OGH 3Ob607/86

OGH3Ob607/8610.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei V*** DER

Ö*** B***, Versicherungsaktiengesellschaft,

1020 Wien, Praterstraße 1-7, vertreten durch Dr. Otto Hellwich, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei M. P*** Gesellschaft mbH, 1110 Wien, Leberstraße 118, vertreten durch Dr. Gertrud Hofmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen 777.054,68 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23.Mai 1986, GZ 3 R 64/86-66, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 14.November 1985, GZ 13 Cg 87/81-59, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 17.760,34 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 1.505,48 S Umsatzsteuer und 1.200 S Barauslagen) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Firma F*** Verpackung & Offsetdruck, Dipl.Ing. F*** & Co (im folgenden kurz F***) verarbeitet von einer anderen Firma bezogenen Karton zu Verpackungsmaterial für Lebensmittel. Da im August 1979 ihre Lackiermaschine ausfiel, erteilte sie der beklagten Partei den Auftrag, solche von ihr gelieferte Kartons mit Lebensmittellack zu beschichten. Die beklage Partei erfüllte diesen Auftrag, die Firma F*** nahm an den lackierten Kartons weitere Arbeiten vor und lieferte sie dann teilweise an ihre Kunden aus. Diese verwendeten das Verpackungsmaterial, beanstandeten dann aber, daß dieses wegen eines starken Geruchs zur Verpackung von Lebensmitteln ungeeignet sei. Dies führte einerseits zur Nichtverwendung und Retournierung des von der beklagten Partei lackierten Verpackungsmaterials und andererseits zur Geltendmachung von Schadenersatzforderungen der Kunden der Firma F***, entstanden im wesentlichen dadurch, daß schon verpackt gewesene Lebensmittel aus dem Verkehr gezogen werden mußten. Die klagende Partei als Betriebshaftpflichtversicherer der Firma F*** kam mit dem Betrag von 322.346 S für einen Schaden der Firma M*** und mit einem Betrag von 444.708,68 S (nämlich 433.508,68 S zuzüglich Kosten eines Gutachtens von 11.200 S) für die Firma S***, das sind zusammen 767.054,68 S, auf.

Gestützt auf § 67 VersVG begehrt die klagende Partei von der beklagten Partei den Ersatz dieses Betrages, der jedoch im Klagebegehren mit 777.054,68 S beziffert wurde, und macht geltend, die beklagte Partei habe bei Erfüllung des Werkauftrages schuldhaft gehandelt. Falls das von der Firma F*** beigestellte Kartonmaterial ungeeignet gewesen sein sollte, liege eine schuldhafte Verletzung der Warnpflicht vor. Letzteres gelte vor allem für eine zweite, nicht mehr unter besonderem Zeitdruck stehende Auslieferung. Ihre eigene Prüfungspflicht habe die Firma F*** bei Beachtung bestehender Handelsbräuche nicht verletzt.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie bestritt ein Verschulden oder eine Verletzung der Warnpflicht. Das Alleinverschulden liege bei der Firma F***, die falsches Material beigestellt habe, das aber nicht als solches erkennbar gewesen sei, und die ihre Prüfungspflicht verletzt habe. Für den Fall eines Mitverschuldens der beklagten Partei werde ein Betrag von 147.355,27 S aufrechnungsweise geltend gemacht, weil die Firma F*** der beklagten Partei den Werklohn aus dem strittigen Werkvertrag nicht bezahlt habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Die Vorinstanzen trafen kurz zusammengefaßt folgende Tatsachenfeststellungen:

Ursache des Mangels waren nicht Produktionsvorgänge bei der beklagten Partei oder bei der Weiterverarbeitung durch die Firma F***, hier wurde durchwegs nach den üblichen Methoden und sachgerecht vorgegangen. Die Geruchsbeeinträchtigung entstand vielmehr dadurch, daß das von der Firma F*** bezogene und der beklagten Partei zur Bearbeitung zur Verfügung gestellte Kartonmaterial von einer anderen Beschaffenheit war als bei allen vorangegangenen Aufträgen ähnlicher Art. Es wies ein wesentlich höheres Lösungsmittel-Retentionsverhalten auf, sodaß der Geruch des bei der Lackierung verwendeten Lösungsmittels nicht nach relativ kurzer Zeit verschwand, sondern auch noch vorhanden war, als die Kunden der Firma F*** das Material zur Verpackung der Lebensmittel verwendeten. Dem äußeren Anschein nach war aber das von der Firma F*** der beklagten Partei zur Lackierung übergebene Kartonmaterial gleich wie sonst. Zwar gibt es bei Kartonlieferungen dieser Art immer gewisse Qualitätsunterschiede, bisher hatten aber die gelieferten Kartons innerhalb einer gewissen Toleranzgrenze immer das gleiche Verhalten gezeigt. Irgendwelche Materialüberprüfungen fanden früher nicht statt und auch nicht beim vorliegenden Auftrag. Da die Aufträge unter großem Zeitdruck standen, sodaß die Firma F*** die lackierten Kartons sofort weiterverarbeitete und an ihre Kunden auslieferte, mußte es weder der beklagten Partei noch der Firma F*** auffallen, daß noch ein Geruch vorhanden war; denn einige Tage lang ist dies nicht ungewöhnlich und deutet nicht auf einen Mangel hin. Nur durch ein Zuwarten mit der Auslieferung des lackierten Materials an die Firma F*** oder von dieser an ihre Kunden hätte der nicht wie sonst entweichende Geruch schon durch eine bloße Sinnenprobe festgestellt werden können. Die Vornahme von Probelackierungen oder von besonderen Qualitätskontrollen zwecks Feststellung der Geruchsentwicklung ist nicht branchenüblich. Die Auslieferung von 9.400 Bogen erfolgte durch die beklagte Partei am 8.8.1979. Die Auslieferung von 17.300 Bogen erfolgte am 28.8.1979. Am 30.8.1979 traf bei der Firma F*** die erste Reklamation eines Kunden ein. Am 31.8.1979 kam es zur mündlichen und am 4.9.1979 zur schriftlichen Rüge.

