Spruch:
Beiden Revisionen wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 an Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der am 20. November 1945 in Waiern (Feldkirchen in Kärnten) geborene Kläger und die am 8. April 1946 im selben Ort geborene Klägerin haben am 2. September 1966 vor dem Standesamt Feldkirchen in Kärnten die Ehe geschlossen. Dieser beiderseits ersten Ehe entstammt die am 22. Jänner 1972 geborene Tochter Tanja. Im Zeitpunkt der Eheschließung waren beide Ehegatten römisch-katholisch. Die Beklagte sympathisierte allerdings schon vorher unter dem Einfluß ihrer Mutter mit den Zeugen Jehovas, fand jedoch während ihrer Berufstätigkeit keine Zeit für eine religiöse Betätigung und sagte dem Kläger vor der Eheschließung nichts von ihrer Neigung. Nach der Heirat gab sie jedoch ihren Beruf auf, befaßte sich mit religiösen Fragen, trat 1967 wegen ihrer religiösen Anschauung aus der römisch-katholischen Kirche aus und wurde 1969 in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas getauft. Der Kläger trat ebenfalls 1967 aus der römisch-katholischen Kirche aus, und zwar wegen seiner von der Stellungnahme der Kirche abweichenden Haltung zu gewissen Fragen (päpstliche Enzyklika über die Geburtenregelung) und wegen des Kirchenbeitrages.
Die Zeugen Jehovas veranstalten wöchentlich drei Zusammenkünfte in Feldkirchen, die eine bzw. zwei Stunden dauern, zweimal jährlich einen Kreiskongreß von zwei Tagen und einmal jährlich einen Bezirkskongreß von vier Tagen Dauer. Die Beklagte besuchte wöchtenlich eine der zweistündigen Zusammenkünfte, selten einen Kreiskongreß und anläßlich eines Bezirkskongresses höchstens den Hauptvortrag. Den zu den Aufgaben der Zeugen Jehovas gehörigen Missionsdienst durch Hausbesuche bei Andersgläubigen versah sie nur ungern und außerhalb ihrer Heimatstadt Feldkirchen auf dem Land. Insgesamt wird sie daher in ihrer Glaubensgemeinschaft eher als "laues Mitglied" eingeschätzt.
Der Kläger war mit dem Besuch der Veranstaltungen der Zeugen Jehovas durch die Beklagte zunächst nicht ganz einverstanden, einigte sich aber dann mit ihr, nachdem sie ihm ihren Standpunkt erläutert hatte, dahin, daß er zur selben Teit an den Zusammenkünften seines Briefmarkensammlervereines teilnahm. In der Folge verlegten die Zeugen Jehovas und der Briefmarkensammlerverein ihre Zusammenkünfte auf andere verschiedene Wochentage. Zwischen den Ehegatten gab es wiederholt, vor allem am Beginn der Ehe, als sich die Beklagte mit ihrem Eintritt in die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas beschäftigte, Diskussionen über verschiedene Fragen, zu denen die Zeugen Jehovas eine von der allgemein in Österreich vorherrschenden Meinung abweichende Haltung haben, unter anderem über die Frage der Zulässigkeit einer Bluttransfusion, die von den Zeugen Jehovas abgelehnt wird, sowie über die ablehnende Haltung der Zeugen Jehovas zur staatlichen Ordnung im allgemeinen und zum Bundesheer und damit zum (ehemaligen) Beruf des Klägers (Sanitätsunteroffizier) im besonderen. Die Beklagte erklärte, es abzulehnen, daß der Tochter im Verletzungsfall Blut gespendet werde. Weiters wurde auch über das von den Zeugen Jehovas inzwischen zweimal vorausgesagte Weltende diskutiert, wobei die Beklagte versuchte, den Kläger von ihrem Standpunkt zu überzeugen. Es kam auch vor, daß der Kläger derartige Diskussionen begann. Derartige Diskussionen gab es bis zur Aufhebung der Ehegemeinschaft.
Der Kläger lehnte einerseits die von der Beklagten in solchen Dikussionen vertretenen Standpunkte ab, andererseits unterstützte er sie in der Ausübung ihres Glaubens, etwa dadurch, daß er sie mit dem PKW zu Glaubensversammlungen brachte oder von dort abholte oder daß er Reden, die sie in der Glaubensversammlung zu halten hatte, verbesserte. Der Kläger unterhielt auch Kontakte privater Natur zu der Glaubensgemeinschaft der Beklagten, indem er an Veranstaltungen nicht religiöser Natur, etwa an Ausflügen, teilnahm; zweimal leitete er selbst derartige Ausflüge. Beweggrund des Klägers für seine Teilnahme und Mitwirkung an solchen Veranstaltungen war die Verbesserung des Verhältnisses zur ehelichen Tochter, die nicht verstand, daß der Kläger außerhalb der Glaubensgemeinschaft, in der sie aufwuchs, stand.
Obwohl der Kläger der Beklagten sagte, daß er die Erziehung der Tochter in der Religion der Beklagten nicht wünsche, führte die Beklagte die Tochter in die Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas ein und erzog sie in diesem Glauben. Sie nahm das Kind von klein auf in die Versammlungen mit - der Kläger war ja zur selben Zeit beim Briefmarkensammlerverein - und brachte ihr ein religiöses Grundwissen im Sinne ihrer Überzeugung bei. Trotz seiner wiederholt geäußerten Ablehnung dieser Erziehung unternahm der Kläger nichts dagegen: Weder meldete er das Kind bei der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas ab noch kümmerte er sich darum, daß das Kind einen Religionsunterricht in der Schule besuchte, obwohl er selbst grundsätzlich eine religiöse Erziehung des Kindes wünschte und vorhatte, daß die Tochter in der Schule den protestantischen Religionsunterricht besuche und sich im Alter von 11 oder 12 Jahren selbst entscheide. Es bestand somit zwischen den Ehegatten offenbar nur darüber Einvernehmen, daß die Tochter nicht sofort nach der Geburt getauft werde, weil der Kläger diese Entscheidung der Tochter selbst überlassen wollte und bei den Zeugen Jehovas die Taufe erst mit 15 oder 16 Jahren vorgesehen ist. Nachdem sich der Kläger anfangs gegen die religiöse Erziehung der Tochter im Sinne der Zeugen Jehovas in Gesprächen mit der Beklagten gewehrt hatte, fand er sich später damit ab; als Berufstätiger hatte er zur Tochter nicht den unmittelbaren Kontakt, wie er der Beklagten als Hausfrau möglich war; er sah daher keine Möglichkeit, die religiöse Erziehung der Tochter durch die Mutter zu verhindern.
Als Zeugin Jehovas feiert die Beklagte die großen Feste wie Ostern und Weihnachten nicht in der in Österreich sonst üblichen Art; es gab also in der Familie der Streitteile keinen Weihnachtsbaum und keine Geschenke, ebensowenig wurden Geburtstage und Namenstage gefeiert. Die Beklagte hielt die Tochter dazu an, keine Geschenke anzunehmen, und nahm auch selbst keine Geschenke an. Das Kind bekam nur Geld geschenkt. Ebenso vereinbarte die Beklagte mit dem Kläger, daß er ihr zu den Feiertagen keine Geschenke mache, sondern Geldbeträge übergebe; damit wollte sie auch erreichen, Dinge zu erhalten, die ihr gefallen. Folge der religiösen Erziehung der Tochter war auch, daß sie an staatlichen Feiern in der Schule und an den Vorbereitungen dazu nicht teilnehmen und bei Bastelarbeiten für Weihnachts- und Ostergeschenke nicht mitwirken durfte. Die Tochter der Streitteile hat jedoch darunter, daß ihre Eltern das Weihnachtsfest nicht in der herkömmlichen Weise feierten, nicht gelitten.
Als Zeugin Jehovas lehnt die Beklagte auch den Wehrdienst ab und damit auch den Beruf des Klägers, der bis zu seiner (vorzeitigen) Pensionierung am 24. November 1986 Sanitätsunteroffizier war. Auch dies führte zu Diskussionen zwischen den Streitteilen, wobei die Beklagte darauf hinwies, sie dürfte mit dem Kläger gar nicht verheiratet sein. Daß diese Diskussionen immer nur von der Beklagten begonnen wurden, kann nicht festgestellt werden. Ebensowenig kann festgestellt werden, daß die Beklagte den Beruf des Klägers in einer den Bestand der Ehe gefährdenden Ernsthaftigkeit ablehnte; ansonsten hätte sie ja den Kläger, obgleich sie mit den Zeugen Jehovas sympathisierte, nicht geheiratet.
Daß die Beklagte den Kläger psychisch vergewaltigt und ihm "diese Dinge" eingeredet hätte und er 17 Jahre lang Märtyrer gewesen wäre, ist auszuschließen, wohl aber sind Versuche des Klägers, die Beklagte "psychisch zu vergewaltigen", vorgekommen: Der Kläger stellte die Beklagte insgesamt drei- oder viermal vor die Alternative, entweder ihrem Glauben nachzugehen oder mit ihm die Ehe zu führen, zuletzt im September 1983 anläßlich einer gemeinsamen Reise nach Ungarn. Der Kläger verlangte von der Beklagten die Aufgabe ihrer Religion, weiters, daß sie die Tochter aus der Religionsgemeinschaft herausnehme, wozu aber die Beklagte, obgleich sie sich um eine Versöhnung und Wiederaufnahme der ehelichen Gemeinschaft bemühte, nicht bereit war.
Daß die Streitteile während des Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft ehewidrige oder ehebrecherische Beziehungen zu anderen Partnern unterhalten hätten, kann nicht festgestellt werden. Zwischen den Streitteilen gab es des öfteren harmlose Wortgeplänkel. Im Frühjahr 1983 gab der Kläger damit an, daß im Falle des Scheiterns ihrer Ehe an jeder Ecke eine andere warten würde, worauf die Beklagte antwortete, daß dies auch bei ihr der Fall wäre.
Daß die Beklagte krankhaft und grundlos eifersüchtig ist, kann nicht festgestellt werden. Vor Jahren kam es vor, daß die Beklagte wiederholt das Briefgeheimnis verletzte, indem sie Briefe, die an den Kläger gerichtet waren, ohne seine Zustimmung öffnete und las. In der jüngeren Zeit vor dem Auszug des Klägers aus dem ehelichen Haushalt kam dies nicht mehr vor.
Ungefähr im Jahr 1980 gingen die Streitteile, ihre Tochter und die Ehegatten Gerhard und Maria F*** miteinander spazieren, wobei die Beklagte allein vorausging und der Kläger und Maria F*** dahinter eingehängt gingen. Ohne weiteren Anlaß drehte sich die Beklagte um, ging zurück, gab dem Kläger eine Ohrfeige und kratzte ihn. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt machte der Kläger einen Toast, der jedoch schlecht geriet, worauf ihm die Beklagte eine Ohrfeige gab.
