OGH 9ObA125/87

OGH9ObA125/8727.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Robert Müller und Dr.Gerhard Dengscherz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Franz Kilian O***, Versicherungskaufmann, Niklasdorf, Proleb 231, vertreten durch Dr.Reinhard Tögl, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei W*** A*** Versicherungs-AG, Landesdirektion Steiermark/Nord, Leoben, Gösserplatz 1, vertreten durch Dr.Herwig Trnka, Rechtsanwalt in Leoben, wegen S 7.000 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23.April 1987, GZ 8 Ra 1036/87-22, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Leoben vom 18.Dezember 1986, GZ Cr 77/85-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 1.812,80 (darin S 164,80 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der seit 2.November 1970 bei der Beklagten als Versicherungsangestellter im Außendienst beschäftigte Kläger war seit 1976 als Organisations-Bereichsleiter für den Bereich Judenburg, wo die Beklagte ein Stadtbüro unterhält, tätig. Mit Dienstvertrag vom 17.August 1979 vereinbarten die Streitteile eine Beschäftigung des Klägers als Inspektor im Außendienst, und es wurde ihm das etwa 10 km von Judenburg entfernte Zeltweg zur unmittelbaren Werbung und Betreuung von Kunden der Beklagten zugewiesen. Der Kläger mietete in Zeltweg ein Geschäftslokal, für dessen Kosten die Beklagte zur Gänze aufkam. Der Kläger zahlte lediglich für die Gelegenheit, in einem Nebenraum übernachten zu können, zusätzlich S 200. Wegen der örtlichen Nähe zu Judenburg hätte der Kläger seine Aufgaben auch vom dortigen Stadtbüro aus erfüllen können. Es wäre aber erforderlich gewesen, in Zeltweg zu wohnen, um die Kunden besser betreuen zu können. Anfang des Jahres 1983 gab der Kläger sein bisheriges Büro auf und mietete in Zeltweg ein anderes Geschäftslokal. Die Beklagte weigerte sich, für die Kosten dieses neuen Büros zur Gänze aufzukommen.

Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger von der Beklagten den Ersatz seiner restlichen Aufwendungen für September und Oktober 1985 in Höhe von S 7.000. Er sei von der Beklagten aufgefordert worden, neuerlich ein Büro in Zeltweg einzurichten; der Ersatz der Kosten sei ihm zugesichert worden. Dennoch habe ihm die Beklagte nur einen monatlichen Beitrag von S 800, der zudem der Lohnsteuer und der Sozialversicherung unterlegen sei, gewährt. Mit dieser Kürzung sei er nie einverstanden gewesen.

Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Sie habe es zwar toleriert, daß sich der Kläger in Zeltweg einen privaten Stützpunkt eingerichtet habe, doch seien ihre Zahlungen dafür stets ohne Präjudiz und jeweils längstens für ein Jahr geleistet worden. Ende des Jahres 1982 habe sie dem Kläger mitgeteilt, daß sie ihre diesbezüglichen Zusagen nicht mehr aufrecht erhalten könne, und habe dem Kläger die Gewährung eines erfolgsorientierten Zuschusses vorgeschlagen. Obwohl der Kläger mangels eines Prämienzuwachses die Voraussetzungen eines Zuschusses nicht erbracht habe, sei ihm ein monatlicher Beitrag von S 800 gewährt worden. Mit dieser Änderung sei der Kläger einverstanden gewesen und er habe durch nahezu 3 Jahre keine Beschwerden gegen die neue Regelung vorgebracht. Er habe keinerlei Auftrag erhalten, in Zeltweg ein neues Büro einzurichten und es stehe ihm jederzeit frei, seine private Geschäftsstelle aufzugeben, da er ohnehin seinen Arbeitsplatz in Judenburg habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, daß die Beklagte dem Kläger weder einen Auftrag zur Errichtung eines Privatbüros erteilt, noch eine Zusage zur Tragung der Kosten gemacht habe. Der Kläger habe aus eigener Initiative und aus eigenem Interesse gehandelt; er habe daher die aufgelaufenen Kosten für sein Privatbüro in Zeltweg selbst zu tragen. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Es traf nach teilweiser Beweiswiederholung noch folgende wesentliche Feststellungen:

Der Kläger erklärte im Herbst 1982 gegenüber der Beklagten, daß er mit seiner bisherigen Geschäftsstelle nicht zufrieden sei, da es im Haus einen Hund gebe, der ihm die Kunden vertreibe. Der damalige Betriebsleiter der Beklagten, Mag.Gerhard J***, meinte sinngemäß, daß es angebracht sei, wenn der Kläger in Zeltweg wiederum ein Büro aufmache; er solle sich erkundigen, welche Kosten dafür auflaufen würden. Der Kläger fragte, was die Beklagte für die Errichtung einer neuen Geschäftsstelle zahlen werde. Mag. J*** erwiderte ihm, daß gemäß den Richtlinien, welche die Landesdirektion herausgebe, vorzugehen sei. Der Kläger könne je nach der Anzahl der geworbenen Kunden einen Kostenzuschuß erhalten.

Mit Schreiben vom 8.November 1982 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sie sich wegen Schwierigkeiten mit der Finanzbehörde und im Hinblick auf die Vergleichbarkeit leistungsgerechter Entlohnung veranlaßt sehe, die bestehenden Zusagen über die Finanzierung privater Geschäftsstellen bis Jahresende 1982 auslaufen zu lassen. Ab Jänner 1983 werde dem Kläger eine leistungsabhängige Zulage gewährt werden. In weiteren Schreiben vom 7.Dezember 1982 und 27. Dezember 1982 wurde dem Kläger eine vom Bestandzuwachs unabhängige finanzielle Unterstützung von monatlich S 800 zugesichert und ihm eine einer vorgegebenen Prämienstaffel entsprechende Bonifikation nach dem Prämienzuwachs bis zum Höchstbetrag von S 20.000 in Aussicht gestellt. Der Kläger nahm dieses Schreiben zur Kenntnis. Er schloß mit der Raiffeisenkasse Pölstal einen am 1.Februar 1983 beginnenden Mietvertrag über ein Geschäftslokal in Zeltweg ab, für das er wertgesicherten Mietzins, Stromkosten, Telefonspesen und Reinigungskosten zu zahlen hat. Als die Beklagte im Februar 1985 auch die Zahlung des monatlichen Zuschusses von S 800 von der Erfüllung bestimmter Mindestgrenzen des Prämienbestandes abhängig machten wollte, intervenierte der Kläger, der eine Bonifikation nie erreichen konnte, beim Betriebsratsobmann Peter R***, worauf die bisherige Regelung aufrecht blieb. Die Beklagte hat 8 Arbeitnehmer im Außendienst, welche über private Geschäftsstellen verfügen. Alle diese Angestellten erhalten Zuschüsse zu den Kosten ihrer Privatbüros nur auf Grund von Provisionssteigerungen.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß es dahingestellt bleiben könne, ob der Kläger einen grundsätzlichen Anspruch auf Vergütung seiner Spesen habe, da es zwischen den Parteien zu einer Vereinbarung über die Gewährung eines Kostenzuschusses für das Privatbüro des Klägers gekommen sei. Die Beklagte hätte die frühere Geschäftsstelle des Klägers nicht weiter finanzieren können, da dieses Büro aufgegeben worden sei. Nicht die Beklagte habe eine Kostenzusage widerrufen, sondern der Kläger selbst habe im Zuge des Wechsels des Geschäftslokals die Frage der Finanzierung aufgeworfen. Der Kläger habe das Angebot der Beklagten auf Zahlung eines leistungsorientierten Zuschusses - gleich den übrigen Mitarbeitern mit eigener Geschäftsstelle - zur Kenntnis genommen und über 2 Jahre keinerlei Einwendungen erhoben. Obwohl zum Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung noch nicht hätte gesagt werden können, daß sie für den Kläger von Nachteil sein werde, hätte sich der Kläger auch im Fall einer zwingenden Mindesterfordernissen entsprechenden Verschlechterungsvereinbarung nicht verschweigen dürfen, um nicht durch eine spätere Einklagung der Gesamtkosten einen Verstoß gegen Treu und Glauben herbeizuführen. Gegen dieses Urteil richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision des Klägers mit dem auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne des Klagebegehrens gerichteten Antrag. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragte in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor, da die Lösung der Frage, "in welcher Form der Kläger gegenüber der Beklagten seine Zustimmung zu den Abänderungsvorschlägen erteilt haben sollte", in den Bereich der rechtlichen Beurteilung fällt.

In seiner Rechtsrüge vertritt der Revisionswerber im wesentlichen die Ansicht, daß es zwischen den Parteien zu keiner ausdrücklichen oder schlüssigen Neuregelung der Höhe des Zuschusses zu den Kosten des Privatbüros gekommen sei und die Beklagte dem Kläger daher sämtliche damit im Zusammenhang stehenden Aufwände gemäß § 1014 ABGB zu ersetzen habe. Es trifft zwar zu, daß die Beklagte die seit 1979 gehandhabte Finanzierung des Privatbüros des Klägers in Zeltweg schon unter dem Aspekt der Unzulässigkeit einer Teilkündigung (vgl. Floretta in FlorettaSpielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2 I 192; Arb. 9.609 mwH) nicht ohne weiteres einseitig widerrufen hätte können. Eine nähere Prüfung, inwieweit die regelmäßige Übernahme der Kosten den von der Beklagten behaupteten Charakter der Freiwilligkeit und Unpräjudizialität verloren hatte und dem Kläger ein Anspruch auf Weiterzahlung dieser Kosten erwachsen ist (Arb. 9.427 mwH), kann aber entfallen, wenn - der Kläger bestreitet dies - vom Vorliegen einer zulässigen vertraglichen Neuregelung auszugehen ist.

