OGH 1Ob3/88

OGH1Ob3/8810.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Günter B***, Bezirkspolizeiinspektor, Olbendorf 109, vertreten durch Dr. Herbert Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei S*** WIEN, Wien, vertreten durch Dr. Heinz Gerö, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 71.358,-- s.A. infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 28. September 1987, GZ. 14 R 170/87-42, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 23. April 1987, GZ. 53 a Cg 2015/85-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 308,85 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 16.5.1982 ereignete sich auf der Kreuzung der Wassergasse und der Erdberggasse in Wien ein Verkehrsunfall, an dem der Kläger als Lenker und Eigentümer des Personenkraftwagens Ford Escort, pol. Kennzeichen B 76.009, und Christian N*** als Lenker des Kraftfahrzeugs BMW 323, pol. Kennzeichen W 507.947, beteiligt waren. Die den Verkehr auf der Kreuzung regelnde Verkehrslichtsignalanlage signalisierte für den von der an sich mit einem Nachrangzeichen versehenen Wassergasse kommenden Kläger Grünlicht; hingegen war das Signal gegenüber dem sich von rechts in der Erdberggasse nähernden Christian N*** ausgefallen. Der Kläger erlitt durch den Unfall einen Schaden an seinem Fahrzeug in der Höhe des Klagsbetrages. Die gegenständliche Verkehrslichtsignalanlage wies in den letzten Jahren folgende Störanfälligkeit auf: 1980 keine Störung, 1981 eine Störung, 1982 eine Störung, die zum Unfall führte, 1983 zwei Störungen, 1984 keine Störung, 1985 keine Störung. Ein Störfall wie jener, der zum Unfall führte, war zuvor an der im Jahre 1972 in Betrieb genommenen Verkehrslichtsignalanlage noch nicht aufgetreten. In Wien liegt der Durchschnitt der Störhäufigkeit je Anlage bei zwei Störfällen jährlich, der internationale Standard liegt bei vier Störfällen jährlich. In Wien werden 835 Verkehrslichtsignalanlagen betrieben, 450 davon sind mit Steuergeräten der Klasse I ausgestattet, der Rest besteht aus moderneren Einrichtungen der Klasse II. Die an der Kreuzung Wassergasse-Erdberggasse angebrachte Verkehrslichtsignalanlage ist eine solche der Klasse I. Im Unfallszeitpunkt bestand keine ÖNORM, die Bestimmungen über eine Rotlampenausfallüberwachung enthalten hätte; eine solche hätte aber den vorliegenden Störfall nicht erkennen können, weil der Fehler im Bereich der Lampenschaltung aufgetreten war. Die Funktion des Lampenschalters wird durch die Rotlampenausfallüberwachung nicht kontrolliert. Eine Anlage der Klasse II mit Signalbildsicherung hätte den Störfall erkannt. Eine solche Anlage hätte mit einer auf der sicheren Seite liegenden Schaltung (z.B. Gelblicht blinkend für die einzelnen Verkehrsströme) reagiert. Verkehrslichtsignalanlagen dieses technischen Standards sind in Österreich in technisch ausgereiftem Zustand seit dem Jahr 1981 auf dem Markt. Die Umrüstung der Verkehrslichtsignalanlagen von solchen der Klasse I auf solche der Klasse II erfolgte durch die beklagte Partei planmäßig nach Maßgabe der zur Verfügung stehenden Budgetmittel; entscheidend für den Austausch ist das Alter und die Störanfälligkeit der Anlage. Der durchschnittliche Kostenaufwand für die Umrüstung einer Verkehrslichtsignalanlage der Klasse I auf eine solche der Klasse II einschließlich der erforderlichen Nebenleistungen beträgt ca. S 550.000,--. Im ordentlichen Budget der beklagten Partei standen für den Austausch von Verkehrslichtsignalanlagen in den Jahren 1980 und 1981 je S 3,000.000,-- zur Verfügung; diese Beträge wurden jährlich um etwa S 500.000,-- überschritten. Die Verkehrslichtsignalanlage der Unfallkreuzung war zur Unfallszeit ordnungsgemäß gewartet, war jedoch nach technischen Kriterien, da sie eine Störung wie die gegenständliche zuließ, gegenüber solchen der Klasse II als nicht sicher zu betrachten.

