schutzgesetzes eines strengen Nachweises des Kausalzusammenhanges nicht bedürfe (E MGA ABGB32 § 1311/37) darf nicht dahin verstanden werden, es bestehe bei Verletzung eines Schutzgesetzes im Sinne des § 1311 ABGB die Vermutung, daß diese Verletzung für den Eintritt des Schadens ursächlich gewesen sei, daß auf diese Weise eine Umkehr der Beweislast eintrete und der Verletzer des Schutzgesetzes zu beweisen habe, daß der Eintritt des Schadens nicht durch die Verletzung des Schutzgesetzes verursacht wurde. Richtig ist allerdings, daß bei Nachweis der Übertretung eines Schutzgesetzes ein Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen kann, daß der von dieser Norm zu verhindernde Schaden durch dieses Verhalten verursacht wurde (EvBl 1977/246; 5 Ob 573/77; 2 Ob 101/78; 2 Ob 556/79; 7 Ob 754/82 ua; siehe dazu auch Welser in ZVR 1976, 6 f und Koziol, Haftpflichtrecht2 I 338 ff und II 107 f). Daran ist auch im vorliegenden Fall entgegen den Revisionsausführungen festzuhalten. Durch die bloße Mitbeförderung einer Person auch auf einem dafür nicht nach den diesbezüglichen gesetzlichen Vorschriften ausgestatteten Fahrrad wird weder der Lenker dieses Fahrrades noch ein anderer Verkehrsteilnehmer in seiner körperlichen Unversehrtheit beeinträchtigt; eine derartige Beeinträchtigung kann und wird allerdings dann eintreten, wenn durch eine solche unzulässige Personenbeförderung die Lenkbarkeit und Stabilität des Fahrrades beeinflußt wird und es daher zu vom Fahrradlenker nicht gewollten und nicht beherrschbaren Richtungsänderungen seines Fahrzeuges kommt. Dabei handelt es sich um ausschließlich dem Tatsachenbereich zuzuordnende Voraussetzungen der natürlichen Kausalität eines dem Fahrradlenker anzulastenden Fehlverhaltens für einen eingetretenen schädlichen Erfolg, die derjenige zu behaupten und zu beweisen hat, der sich auf ein haftungs- oder mitverschuldensbegründendes Fehlverhalten des Fahrradlenkers beruft. Weist er allerdings nach, daß eine plötzliche Fahrtrichtungsänderung des Fahrrades ursächlich bzw. mitursächlich für den eingetretenen schädlichen Erfolg war, dann wird im Sinne obiger Rechtsausführungen der Beweis des ersten Anscheins dafür sprechen, daß diese Richtungsänderung auf die schutzgesetzwidrige Mitbeförderung einer anderen Person auf dem Fahrrad zurückzuführen ist, und dann obliegt die Entkräftung eines solchen prima-facie-Beweises dem Fahrradlenker. Keineswegs wird aber durch die bloße der Vorschrift des § 66 Abs 6 StVO widersprechende Mitbeförderung einer Person auf einem Fahrrad ein Anscheinsbeweis dafür begründet, daß es dadurch zu plötzlichen Änderungen der Fahrtrichtung des Fahrrades kam. Wenn daher derartiges von den Vorinstanzen nicht festgestellt werden konnte, geht dies ausschließlich zu Lasten der dafür beweispflichtigen Beklagten, nicht aber zu Lasten der Klägerin.

Mit Recht haben unter diesen Umständen die Vorinstanzen ein auf die Verletzung der Vorschrift des § 66 Abs 6 StVO gegründetes Mitverschulden der Klägerin verneint. Der Revision der Zweitbeklagten muß daher auch insoweit, als sie zulässig ist, ein Erfolg versagt bleiben.

Insoweit beruht der Vorbehalt der Kosten des Revisionsverfahrens auf § 393 Abs 4 (§ 52 Abs 2) ZPO (SZ 23/243 ua).

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