OGH 15Os42/88

OGH15Os42/8815.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.März 1988 durch den Senatspräsidenten des Oberster Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Hon.Prof. Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Takacs als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerahrd S*** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 sowie 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde (und die Berufung) des Angeklagten (sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft) gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 20.Oktober 1987, GZ 7 a Vr 6802/87-47, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Gemäß § 285 i StPO ist zur Entscheidung über die Berufungen das Oberlandesgericht Wien zuständig.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch seine Nichtigkeitsbeschwerde verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurde Gerhard S*** der Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 sowie 15 StGB und des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betrugs, teils als Beteiligter nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 , Abs 3, 148 zweiter Fall sowie 12 (zu ergänzen: dritter Fall) und 15 StGB sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB und der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Nach den Feststellungen des erstgerichtlichen Urteils hatte der Angeklagte in der Zeit zwischen dem 24.April 1987 und 23.Juni 1987 fünf Personenkraftwagen aufgebrochen und war in einen weiteren unversperrten Personenkraftwagen eingedrungen, hatte die Autos durchsucht, aus einem Münzen im Wert von etwa 260 S gestohlen, mit einer bei den Tathandlungen entfremdeten Bankomatkarte 5.500 S erbeutet, weiters Scheckformulare an sich genommen, ausgefüllt und teils selbst eingelöst, wobei er 121.235 S erzielte, teils an unbekannt Gebliebene zur Einlösung weitergegeben, die damit 57.660 S erbeuteten, mit einer entfremdeten Kreditkarte zur Herausgabe von Spielmarken im Wert von insgesamt 10.000 S zu verleiten versucht, eine Reihe von Urkunden, die er anläßlich des Eindringens in die Personenkraftwagen an sich genommen hatte, weitergegeben, weggeworfen oder zerrissen und auch eine Reihe von ohne Zueignungsvorsatz aus den Fahrzeugen an sich genommene Gegenstände weggeworfen.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen das Urteil aus der Z 3, 4, 5, 9 lit. b und 10 des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.

Eine unter Nichtigkeitssanktion stehende Formverletzung (Z 3) wird mit der Beschwerdebehauptung, nur dem Verteidiger, nicht aber dem Angeklagten sei Akteneinsicht möglich gewesen, gar nicht dargetan. Denn darunter steht im hier gegebenen Zusammenhang nur die Nichteinhaltung der im § 221 Abs 1 StPO genannten Frist. Daß diese Frist nach der am 24.August 1987 verfügten Anberaumung der Hauptverhandlung für den 20.Oktober 1987 (ON 18) nicht gewahrt worden wäre, kann vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet werden, der, wie die Aktenlage zeigt, bereits am 21.September und am 30. September 1987 (erfolglos) eine "Vertagung" der anberaumten Hauptverhandlung zu erreichen trachtete (S 463, 499/I). Ein Antrag auf Vertagung der Hauptverhandlung wegen der (behaupteten) Unmöglichkeit einer faktischen Vorbereitung der Verteidigung, dessen ungerechtfertigte Ablehnung unter dem Gesichtspunkt des § 281 Abs 1 Z 4 StPO zu prüfen gewesen wäre, wurde hingegen in der Hauptverhandlung nicht gestellt. Auch die Verfahrensrüge (Z 4) versagt.

Der Antrag auf Einholung eines graphologischen Gutachtens wurde erklärtermaßen in erster Linie zum Beweis eines behaupteten Milderungsgrundes gestellt (S 76/II), betraf somit insoweit einen Umstand, der weder für die rechtliche Beurteilung noch für den anzuwendenden Strafsatz relevant sein kann.

Soweit aber aus der (unpräzisen) Formulierung des Antrages geschlossen werden könnte, er sei (auch) zum Beweis dafür gestellt worden, daß der Beschwerdeführer von dritten Personen genötigt worden sei und ihm (daher) "einzelne Taten gar nicht vorgeworfen werden" könnten, ist den Erwägungen des Schöffengerichtes beizupflichten, daß ein graphologisches Gutachten hiezu unter keinen Umständen Aufklärung bringen könnte (US 16 f); ein allfälliges Ergebnis eines Gutachtens dahin, daß die Schecks zum Teil von anderen Personen ausgefüllt worden seien, könnte aber wieder - bei der vom Schöffengericht vorgenommenen Ablehnung der Verantwortung des Angeklagten über eine Nötigung - zu keinem für den Beschwerdeführer günstigeren Ergebnis führen, denn auch unter diesen Voraussetzungen hätte er die Schecks den Mittätern zur Verübung von Betrügereien übergeben und somit gleichfalls einen Tatbeitrag hiezu geleistet.