Das Angestelltengesetz enthält keine Bestimmung über den Ersatz von Spesen, die dem Angestellten durch seine berufliche Tätigkeit erwachsen. Kraft Verweisung des § 42 AngG auf die Vorschriften des allgemeinen bürgerlichen Rechts über den Dienstvertrag und des § 1151 Abs 2 ABGB bezüglich solcher Arbeitsverhältnisse, mit denen eine Geschäftsbesorgung verbunden ist, auch auf § 1014 ABGB, hat der bevollmächtigte Angestellte Anspruch auf Ersatz des zur Besorgung des Geschäfts notwendig oder nützlich gemachten Aufwands (Martinek-Schwarz AngG6 § 10 Erl. 8; Jabornegg HVG § 12 Erl. 2). Die subsidiär heranzuziehenden gesetzlichen Vorschriften geben aber keinen Aufschluß darüber, welche Auslagen im einzelnen zu ersetzen sind (Martinek-Schwarz aa0 Erl. 9). Da die Bestimmung des § 1041 ABGB dispositiv ist, können diesbezüglich nähere konkretisierende, auch einschänkende, etwa pauschalierende Vereinbarungen getroffen werden (Strasser in Rummel ABGB §§ 1014, 1015 Rz 4 mwH). Der Kläger räumt dazu selbst ein, daß auf Grund der HÖhe seines Einkommens eine allfällige Verletzung kollektivvertraglicher Bestimmungen nicht in Betracht kommt. Richtig ist, daß Schweigen grundsätzlich keinen Erklärungswert hat und daher in der Regel nicht als Zustimmung gilt (Koziol-Welser I8 84). Ein solches lediglich auf Schweigen reduziertes Verhalten des Klägers ist aber nicht festgestellt. Der Kläger wollte vielmehr von sich aus das alte Büro aufgeben und sich ein anderes Geschäftslokal mieten. Daß er dabei selbst nicht davon ausging, daß die bisherige Finanzierungsregelung weitergelten sollte, zeigt seine Frage, was die Beklagte für die Errichtung einer neuen Geschäftsstelle zahlen werde. Daraufhin wurde ihm ab Herbst 1982 wiederholt und eindeutig mitgeteilt, daß künftige Zuschüsse leistungsorientiert gestaltet würden. In voller Kenntnis dieser eingeschränkten Zusagen und ohne dagegen in irgend einer Weise zu remonstrieren, gab der Kläger sein altes Büro auf, schloß ab 1.Februar 1983 einen Mietvertrag über ein neues Lokal und nahm in der Folge durch mehrere Jahre den von der Beklagten gewährten Kostenzuschuß von monatlich S 800 ohne Beanstandung entgegen. Obwohl er bereits seit 1.Juli 1984 dem Kreis der auch hinsichtlich der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses begünstigten Invaliden im Sinne der §§ 2 und 14 des Invalideneinstellungsgesetzes angehörte, verwahrte er sich noch im Februar 1985 lediglich dagegen, daß ihm der Zuschuß von S 800 ebenfalls nur leistungsabhängig gebühren sollte. Es ist daher dem Berufungsgericht darin beizupflichten, daß die Beklagte dem Erklärungsverhalten des Klägers nach den gesamten Umständen keine andere Bedeutung als die der Zustimmung zu der Neuregelung des Aufwandsersatzes beilegen konnte. Ob ein bestimmtes Verhalten als schlüssige Willenserklärung zu verstehen ist, hängt nicht davon ab, was der Erklärende wollte, sondern was der Erklärungsempfänger daraus nach Treu und Glauben erschließen durfte (JBl 1985, 620; 1987, 315 ua). Gegen die Annahme einer konkludenten Zustimmung zu der von der Beklagten vorgeschlagene Beitragsregelung kann auch nicht eingewendet werden, daß diesem Stillschweigen zufolge der abhängigen Stellung des Klägers grundsätzlich nicht die Bedeutung der Zustimmung beigelegt werden hätte können (vgl. Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht 223), da sich das Verhalten des Klägers - wie festgestellt - nicht allein in Stillschweigen erschöpfte und es hier nicht um einen Verzicht auf bereits erworbene, durch keine Gegenleistung mehr bedingte Ansprüche des Klägers ging, sondern um eine durch den Wechsel der privaten Geschäftsstelle erforderlich gewordene, die Rechtstellung für die Zukunft im Ergebnis zum Teil verschlechternde Regelung des Kostenzuschusses (vgl. Arb. 10.303 mwH). Daß eine solche Regelung nur ausdrücklich, nicht aber auch konkludent erfolgen hätte dürfen, steht mit der Bestimmung des § 863 ABGB nicht im Einklang (Koziol-Welser aa0 83 ff).

Was schließlich den Einwand des Revisionswerbers betrifft, das Angebot des Beklagten sei sittenwidrig und wucherisch gewesen, übersieht er, daß er mit der Neuregelung keineswegs schlechter gestellt wurde als die anderen vergleichbaren Arbeitnehmer der Beklagten und er im Gegensatz zu diesen weiterhin einen festen, nicht leistungsbezogenen regelmäßigen monatlichen Zuschuß erhält. Die Beklagte kann auch entgegen seiner Ansicht wegen der sie treffenden Fürsorgepflicht nicht vereinbart werden, entgegen der Vereinbarung für Kosten eines privaten Büros aufzukommen, die zum erbrachten Prämienbestand in keinem Verhältnis stehen. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

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