Der Kläger begehrt, gestützt auf die Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes, die Bezahlung des Betrages von S 71.358,-- s. A. Er brachte vor, die an der Kreuzung angebrachte Verkehrslichtsignalanlage sei nicht verkehrssicher gewesen und von der beklagten Partei nicht ausreichend gewartet worden. Die beklagte Partei habe demnach schuldhaft gegen die sie treffende Verkehrssicherungspflicht verstoßen.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Das behauptete Gebrechen trete außerordentlich selten auf. Die Ampel sei jährlich zweimal gewartet worden. Die im Jahre 1981 auf den Markt gekommenen vollelektronischen, mit Mikroprozessoren ausgerüsteten Anlagen, die ein Versagen, wie es hier aufgetreten sei, nicht mehr zulassen, seien im Unfallszeitpunkt nicht in ausreichendem Maß zu erwerben gewesen; der beklagten Partei sei es auch aus technischen und finanziellen Gründen nicht möglich gewesen, sämtliche alten Ampelanlagen gegen neue auszutauschen. Mangels eines Verschuldens der Organe der beklagten Partei sei das Klagebegehren nicht gerechtfertigt.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Der aufgetretene Störfall wäre bei Einsatz der moderneren Verkehrslichtsignalanlage der Klasse II vermieden worden. Der beklagten Partei sei es aber nicht zumutbar gewesen, ca. 450 automatische Verkehrslichtsignalanlagen innerhalb eines Jahres mit Geräten der Klasse II nachzurüsten. Die Verkehrslichtsignalanlagen der Klasse I wiesen gegenüber den im Ausland in Verwendung stehenden Anlagen solcher Art eine geringere Störanfälligkeit auf; die Anlage sei auch ausreichend gewartet worden. Demnach liege ein schuldhaftes Organverhalten nicht vor, so daß das Klagebegehren abzuweisen sei. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es erklärte die Revision für zulässig. Das Berufungsgericht billigte die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobene Revision des Klägers ist nicht gerechtfertigt.

Der Kläger nimmt die Haftung der beklagten Partei nach den Bestimmungen des Amtshaftungsgesetzes in Anspruch. Gemäß § 1 Abs.1 AHG haften die dort genannten Rechtsträger nach den Bestimmungen des bürgerlichen Rechts für den Schaden am Vermögen, den die als ihre Organe handelnden Personen in Vollziehung der Gesetze durch ein rechtswidriges Verhalten wem immer schuldhaft zugefügt haben. Die Bestimmung des § 1 Abs.1 AHG verweist zwar ganz allgemein auf die Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, zur Frage, unter welchen Voraussetzungen gehaftet wird, wird aber für das Amtshaftungsrecht ausdrücklich und damit für dieses Recht allein maßgebend gesagt, daß die Rechtsträger nur für rechtswidriges Verhalten der als ihre Organe handelnden Personen haften, das diese wem immer schuldhaft zugefügt haben. Die Einfügung des Wortes "schuldhaft" stellt eindeutig klar, daß Amtshaftung nach Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, die kein Verschulden voraussetzen, grundsätzlich, wenn also ein Gesetz nicht ausdrücklich etwas anderes anordnet, nicht in Betracht kommt. Ausnahmen gelten kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nur für die Grundbuchsführung und die Durchführung des gerichtlichen Mahnverfahrens durch Einsatz der automationsunterstützten Datenverarbeitung (§ 27 GUG; § 453 a Z 6 ZPO). Eine Ausdehnung der Amtshaftung auf andere Fälle der Gefährdungshaftung, so wünschenswert diese auch sein mag (Loebenstein-Kaniak, AHG2 15), ist ausgeschlossen. Sonst ist Amtshaftung immer Verschuldens-, niemals Gefährdungs- oder Erfolgshaftung (Loebenstein-Kaniak aaO 137). Gegen diese Rechtsauffassung bringt auch Messiner, ZVR 1987, 357, keine entscheidenden Gesichtspunkte vor. Auf die Gefährdungshaftung des Reichshaftpflichtgesetzes oder die analoge Anwendung von Normen anderer Haftpflichtgesetze kann die Amtshaftung also nicht gegründet werden.

Die Haftung eines Rechtsträgers für das Versagen technischer Einrichtungen wie etwa einer Verkehrslichtsignalanlage kommt daher nur in Betracht, wenn das Versagen dieser technischen Einrichtung auf ein als Verschulden anzusehendes rechtswidriges Verhalten eines Organs zurückzuführen ist. Ein Verschulden kann nicht nur darin liegen, daß technische Einrichtungen schuldhaft gesetzwidrig angebracht oder in Betrieb gesetzt wurden, sondern auch darin, daß überhaupt technische Einrichtungen an die Stelle von menschlichen Handlungen gesetzt wurden, obwohl jene noch nicht ausreichend erprobt waren. Ein Verschulden kann auch in mangelnder Überwachung und Instandhaltung oder darin gelegen sein, daß nach dem schuldlosen Versagen der Einrichtung nicht umgehend Maßnahmen getroffen wurden, um die mit dem Ausfall verbundenen erhöhten Gefahren zu vermeiden. Gelingt dem Rechtsträger der ihm obliegende Beweis, daß das schadenverursachende Versagen einer technischen Einrichtung nicht auf ein schuldhaftes Verhalten eines seiner Organe zurückzuführen ist, muß die Amtshaftung entfallen (Loebenstein-Kaniak aaO 151, 152). Der Vorwurf eines schuldhaften Verhaltens von Organen der beklagten Partei wird in der Revision gar nicht mehr aufrechterhalten. Einer Beweisführung der Schuldlosigkeit ihrer Organe durch die beklagte Partei bedarf es dann nicht. Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte