Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat der Beklagten die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die klagende Partei hat mit Mietvertrag vom 22. Jänner 1986 eine Grundfläche gemietet, auf dieser sodann ein Geschäftsgebäude errichtet und mit Untermietvertrag vom 4. März 1986 eine Verkaufsfläche von ca. 9 m2 an die Ehegatten Siegfried und Hermine B*** weitervermietet.
Mit der vorliegenden Klage wurde gegenüber den Untermietern die Feststellung der Wirksamkeit des Untermietvertrages und weiters der Urteilsspruch begehrt, die Untermieter seien schuldig, der klagenden Partei an fälligem Bestandzins den Betrag von S 8.400,-- s.A. zu bezahlen.
Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung. Sie brachten vor, Grundlage des Untermietvertrages und Vertragsvoraussetzung sei der Verkauf von Rauch- und Tabakwaren im Untermietlokal gewesen. Da die Monopolverwaltungsstelle die hiezu erforderliche Genehmigung nicht erteilt habe, sei diese Voraussetzung weggefallen. Die gegen den Erstbeklagten Siegfried B*** gerichtete Klage wurde unter Anspruchsverzicht zurückgezogen, jener gegen die Zweitbeklagte gab das Erstgericht statt.
Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschied, den Betrag von S 15.000,--, nicht aber von S 300.000,-- übersteige und daß die Revision zulässig sei.
Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt die klagende Partei eine auf § 503 Abs 1 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht gerechtfertigt.
Der vom Erstgericht festgestellte Sachverhalt wurde vom Berufungsgericht im wesentlichen dahin zusammengefaßt: Siegfried B*** - der ursprüngliche Erstbeklagte - trebte eine Verlegung seiner Trafik an einen anderen Standort oder zumindest die Errichtung einer zeitbefristeten Substitutstrafik an anderer Stelle an. Er erfuhr, daß die klagende Partei in Pregarten eine Filiale errichten werde, setzte sich mit ihr in Verbindung und es wurde ihm mitgeteilt, daß die klagende Partei Interesse an einem Zigarettenverkauf in ihrer neuen Filiale habe, weil eine Tabak-Trafik eine zusätzliche Frequenz schaffe und dies der klagenden Partei zugute käme. Am 10. Februar 1986 fanden in Anwesenheit auch des Baumeisters sowie des zuständigen Sachbearbeiters der klagenden Partei, Mag. O***, konkrete Vertragsverhandlungen über die Vermietung und Gestaltung einer Geschäftsfläche statt. Das danach gestellte telefonische Ansuchen des Siegfried B*** vom 17. Februar 1986 um Verlegung seiner Trafik oder um Errichtung einer zeitbefristeten Substitutstrafik lehnte Dr. H***, der zuständige Referent der A*** T***onopolverwaltungsstelle für Oberösterreich, ab, unterbreitete ihm aber den Vorschlag, zwei dislozierte Tabakwarenautomaten aufzustellen, soferne Kammerrat B***, der Gremialvorsteher für Tabakwaren bei der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich, damit einverstanden sei. Über telefonische Anfrage versprach Kammerrat B*** dem Siegfried B*** sodann, er könne die Automaten bekommen und solle umgehend ein entsprechendes Ansuchen an die Monopolverwaltungsstelle für Oberösterreich richten. Siegfried B*** verständigte hierauf Mag. O***, daß es mit den Genehmigungen in Ordnung gehe, worauf es am 20. Februar 1986 zu weiteren Vertragsbesprechungen kam. Über Befragen durch Siegfried B***, ob die klagende Partei mit der Errichtung von dislozierten Tabakwarenautomaten einverstanden wäre, zumal eine Verlegung der Trafik bzw. die Errichtung einer Substitutstrafik nicht genehmigt worden sei, erklärte Mag. O***, die klagende Partei sei mit dieser Lösung einverstanden. Hierauf wurde das Original des Untermietvertragsentwurfes von Mag. O*** derart abgeändert, daß statt der Bezeichnung "Tabak-Trafik" die Bezeichnung "Lottokollektur" eingesetzt und auch die nunmehrige Beklagte als Vertragspartei eingefügt wurde. Die Beklagte und Siegfried B*** - dieser ist blind - unterfertigten sodann am 4. März 1986 den einen Kündigungsverzicht ihrerseits bis zum 31. Dezember 1996 enthaltenden Vertrag. Dieser enthält die Bestimmung, daß die Bestandnehmer die für ihren Betriebszweck erforderlichen Genehmigungen einholen werden. Tatsächlich hat jedoch auch die klagende Partei durch Interventionen auf die Erteilung der für den Tabakwarenverkauf benötigten Genehmigung durch die Monopolverwaltung hingewirkt. Da Dr. H*** in der Folge mitteilte, daß auch für dislozierte Tabakwarenautomaten der Lokalnachweis erbracht werden müsse, sandte die klagende Partei über Ersuchen des Siegfried B*** an die Monopolverwaltungsstelle ein diesbezügliches Schreiben. Bis Ende April 1986 langte die schriftliche Genehmigung zur Aufstellung der dislozierten Tabakwarenautomaten dennoch nicht ein, worauf Siegfried B*** den Dr. H*** aufsuchte. Bei diesem Gespräch erklärte Dr. H***, er habe von der Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Oberösterreich weder eine positive noch eine negative Stellungnahme erhalten und müsse deren Erklärung abwarten. Am 8. Mai 1986 wurde das Bestandobjekt an die Bestandnehmer übergeben. Einen Tag vor Eröffnung der Sparfiliale teilte Dr. H*** dem Siegfried B*** mit, daß er die dislozierten Tabakwarenautomaten nicht genehmigen könne. Die diesbezügliche negative schriftliche Entscheidung erging am 16. Mai 1986. Siegfried B*** erklärte hierauf dem Mag. O***, daß das Geschäft ohne Tabakwarenverkauf nicht gehalten werden könne, worauf letzterer ersuchte, die "Verkaufsfläche" weiter zu betreiben. Mit eingeschriebenem Brief vom 26. Mai 1986 erklärten Siegfried B*** und die Beklagte die sofortige Auflösung des Untermietvertrages. Der Umsatz aus Zeitschriftenverkauf beträgt ebenso wie der aus dem Lotto- und Totogeschäft nur ca. 10 % von jenem des Tabak- und Rauchwarenumsatzes.
In seiner rechtlichen Beurteilung vertrat das Erstgericht die Ansicht, beim Abschluß eines Untermietvertrages über eine Geschäftsfläche sei die Genehmigung zum Verkauf von Tabak- und Rauchwaren auf der angemieteten Geschäftsfläche keinesfalls als typische Vertragsvoraussetzung anzusehen, diese Genehmigung stelle vielmehr eine individuelle Voraussetzung auf seiten des Untermieters dar. Selbst wenn es sich aber um eine Vertragsvoraussetzung gehandelt hätte, könne sich die beklagte Partei hier nicht auf deren Wegfall berufen, weil sie sich auf die eigene Sphäre bezogen habe. Unter Punkt 14.6. des Untermietvertrages sei vereinbart worden, daß die für den Betriebszweck erforderlichen Genehmigungen von der beklagten Partei selbst einzuholen seien, woraus folge, daß die beklagte Partei das Risiko der Nichterteilung zu vertreten habe. Auch ein Grund zur sofortigen Auflösung des Dauerschuldverhältnisses liege nicht vor, weil nur solche Umstände zu einer sofortigen Auflösung berechtigten, die der Partei die Fortsetzung des Dauerschuldverhältnisses nicht mehr zumutbar erscheinen ließen. Da aber zum Zeitpunkt des Abschlusses des Untermietvertrages "die Möglichkeit bestanden habe, daß eine schriftliche Genehmigung zur Aufstellung von dislozierten Tabakwarenautomaten nicht erteilt werde und die beklagte Partei damit rechnen habe müssen, liege auch dieser Auflösungsgrund nicht vor".
Das Berufungsgericht hielt die von der Beklagten teilweise bekämpften erstgerichtlichen Sachverhaltsfeststellungen für unbedenklich, ihre Rechtsrüge dagegen für gerechtfertigt. Es sei von vornherein und bis zur Vertragserrichtung das gemeinsame Interesse des Siegfried B***, der Beklagten und auch der klagenden Partei gewesen, eine Tabakwarenverschleißmöglichkeit zu schaffen. Die klagende Partei habe sich daraus eine Kundenfrequenz- und Umsatzsteigerung für ihren neuen Geschäftskomplex erwartet und sei durch Interventionen bei der Erlangung dieser Monopolberechtigung behilflich geworden. Schließlich habe sich durch alle Verkaufsgespräche der eindeutige Geschäftswille der Ehegatten B*** gezogen, eine legale Rauchwarenverkaufsstelle einzurichten. Da beide damit befaßten kompetenten Entscheidungsträger, nämlich das jeweils zuständige Organ der Monopolverwaltung und der Handelskammer, ohne weitere Einschränkung die Genehmigung der Verkaufsautomaten zugesagt gehabt hätten, seien beide Vertragsteile beim daraufhin und deswegen erfolgten schriftlichen Vertragsabschluß von der Einhaltung dieser Versprechungen ausgegangen. Somit sei der genehmigte Tabakwarenverschleiß nicht bloß unbeachtlicher Beweggrund der Beklagten, sondern der klagenden Partei hinreichend deutlich (= ausdrücklich gemäß § 901 ABGB) erklärter Geschäftszweck des Bestandverhältnisses gewesen, wenngleich der schriftliche Bestandvertrag darüber nicht ausdrücklich Auskunft gebe. Sein Passus, die Einholung der Genehmigung bleibe dem Bestandnehmer überlassen, stehe dieser Annahme nicht im Wege, sondern drücke nur Selbstverständliches aus, zumal die klagende Partei die Genehmigung der Monopolverwaltung nicht beschaffen oder erlangen hätte können. Die für beide Teile unerwartet und überraschend hervorgekommene Unzulässigkeit dieser primär beabsichtigten Geschäftsbestätigung sei daher nach der Regelung des § 901 ABGB zu lösen. Die Zweckverfehlung durch Nichterteilung der zugesagten Konzession sei weder vorhersehbar gewesen noch ausschließlich der Sphäre der Beklagten und ihres Gatten zuzuordnen, da sich auch die klagende Partei um die Genehmigung bemüht habe und ihr wirtschaftliches Interesse dadurch berührt worden sei. Unter diesen Umständen müsse die Nichterteilung der benötigten Genehmigung als Fehlen und nicht als Wegfall der typischen Vertragsgrundlage gesehen werden. Somit habe hier die Problemlösung durch ergänzende Vertragsauslegung zu erfolgen. An den Fall, daß die behördliche Genehmigung entgegen den Zusagen nicht erteilt werden könnte und was dann zu geschehen habe, sei gar nicht gedacht und dafür also auch nicht vorgesorgt worden. Es könne dem damaligen Vertragswillen beider Streitteile unterstellt werden, daß für einen solchen Fall auch dem Bestandnehmer ein sofortiges Rücktrittsrecht zugestanden worden wäre, soferne nicht wegen dieser Unsicherheit der Vertragsabschluß überhaupt unterblieben wäre. Die durch das Schreiben ihres Anwalts vom 26. Mai 1986 von der Beklagten erklärte Auflösung des Vertragsverhältnisses sei daher gerechtfertigt. Das Klagebegehren bestehe demnach nicht zu Recht. In ihrer Revision bringt die klagende Partei vor, im Sinne der Lehre und Rechtsprechung könne eine individuelle Voraussetzung außerhalb der Fälle, in denen der Motivirrtum zur Anfechtung berechtige, rechtliche Bedeutung nur dadurch erlangen, daß die Parteien durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung die Wirkungen des Geschäftes vom Vorhandensein der vorausgesetzten Sachlage abhängig, also ihr Vorhandensein zur Bedingung gemacht hätten. Auch aus der berufungsgerichtlichen Ausführung, die Beklagte und ihr Gatte hätten der klagenden Partei gegenüber klar zu verstehen gegeben, daß für sie der Tabakwarenverschleiß der im Vordergrund stehende Geschäftszweck sei, ergebe sich, daß dieser Tabakwarenverschleiß eben individueller Geschäftszweck der "beklagten Parteien" gewesen sei. Insgesamt hätten jedenfalls typische Vertragsgrundlagen im gegenständlichen Falle nicht gefehlt, die klagende Partei habe der Beklagten keine Tabak-Trafik, sondern eine Geschäftsfläche vermietet.
