OGH 7Ob709/87

OGH7Ob709/874.2.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Wurz, Dr.Warta, Dr.Egermann und Dr.Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei D*** Realitätenvermittlungs GesmbH, Wien 1., Schwedenplatz 2, vertreten durch Dr.Otto Schubert sen. und Dr.Otto Schubert jun., Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei P*** Beteiligungsverwaltungen GesmbH, Wien 7., Schottenfeldgasse 8, vertreten durch Dr.Helfried Rustler, Rechtsanwalt in Wien, wegen restlicher 3,456.503,15 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 7.Mai 1987, GZ 1 R 195/86-62, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30. Juni 1986, GZ 14 Cg 51/86-44, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 25.590,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 2.400 S Barauslagen und 2.108,25 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Unternehmens der beklagten Partei ist die Beteiligung an anderen Unternehmungen und die Verwaltung von Beteiligungen. Zu diesem Zweck werden von der beklagten Partei gegen Ausgabe von Mitunternehmerscheinen Treuhandgelder übernommen. Mit Vereinbarung vom 22.Mai 1981 (Beilage D) übertrug die beklagte Partei der klagenden Partei den exklusiven Verkauf der Mitunternehmerscheine. Der die Provision der klagenden Partei betreffende Punkt 3. dieser Vereinbarung hat folgenden Wortlaut: Die Höhe der Maklerprovision beträgt 12 % des Zeichnungskapitals und ist in folgender Form von der P*** auszubezahlen und fällig:

a) Bei Einmalzahlung 12 % der Vertragssumme spätestens 4 Monate nach Eingang der ersten Zahlung des Darlehensgebers;

b) bei Vermögensaufbauplan mit 10jähriger Laufzeit 12 % der Vertragssumme beginnend nach Einlangen der dritten Ansparrate, dermaßen, daß alle weiteren Einzahlungen des Zeichners so lange in voller Höhe an den Makler zur Auszahlung kommen, bis die Provision bezahlt ist;

c) bei Vermögensaufbauplan mit 20jähriger Laufzeit wie vorhin, jedoch beginnend nach Einlangen der vierten Ansparrate. Gestützt auf diese Vereinbarung begehrt die klagende Partei eine Provision von zuletzt 3,560.935,83 sA.

Die beklagte Partei machte unter anderem das Vorliegen eines Kalkulationsirrtums und den Wegfall der Geschäftsgrundlage geltend (nur mehr diese beiden Einwendungen sind Gegenstand des Revisionsverfahrens). Sie behauptete, die klagende Partei habe ein Zeichnungsvolumen von 300 Millionen S und ein Barzeichnungsvolumen von 30 Millionen S zugesagt. Die beklagte Partei habe diese Zusage ihrer Provisionskalkulation zugrunde gelegt und der klagenden Partei dargelegt. Das zugesagte Zeichnungsvolumen sei bei weitem nicht erreicht worden, weil die klagende Partei ihre Tätigkeit lediglich auf 3 Bundesländer beschränkt habe.

Das Erstgericht sprach der klagenden Partei den begehrten Provisionsbetrag samt 5 % Zinsen seit 1.Jänner 1985 zuzüglich Umsatzsteuer zu und wies das gestaffelte Zinsenmehrbegehren für die Zeit vor dem 1.Jänner 1985 ab. Nach seinen Feststellungen wurde ein Kündigungsmöglichkeit bei "Vermögensaufbauplänen" nicht erörtert. Über den Umfang der Maklertätigkeit der klagenden Partei und des zu vermittelnden Volumens wurde zwar vor Unterfertigung des Maklervereinbarung Beilage D gesprochen, Ing.Herbert F***, der die Gespräche für die beklagte Partei führte, hatte diesen Äußerungen jedoch nicht vollinhaltlich Glauben geschenkt, sie wurden nicht Geschäftsgrundlage. Ein bestimmtes Verkaufsvolumen wurde von Seiten der klagenden Partei nicht zugesagt.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes werde die Provisionspflicht der beklagten Partei mangels anderslautender Vereinbarung durch die nachträgliche Stornierung von "Vermögensaufbauplänen" nicht berührt. Die Provisionspflicht sei an den Vertragsabschluß und nicht an die Vertragstreue des Kunden geknüpft. Die beklagte Partei sei nicht verpflichtet gewesen, abgeschlossene Verträge im Einvernehmen mit dem Kunden zu lösen. Der Irrtum der beklagten Partei liege nur darin, daß das Geschäft nicht so günstig, wie von ihr erhofft, verlaufen sei.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, daß es der klagenden Partei 3,456.503,15 S samt stufenweisen Zinsen zusprach und das Mehrbegehren von 145.872,90 S sA abwies. Das Berufungsgericht übernahm nach einer Beweiswiederholung und Beweisergänzung die Feststellungen des Erstgerichtes, insbesondere die Feststellung, daß von der klagenden Partei keine Zusagen über ein bestimmtes Verkaufsvolumen gemacht wurden. Als nicht erwiesen nahm das Berufungsgericht an, daß die beklagte Partei ihre interne Kalkulation der klagenden Partei offen legte und mit dieser erörterte und daß nach der Parteienabsicht nur für voll erfüllte Verträge Provisionspflicht bestehen sollte.