Über den der Firma F*** über ihre Schadenersatzpflicht gegenüber ihren Kunden hinaus selbst entstandenen Schaden und die als Gegenforderung geltend gemachte Rechnung der beklagten Partei haben sich die Firma F*** und die beklagte Partei außergerichtlich durch Verrechnung verglichen.

In rechtlicher Hinsicht waren die Vorinstanzen der Auffassung, daß der beklagten Partei kein Verschulden anzulasten sei. Sie habe weder bei der Ausführung des Werkes einen Fehler begangen noch ihre Warnpflicht verletzt. Diese bestehe zwar auch gegenüber einem sachkundigen Besteller, sei aber nur gegeben, wenn der vom Besteller beigestellte Stoff offenbar untauglich sei. Mit einer sonst nie gegebenen ganz ungewöhnlichen Qualität des Kartons, die äußerlich nicht erkennbar gewesen sei, habe die beklagte Partei nicht rechnen müssen. Zeitraubende Untersuchungen oder Versuche seien unzumutbar. Zu dem von der klagenden Partei im Berufungsverfahren besonders in Zweifel gezogenen Zeitdruck bei der zweiten Auslieferung der beklagten Partei wies das Berufungsgericht darauf hin, daß die Feststellungen des Erstgerichtes nicht dahin verstanden werden könnten, daß für die zweite Auslieferung ein Zeitraum vom 8.8.1979 bis 28.8.1979 zur Verfügung gestanden habe, sondern auch die zweite Lieferung sei unter Zeitdruck gestanden. Zudem sei das am 28.8.1979 ausgelieferte Material noch nicht an die Kunden der Firma F*** weitergegeben gewesen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der klagenden Partei ist nicht berechtigt. Die klagende Partei zeigt nicht auf, daß das Berufungsgericht einem Beweismittel einen Inhalt zuschrieb, der diesem nicht entnommen werden kann. Die Gedächtnisnotiz Beilage H enthält den Hinweis, daß die erste Auflage von 9.400 Bogen nach Bearbeitung an die Kunden der Firma F*** weitergeleitet worden sei, daß aber wegen der am 30.8.1979 eingelangten Beanständung auch die Hauptauflage von

17.300 Bogen nicht geliefert werden könne. Daraus kann nicht zwingend der Schluß gezogen werden, daß nicht nur die der Beanständung vom 30.8.1979 zugrundeliegende Lieferung an die Firma S*** aus der ersten Auflage stammte, sondern daß dies auch für die Lieferung an die Firma M*** zutraf, die laut Schreiben der Firma F*** vom 4.9.1979 (Beilage K) wenig später reklamierte. In diesem Zusammenhang liegt somit keine Aktenwidrigkeit vor. Es ist aber auch kein Feststellungsmangel gegeben; denn in der Zeit zwischen 28.8.1979 (Lieferung der zweiten Auflage) und 30.8.1979 (Eintreffen der ersten Kundenbeanstandung) bestand nach den sonstigen Feststellungen der Vorinstanzen für die FiRMA F*** noch nicht die Möglichkeit, den Mangel der von der beklagten Partei vorgenommenen Lackierung festzustellen.

Wie schon das Berufungsgericht klargestellt hat, kann die Feststellung des Erstgerichtes über die Zeitpunkte der Auslieferung der lackierten Kartons durch die beklagte Partei nicht dahin verstanden werden, daß nur bei der ersten Auslieferung ein erhöhter Zeitdruck bestand, während bei der zweiten Auslieferung sozusagen ganze 20 Tage zur Verfügung standen. Die Firma F*** lieferte nämlich der beklagten Partei die Kartons nicht gleichzeitig, sondern ebenfalls in zeitlichen Abständen. Auch bei der zweiten Auslieferung war daher nur ein kurzer Herstellungszeitraum gegeben. - Soweit die Revision in ihrer Rechtsrüge immer wieder von einem Zeitraum von 20 Tagen ausgeht, entfernt sie sich damit unzulässigerweise von den getroffenen Feststellungen der Vorinstanzen. Soweit sie aber zur Beweiskraft einzelner Beweismittel Stellung nimmt, wird der im Revisionsverfahren unzulässige Versuch unternommen, die Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen.

Ausgehend von den getroffenen Feststellungen ist aber die Rechtsansicht der Vorinstanzen zutreffend:

Vorausgeschickt sei, daß das von der beklagten Partei erbrachte Werk iSd § 1167 ABGB einen so wesentlichen Mangel aufwies, daß er das Werk unbrauchbar machte. Ob und unter welchen Voraussetzungen der beklagten Partei der Werklohn gebührte oder der Firma F*** unabhängig von einem Verschulden der beklagten Partei das Recht auf Wandlung zustand, muß aber nicht untersucht werden, weil die klagende Partei keine Ansprüche geltend macht, die auf einer erklärten Wandlung beruhen, und auf den Werklohnanspruch der beklagten Partei erst Bedacht genommen werden müßte, wenn die Berechtigung der Gegenforderung zu prüfen wäre.

Es muß auch nicht zur Streitfrage Stellung genommen werden, inwieweit bei vorliegendem Verschulden des Werkunternehmers im Rahmen eines Schadenersatzanspruches nur der sog. Mangelfolgeschaden verlangt werden kann, nicht aber der Nachteil zu ersetzen ist, den der Besteller schon durch das Vorhandensein des Mangels erleidet, weil die klagende Partei ausschließlich einen echten Mangelfolgeschaden geltend macht, dessen Ersatz nur bei Verschulden der beklagten Partei gebührt.

Ein Verschulden der beklagten Partei liegt aber nicht vor. Es mag zutreffen, wie dies in einem von der klagenden Partei eingeholten Gutachten ausgeführt wird, daß für das von der beklagten Partei beigestellte Kartonmaterial mit höherer Saugfähigkeit der von der beklagten Partei verwendete Lebensmittellack nicht geeignet war. Diese objektive Betrachtungsweise erlaubt aber nicht den Schluß, daß der beklagten Partei der Beweis des fehlenden Verschuldens (§ 1298 ABGB) mißlungen wäre. Die beklagte Partei konnte vielmehr auf Grund der Vorgangsweise bei den vorangegangenen Aufträgen der Firma F*** davon ausgehen, daß die Firma F*** ein gleiches Kartonmaterial beistellen und die Verwendung des bisher benützten Lacks billigen werde. Damit ist nicht der Fall gegeben, daß das Werk wegen eines von der beklagten Partei zu vertretenden Herstellungsmangels mißlungen ist, sondern es muß der Firma F*** als aussschließlich in ihrer Sphäre liegend zugerechnet werden, daß das von ihr beigestellte Kartonmaterial diesmal von grundlegend anderer Qualität war als sonst. Das Werk mißlang also iSd § 1168 a ABGB infolge Untauglichkeit des vom Besteller beigegebenen Stoffes in Verbindung mit der unrichtigen Anweisung, die zumindest stillschweigend erteilt wurde, das Material wie bisher zu bearbeiten.

Der beklagten Partei liegt auch keine Verletzung der sog. Warnpflicht zur Last. Auch wenn der Werkunternehmer verpflichtet ist, vor Inangriffnahme des Werkes sorgfältig zu untersuchen, ob das beigestellte Material für die vorgesehene Produktionsmethode geeignet sei (Iro, Die Warnpflicht des Werkunternehmers, ÖJZ 1983, 505, 506), so können doch keine umfangreichen, technisch schwierigen und kostenintensiven Untersuchungen verlangt werden, sondern die Prüfung wird sich meistens auf äußerliche Proben wie Besehen, Befühlen ua eher leicht vorzunehmende Handlungen beschränken dürfen (Iro, aaO 507 mwN; SZ 57/197, WBl 1987, 219 ua). Gerade bei gegebenem Zeitdruck kann entgegen der in der Revision besonders betonten Ansicht nicht verlangt werden, daß die Ware einige Tage lang nicht ausgeliefert wird, um festzustellen, wie der Abbau des Geruchs des Lösungsmittels vor sich gehe. Wenn überhaupt konnte ein solches Zuwarten nur von der Firma F*** verlangt werden, die besser beurteilen mochte, ob dies mit dem gegebenen Zeitpunkt vereinbar war. Ohne unzumutbare Maßnahmen war aber nach den getroffenen Feststellungen auch für einen Fachmann nicht erkennbar, daß die bisher übliche und vom Besteller nie beanständete und auch allgemein als zweckmäßig anerkannte Produktionsweise nur eben im vorliegenden Fall wegen der besonderen, nicht vorhersehbaren und nicht ohne weiteres feststellbaren anderen Qualität des Kartons ungeeignet war. Der beklagten Partei ist daher auch der Beweis gelungen, daß sie ihre Wanrpflicht nicht verletzt hat (vgl Entsch wie SZ 54/128, SZ 58/7). Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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