OGH 7Ob542/88

OGH7Ob542/8824.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hildegard W***, Lehrerin, Klosterneuburg, Feldgasse 57, vertreten durch Hans Frieders, Dr. Christian Tassul und Dr. Georg Frieders, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei Mag. Günther W***, Mittelschullehrer, Klosterneuburg, Feldgasse 57, vertreten durch Dr. Raimund Hora, Rechtsanwalt in Wien, wegen Ehescheidung infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 22. Dezember 1987, GZ 47 R 3018/87-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Klosterneuburg vom 10. September 1987, GZ 1 C 14/87-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 (darin S 308,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Streitteile haben am 27. Juni 1974 die Ehe geschlossen. Der Ehe entstammen der am 10. November 1980 geborene Johannes und die am 13. November 1982 geborene Stefanie. Ihren gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt haben die Streitteile, die beide österreichische Staatsbürger sind, in Klosterneuburg.

Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Der Beklagte habe die eheliche Treu nicht gehalten. Er habe am 10. April 1986 die Ehewohnung verlassen und bis zum 14. Juli 1986 in der Wohnung seiner Berufskollegin Mag. Helga E*** gelebt, mit der er intime Beziehungen unterhalten habe. Der Beklagte sei allerdings wieder in die Ehewohung zurückgekehrt. Er habe jedoch entgegen seinem Versprechen die Beziehungen zu Mag. Helga E*** fortgesetzt. Dies habe zur völligen Zerrüttung der Ehe geführt.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klage, allenfalls die Scheidung der Ehe aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin. Die Beziehungen des Beklagten zu Mag. Helga E*** hätten nur bis zum 14. Juli 1986 gedauert. Der Beklagte unterhalte seither weder zu Mag. Helga E***, noch zu anderen Frauen ehewidrige Beziehungen. Er sei nach Hause zurückgekehrt und habe die ehelichen Beziehungen zur Klägerin wieder aufgenommen. Dies habe die Klägerin akzeptiert. Die Streitteile hätten regelmäßig Geschlechtsverkehr gehabt und im Februar 1987 einen gemeinsamen Schiurlaub verbracht. Die Eheverfehlungen des Beklagten vor dem 14. Juli 1986 seien verjährt und von der Klägerin verziehen. Die Klägerin habe noch am 1. April 1987 erklärt, die Ehe mit dem Beklagten erhalten zu wollen. Auch die Klägerin habe Ehescheidungsgründe gesetzt. Sie habe den Beklagten mehrfach grundlos aufgefordert, die Ehewohnung zu verlassen, habe sich (dadurch, daß sie dem Beklagten vorgehalten habe, er sei nur ein armer Lehrer) grob lieb und interesselos verhalten und habe dem Beklagten grundlose Eifersuchtsszenen gemacht, die zur Folge gehabt hätten, daß der Beklagte dienstliche Unannehmlichkeiten gehabt habe.

Das Erstgericht wies die Klage ab und traf folgende Feststellungen:

Der Beklagte unterrichtet an einer Schule in Wien, an die im Jahre 1982 auch Mag. Helga E*** als Lehrkraft gekommen ist. Ende des Jahres 1985 nahm der Beklagte mit Mag. Helga E*** intime Beziehungen auf und zog am 10. April 1986 zu ihr in ihre Wohnung. Der Grund hiefür waren auch vom Beklagten in seiner Ehe verspürte Frustrationen, etwa deshalb, weil ihm die Klägerin vorhielt, nicht genug zu verdienen.

Am 14. Juli 1986 kehrte der Beklagte in die Ehewohnung zurück und versprach, die Beziehungen zu Mag. Helga E*** abzubrechen und zu erwirken, daß sie die gemeinsame Schule verlasse. Die Klägerin war damit einverstanden.

