Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Vater hatte beantragt, seine Tochter Rita, geboren am 13. März 1973, die aus der geschiedenen Ehe der Eltern stammt, in seine Pflege und Erziehung zu überweisen und ihm die Rechte und Pflichten gemäß § 144 ABGB zu übertragen (mit rechtskräftigem Beschluß des Erstgerichtes vom 6. Oktober 1986 - ON 10 - waren die Rechte und Pflichten gemäß § 144 ABGB in Ansehung der ehelichen Kinder, auch des Kindes Rita, der Mutter Ingrid U*** übertragen worden). Außerdem hatte der Vater eine näher ausgeführte Besuchsrechtsregelung zu den Kindern beantragt. Zum Antrag auf Übertragung der Rechte und Pflichten gemäß § 144 ABGB in Ansehung des Kindes Rita hatte der Vater zunächst in schriftlichen Eingaben nicht weiter konkretisierte und eher vage gehaltene Vorwürfe gegen die Mutter erhoben, wie etwa Eingehen von Schulden und nicht näher ausgeführte Charaktermängel. Das Erstgericht hat jedoch den Vater zu seiner Antragstellung vernommen. Nun begründete der Vater seinen Antrag im wesentlichen damit, daß er, ebenso wie die Mutter, auch ein Kind bei sich haben wolle.
Die Mutter sprach sich gegen den Antrag des Vaters aus. Sie brachte im wesentlichen vor, sie biete dem Kind genügend Entfaltungsmöglichkeiten; die vom Vater auch aufgeworfene räumliche Beengtheit in der Wohnung sei nur vorübergehend, weil die älteste Tochter Angelika und deren Bräutigam, der sich damals auch in der Wohnung aufhielt, ohnehin in Bälde heiraten und ausziehen würden. Das Erstgericht wies den Antrag des Vaters auf Übertragung der Rechte und Pflichten gemäß § 144 ABGB bezüglich der mj. Rita ab und regelte im Sinn des diesbezüglichen Einvernehmens der Eltern das Besuchsrecht des Vaters hinsichtlich beider Kinder; die Besuchsrechtsregelung blieb unangefochten. Das Erstgericht ging von folgenden Feststellungen aus:
Die Ehe der Eltern ist seit 14. Juli 1986 durch Urteil des Kreisgerichtes Steyr zu 3 Cg 147/86 rechtskräftig geschieden. Mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluß des Bezirksgerichtes Grünburg vom 6. Oktober 1986, ON 10, wurden - nachdem zuvor ein diesbezügliches Einvernehmen zwischen den Elternteilen herbeigeführt worden ist - die Kinder Angelika U***, geboren am 20. Juni 1969, Rita U***, geboren am 13. März 1973, und Sarah U***, geboren am 13. September 1986, der Mutter Ingrid U*** in Pflege und Erziehung überwiesen. Rita und Sarah U*** werden im Haushalt der Ingrid U*** von der Mutter betreut. Die Mutter bewohnt mit den Kindern eine etwa 45 m2 große Wohnung, bestehend aus einer Wohnküche, einem Schlafzimmer, WC, Bad und Vorzimmer, wobei sie diese Wohnung vorübergehend mit der ältesten Tochter Angelika U*** und deren Bräutigam teilt; die Verlobten haben jedoch bereits eine andere Wohnung in Leonstein in Aussicht, so daß es sich hinsichtlich der gemeinschaftlichen Wohnung nur um eine Übergangslösung handelt. Der Vater lebt derzeit alleine im Haus Leonstein 369, wobei er seit einiger Zeit arbeitslos ist. Das Verhältnis zwischen dem Vater Heinrich U*** und der mj. Rita U*** ist noch aus der Zeit der aufrechten Ehe der Eltern belastet, zumal es seinerzeit im Zusammenhang mit dem Alkoholkonsum des Vaters immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen diesem und der Tochter Rita gekommen war. Dieses Verhältnis ist nach wie vor gespannt und es besteht ein Abstand zwischen dem Vater und der Tochter Rita. Rita U*** kann sich nicht vorstellen, bei ihrem Vater zu wohnen, und sprach sich gegen eine Zuweisung in die Pflege und Erziehung des Vaters aus. Hingegen fühlt sie sich bei ihrer Mutter wohl und gut aufgehoben. Sie besucht gegenwärtig das Realgymnasium in Kirchdorf a.d. Krems. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht aus, eine Übertragung der Rechte und Pflichten gemäß § 144 ABGB hinsichtlich des Kindes Rita an den Vater entspreche nicht dem Kindeswohl. Bezugsperson für das Kind sei die Mutter. Das Kind fühle sich bei der Mutter auch gut aufgehoben. Hingegen sei das Verhältnis zum Vater von Spannungen getrübt. Es sei nicht erkennbar, daß beim Vater bessere Voraussetzungen für die Entwicklung des Kindes vorlägen als bei der Mutter. Schließlich sei es auch der - im Ergebnis - ernstzunehmende Wunsch des Kindes, weiter in Pflege und Erziehung der Mutter zu bleiben. Dieser Wunsch des Kindes entspreche schließlich auch seinem Wohl. Die vom Vater ins Treffen geführte Raumnot bei der Mutter sei nur vorübergehender Natur. Da eine Zuweisung des Kindes zum Vater zumindest nicht vorteilhafter sei als ein Belassen des Kindes so wie schon bisher bei der Mutter, sei der Antrag des Vaters abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs des Vaters blieb erfolglos; das Gericht zweiter Instanz übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes und führte aus, das Rekursvorbringen ziele im wesentlichen darauf ab, daß die Mutter ihren Aufgaben innerhalb der - seinerzeitigen - Familie nur unzulänglich entsprochen habe und daß sie auch - allerdings ohne nähere Konkretisierung - psychische Defekte habe. Wenn das Kind sich dafür ausgesprochen habe, daß es bei der Mutter bleiben wolle, sei es dazu - nach Ansicht des Vaters - nur von der Mutter "aufgehetzt" worden. Überhaupt würde ein Gutachten eines psychiatrischen Sachverständigen ergeben, daß die Mutter zur Kindererziehung nicht geeignet sei.
Diesen Ausführungen sei entgegenzuhalten, daß das Erstgericht ausführlich und sorgfältig die Grundsätze für eine Entscheidung im Sinne des § 144 ABGB im allgemeinen unter zutreffender Anführung der dazu vorliegenden Rechtsprechung dargelegt habe. Dazu komme aber, abgestellt auf den vorliegenden konkreten Fall, daß das Erstgericht nicht nur beide Elternteile unmittelbar vernommen habe, sondern auch das Kind Rita. Das Erstgericht sei daher in der Lage gewesen, sich einen persönlichen Eindruck von allen Beteiligten zu verschaffen. Wenn das Erstgericht auf Grund dieses persönlichen Eindruckes sich ein Bild von der Erziehungssituation gemacht habe, sei dies nach verfahrensrechtlichen Grundsätzen durchaus zu billigen. Hätte das Erstgericht auf Grund des persönlichen Eindruckes Bedenken gegen die Erziehungstüchtigkeit der Mutter gehabt, dann hätte sich dies im Akteninhalt niedergeschlagen; dies sei aber nicht der Fall. Dem Erstgericht sei durchaus darin beizupflichten, daß die Vorwürfe des Vaters gegen die Mutter weitestgehend unsubstantiiert geblieben seien. Davon, daß das Kind Rita von der Mutter einseitig beeinflußt worden wäre, sich dafür auszusprechen, nicht zum Vater zu wollen, sei nach der Aktenlage keinerlei Anhaltspunkt zu gewinnen. Es sei auch hier nur neuerlich auf den unmittelbaren persönlichen Eindruck zu verweisen, den sich das Erstgericht vom Kind auch zu verschaffen vermochte. Das Argument schließlich, daß der Vater das Kind bei sich haben wolle, weil die Mutter ja auch Kinder bei sich habe, sei nach der Rechtslage, die das Wohl des Kindes beachte, nicht tragfähig. Schließlich sei der Vater auch darauf zu verweisen, daß ohnehin erst mit Beschluß des Erstgerichtes vom 6. Oktober 1986 im Sinne des § 144 ABGB dahin entschieden wurde, daß die Kinder bei der Mutter zu verbleiben haben. Daß seit diesem Beschluß gravierende Änderungen eingetreten wären, sei aber im Verfahren nicht hervorgekommen. Die bereits oben erwähnte, vom Vater auch zur Argumentation herangezogene räumliche Beengtheit in der Wohnung der Mutter sei nach den erstgerichtlichen Feststellungen, da nur vorübergehend, nicht von Belang.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem den Ausführungen zu entnehmenden Antrag, in Abänderung des Beschlusses des Rekursgerichtes ihm die Rechte und Pflichten gemäß § 144 ABGB hinsichtlich der mj. Rita zu übertragen; soweit der Vater auch eine Übertragung dieser Rechte und Pflichten hinsichtlich der mj. Sarah anstrebt und die "Frage der Alimentation geklärt sehen möchte", waren diese Fragen nicht Gegenstand der Entscheidung des Rekursgerichtes, so daß auf die diesbezüglichen Rechtsmittelausführungen nicht einzugehen war. Der Vater führte in seinem Rechtsmittel aus, der Beschluß des Rekursgerichtes stütze sich nur auf die Aussagen seiner geschiedenen Ehegattin, das Erstgericht habe deren "Verleumdungen" mehr Glauben geschenkt als seinen Angaben. Es sei auch nicht berücksichtigt worden, daß seine geschiedene Frau Schulden "in der Höhe eines halben Hauses" gemacht und die Kinder um ihren Erbteil gebracht habe. Er trinke keinen Alkohol, die Kinder kämen gerne zu ihm und seiner jetzigen Lebensgefährtin; seine Tochter Rita sei nicht mehr in Pflege seiner geschiedenen Gattin, sondern "laut Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf/Krems vom 26. November 1987" bei der ehemaligen Pflegemutter Hedwig S*** in Leonstein. Die mj. Rita fühle sich bei ihrer Mutter nicht wohl, auch die Verhältnisse bei der Mutter seiner geschiedenen Gattin seien nicht gut.
