OGH 10ObS142/87

OGH10ObS142/879.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Johann Herbst und Reinhold Ludwig als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Franziska K***, 5082 Grödig, Fürstenbrunnerstraße 40, vertreten durch Dr. Harald Lettner, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei P*** DER A***,

1092 Wien, Roßauer Lände 3 (Landesstelle Salzburg), vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Witwenpension, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 14. August 1987, GZ 12 Rs 1091/87-9, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 8. Mai 1987, GZ 38 Cgs 1057/87-5, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 16. Dezember 1986 lehnte die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Zuerkennung einer Witwenpension nach dem verstorbenen Versicherten Johann K*** mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 258 Abs.4 ASVG ab.

In der dagegen erhobenen Klage macht die Klägerin geltend, ihre Ehe mit Johann K*** sei am 29. März 1963 geschieden worden. In dem anläßlich der Scheidung abgeschlossenen Vergleich habe sie diesem gegenüber erklärt, einen Unterhaltsanspruch so lange nicht zu erheben, als sie gesund und arbeitsfähig sei. Die Klägerin sei bis 1. Juni 1986 berufstätig gewesen, wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes aber gekündigt worden. Seither sei sie arbeitsunfähig und zur Geltendmachung ihres Unterhaltsanspruches berechtigt gewesen. Nur aus Rücksicht auf den schlechten Gesundheitszustand ihres geschiedenen Ehemannes sei es bis zu seinem Tod am 21. Oktober 1986 nicht zur Durchsetzung des Unterhaltsanspruches gekommen.

Die beklagte Partei bestritt, daß der Vergleich die Voraussetzungen des § 258 Abs.4 ASVG erfülle.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf folgende

Feststellungen:

Die Ehe der Klägerin mit Johann K*** wurde am 29. März 1963 (aus dem Verschulden des beklagten Ehemannes, wobei "ein Mitverschulden der Klägerin an der Ehescheidung" festgestellt wurde) geschieden. Mit gerichtlichem Vergleich vom selben Tag erklärte die Klägerin, gegenüber ihrem geschiedenen Ehemann einen Unterhaltsanspruch so lange nicht zu erheben, als sie gesund und arbeitsfähig sei. Die Klägerin war berufstätig, ihr Dienstverhältnis wurde zum 1. Juni 1986 gekündigt. Über Anraten der Ärzte nahm sie wegen des schlechten Gesundheitszustandes ihres geschiedenen Ehemannes vorerst von der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen Abstand. Johann K*** ist am 21. Oktober 1986 verstorben. Rechtlich führte das Erstgericht aus, die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer Witwenpension nach § 258 Abs.4 ASVG seien nicht erfüllt, weil zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten eine Unterhaltsverpflichtung nicht bestanden habe. Eine Unterhaltsvereinbarung setze für ihre Rechtswirksamkeit Bestimmtheit oder der Höhe nach zumindest Bestimmbarkeit der vereinbarten Unterhaltsleistung voraus. Diesen Anforderungen entspreche der gerichtliche Vergleich vom 29. März 1963 nicht.