Der Kläger stellte während des Bestehens der Ehegemeinschaft etwa 80 % seines Einkommens der Familie zur Verfügung, indem er der Beklagten ein Wirtschaftsgeld gab, die Einkäufe besorgte und die Wohnungsmiete bezahlte. An Wirtschaftsgeld gab er der Beklagten ab 1980 monatlich S 5.600,--, welchen Betrag er nach seinem Auszug aus der Ehewohnung der Beklagten weiterhin überwies. Die Beklagte kaufte für sich häufig Kleider, wobei über die Höhe der Ausgaben der Beklagten hiefür keinerlei Feststellungen getroffen werden können. Da der Kläger nach einer Krebsoperation im Jahr 1979 nicht mehr zum Außendienst befähigt war, verringerte sich sein Einkommen, worauf er eine Nebenbeschäftigung beim Zivilschutz übernahm, die ihm ein zusätzliches Einkommen brachte. Damit konnte der bisherige Lebensstil der Streitteile aufrecht erhalten werden. An der Betreuung des Haushaltes durch die Beklagte hatte der Kläger nichts auszusetzen.
Im März 1983 lernte der Kläger im Rahmen eines von ihm veranstalteten Zivilschutzkurses Elisabeth A*** kennen, die sich für sein zum Verkauf angebotenes Auto interessierte. Bei einer Zivilschutzübung im Mai 1983 traf er wiederum mit Elisabeth A*** zusammen. Der Kläger besprach nun mit Elisabeth A*** seine Eheprobleme und fragte sie, ob ihre Familie eine Wohnung für ihn hätte. Mitte Mai 1983 fragte der Kläger auch den Vater der Elisabeth A*** wegen einer Wohnung und sagte ihm, daß er das Leben zu Hause nicht mehr ertrage. Markus A*** sagte ihm ein Zimmer nach der Sommersaison zu.
Der Kläger begann sich ab März 1983 vom ehelichen Haushalt zurückzuziehen; er wohnte teilweise bei seiner Schwägerin Maria F***, teilweise in der Kaserne und hielt sich häufig in Rosegg (bei der Familie A***) auf, wo er sich auch mit landwirtschaftlichen Arbeiten befaßte. Er kam aber zweimal pro Woche nach Hause zur Beklagten und machte die üblichen Einkäufe für den Haushalt, sagte der Beklagten aber, sie möge den Bedarf ohne Rücksicht auf ihn berechnen.
Im September 1983 war der Kläger einmal dienstlich auf der Franz Josefs-Höhe am Großglockner. Elisabeth A*** und deren Vater fuhren dorthin, um den Kläger zu treffen.
Der Briefmarkensammlerverein des Klägers veranstaltete im September 1983 eine drei Tage dauernde Vereinsreise nach Ungarn, an welcher der Kläger und über ihren Wunsch auch die Beklagte teilnahmen. Die Streitteile benützten während ihres Aufenthaltes in Budapest ein gemeinsames Zimmer und unterhielten miteinander auch sexuelle Beziehungen. Die Beklagte bemühte sich, den Kläger zur Fortsetzung der Ehegemeinschaft zu bewegen. Der Kläger lehnte dies ab, weil die Beklagte seinem Wunsch, aus der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas auszutreten und auch die Tochter herauszunehmen, nicht entsprechen wollte. Darüber hinaus machte der Kläger auch geltend, das Leben mit der Beklagten sei ihm zu langweilig und zu konservativ.
Am 15. September 1983 zog der Kläger endgültig aus der ehelichen Wohnung aus. Ab Oktober 1983 wohnt er im Haus der Eltern der Elisabeth A***. Er begründete mit Elisabeth A*** eine Lebensgemeinschaft, die in einer geistigen, geschlechtlichen und teilweise auch wirtschaftlichen Gemeinschaft besteht. Die Mutter der Elisabeth A*** kocht für den Kläger und versorgt dessen Wäsche. Wegen seines geringen Einkommens braucht der Kläger derzeit kein Kostgeld zu bezahlen.
Bei einem persönlichen Zusammentreffen auf dem Wiesenmarkt im September 1983 erklärte Elisabeth A*** der Beklagten, daß sie den Kläger liebe und sehr an ihm hänge. Bei einem Telefonat erklärte Elisabeth A*** der Beklagten, daß der Kläger sie (Elisabeth A***) liebe und nicht zur Beklagten zurückkehren wolle. In einem weiteren Telefonat mit der Beklagten wies Elisabeth A*** darauf hin, daß die Beklagte den Kläger im Bett gut abgerichtet habe. Daß die Beklagte nach dem Auszug des Klägers aus dem ehelichen Haushalt ehewidrige Beziehungen zu anderen Männern, insbesondere zu Josef E***, aufgenommen hätte, kann nicht festgestellt werden. Die Beklagte hat das Schloß ihrer Wohnungstür nicht ausgewechselt.
Nach Aufhebung der Ehegemeinschaft bot die Beklagte dem Kläger an, die eheliche Tochter überhaupt zu sich zu nehmen, doch wollte dies die Tochter nicht. In den ersten 3 oder 4 Monaten nach dem endgültigen Auszug des Klägers aus der Ehewohnung besuchte er die Tochter einmal pro Woche in der Wohnung der Beklagten, wobei Elisabeth A*** den Wunsch hatte, daß die Beklagte während dieser Zeit nicht zu Hause sei. Der Kläger nahm aber auch die Tochter zu Besuchen nach Rosegg mit. Nach solchen Besuchen hatte die Beklagte Schwierigkeiten im Umgang mit der Tochter, die damals 11 Jahre alt war und die Konfliktsituation ihrer Eltern nicht verkraftete. Die Beklagte wendete sich daher an das Jugendamt. Nach einem Gespräch der Fürsorgebeamtin Ruthild S*** mit dem Kläger trat keine Besserung ein, worauf der Schulpsychologe Dr. Gert L*** dem Kläger vorhielt, daß es für die Tochter besser sei, wenn der persönliche Verkehr des Klägers mit der Tochter bis auf weiteres eingestellt werde. Der Kläger sah dies ein und stellte seine Kontakte zur Tochter ein. Erst im Herbst 1986 kam es über Wunsch des Klägers wieder zu einem Besuch. Trotz der freiwilligen Zurückhaltung des Klägers kam es zu Verhaltensstörungen der Tochter, die zu einer Heimunterbringung im Rahmen der freiwilligen Erziehungshilfe ab Februar 1987 führten.
