OGH 10Ob526/87

OGH10Ob526/8712.1.1988

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier, Dr.Angst, Dr.Bauer und Dr.Kellner als Richter in der Vormundschaftssache der mj. Brigitte F***, geb. 20.Juli 1979, und in der Pflegschaftssache der mj. Ulrike F***, geb. 25.November 1981, infolge Revisionsrekurses der Mutter Helma F***, Lehrerin, 8552 Haselbach 49, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgerichtes vom 20.Oktober 1987, GZ. 1 R 328,329/87, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Eibiswald vom 23.September 1987, GZ. P 108/82-112, und vom 24. September 1987, GZ. P 108/82-113, bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die am 20.Juli 1979 geborene Brigitte F*** (früher B***) ist die uneheliche Tochter der Helma F*** und des Karl H***, der mit Beschluß vom 15.Mai 1984 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 1.000,-- verpflichtet wurde. Mit Beschluß vom 30.Dezember 1985 wurde Unterhaltsvorschuß in dieser Höhe gewährt.

Die am 25.November 1981 geborene Ulrike F*** ist das eheliche Kind der Helma F*** und des am 4.Oktober 1982 verstorbenen Franz F***.

Nach einer Gendarmerieintervention am 28.August 1987 wegen eines Vorfalles im Haus der Kindesmutter, die anschließend in das Landessonderkrankenhaus für Psychiatrie und Neurologie in Graz eingeliefert wurde, wurden die beiden Kinder zunächst zu einer Bekannten der Mutter zur Betreuung gebracht und am 4.September 1987 bei dem Ehepaar Vinzenz und Theresia K*** in 8453 Aichberg 94, einem von der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz überprüften und genehmigten Pflegeplatz, untergebracht.

Die Bezirkshauptmannschaft Leibnitz beantragte, die Unterbringung der beiden Kinder als Maßnahme der Erziehungshilfe gemäß § 26 Abs.2 JWG gerichtlich zu genehmigen. Die Eignung der Mutter zur Pflege und Erziehung ihrer beiden Kinder sei wegen ihrer Trunksucht zu verneinen.

Das Erstgericht genehmigte mit Beschluß vom 23.September 1987 die Unterbringung der Kinder bei den genannten Pflegeeltern und sprach mit Beschluß vom 24.September 1987 aus, daß der gewährte Unterhaltsvorschuß mit 30.September 1987 einzustellen sei.

Es ging im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Die mj. Brigitte war bereits im Jahr 1980 wegen der Trunksucht der Mutter und Verwahrlosung des Haushaltes beim Ehepaar K*** untergebracht. Mehrere Anträge auf Rückgabe der Tochter wurden auf Grund einer Reihe von Berichten über weiteren Alkoholmißbrauch abgewiesen. Nach der Heirat der Mutter mit Franz F*** und der Geburt der Tochter Ulrike wurde die genehmigte Erziehungshilfe aufgehoben und Brigitte der Mutter am 8.September 1982 zurückgegeben. Die Fürsorgeberichte in den Jahren 1986 und 1987 zeigten Schwierigkeiten in der Pflege und Erziehung der beiden Kinder, verwahrlosten Haushalt, Beschwerden der Nachbarn über Alkoholexzesse der Mutter, deren Uneinsichtigkeit gegenüber behördlichen Kontrollen und Maßnahmen auf. Am 27.August 1987 kam es nach der Anzeige des Gendarmeriepostenkommandos Eibiswald zu einem Trinkgelage der Mutter mit einer 70jährigen Nachbarin, bei welchem auch die beiden Kinder zugegen waren, in dessen Verlauf sich die Mutter der alten Frau unsichttlich genähert haben soll, diese in ihrem Haus einsperrte und erst am nächsten Morgen nach Intervention der Nachbarn über deren Hilferufe freiließ. Nach Intervention der Gendarmerie und einer Fürsorgerin wurden die Kinder zunächst bei einer Bekannten der Mutter untergebracht, diese kam ins Landessonderkrankenhaus Graz, wo sie bis 9.September 1987 wegen einer abnormen Reaktion bei Alkoholabusus in stationärer Behandlung war.

Die Mutter, die sich gegen die Erziehungsmaßnahme ausgesprochen hatte, kämpfe zwar gegen ihre Veranlagung zum Alkoholmißbrauch an, verspreche Besserung und halte dann eine gewisse Zeit durch. Dazwischen lägen jedoch Zeiten, in denen sie nicht einmal in der Lage sei, für sich selbst zu sorgen, wieder dem Alkohol verfalle und körperlich verwahrlose. Dadurch sei das Wohl ihrer Kinder im höchsten Maß gefährdet.