Den Revisionsausführungen kann im Ergebnis nicht gefolgt werden. Im Sinne der ständigen Rechtsprechung muß bei der rechtlichen Beurteilung der als Beweggrund in Betracht kommenden Voraussetzungen = Geschäftsgrundlage zwischen individuellen und typischen Voraussetzungen unterschieden werden. Es kommt dabei darauf an, ob die Sachlage nicht vorhanden ist oder wegfällt, die gerade diese Parteien bei Abschluß des Geschäftes vorausgesetzt haben, oder die überhaupt und allgemein beim Abschluß von Geschäften bestimmten Inhaltes vorausgesetzt wird. Der Fortfall der individuellen Voraussetzungen als Geschäftsgrundlage ist durch die Bestimmung des § 901 ABGB geregelt. Eine solche Voraussetzung ist nur dann von Bedeutung, wenn die Parteien durch ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarung die Wirkungen des Geschäftes von dem Vorhandensein der vorausgesetzten Sachlage abhängig gemacht haben. Hingegen besteht hinsichtlich der typischen Voraussetzungen eines bestimmten Rechtsgeschäftes als Geschäftsgrundlage, die durch die Rechtssätze des § 901 ABGB nicht geregelt sind, eine Gesetzeslücke, die mit Hilfe einer Rechtsanalogie zu füllen ist. Die aus dem ABGB zu entnehmenden einzelnen Anhaltspunkte für die Berücksichtigung der Geschäftsgrundlage (vgl. §§ 936, 1052 letzter Satz, 1170 a, 947 f ABGB) rechtfertigen die Ableitung eines allgemeinen Rechtssatzes in der Richtung, daß eine Partei an das Geschäft nicht gebunden ist oder dessen Anpassung begehren kann, wenn eine Voraussetzung nicht zutrifft, die stets einem Geschäft von der Art des geschlossenen zugrundegelegt wird (NZ 1979, 172; 6 Ob 705/83, 5 Ob 537/86, 7 Ob 656/86 u.a.).
Vorliegendenfalls ist davon auszugehen, daß der Trafikant Siegfried B*** bei der klagenden Partei ausdrücklich wegen einer in deren neuen Filiale zu führenden Trafik vorstellig wurde und die klagende Partei am Tabakwarenverkauf in dieser neuen Filiale deswegen ihr Interesse bekundete, weil sie sich hiedurch eine zusätzliche Kundenfrequenz erwartete. Als Siegfried B*** lediglich für Tabakwarenautomaten die mündliche Bewilligung der zuständigen Stellen erhielt, teilte er dies dem Sachbearbeiter der klagenden Partei mit und dieser erklärte sich mit dem Tabakwarenverkauf auch in dieser Form einverstanden. Auf dieser Grundlage kam es sodann zum Abschluß des schriftlichen Untermietvertrages. Unter diesen Umständen kann es aber nicht zweifelhaft sein, daß für beide Vertragsteile der von ihnen jeweils, wenngleich aus verschiedenen wirtschaftlichen Motiven, angestrebte Verkauf von Tabakwaren den durch den Inhalt der Vertragsverhandlungen klar zutage getretenen übereinstimmenden Geschäftszweck bildete und sie die Wirkungen des Geschäftes stillschweigend vom Vorhandensein der solcherart vorausgesetzten Sachlage abhängig machten. Hiezu gehört notwendig auch die der bereits erteilten mündlichen Zusage entsprechende endgültige Bewilligung des Tabakwarenverkaufes auf der untervermieteten Verkaufsfläche durch die Tabakmonopolverwaltung. Da eine solche nicht erteilt wurde, trat somit eine stillschweigend vereinbarte Voraussetzung des Geschäftes nicht ein und dieses erlangte daher keine Wirksamkeit (vgl. Rummel ABGB, Rz 2 zu § 901; 6 Ob 627/83). Demgemäß hat das Berufungsgericht die vorliegende Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
Der Revision war somit ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)