Daß sich die Scheidung nachteilig auf die nunmehr 15 Jahre alte Tochter der Streitteile auswirken würde, kann nicht festgestellt werden, im Gegenteil, die Schaffung klarer Verhältnisse zwischen den Streitteilen ist eher geeignet, die Stabilität in der Persönlichkeitsentwicklung der Tochter zu fördern. Es ist zu besorgen, daß sich die Aufrechterhaltung des Ehebandes durch weitere 3 Jahre auf die Entwicklung der Tochter ungünstig auswirken würde, weil sie ja mit dem Ergebnis dieses Scheidungsverfahrens auch erfahren wird, daß nach 6jähriger Trennung die Ehe ihrer Eltern ohnehin geschieden werden wird; damit erlebt die Tochter durch die nächsten 3 Jahre, die für ihre persönliche Entwicklung sehr wichtig sind, eine Fortsetzung des Zustandes der Unsicherheit. Die Ehegatten leben ohnehin getrennt und die Tochter weiß, daß der Kläger eine neue Partnerin hat. Es wird daher auch für die Tochter nur folgerichtig und einzusehen sein, daß die zerrüttete Ehe ihrer Eltern geschieden wird. Es besteht lediglich die Gefahr, daß die Beklagte, die aufgrund ihrer religiösen Überzeugung eine Scheidung ablehnt, diese Einstellung auf die Tochter überträgt, was für die Entwicklung des Kindes von Nachteil sein könnte. Die eigene religiöse Überzeugung des Kindes ist nicht so stark, daß das Kind selbst die Ehescheidung als Problem auffassen würde. Die Beklagte würde die Ehegemeinschaft mit dem Kläger wieder aufnehmen, wenn der Kläger seine Lebensgemeinschaft mit Elisabeth A*** aufgibt.
Mit der am 6. November 1984 beim Bezirksgericht Klagenfurt zu Protokoll gegebenen Klage begehrte der Kläger die Scheidung der Ehe gemäß § 49 EheG aus dem alleinigen Verschulden der Beklagten. In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. Februar 1987 stützte er sein Scheidungsbegehren zusätzlich auf § 55 Abs. 1 EheG. Die Beklagte beantragte primär die Abweisung des Scheidungsbegehrens, für den Fall einer Scheidung nach § 49 EheG den Ausspruch der überwiegenden Mitschuld des Klägers, für den Fall einer Scheidung nach § 55 Abs. 1 EheG, der sie gemäß § 55 Abs. 2 EheG widersprach, den Ausspruch des alleinigen oder zumindest überwiegenden Verschuldens des Klägers.
Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile gemäß § 49 EheG aus dem Verschulden der Beklagten und sprach aus, daß den Kläger eine (gleichteilige) Mitschuld an der Ehezerrüttung treffe. Es unterzog den von ihm festgestellten, eingangs wiedergebenen Sachverhalt folgender rechtlichen Beurteilung (und traf dabei auch nachstehende weiteren Feststellungen):
Während der ehelichen Lebensgemeinschaft haben sich die Streitteile intensiv mit religiösen Fragen befaßt und darüber diskutiert. Trotz seiner ablehnenden Einstellung zur Religion der Beklagten hat der Kläger die Beklagte bei der Ausübung ihrer Religion lange Zeit hindurch geradezu vorbildlich unterstützt. Die zahlreichen Diskussionen, die nicht nur von der Beklagten, sondern auch vom Kläger begonnen wurden, haben jedoch wiederholt einen ungünstigen Einfluß auf die Beziehungen der Streitteile zueinander ausgeübt, zu einem völligen Wandel des Klägers und schließlich dazu geführt, daß der Kläger die Beklagte mehrmals, etwa drei- oder viermal, zuletzt bei einem Versöhnungsversuch der Beklagten im September 1983, vor die Wahl gestellt hat, sich entweder für ihn oder für den Glauben zu entscheiden. Da die Beklagte ihren Glauben nicht aufgeben wollte, kam es zum Bruch. Die Streitteile waren dem Problem ihrer unterschiedlichen religiösen Überzeugung nicht gewachsen. Während die Beklagte gegen den erklärten Willen des Klägers die gemeinsame Tochter in ihrem Glauben erzog, verlangte der Kläger von ihr die Aufgabe ihrer Religion.