Die Unterhaltsvorschußgewährung für die mj. Brigitte sei einzustellen, weil ein Anspruch auf Vorschüsse gemäß § 2 Abs.2 Z 2 UVG dann nicht bestehe, wenn das Kind auf Grund einer Maßnahme der Jugendwohlfahrtspflege bei Pflegeeltern untergebracht sei. Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Mutter gegen beide Beschlüsse keine Folge. Es sei eine wesentliche Pflicht des Erziehungsberechtigten, für die ihrer Erziehungsgewalt Unterwofenen eine ruhige, ausgeglichene häusliche Lage zu schaffen, eine entsprechende Verpflegung und Versorgung der Kinder sicherzustellen und ihnen die erforderliche Anleitung und Führung aber auch entsprechende Kontrolle angedeihen zu lassen. Dazu sei die Mutter wegen ihres Verhaltens und ihrer charakterlichen Konstitution und mangelnden Problemeinsicht außer Stande. Eine begonnene Alkoholentziehungskur könne zwar der Beginn einer Haltungsänderung sein, eine solche müßte sich aber durch längere Zeit hindurch manifestieren um eine Rückgabe der Kinder ohne Schäden für sie zu rechtfertigen.

Gegen diese bestätigende Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Mutter wegen offenkundiger Verletzung von Verfahrensvorschriften und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 2 Abs.2 Z 5 AußStrG sind die Gerichte im außerstreitigen Verfahren verpflichtet, alle Umstände und Verhältnisse, welche auf die richterliche Verfügung Einfluß haben, von Amts wegen zu untersuchen. In dem Vorbringen der Mutter, die Vorinstanzen hätten es unterlassen, eine neuerliche jugendpsychologische Untersuchung der Kinder vorzunehmen (eine solche ist am 21.November 1986 und am 27. April 1987 erfolgt), den Vorfall vom 27./28.August 1987 genauer zu erheben und zu untersuchen, wie sie ihren Beruf als Handarbeitslehrerin ausübe - dort sei es zu keinen Unzukömmlichkeiten gekommen - liegt zunächst nur die Behauptung von Verfahrensmängeln.

Verstöße gegen verfahrensrechtliche Grundsätze können im Rahmen eines außerordentlichen Revisionsrekurses zufolge der Vorschrift des § 16 Abs.1 AußStrG nur wegen Nullität angefochten werden, ansonsten unterliegen sie als einfache Verfahrensmängel nicht der Überprüfung durch den OGH (EFSlg.39.783 uva).

Auf den Begriff der Nullität im § 16 Abs.1 AußStrG sind im allgemeinen die hiezu in der ZPO entwickelten Grundsätze unter Berücksichtigung der Besonderheiten des außerstreitigen Verfahrens sinngemäß anzuwenden (SZ 44/180 ua). In besonders gelagerten Fällen können auch andere als die durch sinngemäße Anwendung der Bestimmungen des § 477 ZPO als nichtig aufgreifbaren Verfahrensverstöße im Hinblick auf ihre einschneidende Bedeutung das Gewicht einer Nullität haben (SZ 43/228 ua). Davon könnte dann gesprochen werden, wenn die dem Gericht im Sinn des § 2 Abs.2 Z 5 AußStrG obliegende Stoffsammlung so mangelhaft geblieben wäre, daß dadurch die Grundprinzipien des Pflegschaftsverfahrens - hier das Wohl der Kinder - vollkommen außer Acht gelassen würden (EFSlg.30.551 ua).

Davon kann aber im vorliegenden Fall nicht gesprochen werden. Das Rekursgericht hat sich mit den Einwänden der Mutter, die nach ihrer Ansicht gegen eine Erziehungsmaßnahme nach § 26 Abs.2 JWG sprechen, auseinandergesetzt und ist auf Grund der Verfahrensergebnisse, insbesondere der vielfachen Berichte der Fürsorgerin, der Gendarmerieerhebungen und der amtspsychologischen Stellungnahmen zu dem Ergebnis gelangt, daß das Wohl der Kinder bei einem weiteren Verbleib bei der Mutter jedenfalls derzeit gefährdet wäre.

Ist eine Regelung nach den Umständen des Einzelfalles zu treffen, so vermag nicht schon der Vorwurf allein, daß nicht alle Umstände des Einzelfalles gebührend berücksichtigt oder im Rahmen der Beweiswürdigung gewichtet worden seien, die im § 16 AußStrG angeführte Rechtsmittelvoraussetzung der offenbaren Gesetzwidrigkeit zu begründen. Diese wäre nur gegeben, wenn die Bedachtnahme auf das Wohl der Kinder gänzlich unterblieben, das Rekursgericht zu einer klaren Gesetzeslage im Widerspruch geraten oder willkürlich vorgegangen wäre (EFSlg.30.571 uva).

Im vorliegenden Fall hat aber das Rekursgericht in seiner Entscheidungsbegründung unter Berücksichtigung aller Verfahrensergebnisse dargelegt, warum es die Anordnung einer Maßnahme nach § 26 JWG gerechtfertigt hält. Die Behauptung, daß diese Umstände zur Rechtfertigung einer solchen Maßnahme nicht ausreichen, vermag den Anfechtungsgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit im Sinne des § 16 AußStrG nicht herzustellen. Der außerordentliche Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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