Das Berufungsgericht gab der wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Berufung der Klägerin keine Folge. Es verneinte das Vorliegen von Verfahrensmängeln, weil die Prüfung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin vor dem Ableben ihres geschiedenen Ehemannes und entsprechende Feststellungen aus rechtlichen Gründen entbehrlich seien: Voraussetzung für den Anspruch der geschiedenen Frau auf Witwenpension sei die im Zeitpunkt des Todes bestehende Unterhaltsverpflichtung des geschiedenen Ehemannes auf Grund eines gerichtlichen Urteiles eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung der Ehe eingegangenen vertraglichen Verpflichtung. Die Leistungspflicht müsse sich aus dem Titel selbst unmittelbar ergeben. Das Vorliegen nur eines den Anspruch auf Unterhalt begründenden Tatbestandes oder die bloße Anerkennung der Unterhaltsverpflichtung dem Grunde nach genügten nicht. Die Höhe der Verpflichtung müsse sich aus dem Titel selbst entweder bestimmt ergeben oder mittelbar aus eindeutig und klar umschriebenen Kriterien (etwa einer Quote des Einkommens oder von Einkommensteilen) ohne langwieriges Verfahren bestimmbar sein. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, der klagenden Partei ab 21. Oktober 1986 eine Witwenpension im gesetzlichen Ausmaß zu gewähren.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Der erkennende Senat billigt die der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Oberlandesgerichtes Wien als letzte Instanz in Sozialrechtssachen folgende Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die in § 258 Abs.4 ASVG normierte Voraussetzung "wenn der Versicherte zur Zeit seines Todes Unterhalt (einen Unterhaltsbeitrag) auf Grund eines gerichtlichen Urteiles, eines gerichtlichen Vergleiches oder einer vor Auflösung der Ehe eingetretenen vertraglichen Verpflichtung zu leisten hatte" nur dann erfüllt ist, wenn die Unterhaltsverpflichtung in den genannten Titeln nicht nur dem Grunde nach feststeht, sondern aus ihnen sich die Anspruchshöhe bestimmt, zumindest aber ohne weiteren Verfahrensaufwand und Durchführung eines Beweisverfahrens unmittelbar bestimmbar (insbesondere in Form eines Bruchteilstitels im Sinne des § 10 a EO) ist. Der Oberste Gerichtshof hat bereits zu der in § 18 Abs.1 Bundesbahn-PensionsO im wesentlichen mit § 258 Abs.4 ASVG gleichlautenden Bestimmung - ebenso wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 19 Abs.1 PensionsO 1965 - ausgeführt, daß es nicht genügt, wenn im Scheidungszeitpunkt die Unterhaltsverpflichtung dem Grunde nach feststeht und zum Todeszeitpunkt der Höhe nach bestimmbar ist (SZ 57/76) und die Kritik an dieser Auffassung (Rummel in ZAS 1978, 113 f, Kerschner in ZAS 1982, 110 f) als nicht stichhältig abgelehnt, weil der Gesetzgeber, hätte er die Auffassung vertreten, bei dem gerichtlichen Urteil müsse es sich nicht um ein Leistungsurteil handeln, sich damit hätte begnügen können, den Anspruch der geschiedenen Ehegattin vom Verschuldensausspruch abhängig zu machen und überdies der Unterhaltsanspruch nach § 66 Abs.1 EheG nicht nur vom Verschuldensausspruch abhängig ist, sondern auch Einkünfte des anderen Ehegatten mitzuberücksichtigen sind. Gegenstand der gerichtlichen Prüfung bilden daher alle Voraussetzungen des Unterhaltsanspruches. Gleiches gilt, wenn in einem Vergleich auf Unterhalt nur unter bestimmten Bedingungen verzichtet wird und der Anspruch für den Fall des Eintrittes der Bedingung der Höhe nach nicht von der Parteieinigung umfaßt wird. Das Vorliegen eines den Anspruch auf Unterhalt begründenden bloß abstrakten Tatbestandes nach dem Ehegesetz genügt nicht (10 Ob S 120/87). Hier kommt noch dazu, daß als Vorfrage zusätzlich noch der Eintritt der Bedingung - also das Bestehen eines Anspruches dem Grunde nach - geklärt werden müßte.

Nach § 264 Abs.4 ASVG ist für die Höhe der Witwenpension der zur Zeit seines Todes vom Versicherten zu leistende Unterhalt maßgeblich. Die vom Revisionswerber vertretene Ansicht würde dazu führen, daß die dem ordentlichen streitigen Verfahren vorbehaltene Prüfung der Unterhaltsvoraussetzungen und der tatsächlichen Höhe nach den materiell-rechtlichen Bestimmungen des Eherechtes zunächst vom Versicherungsträger in einem aufwendigen Verwaltungsverfahren und im Wege der sukzessiven Kompetenz neuerlich vom Arbeits- und Sozialgericht vorzunehmen wäre. Es erscheint auch keineswegs unzumutbar, daß, um in den Genuß eines öffentlich-rechtlichen Versorgungsanspruches zu gelangen, der Anspruchswerber die gesetzlichen Voraussetzungen durch Schaffung eines dem § 258 Abs.4 EheG entsprechenden Titels zu erfüllen hat. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revision beruht auf § 77 Abs.1 Z 2 lit.b ASGG.

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