Vielleicht wäre die Ehe glücklich verlaufen, wenn die Beklagte die Tochter nicht gegen den Willen des Klägers in ihrem Glauben erzogen, sondern über die religiöse Erziehung des Kindes das Einvernehmen mit dem Kläger hergestellt hätte. Der Kläger hätte zwar Schritte zur Verhinderung der Erziehung der Tochter im Glauben der Beklagten unternehmen, vor allem das Kind von der Gemeinschaft der Zeugen Jehovas abmelden können, doch unterließ er dies, weil er sich als Berufstätiger ohnehin mit der religiösen Erziehung des Kindes nicht so intensiv hätte befassen können, wie die Beklagte als Hausfrau tatsächlich hiezu in der Lage war. Sicherlich hat der Kläger den Streitteilen damit, daß er sich mit der einseitig bestimmten religiösen Erziehung der Tochter durch die Mutter abfand, weitere Auseinandersetzungen erspart. Durch die religiöse Erziehung im Sinne der Zeugen Jehovas gegen den Willen des Klägers wurde das Kind von Anfang an in eine Konfliktsituation gestellt, denn es hat den Kläger in der Familie als Außenseiter empfunden. So sei es verständlich, daß diese Erziehung nicht den Vorstellungen der Beklagten entsprechend geglückt ist und die Tochter nun in einem Heim erzogen wird.
Durch ihre einseitige Bestimmung des Kindes zum Glauben der Zeugen Jehovas habe die Beklagte gegen § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung verstoßen. Da die Streitteile zur Zeit der Eheschließung römisch-katholisch waren, hätte die Beklagte gemäß § 2 Abs. 3 dieses Gesetzes beim Vormundschaftsgericht die Entscheidung über die religiöse Erziehung der Tochter beantragen müssen. Die religiöse Einstellung der Beklagten und die Erziehung der Tochter im Sinne der Zeugen Johovas hätten eine schwerwiegende Auswirkung für das Leben und die Gesundheit der beiden: Die Beklagte lehnt für sich und auch für die Tochter eine Bluttransfusion ab; falls der Kläger nicht erreichbar ist, müsse daher mit einer Gefahr für das Leben der Tochter gerechnet werden, wenn im Ernstfall die Beklagte sich gegen eine Bluttransfusion ausspricht. Die religiöse Erziehung des Kindes durch die Beklagte gegen den Willen des Klägers und seine letztlich intolerante Haltung gegenüber der religiösen Einstellung der Beklagten hätten die Zerrüttung der Ehe bewirkt. Beides sei den Streitteilen als schuldhaft begangene Eheverfehlung anzulasten. Die Eheverfehlung der Beklagten liege nicht bloß in ihrer vor Jahren einmal getroffenen Entscheidung zur Erziehung des Kindes im Glauben der Zeugen Jehovas, sondern in der fortgesetzten Erziehung des Kindes in diesem Glauben. Zeuge Jehovas wird man erst mit der Taufe im Alter von 15 oder 16 Jahren. Durch ihre Erziehung beabsichtigte die Beklagte, die Tochter zum Eintritt in die Glaubensgemeinschaft hinzuführen.
Die Zerrüttung der Ehe habe sich mit dem Auszug des Klägers aus dem ehelichen Haushalt im März 1983 gezeigt. Daß die Ehe endgültig und unheilbar zerrüttet war, sei bei dem von der Beklagten unternommenen vergeblichen Versöhnungsversuch im September 1983 zum Ausdruck gekommen: Weder der Kläger noch die Beklagte waren zu diesem Zeitpunkt zu einem Abgehen von ihrer Haltung bereit. Die Beklagte hätte, wenn ihr an der Fortführung der Ehe gelegen gewesen wäre, dem Kläger auf seine Forderung, sie müsse ihren Glauben aufgeben und auch die Tochter herausnehmen, als Kompromiß die Beendigung der Erziehung der Tochter im Sinne der Zeugen Jehovas anbieten können.
Nach ständiger Rechtsprechung sei eine Ehe auch dann unheilbar zerrüttet, wenn der Ehewille nur bei einem Ehepartner weggefallen sei.
Nach seinem Auszug aus dem ehelichen Haushalt im März 1983 hat der Kläger Elisabeth A*** kennengelernt. Die Lebensgemeinschaft hat er mit ihr aber erst im Oktober 1983 aufgenommen, als für beide Streitteile die unheilbare Zerrüttung der Ehe feststand. Dies sei ihm somit nich als schwere Eheverfehlung anzulasten, weil die Ehe nach dem gescheiterten Versöhnungsversuch im September 1983 nicht mehr weiter habe zerrüttet werden können und die Beklagte diese Lebensgemeinschaft nicht weiter als ehezerrüttend empfindet, sondern nach Aufgabe dieser Lebensgemeinschaft bereit ist, mit dem Kläger die Ehe fortzusetzen.
Die bloße Ausübung ihrer Religion (nämlich ihre Teilnahme an den religiösen Versammlungen und der ohnehin nur mit geringem Eifer geleistete Predigtdienst) sei der Beklagten nicht als Eheverfehlung anzulasten. Niemand würde auf den Gedanken kommen, einem römisch-katholischen Ehepartner den Besuch der Sonntagsmesse, einer Messe oder Andacht an Wochentagen und die Teilnahme an weiteren religiösen Veranstaltungen als Eheverfehlung anzulasten; gleiches müsse wohl auch für einen Zeugen Jehovas gelten.
