OGH 2Ob519/87

OGH2Ob519/8711.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kropfitsch, Dr. Huber, Dr. Petrag und Dr. Schwarz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bernadette B***, Pensionistin, 6952 Hittisau, Tobel 6, vertreten durch Dr. Alfons Simma, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei S*** B***, vertreten durch Dr. Gerold Hirn und Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen S 1,171.966,76, Rente und Feststellung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 14. Juli 1986, GZ 6 R 86/86-32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 16. Dezember 1985, GZ 4 Cg 1199/84-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die vorinstanzlichen Urteile werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin behauptet, anläßlich einer im Krankenhaus der S*** B***, dessen Rechtsträger die beklagte Partei ist, am 5. September 1981 an ihr vorgenommene Entbindung durch Kaiserschnitt habe das Krankenhauspersonal schuldhaft Blutdrucksteigerungen mißachtet, so daß es zu Gehirnblutungen und dadurch zu Lähmungen in ihrem Gesicht und an der linken Körperseite sowie einer völligen Zerstörung ihres Gleichgewichtszentrums, weiters zu Sprachschwierigkeiten usw. gekommen sei. Bereits vor und auch während der Schwangerschaft sei sie wegen Nierenbeschwerden in ärztlicher Behandlung gestanden. Das Personal des Krankenhauses habe es unterlassen, sie vor der Operation über allfällige Komplikationen während der Schwangerschaft zu befragen. Nach der Operation sei ihr Blutdruck alarmierend angestiegen und sie habe das Bewußtsein verloren. Obwohl der Blutdruck in der Folge habe gesenkt werden können, sei es in der Zwischenzeit zu Gehirnblutungen gekommen. Wegen des dem Krankenhauspersonal solcherart unterlaufenen Kunstfehlers hafte ihr die beklagte Partei für die durch die Gehirnblutungen hervorgerufenen Schäden und deren Folgen und sei zur Zahlung eines Schmerzengeldes von S 700.000,-- sowie einer Verunstaltungsentschädigung von S 300.000,--, weiters zum Ersatz eines Verdienstentganges von S 171.966,76 sowie zur Leistung einer monatlichen Rente von S 7.989,70 verpflichtet. Außerdem werde die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für künftige Schäden der Klägerin aus der Operation bzw. der nachfolgenden Heilbehandlung begehrt.

Die beklagte Partei beantragte Klagsabweisung. Die Klägerin sei am 5. September 1981 gegen 1 Uhr mit einer vorzeitigen partiellen Placentalösung als Notfall ins Krankenhaus der S*** B*** eingeliefert worden. Auf Grund einer Blutung habe akute Lebensgefahr bestanden, weshalb die Operation unverzüglich eingeleitet worden sei. Die Blutdruckwerte während und nach dieser seien im Normalbereich gewesen. Man habe an der Klägerin viertelstündlich Blutdruckmessungen vorgenommen. Als der Blutdruck plötzlich erstmals auf 150/100 angestiegen sei und die Klägerin gleichzeitig über Kopfweh und ein Spannen im Gesicht geklagt habe, sei sie unverzüglich vom diensthabenden Arzt aufgesucht, nach einer weiteren Blutdruckmessung, welche einen hohen Blutdruckwert ergeben habe, sofort an eine Catapresan-Infusion angeschlossen und sodann binnen 10 Minuten auf die Intensivstation transferiert worden. Dort habe eine erste Blutdruckmessung bereits wieder einen Wert von 130/80 ergeben. Die von der Klägerin behaupteten Nierenbeschwerden seien geringfügiger Art gewesen und hätten im gegenständlichen Fall keine Bedeutung gehabt. Die Klägerin treffe gegebenenfalls ein Mitverschulden von mindestens 25 %, weil sie von sich aus auf ein allenfalls vorhandenes Nierenleiden hätte hinweisen müssen. Das Erstgericht wies die Klage ab. Sein Urteil wurde vom Berufungsgericht bestätigt.

Gegen die berufungsgerichtliche Entscheidung erhebt die Klägerin eine auf die Anfechtungsgründe des § 503 Abs 1 Z 2 und 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrag auf Abänderung dahin, daß mit Zwischenteilurteil die Haftung der beklagten Partei für die Leistungsansprüche ausgesprochen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist iS des gestellten Aufhebungsantrages gerechtfertigt.