Der Beklagte brach seine Beziehungen zu Mag. Helga E*** jedoch nicht ab, sondern traf mit ihr oftmals, teils auch im Beisein anderer Personen, bis gegen Mitternacht zusammen. Er besuchte sie in ihrer Wohnung und es kam zu gemeinsamen Restaurant- und Heurigenbesuchen. Dabei wurden auch Begrüßungsküsse ausgetauscht. Diese Vorfälle führten dazu, daß die Parteien, die noch immer gemeinsam in der Ehewohnung wohnen, wenig miteinander reden, um fruchtlose Streitereien zu vermeiden, und spätestens Ende Februar ihre geschlechtlichen Beziehungen abgebrochen haben. Der Beklagte will die Ehe zwar noch aufrecht erhalten. Bei der Klägerin dagegen ist die eheliche Gesinnung derzeit weggefallen, sie sieht sich nur noch als Haushälterin des Beklagten und Mutter seiner Kinder. In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, die Geltendmachung des festgestellten Ehebruches des Beklagten mit Mag. Helga E*** sei gemäß § 57 Abs 1 EheG verfristet, da die häusliche Gemeinschaft der Ehegatten bereits am 14. Juli 1986 bei Kenntnis der Klägerin vom Ehebruch wieder aufgenommen worden sei. Es sei daher unerheblich, ob die Streitteile danach öfters miteinander Geschlechtsverkehr gehabt hätten. Der Beklagte habe dadurch, daß er trotz erkennbar gezeigtem und von ihm auch richtig verstandenen gegenteiligen Willens der Klägerin den Umgang mit Mag. Helga E*** fortgesetzt habe, eine Eheverfehlung gesetzt, die subjektiv auf seiten der Klägerin eine Zerrüttung der Ehe herbeigeführt habe. Die Ehe sei derzeit auch objektiv zerrüttet, doch könne mit der Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft gerechnet werden, da die Zerrüttung keine unheilbare iS des § 49 EheG sei. Anlaß für diese Annahme sei, daß die Ehegatten noch in einer gemeinsamen Wohnung leben und der Beklagte glaubwürdig versichere, eheliche Beziehungen zur Klägerin anzustreben. Es könne daher angenommen werden, daß sich der Beklagte in Zukunft weiterer außerschulischer Beziehungen zu Mag. Helga E*** enthalten werde. Da die Klägerin dem Beklagten den festgestellten Ehebruch verziehen habe, sei auch nicht anzunehmen, daß sie sich bei Abbruch dieser Beziehungen des Beklagten unversöhnlich zeigen werde.

Das Berufungsgericht gab der Klage statt. Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes vertrat es die Ansicht, die Fortsetzung der Wohngemeinschaft zwischen den Ehegatten stelle kein Indiz für die Sanierbarkeit der Ehegemeinschaft dar. Ebensowenig rechtfertige die Aussage des Beklagten, er strebe eheliche (sexuelle) Beziehungen zur Klägerin an, die Annahme, es könne die Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft erwartet werden, zumal der Beklagte nicht einmal angedeutet habe, daß er die Absicht habe, seine privaten Kontakte zu Mag. Helga E*** aufzugeben. Der Beklagte, der nach einem ehebrecherischen Verhältnis, das sich über mehrere Monate erstreckt habe, die Verzeihung der Klägerin erlangt habe, habe dennoch ohne Unterbrechung und hinter dem Rücken der Klägerin die Kontakte mit Mag. Helga E*** in einem Ausmaß fortgesetzt, das weit über das hinausgehe, was zwischen Kollegen auf privater Ebene üblich sei. Gemäß § 59 Abs 2 EheG könnten Eheverfehlungen, auf die eine Scheidungsklage nicht mehr gegründet werden könne, zur Unterstützung einer auf andere Eheverfehlungen gegründeten Scheidungsklage geltend gemacht werden. Die Aufrechterhaltung des festgestellten Kontaktes des Beklagten zu seiner Kollegin gegen den Willen der Klägerin würde schon ohne Hinzutreten anderer Umstände eine Eheverfehlung darstellen. Das Verhalten des Beklagten habe einen völligen Vertrauensverlust der Klägerin bewirken müssen. Es bestehe kein Anhaltspunkt dafür, daß die Hoffnung auf Wiederherstellung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft gerechtfertigt sei, solange sich Mag. Helga E*** im Gesichtskreis des Beklagten befinde. Die Ehe der Streitteile sei daher aus dem alleinigen Verschulden des Beklagten zu scheiden. Die Aufforderung der Klägerin an den Beklagten, die eheliche Wohnung zu verlassen, stelle keine Eheverfehlung dar, sie sei eine gerechtfertigte Reaktion auf das Verhalten des Beklagten. Der angebliche Vorwurf, der Beklagte sei ein armer Lehrer, rechtfertige nicht die Aufnahme ehebrecherischer Beziehungen und wäre überdies, soferne man darin eine Eheverfehlung erblicke, verziehen. Die vom Beklagten behauptete Eifersucht der Klägerin sei nicht unbegründet gewesen. In der Vorsprache der Klägerin beim Schuldirektor mit der Anfrage, ob ein Versetzungsansuchen von Mag. Helga E*** vorliege, könne eine Eheverfehlung nicht gesehen werden.