Zu diesem Vorbringen ist folgendes auszuführen: Da das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigte, ist der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 16 Abs 1 AußStrG nur im Falle einer unterlaufenen offenbaren Gesetzwidrigkeit, einer Aktenwidrigkeit oder aber einer Nichtigkeit zulässig. Der Rechtsmittelwerber macht keinen der Anfechtungsgründe ausdrücklich geltend; seinen Ausführungen ist jedoch in keiner Weise die Geltendmachung der Anfechtungsgründe der Nichtigkeit und der Aktenwidrigkeit zu entnehmen, sie lassen sich vielmehr noch am ehesten im Sinne einer Heranziehung des Anfechtungsgrundes der offenbaren Gesetzwidrigkeit deuten. Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung nur vor, wenn ein Fall im Gesetz so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde, oder wenn die Entscheidung mit den Grundprinzipien des Rechts im Widerspruch steht (EFSlg 47.208, 42.328, 42.327 u.a.). Nach ständiger Rechtsprechung (SZ 51/136 u. v.a.) dürfen die einem Elternteil zugewiesenen Elternrechte nur dann auf den anderen übertragen werden, wenn die Voraussetzungen des § 176 Abs 1 ABGB vorliegen, also das Wohl des Kindes gefährdet ist. Eine Entscheidung nach § 176 Abs 1 ABGB beruht weitgehend auf Ermessensübung und könnte deshalb mit einem nach § 16 Abs 1 AußStrG zu beurteilenden Rechtsmittel nur dann mit Erfolg bekämpft werden, wenn die Vorinstanzen das Wohl des Kindes außer acht gelassen hätten und deshalb willkürlich vorgegangen wären (EFSlg 44.660 u.a.). Hiebei ist von den im Rahmen eines Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG nicht mehr anfechtbaren Feststellungen der Tatsacheninstanzen auszugehen (EFSlg 49.922 u.a.). Eine Bekämpfung der Beweiswürdigung ist in einem Revisionsrekurs nach § 16 AußStrG unzulässig (EFSlg 49.923 u.a.). Ausgehend von den vom Rekursgericht übernommenen Feststellungen des Erstgerichtes, nach welchen insbesondere das Verhältnis zwischen dem Vater und der minderjährigen Rita noch aus der Zeit der aufrechten Ehe der Eltern belastet und nach wie vor gespannt ist, die mj. Rita sich nicht vorstellen kann, bei ihrem Vater zu wohnen, und auch beim Erstgericht sich gegen die Zuweisung in die Pflege und Erziehung des Vaters ausgesprochen hat, während sie sich bei ihrer Mutter wohl und gut aufgehoben fühlt, im Zusammenhang mit dem Umstand, daß keiner der vom Vater gegen die Mutter erhobenen Vorwürfe einer Vernachlässigung der elterlichen Pflichten von den Vorinstanzen als erwiesen angenommen wurde, lassen sich den Verfahrensergebnissen keine Anhaltspunkte für eine Gefährdung des Wohles der minderjährigen Rita bei einem Weiterverbleiben bei der Mutter entnehmen. Von einer Außerachtlassung des Kindeswohles durch die Vorinstanzen kann daher keine Rede sein. Die Behauptungen des Vaters, die mj. Rita befinde sich derzeit nicht mehr bei der Mutter, sondern bei ihrer ehemaligen Pflegemutter Hedwig S***, stellt eine im Rahmen eines Revisionsrekurses nach § 16 AußStrG unzulässige Neuerung dar (EFSlg 49.921 u.a.), auf die daher nicht einzugehen war.
Da der Rechtsmittelwerber somit keine offenbare Gesetzwidrigkeit der Entscheidung des Rekursgerichtes aufzuzeigen vermochte, die anderen Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG aber gar nicht geltend gemacht wurden, war der Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.
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