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen wurde die am 3. Februar 1962 geborene Klägerin während der gegenständlichen Schwangerschaft, welche ihre erste war, im Rahmen der im Mutter-Kind-Paß vorgeschriebenen Untersuchungen insgesamt viermal vom Gynäkologen Dr. S*** untersucht, wobei sämtliche Befunde unauffällig waren und innerhalb der Norm lagen. Insbesondere ergab auch die Harnbegutachtung jedesmal einen negativen Eiweißwert. Am 18. Mai 1981 suchte die Klägerin wegen Beschwerden im Harnwegbereich einmal den Gemeindearzt Dr. P*** auf, welcher eine rechtsseitige Nierenbeckenentzündung feststellte, ihr Medikamente zur Behandlung verschrieb und sie über die Notwendigkeit der Behandlung belehrte. Ein anderes Mal, nämlich im August 1981, ließ sich die Klägerin auch von Dr. S*** wegen Blasenschmerzen behandeln. Gegenüber Dr. S*** hatte die Klägerin von diesen Beschwerden nie etwas erwähnt. Wäre bei den Schwangerschaftsuntersuchungen durch Dr. S*** eine Entzündung des Nierenbeckens oder des ableitenden Harnwegapparates vorhanden gewesen, so hätten positive Eiweiß-Zucker-Werte vorliegen müssen. Am Abend des 4. September 1981 traten bei der Klägerin starke Schmerzen im Bereich des Magens auf, sie begab sich zu Dr. O***, der alsbald eine bevorstehende Geburt feststellte und den Verdacht auf eine vorzeitige Placentalösung äußerte. Nachdem er unverzüglich ein Rettungsfahrzeug alarmiert hatte, traten bei der Klägerin Blutungen aus der Scheide auf und der Zustand wurde für sie und das ungeborene Kind lebensbedrohlich. Dr. O*** legte eine Infusion an, um den Kreislauf der Klägerin, deren Blutdruck 140/90 betrug, stabil zu halten und verständigte das Krankenhaus der beklagten Partei, daß die Klägerin wegen der starken Blutungen als Notfall eingeliefert würde. Die Frage des dort als Gynäkologen tätigen Assistenzarztes Dr. S***, ob die Patientin dem Krankenhaus bekannt sei, wurde verneint. Über Befragen durch Dr. O*** nach Komplikationen während der Schwangerschaft gaben die Klägerin und deren Mutter an, die Klägerin sei bei einem Arzt in Behandlung gewesen. Von Nierenbeschwerden sagten sie nichts. Auf der Fahrt ins Krankenhaus prüfte Dr. O*** laufend den Blutdruck der Klägerin, der bei 140/100 lag. Bei der Ankunft wartete Dr. S*** bereits und es war das erforderliche Personal für eine Kaiserschnittoperation in Bereitschaft versetzt. Die Aufnahmeuntersuchung ergab eine starke genitale Blutung der Klägerin, welche über Bauchkrämpfe klagte. Dr. S*** gab nach seiner Verdachtsdiagnose: "vorzeitige Placentalösung" augenblicklich Sectioalarm. Bei einer sofortigen, eine Minute dauernden Ultraschalluntersuchung zeigten sich deutliche Lebenszeichen des Kindes. Die Blutdruckmessung an der Klägerin ergab normale Werte. Wegen der lebensgefährlichen Situation für Mutter und Kind wurde die Klägerin sofort in den Operationssaal gebracht; sie war ansprechbar und erklärte über Befragen, daß sie starke Schmerzen und seit einer Stunde Blutungen habe. Zu einer Befragung über den Verlauf der Schwangerschaft wäre vor der Operation keine Zeit mehr gewesen. Auf dem Operationstisch wurde der Klägerin noch Blut abgenommen; das Ergebnis der Blutuntersuchung war unauffällig und wurde noch während der Operation dem Narkosearzt Prim.Dr. R*** übergeben. Eine Fibrinogenuntersuchung erfolgte nicht. Die Kaiserschnittoperation, bei welcher ein gesunder Knabe entbunden wurde, verlief ohne Komplikation. Der Narkosearzt hatte während der Operation systolische Blutdruckwerte von 140, 140, 140, 150 und 140 gemessen. Am Ende der Anästhesie bei der Extubation stieg der Blutdruck wie üblich an, und zwar auf 160. Beim Vernähen des Uterus waren keine besonderen Blutungen sichtbar und es bestand auch keine Nachblutungsneigung. Nach Beendigung des Eingriffes war die Klägerin ansprechbar und erhielt schmerzstillende Mittel. Blutdruck, Puls und Atmung waren unauffällig. Sie wurde hierauf um ca. 2 Uhr 30 auf die Geburtshilfestation gebracht, da für eine Verlegung auf die Intensivstation keine Indikation bestand. Dort erkundigte sich die Klägerin bei den Krankenschwestern nach dem Befinden ihres Kindes. Es wurde wiederum ihr Blutdruck sowie auch Puls und Temperatur gemessen, ersterer mit 140/90. Zirka 10 bis 15 Minuten nach ihrer Ankunft auf der Station kam Dr. S***, erkundigte sich bei der Krankenschwester nach ihrem Befinden und beauftragte diese, die Klägerin zu überwachen und regelmäßig Blutdruck, Puls und Ausscheidungs- sowie Blutungskontrollen vorzunehmen. Blutdruckmessungen um ca. 3 Uhr ergaben unveränderte Werte, weshalb eine Eintragung im Fieberkurvenblatt unterblieb. Zirka 10 bis 15 Minuten später klagte die Klägerin, die ansprechbar, jedoch zwischendurch eingeschlafen war, über Kopfschmerzen und ein Spannen im Gesicht, worauf sogleich eine Blutdruckmessung erfolgte, welche einen Wert von 150/100 ergab, der im Fieberkurvenblatt eingetragen wurde. Die Krankenschwester benachrichtigte Dr. S*** telefonisch von den Symptomen der Klägerin, dieser ordnete die Vorbereitung von 2 Ampullen Catapresan und 20 mg Valium an und eilte auf die Station. Als die Krankenschwester nach diesen Vorbereitungsarbeiten ins Krankenzimmer kam, hatte die Klägerin einen Krampfanfall und war nicht mehr ansprechbar. Eine sofortige Blutdruckmessung ergab einen Wert von 240/200. Der ins Krankenzimmer tretende Dr. S*** erfaßte sofort das akut-eklamptische Geschehen, verabreichte der bewußtlosen Klägerin 10 mg Valium i.V., 2 Ampullen Catapresan und applizierte eine Kiefersperre. Wegen der Dringlichkeit der Situation wurde der erhöhte Blutdruckwert und die