Weitere Eheverfehlungen konnten die Streitteile einander nicht nachweisen. So habe der Kläger weder eine krankhafte Eifersucht der Beklagten noch ehewidrige Beziehungen der Beklagten zu anderen Männern beweisen können. Daß die Beklagte "systematisch" seinen Kontakt zur Tochter unterbunden hat, liege darin, daß infolge der von der Tochter nicht verkrafteten Konfliktsituation der Eltern Erziehungsschwierigkeiten aufgetreten sind und die Beklagte sich daher richtigerweise an das Jugendamt gewendet hat. Die Vorschläge des Jugendamtes und des Schulpsychologen wurden vom Kläger angenommen. Darin könne somit keine Eheverfehlung der Beklagten gelegen sein. Eine als Eheverfehlung zu beurteilende Vernachlässigung der Erziehung der Tochter durch die Beklagte könne ebenfalls nicht angenommen werden. Die Verhaltensstörungen der Tochter seien nicht auf eine Vernachlässigung der Erziehung zurückzuführen, sondern auf die von der Tochter nicht verkraftete Trennung ihrer Eltern, wozu noch kommt, daß die Tochter von Anfang an von der Mutter durch die einseitig von ihr bestimmte religiöse Erziehung in eine gegenüber dem Kläger kritische Haltung geführt worden ist. Ebensowenig habe die Beklagte ehewidrige Beziehungen des Klägers zu anderen Frauen während des Bestandes der Ehegemeinschaft nachweisen können.
Die vorliegenden Eheverfehlungen, nämlich die Erziehung des Kindes durch die Beklagte in ihrem Glauben gegen den Willen des Klägers und die Intoleranz des Klägers gegenüber dem Glauben der Beklagten, seien annähernd als gleich schwer zu beurteilen. Sie seien auf eine gleichermaßen unduldsame Haltung beider Streitteile zurückzuführen. Ein Ausspruch, daß das Verschulden eines der Streitteile überwiege, habe daher zu entfallen. Selbst wenn dem Kläger das Eingehen einer Lebensgemeinschaft mit Elisabeth A*** als Eheverfehlung anzulasten wäre, käme es bei der Feststellung, wessen Verschulden überwiege, nicht entscheidend darauf an. Es stehe fest, daß der Kläger diese Lebensgemeinschaft erst nach Eintritt der unheilbaren Zerrüttung eingegangen sei. Keinesfalls sei diese Lebensgemeinschaft Ursache für den Eintritt der unheilbaren Ehezerrüttung gewesen.
Das von beiden Streitteilen angerufene Gericht zweiter Instanz bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung und führte zur Rechtsrüge der Streitteile aus:
Die Annahme, daß die Ehe im September 1983 zerrüttet war, nachdem sich der Kläger ein halbes Jahr zuvor aus dem ehelichen Haushalt zurückgezogen hatte sowie ein Versöhnungsversuch erfolglos und die "heilende Kraft der Zeit" unwirksam geblieben waren, werde durch den gemeinsamen Ausflug der Ehegatten nach Ungarn nicht erschüttert. Eine Ehe sei nämlich unheilbar zerrüttet, wenn die geistige, seelische und körperliche Gemeinschaft zwischen den Ehegatten objektiv und wenigstens bei einem Ehegatten auch subjektiv zu bestehen aufgehört hat, wobei es genüge, daß der klagende Ehegatte die eheliche Gesinnung verloren hat. Für die Zerrüttung reiche ein dauernder Bruch in der geistig-seelischen Beziehung aus, woran auch ein geschlechtlicher Verkehr der Ehegatten in der Zerrüttungsphase nichts ändere. Die Bereitwilligkeit des schuldigen Gatten zur Fortsetzung der Ehe sei für die Beurteilung der Zerrüttung unerheblich. Nach den getroffenen Feststellungen war schon vor dem Umzug des Klägers nach Rosegg im Oktober 1983 und vor der gemeinsamen Reise der Streitteile nach Ungarn im September dieses Jahres ein unheilbarer Zerrüttungszustand eingetreten, da jedenfalls der Kläger seine eheliche Gesinnung verloren hatte. Die Entwicklung der Ehe sei dahingehend zu beurteilen, daß sie im März 1983 zwar bereits zerrüttet war, eine unheilbare Zerrüttung jedoch erst im folgenden halben Jahr mit Sicherheit eingetreten ist.
Die Beklagte habe diese Zerrüttung schuldhaft (mit-)verursacht:
Ihr Verstoß gegen die Bestimmungen des § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung vom 15. Juli 1921, dRGBl. S 939 idF der EV dRGBl. 1939 I S 384 (für den Zeitraum ab 1978 idF des Bundesgesetzes vom 30. Juni 1977, BGBl. Nr. 403 Art. IV) dadurch, daß sie ohne die Zustimmung des anderen Elternteils über die religiöse Erziehung ihres Kindes verfügt hat, stehe außer Zweifel, zumal auch eine konkludente Zustimmung des Klägers zu einem Aufwachsen seiner Tochter in der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas nach den Feststellungen nicht anzunehmen sei. Das Gesetz habe zwar das Wohl des Kindes zum Ziel, ein Verstoß dagegen könne jedoch wie auch andere Verstöße gegen Normen mit dem Schutzzweck der Kinderinteressen (z.B. grobe Vernachlässigung von Pflege und Erziehung der Kinder) eine Eheverfehlung darstellen. Diese Eheverfehlung habe, da sie einen für das Familienleben immer prekärer werdenden Dauerzustand und damit eine Entfremdung zwischen Vater und Tochter schuf, zur Zerrüttung der Ehe der Streitteile beigetragen. Diese Wirkung sei infolge der besonderen Umstände eingetreten. Das Verhalten der Beklagten sei auch objektiv geeignet gewesen, einen bedeutenden Beitrag zur Zerrüttung der Ehe zu leisten. Es stelle somit eine schwere Eheverfehlung dar, auch wenn es nicht als ehrloses oder unsittliches Verhalten zu qualifizieren sei.