Der Beklagte bekämpft mit seiner Revision nur den Verschuldensausspruch der zweiten Instanz. Er macht Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung geltend und beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Klägerin das überwiegende Verschulden an der Ehescheidung treffe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Beklagte rügt unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, daß Feststellungen über das von ihm behauptete Mitverschulden der Klägerin nicht getroffen worden seien. Er macht damit Feststellungsmängel geltend, die unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung zu behandeln sind. Feststellungsmängel liegen jedoch nicht vor, da die Umstände, auf die der Beklagte den Antrag auf Ausspruch einer Mitschuld der Klägerin gegründet hat, einen derartigen Ausspruch nicht rechtfertigen können.

Die der Klägerin vom Beklagten vorgeworfene Eifersucht war nach dem festgestellten Verhalten des Beklagten, der auch nach dem mehrere Monate langen Zusammenleben mit Mag. Helga E*** sich gegen den Willen der Klägerin mehrmals wöchentlich bis etwa Mitternacht in deren Wohnung aufhielt oder gemeinsam mit ihr ausging, wohl begründet. Nur unbegründete Eifersucht kann eine Eheverfehlung darstellen.

Daß es dem Beklagten nicht angenehm war, vom Direktor der Schule im Hinblick auf die Anfrage der Klägerin wegen des vom Beklagten versprochenen Versetzungsgesuches der Mag. Helga E*** zur Rede gestellt zu werden, mag durchaus zutreffen. Doch war die Verzeihung der Klägerin auch auf dieses Versprechen gegründet, so daß es der Klägerin nicht vorgeworfen werden kann, sich davon zu überzeugen, ob es auch eingehalten worden sei. Gewiß hatte der Beklagte, wie er in der Revision geltend macht, nicht die Möglichkeit, seinerseits für eine Versetzung zu sorgen. Es wäre ihm jedoch bei Ernsthaftigkeit seines Versprechens wohl möglich gewesen, Mag. Helga E*** zum Einbringen eines entsprechenden Gesuches zu veranlassen. Der Beklagte hat sich die für ihn entstandene Unannehmlichkeit daher selbst zuzuschreiben.

Eine Aufforderung an den Beklagten, die Ehewohnung zu verlassen, wäre nach den ehewidrigen Beziehungen des Beklagten - auch nach seiner Rückkehr in die Ehewohnung - eine zulässige und verständliche Reaktion der Klägerin auf das Verhalten des Beklagten. Eine Eheverfehlung der Klägerin könnte daher in einer solchen Aufforderung nicht gefunden werden.

Mit Recht ist daher das Berufungsgericht zum Ergebnis gekommen, daß den Beklagten das alleinige Verschulden an der Zerrüttung der Ehe trifft. Der Revision war deshalb ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung erfolgte nach den §§ 41, 50 ZPO.

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