Verabreichung der Medikamente nicht mehr in die Fieberkurve eingetragen sondern sofort die Intensivstation vom Blutdruck 240/200 in Kenntnis gesetzt und die Klägerin wurde binnen 5 Minuten dorthin gebracht. Die sogleich durchgeführte Blutdruckmessung auf der Intensivstation ergab bereits wieder einen Normalwert von 130/90, der Blutdruck blieb auch in der Folge unauffällig. Auf der Intensivstation wurden auf dem Fieberkurvenblatt unter den auf der Geburtshilfestation erfolgten Blutdruckeintragungen in der Zeile "Trinkmenge" die Zahlen 200/180, in der Zeile "Infusionsmenge" die Zahlen 240/200 und in der Zeile "Urin/spez. Gew." die Zahlen 100/70 notiert, später jedoch mit weißer Deckfarbe übermalt und in der Spalte "Trinkmenge" die Ziffer "0", bei "Infusionsmenge" die Angabe "4890 ml" und unter "Urin/spez. Gew." die Zahl 2790/25 eingesetzt. Auf der Intensivstation waren sogleich eine Ödemtherapie und sämtliche Laboruntersuchungen durchgeführt worden. Der dabei erstmals gemessene Fibrinogenwert betrug 163 mg %, am 6. September 1981 betrug er bereits wieder 318 mg %. Nach künstlicher Beatmung war schließlich auch ein Luftröhrenschnitt angelegt worden. In der Folge trat ein Harnweginfekt auf, welcher alsbald beherrscht wurde. Ab dem 14. September 1981 kam es zu einem allmählichen und fortschreitenden Erwachen der Klägerin. Der Heilungsverlauf der Operationswunde verlief komplikationslos. Neurologisch kam es bei der Klägerin jedoch zu massiven Ausfällen, die zum Teil das Bild eines appalischen Syndroms annahmen und insbesondere Lähmungen im Gesicht bewirkten. Es kam auch zu einer Nierenschädigung. Ursache der neurologischen Störungen sind Blutungen aus Haargefäßen im Gehirn auf Grund des eklamptischen Anfalles nach der Geburt. Bei der Eklampsie handelt es sich um eine Komplikation die vor, während und nach der Geburt auftreten kann. Als Ursache wird eine primäre Nierenfunktionsstörung, unter anderem auch eine Durchblutungsstörung im Bereich der Gebärmutter und des Mutterkuchens, angenommen. Ein eklamptischer Anfall kann ohne Vorankündigung anfallsartig ohne vorhergegangene subjektive oder objektive Vorzeichen auftreten, wobei als typische Symptome Krämpfe, Bewußtlosigkeit und meist erheblicher Anstieg des Blutdruckes festzustellen sind. Auch kommt es zu vermehrter Eiweißausscheidung im Harn. Das Zeitintervall von der Manifestation erster verdächtiger Symptome bis zum Auftreten cerebraler Krampfanfälle kann nur wenige Minuten betragen. Bei der Klägerin zeigten sich zunächst keine Symptome, die auf einen derartigen Anfall hingewiesen hätten. Von den Nieren- und Blasenbeschwerden der Klägerin vor und während der Schwangerschaft hatte der diensthabende verantwortliche Arzt keine Kenntnis. Aber selbst wenn dies bekannt gewesen wäre, hätte weder eine während der Schwangerschaft aufgetretene Entzündung des Nierenbeckens noch der Harnleiter oder der Harnblase eine Überstellung der Klägerin auf die Intensivstation indiziert. Man hätte wohl unverzüglich einen Harnstatus machen müssen, welcher jedoch tatsächlich keinen krankhaften Wert ergeben hätte, so daß es zu keiner anderen Behandlung der Klägerin gekommen wäre. Lediglich bei einem Nierenschaden bzw. Nierengewebeschaden wäre die Voraussetzung für eine Unterbringung auf der Intensivstation vorgelegen, da bei einer solchen Erkrankung immer die Gefahr von Bluthochdruck besteht. Auch die Tatsache einer vorzeitigen Placentalösung stellt bei einem komplikationslosen Operationsverlauf keinen Hinweis auf eine Eklampsieneigung dar. Einem eklamptischen Anfall kann auch nicht durch eine vorbeugende, hier nicht notwendige Therapie entgegengetreten werden, weil unter Umständen durch massive Blutdruckabsenkung bei nicht gefährdeten Menschen ein schwerer Schaden angerichtet werden kann. Die intracerebralen Blutungen bei der Klägerin wurden nicht nur durch den eklampsiebedingten Bluthochdruck bewirkt, sondern auch durch eine gleichzeitige leichte Blutgerinnungsstörung begünstigt. Diese war beim eklamptischen Anfall jedoch nicht bemerkbar. Bei einer vorzeitigen Ablösung der Placenta kann es nämlich zum Übertritt gerinnungsaktiver Substanzen in die Blutbahn des mütterlichen Kreislaufes kommen. Dies wiederum kann zu einer intraversalen Blutgerinnung und zum Abbau des Gerinnungsmaterials und damit zu einer Blutungsneigung führen. Der Endzustand eines solchen Ablaufes wird als Verbrauchskoagulopathie bezeichnet. Der Normwert des Fibrinogens, der löslichen Vorstufe des bei der Blutgerinnung entstehenden Fibrins, liegt bei 200 mg % bis 400 mg %. Erst wenn ein Fibrinogenwert unter 100 mg % festgestellt wird, spricht man von einer Verbrauchskoagulopathie. Der bei der Klägerin auf der Intensivstation gemessene Fibrinogenwert von 163 mg % lag leicht unter der Norm, er war auch während des akuten Geschehens nicht geringer, es handelte sich um eine unerhebliche Erniedrigung. Da eine Verbrauchskoagulopathie erst nach einer gewissen Latenzzeit Wirkung zeigt, hätte eine Messung der für die Blutgerinnung notwendigen Stoffe noch während oder unmittelbar nach der Operation keinen Hinweis auf den Aufbrauch des Gerinnungspotentials und somit die Gefahr einer Blutungsneigung gezeigt. Die bei der Klägerin vorhandenen Werte haben noch keine Indikation für eine Therapie dargestellt, auch eine solche noch während oder unmittelbar nach der Operation hätte den Eintritt des eklamptischen Anfalles aber nicht verhindert. Die Klägerin wurde am 23. Oktober 1981 aus der stationären Behandlung entlassen. Insgesamt wurde sie im Krankenhaus der S*** B*** nach den Regeln der ärztlichen Kunst betreut.