Was die von der Beklagten beanstandeten Kontakte des Klägers mit Elisabeth A*** angehe, so sei zu prüfen, wie weit dem Kläger die festgestellten Kontakte zu Elisabeth A*** noch vor der endgültigen Zerrüttung seiner Ehe sowie die im Oktober 1983 eingegangene Lebensgemeinschaft mit Elisabeth A*** als Eheverfehlungen anzulasten seien: Ein freundschaftlicher, harmloser Umgang mit einer Person des anderen Geschlechts stelle noch keine Verletzung der ehelichen Treuepflicht dar, diese Treuepflicht werde jedoch auch nicht erst durch ehewidrige geschlechtliche Beziehungen beeinträchtigt. Die in einer Ehe bereits eingetretene Zerrüttung könne durch weitere Eheverfehlungen noch vertieft werden, was bei der Verschuldensabwägung ebenfalls zu berücksichtigen sei. Es müsse daher auch in dem, wenn nicht intimen, so doch sehr persönlichen, gegen den Willen der Beklagten fortgesetzten Kontakt des Klägers zu Elisabeth A***, mit der er seine Probleme besprach und bei der er sogar in der Landwirtschaft aushalf, im Zusammenhang mit seiner gleichzeitigen Distanzierung von der Beklagten eine Verletzung seiner ehelichen Treuepflicht gesehen werden. Die dadurch vertiefte Entfremdung der Ehegatten sei auch geeignet gewesen, eine allenfalls noch mögliche Versöhnung immer schwieriger zu machen. Auch die erst für eine Zeit nach eingetretener Unheilbarkeit der Zerrüttung feststellbare Lebensgemeinschaft des Klägers mit Elisabeth A*** (zwischen der Zerrüttung der Ehe und der Scheidung) sei nicht bedeutungslos und bei der Verschuldensabwägung zu berücksichtigen, denn die Pflicht zur ehelichen Treue bestehe während der gesamten Dauer der Ehe und müsse daher auch noch während eines anhängigen Scheidungsverfahrens beachtet werden. Sie verlange die Unterlassung jeder Verletzung des durch die Eheschließung begründeten Vertrauensverhältnisses und nicht nur die Unterlassung ehewidriger geschlechtlicher Beziehungen. Daraus erhelle, daß im Verhältnis des Klägers zu Elisabeth A***, das die Zerrüttung der Ehe zwar nicht bewirkt, aber doch vertieft habe, eine Verschuldenskomponente (schwere Eheverfehlung) des Klägers zu erblicken sei. Der Kläger habe von der Beklagten nicht nur eine Änderung in der religiösen Erziehung seines Kindes verlangt, wozu er nach den obigen Ausführungen angesichts des § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung berechtigt gewesen sei, sondern auch eine Änderung ihrer eigenen religiösen Überzeugung und Praxis. Dieser Übergriff könne nicht als entschuldbare Reaktionshandlung angesehen werden, da das dazu Anlaß gebende Verhalten der Beklagten schon seit ihrer Taufe bei den Zeugen Jehovas im Jahre 1969, somit jahrelang fortgesetzt worden sei. Die Annahme, daß der Kläger sich nur in einer verständlichen Gemütsbewegung zu seinem die Beklagte unter setzenden Verhalten habe hinreißen lassen, finde in den Feststellungen keine Deckung. Das Erstgericht habe somit richtig erkannt, daß die letztlich intolerante Haltung des Klägers sowohl nach ihrem konkreten Beitrag zur Zerrüttung der Ehe als auch nach ihrer abstrakten Eignung hiezu eine schwere Eheverfehlung darstelle. Der kausale Zusammenhang mit der durch das unnachgiebige Verhalten der Beklagten geschaffenen konfliktträchtigen Familiensituation sei bei der Gewichtung dieser Eheverfehlung zu berücksichtigen, wenngleich dieser ursächliche Zusammenhang dem Kläger keinen Freibrief für eigenes ehewidriges Verhalten ausgestellt habe. Die vom Kläger noch "der Vollständigkeit halber" erwähnten kleinen Angriffe der Beklagten auf ihn aus nichtigem Anlaß und ihre früheren Verletzungen des Briefgeheimnisses lägen weit zurück und im Rahmen eines eifersüchtigen Verhaltens der Beklagten, das schon vom Erstgericht - unbekämpft - nicht als zerrüttungsverursachend gewertet worden sei.
Stelle man die aufgezeigten Verschuldenskomponenten der Streitteile gewichtend einander gegenüber, nämlich auf der Seite der Beklagten die religiöse Erziehung des Kindes gegen den Willen des Klägers und auf der Seite des Klägers dessen von der Beklagten veranlaßte religiös intolerante und Druck ausübende Haltung sowie seine mit der ehelichen Treuepflicht nicht zu vereinbarenden zerrüttungsvertiefenden Kontakte zu Elisabeth A***, so sei im Ergebnis der Auffassung des Erstgerichtes, daß auf keiner Seite ein überwiegendes Verschulden vorliege, beizupflichten. Für ein überwiegendes Verschulden müßte die Schuld des einen Ehegatten erheblich schwerer sein und das Verschulden des anderen fast völlig in den Hintergrund treten, der Unterschied offenkundig, augenscheinlich und deutlich hervortreten. Das sei hier nicht der Fall. Es dürfe auch nicht außer acht gelassen werden, daß ein überwiegendes Verschulden hinsichtlich der Unterhaltsfolgen einem Alleinverschulden gleichstünde.
Es bleibe daher nicht nur der Ausspruch der Ehescheidung, sondern auch der Verschuldensausspruch unverändert. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richten sich die auf den Revisionsgrund des § 530 Abs. 1 Z 4 ZPO gestützten Revisionen beider Streitteile. Die Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil im Sinne der Klagsabweisung, in eventu im Sinne der Feststellung der überwiegenden Mitschuld des Klägers abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag. Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die überwiegende Mitschuld der Beklagten an der Ehezerrüttung festgestellt werde.
Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Beide Revisionen sind nicht berechtigt.
Die Beklagte vertritt zusammengefaßt den Standpunkt, daß ihr die religiöse Erziehung der Tochter der Streitteile im Sinne der Zeugen Jehovas ohne vorangegangene Herbeiführung einer Entscheidung des Pflegschaftsrichters nicht als schwere Eheverfehlung angelastet werden könne, deren Geltendmachung im übrigen gemäß § 57 Abs. 1 EheG - ihr Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe sei im Oktober 1983 abgeschlossen gewesen, die Scheidungsklage aber erst im November 1984 erhoben worden - verfristet wäre. Die Eheverfehlungen des Klägers (Verletzung der ehelichen Treue; Einwirkung auf die Beklagte, ihre religiöse Überzeugung zu ändern) wögen zumindest erheblich schwerer.
Der Kläger ist der Auffassung, daß der der Beklagten vorzuwerfenden Eheverfehlung (Wechsel der Glaubensgemeinschaft und Erziehung der Tochter der Streitteile im Sinne der Zeugen Jehovas gegen den Willen des Klägers und ohne Rücksicht auf die daraus für das Ehe- und Familienleben entstehenden Nachteile) erheblich größeres Gewicht zukomme als seinem nicht immer duldsamen und toleranten Verhalten; die Aufnahme von Kontakten zu Elisabeth A*** erst Monate nach Eintritt der Ehezerrüttung sei ihm überhaupt nicht als schwere Eheverfehlung anzulasten.
Dazu ist wie folgt Stellung zu nehmen:
Zunächst ist der übereinstimmenden Rechtsansicht der Vorinstanzen beizupflichten, daß der Beklagten die gegen den Willen des Klägers ohne vorangegangene Herbeiführung einer Entscheidung des Pflegschaftsrichters erfolgte religiöse Erziehung der Tochter der Streitteile im Glauben der Zeugen Jehovas als schwere Eheverfehlung anzulasten ist (zur Wertung von Fehlern in der Kindererziehung als Verstoß gegen die Pflichten innerhalb der Ehe siehe Schwind in Klang2 I/1, 777 f unter III 3 A f; EFSlg. 29.513, 46.171 ua), die im Hinblick auf die Aufhebung der häuslichen Gemeinschaft am 15. September 1983 und das Unterbleiben einer Aufforderung im Sinne des § 57 Abs. 1 Satz 4 EheG nicht gemäß § 57 Abs. 1 EheG verfristet ist und die unheilbare Ehezerrüttung mitverursacht hat. Nach dem von den Vorinstanzen erhobenen Sachverhaltsbild kann keine Rede davon sein, daß der Kläger der Erziehung der Tochter der Streitteile im Glauben der Zeugen Jehovas stillschweigend zugestimmt hätte bzw. die Beklagte aus seinem Verhalten auf eine solche Zustimmung schließen durfte. Da es die Beklagte war, die ohne Zustimmung des Klägers bestimmen wollte, daß die Tochter der Streitteile in einem anderen als dem zur Zeit der Eheschließung gemeinsamen Bekenntnis der Eltern erzogen werden solle, wäre es ihre Sache gewesen, die Entscheidung des Pflegschaftsrichters zu beantragen. Vor einer solchen Entscheidung in ihrem Sinne hätte sie die Tochter nicht im Glauben der Zeugen Jehovas erziehen dürfen. Davon, daß einem derartigen Antrag der Beklagten ohnehin stattgegeben worden wäre, kann entgegen der Meinung der Beklagten mit Rücksicht auf die mögliche Beeinträchtigung des Kindeswohles (vgl. dazu RZ 1987/40 und die auf diese Entscheidung gestützten Ausführungen des Erstgerichtes) nicht ohne weiteres ausgegangen werden, zumal es festgestelltermaßen wegen der religiösen Erziehung der Tochter der Streitteile durch die Beklagte bereits zu Störungen in den Beziehungen zwischen dem Kläger und der Tochter gekommen ist.
Der Oberste Gerichtshof tritt auch der ausführlich dargelegten, in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung befindlichen Auffassung des Berufungsgerichtes bei, daß die Kontakte des Klägers mit Elisabeth A*** als schwere Eheverfehlung zu beurteilen sind, die die Ehezerrüttung vertieft haben (EFSlg. 41.197, 48.742 ua). Zutreffend ist schließlich die im Ergebnis übereinstimmende, der Judikatur entsprechende Wertung des beiderseitigen Verschuldens der Streitteile durch die Vorinstanzen, wonach das Verschulden des einen Ehegatten nicht erheblich schwerer wiegt als das des anderen. Bei der Gewichtung der Eheverfehlung der Beklagten ist zu beachten, daß die Tochter der Streitteile durch die einseitig von der Beklagten bestimmte religiöse Erziehung zu einer kritischen Haltung gegenüber dem Kläger geführt wurde, der sich in der Familie als Außenseiter empfand. Bei der Wertung der Eheverfehlungen des Klägers ist der auch für den Ehebruch geltende Grundsatz zu berücksichtigen, daß nach der unheilbaren Zerrüttung der Ehe begangene Eheverfehlungen bei der Beurteilung der Frage, welchen der beiden Ehegatten das überwiegende Verschulden trifft, keine entscheidende Rolle spielen (EFSlg. 46.237, 48.829; 6 Ob 570, 571/87, 8 Ob 635/87 ua). Es war daher beiden Revisionen ein Erfolg zu versagen. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 40, 41 und 50 ZPO.
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