OGH 6Ob511/88

OGH6Ob511/883.3.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei

P*** K*** KG, Fanny-von-Lehnert-Straße 1, 5020 Salzburg, vertreten durch Dr. Karl Endl, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Josefine B***, Gewerbetreibende, Doppl Gangsteig 1, 4060 Leonding, vertreten durch Dr. Hans Maxwald, Dr. Georg Maxwald, Rechtsanwälte in Linz, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 4. November 1987, GZ 18 R 669/87-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Linz vom 23. Juni 1987, GZ 23 C 1644/86-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Im Jahre 1973 räumte die Firma K*** OHG, die damals Eigentümerin des Grundstückes 392, EZ 470, KG Kleinmünchen, Gerichtsbezirk Linz, war, der Beklagten das Recht ein, auf dem Grundstück einen Kiosk zur Ausübung des gebundenen Gewerbes des Handels mit heißen Würsteln etc. zu errichten und in diesem Umfang das Grundstück zu benützen. In der schriftlichen Vereinbarung wurde festgehalten, daß es sich bei dem Kiosk um eine bewegliche Sache handle, die nach Beendigung des Benützungsrechtes auf Kosten der Beklagten entfernt werden muß. Nach Punkt III. der Vereinbarung hatte die Beklagte für das Benützungsrecht kein Entgelt zu leisten, war jedoch verpflichtet, das gesamte Bier und die alkoholfreien Getränke ausschließlich von der Brauerei K*** zu beziehen, die sich verpflichtete, die Ware in guter Qualität und zu "den normalen, üblichen Preisen" zu liefern. Der Punkt IV. des Vertrages lautet:

"Eine bestimmte Vertragsdauer wird nicht vereinbart, weil es sich ja nicht um ein entgeltliches Vertragsverhältnis, insbesondere um kein Mietverhältnis handelt. Die Firma K*** erklärt sich jedoch freiwillig bereit, Frau B*** dann, wenn die Räumung des Grundstückes begehrt wird, drei Monate vorher zu benachrichtigen, wobei die Frist von Tag zu Tag gerechnet wird." In der Folge hat die Beklagte auf dem Grundstück einen mit der Erde fest verbundenen Würstelstand errichtet und hat diesen dann, da er baubewilligungspflichtig gewesen wäre, mit Rädern versehen und an die Baufluchtlinie zurückversetzt. Da der Magistrat Linz diesen mit Rädern versehenen Kiosk als nicht fahrbar für unzulässig erklärte, ersetzte die Beklagte den Kiosk durch einen LKW, auf dessen Brücke sie einen Kiosk montieren ließ. Dies geschah noch vor dem 1. Jänner 1977 und ausschließlich deshalb, weil der Kiosk in dieser Form nicht baubewilligungspflichtig war. Es bestand nicht die Absicht, den Kiosk auch tatsächlich von der Stelle zu bewegen. Seit dieser Zeit steht der Kiosk am selben Standort. Ein Wegziehen des gesamten Kiosk wäre jedenfalls möglich. Im Jahre 1982 vereinbarte die beklagte mit der Firma K*** die Bezahlung eines monatlichen Entgeltes von S 2.500,- zuzüglich Umsatzsteuer. Darüber hinaus kam es zu keiner Änderung der im Jahre 1973 geschlossenen Vereinbarung. Nachdem die Klägerin das Grundstück im Jahre 1985 erworben hatte, richtete sie am 2. Juli 1985 ein Schreiben an die Beklagte, in dem unter anderem stand, daß die Klägerin grundsätzlich bereit sei, die zwischen der Beklagten und der Firma K*** OHG geschlossene Vereinbarung zu übernehmen und vorläufig fortzuführen. Da aber gegenüber der Klägerin eine Abnahmepflicht wie gegenüber der Firma K*** OHG nicht möglich sei, werde ein monatliches Entgelt von S 4.000,- wertgesichert ab Juli 1985 gefordert. In diesem Schreiben stand weiters, daß die Klägerin unter diesen Voraussetzungen bereit ist, den Verkaufsstand der Beklagten so lange am Grundstück zu dulden, bis seitens der Klägerin eine Verbauung beabsichtigt ist. Die Beklagte werde mindestens drei Monate vor der notwendigen Freimachung des Grundstückes verständigt, damit sie allenfalls einen Ersatz suchen könne. Auch werde die Frage eines Verkaufsstandes bzw. eines Buffets bei Planung eines Betriebes mit ihr erörtert. Diesbezüglich könne ihr jedoch heute noch keine Zusage gemacht werden. Da die Beklagte mit dem Inhalt dieses Schreibens einverstanden war, unterfertigte sie es und sandte es an die Klägerin zurück. Anfang 1986 begann die Klägerin, das Gelände für die Errichtung eines Kraftfahrzeughandels und Reparaturbetriebes vorzubereiten. Im Einreichplan war ursprünglich ein Würstelstand vorgesehen, von dem erwogen wurde, ihn an die Beklagte zu vergeben. Die Klägerin strich den Würstelstand aber noch vor der Bauverhandlung aus dem Plan, weil sonst mit Schwierigkeiten durch den Magistrat zu rechnen gewesen wäre. Bei der Bauverhandlung wurde der Klägerin die Auflage erteilt, daß der Kiosk spätestens zwei Monate nach Baubeginn zu entfernen sei. Nachdem die Beklagte beim Magistrat erfahren hatte, die Errichtung eines Würstelstandes mit Zustimmung der Klägerin sei nicht aussichtslos, erklärte Heinz P***, der Sachbearbeiter der Klägerin, man solle mit einem Ansuchen für einen neuen Kiosk noch zuwarten. Am 26. September 1986 erhielt die Beklagte ein von Heinz P*** namens der Klägerin verfaßtes Schreiben, in welchem erklärt wurde, die mit der Beklagten getroffene Vereinbarung werde aufgekündigt, die Beklagte müsse den Platz bis Ende November räumen. Trotzdem fanden noch Gespräche zwischen den Streitteilen über die Errichtung eines Würstelstandes auf dem Grundstück der Klägerin statt. Nachdem Heinz P*** der Beklagten am 31. Oktober 1986 erklärt hatte, die Klägerin sei nunmehr davon abgekommen, der Beklagten einen Würstelstand aufstellen zu lassen, erklärte der Beklagtenvertreter, die außergerichtliche Kündigung - gemeint war das Schreiben der Klägerin vom 26. September 1986 - würde nicht akzeptiert, zur Auflösung des Mietverhältnisses wäre eine gerichtliche Kündigung erforderlich. Diesen Standpunkt wiederholte der Beklagtenvertreter in einem an die Klägerin gerichteten Schreiben vom 31. Oktober 1986. Heinz P*** war über dieses Schreiben verärgert und erklärte gegenüber der Beklagten, eine Gesprächsbereitschaft der Klägerin sei nur gegeben, wenn das Schreiben zurückgenommen werde. Bewußt vermittelte Heinz P*** bei der Beklagten den unrichtigen Eindruck, bei Zurücknahme des Schreiben würde die Klägerin die Aufstellung eines Würstelstandes wieder in Erwägung ziehen. Im Auftrag der Beklagten nahm deren Vertreter das Schreiben vom 31. Oktober 1986 mit Schreiben vom 6. November 1986 zurück. Nachdem herauskam, daß die Klägerin die Errichtung eines Würstelstandes ablehne, nahm der Beklagtenvertreter das Schreiben vom 6. November 1986 mit Schreiben vom 28. November 1986 wieder zurück.

Die Klägerin begehrte mit ihrer am 12. Dezember 1986 eingebrachten Klage die Räumung des Grundstückes. Sie vertrat die Ansicht, die Beklagte habe das Grundstück zunächst unentgeltlich benützt, spätestens seit Annahme des Schreibens der Klägerin vom 2. Juli 1985 liege aber ein Mietverhältnis vor. Dieses unterliege nicht den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes, weshalb die Klägerin berechtigt sei, das Vertragsverhältnis durch Aufkündigung bzw. durch vorzeitiges Abstehen aus wichtigen Gründen zu beenden. Die Beklagte wendete ein, schon von Anfang an habe es sich um ein Mietverhältnis gehandelt, weil sie verpflichtet gewesen sei, das Bier und die alkoholfreien Getränke von der Firma K*** zu beziehen. Die Beklagte habe ein Superädifikat errichtet, weshalb das Bestandverhältnis auch den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes unterliege.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es führte aus, die Abnahmeverpflichtung von Getränken sei als Bestandzins im Sinne des § 1092 ABGB anzusehen, es sei schon im Jahre 1973 ein Mietverhältnis begründet worden. Der Vertrag sei wohl geändert aber nicht erneuert worden. Da die Anmietung einer Grundfläche für Geschäftszwecke unter den Kündigungsschutz des Mietengesetzes gefallen sei, könne gemäß § 49 Abs 1 zweiter Satz MRG das Mietverhältnis nur unter den alten Kündigungsbeschränkungen aufgelöst werden. Die von der Klägerin am 26. September 1986 ausgesprochene Kündigung sei daher nicht rechtswirksam. Die einvernehmliche Vertragsauflösung sei nicht wirksam, weil die Beklagte hiebei in Irrtum geführt worden sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 60.000,-, nicht aber S 300.000,- übersteige und die Revision zulässig sei. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, auf Grund der Verpflichtung zum Bezug von Bier und alkoholfreien Getränken sei Entgeltlichkeit gegeben gewesen, wodurch dieses Vertragsverhältnis einem Mietvertrag soweit angenähert gewesen sei, daß die kündigungsrechtlichen Beschränkungen jedenfalls zum Tragen kämen. Außerdem seien die Kündigungsbeschränkungen des Mietrechtsgesetzes auf unbebaute Grundstücke, die zur Errichtung von Geschäftsräumlichkeiten vermietet worden seien, analog anzuwenden. Die Beklagte könne den von ihr erklärten Verzicht auf das Mietrecht anfechten, weil sie hiezu durch List veranlaßt worden sei. Mangels Zustandekommens einer Auflösungsvereinbarung sei daher sowohl nach den Bestimmungen des Mietengesetzes als auch nach dem neuen Mietrechtsgesetz eine gerichtliche Aufkündigung erforderlich.

Die Klägerin bekämpft das Urteil des Berufungsgerichtes mit Revision und beantragt das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß die Beklagte zur Räumung verurteilt werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Meinung der Revisionswerberin, ursprünglich habe es sich mangels eines bestimmten Entgelts um keinen Bestandvertrag gehandelt, kann nicht geteilt werden. Die Beklagte übernahm in ihrer mit der Firma K*** geschlossenen Vereinbarung die Verpflichtung, das gesamte Bier und die alkoholfreien Getränke für ihren Würstelstand ausschließlich von der Brauerei K*** zu beziehen. Die Beklagte hatte es also nach dem Vertrag zu unterlassen, von anderen Lieferanten Getränke zu beziehen. Es war unter den festgestellten Umständen aber auch klar, daß sie tatsächlich Getränke von ihrem Vertragspartner beziehe wird, weil dies für den Betrieb des Würstelstandes notwendig war. Sie hatte daher eine bestimmte Leistung zu erbringen. Die Leistung des Bestandnehmers gemäß § 1090 ABGB muß nicht in Geld bestehen. Daß sich der Geldwert der Leistungen im voraus bestimmen läßt, ist nicht notwendig. Es wurde etwa ausgesprochen, daß der Mietzins in der Durchführung der notwendigen Instandhaltungsarbeiten bestehen könne (MietSlg 6959). Daher kam ein Vertrag über die Überlassung einer Sache gegen einen bestimmten Preis und somit ein Bestandvertrag zustande. Dies wäre nur dann nicht der Fall gewesen, wenn das von der Beklagten zu erbringende Entgelt so geringfügig gewesen wäre, daß es gegenüber dem Wert der Benützung des Grundstückes wirtschaftlich nicht ins Gewicht gefallen wäre (vgl. Schubert in Rummel, ABGB, Rz 2 zu § 974). Derartiges ist jedoch nicht hervorgekommen. Die von der Beklagten zu erbringenden Leistungen hatten ohne Zweifel einen wirtschaftlichen Wert, da ein Betrieb des Würstelstandes ohne Verkauf von Getränken praktisch nicht möglich gewesen wäre. Außerdem sei darauf hingewiesen, daß die Klägerin als Begründung dafür, daß sie anstelle des von der Beklagten mit der Firma K*** vereinbarten Mietzinses von S 2.500,- einen Betrag von S 4.000,- monatlich forderte, anführte, eine Abnahmepflicht ihr gegenüber sei nicht möglich. Sie nahm also den Wert der Abnahmepflicht selbst mit S 1.500,- monatlich an. Überdies wäre es Sache der Klägerin gewesen, zu beweisen, daß der wirtschaftliche Wert der Abnahmeverpflicht nicht ins Gewicht fällt. Aus diesen Gründen ist davon auszugehen, daß schon ab dem Jahre 1973 ein Mietverhältnis bestand. Nach der Vorschrift des § 49 Abs 1 MRG unterliegt dieses jedenfalls bis 31. Dezember 1988 dem Kündigungsschutz, weshalb die Räumungsklage nicht berechtigt ist, gleichgültig ob das Mietverhältnis den Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes unterliegt oder nicht. Auf diese Frage braucht daher nicht eingegangen zu werden.

Aus diesen Gründen war der Revision ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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