Zum Beweis für den nun in der Beschwerde auch relevierten Umstand, nämlich daß sich der Angeklagte nicht durch die Einlösung aller Schecks selbst bereichert habe, wurde der Antrag im Verfahren erster Instanz nicht gestellt; insoweit mangelt es dem Beschwerdeführer daher an einer Rechtsmittellegitimation. Zwar wurde in der Hauptverhandlung durch Bezugnahme auf einen Vertagungsantrag (S 23/II iVm S 1/II) auch der darin enthaltene Antrag auf Einholung der Gutachten zweier Sachverständiger zur Feststellung einer behaupteten Verhandlungsunfähigkeit gestellt, es wurde aber nicht dargetan, weshalb das ohnedies eingeholte Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen (S 9 ff/II) mit einem der in § 126 Abs 1 StPO bezeichneten Mängel behaftet sein soll, die die Vernehmung eines weiteren Sachverständigen hätten geboten erscheinen lassen. Das Schöffengericht konnte daher den Vertagungsantrag ohne Verletzung von Verteidigungsrechten unter Hinweis auf das Ergebnis des eingeholten Gutachtens abweisen (S 23/II), ohne noch auf den nicht begründeten Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen eingehen zu müssen.

Auch die Mängelrüge (Z 5) ist nicht berechtigt.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen zog das Schöffengericht auch die Behauptung des Angeklagten, er sei durch Schläge, die Verletzungen herbeigerufen hätten, zur Herausgabe von Schecks genötigt worden, sehr wohl in den Kreis seiner beweiswürdigenden Erwägungen und lehnte (auch) diese Behauptung unter (sinngemäßem) Hinweis auf Aussagen von in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen als unglaubwürdig ab (US 20 iVm S 65 und 68/II). Von einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung kann demnach keine Rede sein. Das Schöffengericht stellte auch den Beschwerdeausführungen zuwider fest, "in welcher Form" der Angeklagte aus den erbeuteten Schecks Nutzen zog, nämlich durch Einlösung in Form von Bargeld (US 11, 13).

Die Ausführungen im angefochtenen Urteil, daß nicht feststellbar sei, ob der Beschwerdeführer an der Beute aus den an Unbekannte weitergegebenen Schecks partizipiert habe (US 15), steht im übrigen keineswegs - wie er zu vermeinen scheint - in Widerspruch zu der Urteilskonstatierung, daß er (jedenfalls aus den von ihm selbst) eingelösten Schecks bis zuletzt Nutzen zog.

Dem Beschwerdevorbringen zum Urteilsfaktum B I 2 c ist durch den Beschluß auf Urteilsangleichung (S 152/II - Tatzeit richtig: Ende Juni 1987) der Boden entzogen.

Mit der Behauptung, es widerspreche jeglicher Lebenserfahrung, daß ein Mensch freiwillig die Beute oder einen Teil davon an Dritte herausgebe, gerät der Beschwerdeführer in das ihm verwehrte Gebiet der Bekämpfung der schöffengerichtlichen Beweiswürdigung, zumal eine derartige Handlungsweise je nach den persönlichen Beziehungen der Beteiligten keineswegs als lebensfremd angesehen werden kann. In einer derartigen Annahme des Schöffengerichtes liegt demnach weder ein Begründungsmangel noch ein innerer Widerspruch. Auch die zur Annahme der Gewerbsmäßigkeit behauptete Widersprüchlichkeit liegt nicht vor. Denn die Konstatierung der Weitergabe eines Teils der erbeuteten Scheckformulare an Dritte steht keineswegs in einem logischen Gegensatz zur Feststellung, daß der Beschwerdeführer jedenfalls aus den von ihm selbst eingelösten Schecks Nutzen zog und dabei von der Absicht getragen war, sich durch wiederkehrende Begehung derartiger Betrügereien für längere Zeit - allenfalls zusätzliche - Einnahmen zu verschaffen; dies ungeachtet der Frage, ob er überdies auch am Erlös der weitergegebenen Scheckformulare partizipierte.