In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Erstgericht auf die gemäß § 1313 a ABGB grundsätzlich gegebene Haftung der beklagten Partei für einen vom Personal des Krankenhauses der S*** B*** schuldhaft begangenen Behandlungsfehler. Ein solcher sei jedoch nicht erwiesen worden. Das Personal der Geburtshilfestation habe auf den eklamptischen Anfall unverzüglich mit den richtigen Maßnahmen reagiert, sodaß der Bluthochdruck noch vor dem Eintreffen der Klägerin auf der Intensivstation gesenkt worden sei. Auch die anschließende Versorgung auf dieser Station sei umfassend und gewissenhaft erfolgt.

Das Berufungsgericht hielt weder die Verfahrensrüge und Rüge der unrichtigen Beweiswürdigung und unrichtigen Tatsachenfeststellung noch die Rechtsrüge der Klägerin für gerechtfertigt. Auf den vorliegenden Fall seien die Grundsätze der Ärztehaftung im Wege der Gehilfenhaftung anzuwenden. Danach seien Behandlungsverträge im allgemeinen freie Dienstverträge, bei welchen nicht für den Erfolg, wohl aber für die korrekte Durchführung der Behandlung lege artis gehaftet werde. Grundsätzlich erfolge keine Umkehrung der Beweislast, der Patient könne aber einen prima facie-Beweis führen. Damit sei für die Klägerin jedoch nichts gewonnen, weil die beklagte Partei den Nachweis erbracht habe, daß ihr Personal lege artis vorgegangen sei. Hinweise für die sodann eingetretene Komplikation seien nicht vorgelegen. Die Unterlassung der Anamnese durch den behandelnden Arzt sei nicht vorwerfbar, weil der lebensbedrohliche Zustand der Klägerin die sofortige Operation erfordert habe. Die Anamnese hätte überdies kein Bild erbracht, nach welchem die bevorstehende Gefahr hätte erkannt werden können.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil bringt die Klägerin unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor, das Berufungsgericht habe ihre die Abweisung eines Beweisantrages und die Verletzung der Anleitungspflicht betreffende Rüge erstgerichtlicher Verfahrensmängel übergangen, wodurch die Aufklärung entscheidungswesentlicher Umstände, nämlich über die auf dem Fieberkurvenblatt der Klägerin enthaltenen, später übermalten Eintragungen von Blutdruckwerten, unterblieben sei. Diesen Ausführungen kann zwar insoweit nicht beigepflichtet werden, als auf Seite 27 des berufungsgerichtlichen Urteiles zur erstgerichtlichen Abweisung des genannten Beweisantrages der Klägerin ausdrücklich Stellung genommen wurde. Die berufungsgerichtliche Beurteilung insbesondere auch der Frage der Beweispflicht für das dem Beweisantrag zugrunde liegende Beweisthema erweist sich jedoch als verfehlt, worauf sowohl auf Grund der Verfahrensrüge als auch der weiters geltend gemachten, die diesbezügliche Beweislastverteilung bekämpfenden Rechtsrüge Bedacht zu nehmen war:

Im Sinne der ständigen Rechtsprechung zur Beweislast hat grundsätzlich jede Partei die für ihren Rechtsstandpunkt günstigen Tatsachen zu beweisen (SZ 51/28, SZ 53/151, SZ 56/6 uva). Die Klägerin ist daher vorliegendenfalls dafür beweispflichtig, daß trotz eines an ihr festgestellten hohen Blutdruckwertes nicht unverzüglich die medizinisch gebotenen Gegenmaßnahmen eingeleitet wurden. Tatsächlich wurde nun festgestellt, daß nach der Operation auf dem Fieberkurvenblatt der Klägerin vom Personal der beklagten Partei Blutdruckwerte von 140/90, 150/100 und darüber hinaus - siehe Seiten 16 und 29 des erstgerichtlichen Urteiles - solche von 200/180, 240/200 und 100/70 eingetragen wurden. Das Krankenhauspersonal hat also die genannten Blutdruckwerte selbst dokumentiert. Wird eine solche dem Beweisführer günstige eigene Protokollierung des Prozeßgegners über einen bei ihm im internen Bereich gegebenen Geschehensablauf von diesem sodann als unrichtig bezeichnet und ist der seinerzeitige Geschehensablauf nicht mehr objektiv überprüfbar, so erscheint in dieser Frage nach Ansicht des erkennenden Senates eine Umkehr der Beweislast gerechtfertigt: Es obliegt hier der beklagten Partei, die ihren Prozeßstandpunkt auf die Unrichtigkeit der später übermalten Eintragungen stützt, diese Unrichtigkeit nachzuweisen, wozu sie im Unterschied zu der den gegenteiligen Standpunkt vertretenden Klägerin grundsätzlich auch die Möglichkeit hat (vgl. Baumbach/Lauterbach (d)ZPO46 830 f; Fasching, Lehrbuch Rz 883; SZ 51/28).