In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, daß ein bei der Kalkulation unterlaufener Irrtum dann als Geschäftsirrtum relevant sei, wenn die Kalkulationsgrundlagen Vertragsinhalt geworden seien. Dies setze voraus, daß die Kalkulationsgrundlagen dem Vertragspartner offen gelegt würden und Einvernehmen darüber bestehe, daß das Geschäft auf dieser Basis erfolgen solle. Hingegen liege ein unerheblicher Motivirrtum vor, wenn ein Teil sonst die Höhe der von ihm zu tragenden Kosten oder den von ihm zu tätigenden Aufwand falsch einschätze. Im vorliegenden Fall treffe letzteres zu, weil die Kalkulationsgrundlagen nicht offen gelegt und die Kalkulation nicht zum Inhalt des Geschäftes gemacht worden sei. Nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage sei eine Partei an das Geschäft dann nicht gebunden und könne dessen Anpassung begehren, wenn eine Voraussetzung nicht zutreffe, die stets einem Geschäft von der Art des geschlossenen zugrunde gelegt werde. Für eine Provisionsvereinbarung von 12 % bei einem Makler- oder Handelsvertretervertrag stelle die Erzielung eines bestimmten Umsatzes seitens des Geschäftsherrn keine Voraussetzung in diesem Sinne dar. Überdies könne sich eine Partei auf das Nichtvorhandensein oder auf den Wegfall einer typischen Voraussetzung dann nicht berufen, wenn diese - wie im vorliegenden Fall - sich auf Tatsachen der eigenen Sphäre beziehen. Ferner sei eine Berufung auf eine Änderung der Sachlage dann nicht gerechtfertigt, wenn mit der Möglichkeit einer Änderung gerechnet werden müsse. Letzteres treffe hier zu.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der beklagten Partei ist nicht berechtigt.

Wenn die Revision zur Frage des Kalkulationsirrtums davon ausgeht, daß die beklagte Partei der klagenden Partei die gesamten Kalkulationsgrundlagen offen gelegt habe und die klagende Partei der beklagten Partei zugesagt habe, Beteiligungen in einem solchen Umfang vermitteln zu können, daß die Provision in der versprochenen Höhe erwirtschaftet werden könne, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt und ist nicht gesetzmäßig ausgeführt. Eine Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen durch die beklagte Partei und ein Einvernehmen darüber, daß das Geschäft auf dieser Basis erfolgen solle, hat das Berufungsgericht ausdrücklich nicht als erwiesen angenommen (AS 319, ON 62). Auf dieser Sachverhaltsgrundlage hat aber das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit Lehre und Rechtsprechung (Rummel in Rumml, ABGB, Rz 12 zu § 871 mwN; RZ 1987/21 mwN) das Vorliegen eines beachtlichen Kalkulationsirrtums zu Recht verneint, so daß auch der Frage der Vertragsanpassung bei wesentlichem Irrtum keine Bedeutung mehr zukommt.

Zur Frage des Wegfalls der Geschäftsgrundlage wird die Richtigkeit der vom Berufungsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegten maßgeblichen Rechtsgrundsätze von der Revision ausdrücklich zugestanden. Die Rechtsrüge geht aber auch hier nicht vom festgestellten Sachverhalt, sondern davon aus, daß die klagende Partei ein bestimmtes Verkaufsvolumen zugesagt habe. Eine solche Zusage wurde aber von den Vorinstanzen ausdrücklich verneint. Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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