Eine "Unverständlichkeit" (offenbar gemeint: Unvollständigkeit) des Urteils "in bezug auf eine Beurteilung der Zeiträume" moniert der Beschwerdeführer mit der Forderung, das Erstgericht hätte vollständigkeitshalber feststellen müssen, die Weitergabe von Schecks fiele ausschließlich in den Zeitraum Juni 1987. Davon ging aber das Erstgericht schon nach dem Inhalt des Urteilstenors (US 5) ohnedies aus. Die in diesem Zusammenhang aufgestellte Beschwerdebehauptung, die vom Angeklagten selbst eingelösten Schecks fielen in "den Zeitraum Ende April bis Mitte Mai", widerspricht den Urteilsfeststellungen der Tatzeiten zu den Fakten B I 1 b, c, d und e, ohne daß insoweit ein Begründungsmangel auch nur behauptet wird. Auf die aus dieser fehlerhaften Prämisse gezogene Schlußfolgerung, die zudem wieder nur auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung hinausläuft, ist demnach nicht einzugehen. Die Behauptung, der Vorstrafakt AZ 7 a Vr 3486/83 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien sei in der Hauptverhandlung nicht verlesen worden, widerspricht dem (ungerügt gebliebenen) Protokoll über den Gang der Hauptverhandlung, wonach die Vorstrafakten verlesen wurden (S 77/II). Überdies sind namentlich aus dem zitierten Vorstrafakt Vorhaltungen gemacht worden (S 38/II). Das Schöffengericht war daher berechtigt, sich auf den Inhalt dieses Aktes zu stützen (§ 258 Abs 1 StPO). Die Mängelrüge versagt somit auch insoweit.

Der Behandlung der Rechtsrügen (Z 9 lit. b und 10) ist voranzustellen, daß die Ausführung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe vom festgestellten Urteilssachverhalt auszugehen hat und diesen mit dem darauf angewendeten Gesetz zu vergleichen hat; demgemäß liegt keine prozeßordnungsgemäße Darstellung solcher Beschwerdegründe vor, wenn eine im Urteil konstatierte Tatsache bestritten oder übergangen oder aber ein nicht festgestellter Umstand als gegeben angenommen wird; derartige Ausführungen können daher einer materiellrechtlichen Überprüfung der angefochtenen Entscheidung nicht zugrundegelegt werden.

Dementsprechend ist vorliegend die Rechtsrüge nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt, soweit der Beschwerdeführer von der Annahme einer Nötigung zu den Betrügereien ausgeht und in diesem Zusammenhang fordert, es seien Feststellungen "im Sinne seiner Verantwortung" zu treffen gewesen, denn gerade derartige Feststellungen wurden vom Schöffengericht mit formal einwandfreier Begründung abgelehnt.

Desgleichen steht die Beschwerdebehauptung, der Angeklagte habe sich ab jenem Zeitpunkt, ab dem er die Möglichkeit gehabt habe, einer geregelten Arbeit nachzugehen (das ist spätestens Anfang Juni 1987 - s. S 27/I), nicht mehr bereichert, im Widerspruch zu den Urteilsfeststellungen, wonach er auch aus der selbst vorgenommenen Einlösung von Schecks in den Urteilsfakten B I 1 c, d und e (1. bis 12. Juni, 23.Juni 1987) Nutzen zog. Die Rechtsrüge zur Gewerbsmäßigkeit, die feststellungswidrig allein auf einen Tatzeitraum Ende April bis Mitte Mai 1987 abstellt, ist somit nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Soweit im Rahmen der Rechtsrüge (pauschal) "zu den vorher genannten Nichtigkeitsgründen" und "zu Punkt 3 a und 3 b der Nichtigkeitsbeschwerde" verwiesen wird, erübrigt sich mangels Substantiierung, welcher materiellrechtlicher Nichtigkeitsgrund damit geltend gemacht werden soll, eine Erwiderung, zumal den Ausführungen zu den prozessualen Nichtigkeitsgründen auch inhaltlich eine Rechtsrüge nicht zu entnehmen ist.

Dem Vorbringen schließlich, es sei nicht nachgewiesen, daß der Beschwerdeführer sich aus der Weitergabe der Schecks an dritte Personen bereichert habe, worüber "keine konkreten Feststellungen" getroffen worden seien, ist zu erwidern, daß das Schöffengericht ausdrücklich von der Unmöglichkeit einer derartigen Feststellung (die ihn überdies nur zusätzlich belastet hätte) ausging (US 15) und demnach die Annahme der Gewerbsmäßigkeit allein aus dem Umstand ableitete, daß er (selbst) bis zuletzt aus der (von ihm vorgenommenen) Einlösung erbeuteter Schecks Nutzen gezogen hat (US 20). Dem Angeklagten mangelt es daher in bezug auf diese ohnedies zu seinen Gunsten getroffene (negative) Feststellung an einer Beschwerdelegitimation.

Aus den angeführten Gründen war daher die Nichtigkeitsbeschwerde sofort bei der nichtöffentlichen Beratung teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO). Auf eine vom Angeklagten selbst verfaßte "Beigabe zur Nichtigkeits- und Berufungsbeschwerde" (ON 67) war nicht einzugehen, weil im Gesetz nur eine Rechtsmittelausführung vorgesehen ist, die keiner Ergänzung zugänglich ist (Mayerhofer/Rieder, StPO2, E 36, 37, 39 a, 40, 41 zu § 285 StPO).

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