Somit bedarf es der Beweisführung dahin, wer die später übermalten Eintragungen vorgenommen hat, wann und auf welcher Grundlage - es handelt sich um ganz konkrete, sich in das Gesamtgeschehen offenbar einfügende Werte - dies geschah, und schließlich, wie es sodann zur Übermalung dieser Eintragungen mittels Deckweiß gekommen ist. Nach den Feststellungen wurden auf der Intensivstation (siehe auch das dortige Überwachungsblatt) bereits wiederum ausschließlich normale Blutdruckwerte an der Klägerin gemessen. Der eingetragene, später übermalte hohe Blutdruckwert von 200/180 wurde nach den Feststellungen auch nicht mündlich der Intensivstation bekanntgegeben, sodaß er auf dieser nicht bekannt sein konnte. Zu diesem Wert fehlt es im Verfahren überhaupt an jeglicher Darlegung, ebenso zu jenem von 100/70. Ungeklärt ist auch, innerhalb welcher Zeit nach erstmaliger Messung eines stark überhöhten Blutdruckwertes das bekanntlich sehr rasch wirkende Catapresan im Wege der Infusion sowie auch Valium verabreicht wurden und wann und in welchen Zeitabständen die mehrfachen Blutdruckmessungen erfolgten. Diesbezügliche Feststellungen sind erforderlich, um beurteilen zu können, ob die gebotenen Behandlungsmaßnahmen rechtzeitig und richtig vorgenommen wurden und ob nicht durch den sehr stark überhöhten, zu spät herabgesetzten Blutdruck einerseits und den allenfalls sodann zu rasch abgesenkten Blutdruck andererseits sowie durch eine allenfalls zu hoch dosierte Verabreichung des blutdrucksenkenden Mittels Catapresan, noch dazu in Kombination mit Valium, jene vermeidbaren Schädigungen eintraten, an welchen die Klägerin nun zu leiden hat. Zu diesen bisher nicht abgehandelten Beweisthemen wird die Ergänzung des Sachverständigenbeweises unumgänglich sein.

Da den übermalten Eintragungen auf dem Fieberkurvenblatt somit entgegen der unterinstanzlichen, rechtsirrtümlich auch von einer Beweislast der Klägerin ausgehenden, Rechtsansicht entscheidungserhebliche Bedeutung zukommen kann, und der Sachverhalt auch im übrigen nicht geklärt ist, sind im Sinne der vorstehenden Ausführungen vom Ersgericht die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Insoweit war der Revision daher Folge zu geben und spruchgemäß zu entscheiden.

Die Ausführungen der Klägerin in ihrer Rechtsrüge über einen dem Krankenhauspersonal im Zusammenhang mit ihrem Nierenleiden unterlaufenen Behandlungsfehler weichen vom festgestellten Sachverhalt ab, so daß sie nicht gesetzmäßig erscheinen und daher unbeachtlich sind. Auf der Grundlage der den Obersten Gerichtshof bindenden unterinstanzlichen Feststellungen ist davon auszugehen, daß zu einer Befragung der Klägerin über den Verlauf der Schwangerschaft wegen des lebensbedrohlichen Zustandes für Mutter und Kind vor der Operation keine Zeit mehr war und daß selbst die Kenntnis der behandelnden Ärzte der beklagten Partei von den Nieren- und Blasenbeschwerden der Klägerin während ihrer Schwangerschaft eine Überstellung in die Intensivstation nicht indiziert hätte. Bei Kenntnis dieser Umstände wäre nämlich festgestelltermaßen zwar unverzüglich ein Harnstatus aufzunehmen gewesen, dieser hätte aber keine krankhaften Werte ergeben. Liegt demnach aber ein diesbezüglicher Behandlungsfehler nicht vor, dann wurde insoweit eine Haftung der beklagten Partei im Sinne der §§ 1299, 1313 a ABGB von den Unterinstanzen zu Recht verneint. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.

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