Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Bescheid vom 26.September 1986 wies die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 12.August 1986 auf Gewährung eines Hilflosenzuschusses ab, weil die Pensionistin nicht hilflos im Sinne des § 105a ASVG sei.
Dagegen erhob die Klägerin rechtzeitig eine als "Einspruch" bezeichnete Klage, in der sie erkennbar die Zuerkennung des genannten Zuschusses begehrte.
Das Erstgericht wies die Klage ab.
Es stellte im wesentlichen fest, daß sich die am 4.März 1908 geborene Klägerin seit der Antragstellung allein an- und auskleiden, oberflächlich waschen, die Toilette aufsuchen und sich darnach reinigen, die Nahrung zubereiten und einnehmen, einfache Wäsche- und Wohnungsreinigungsarbeiten besorgen und einen Ofen warten könne, sofern das Brennmaterial zum Ofen gebracht werde. Sie könne auch für kurze Wegstrecken die Straße aufsuchen und kleinere Lebensmittelmengen einholen. Längere Wegstrecken könne sie nicht zurücklegen und auch keine öffentlichen Verkehrsmittel benützen. Die gründliche Wohnungs- und Wäschereinigung könne sie nicht selbst vornehmen. Zum Überqueren von Straßen brauche sie eine Begleitung. Deshalb bedürfe die Klägerin noch nicht ständig der Wartung und Hilfe.
Das Berufungsgericht gab der nur wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache erhobenen Berufung der Klägerin nicht Folge, weil es einen ständigen Bedarf nach Wartung und Hilfe verneinte. Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und den Anträgen, das angefochtene Urteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern, allenfalls die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Die nach § 46 Abs. 4 ASGG ohne die Beschränkungen des Absatzes 2 dieser Gesetzesstelle zulässige Revision ist nicht berechtigt. Nach der seit der Entscheidung vom 22.Oktober 1987, 10 Ob S 46/87, ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates liegt Hilflosigkeit im Sinne des § 105 a ASVG dann vor, wenn der Rentner oder Pensionist nicht in der Lage ist, auch nur einzelne dauernd wiederkehrende, lebensnotwendige Verrichtungen selbst auszuführen. Aus der Höhe und dem Zweck des Hilflosenzuschusses ergebe sich allerdings, daß ein Bedürfnis nach ständiger Wartung und Hilfe nur dann angenommen werden könne, wenn die für die notwendigen Dienstleistungen nach dem Lebenskreis des Leistungsbeziehers üblicherweise aufzuwendenden und daher nicht bis ins einzelne, sondern nur überschlagsmäßig (vgl. § 273 ZPO) festzustellenden Kosten im Monatsdurchschnitt mindestens so hoch seien wie der begehrte Zuschuß. Bei der Frage, ob es sich um notwendige Dienstleistungen handelt, müßten die dem Hilfsbedürftigen tatsächlich zur Verfügung stehenden Hilfsmittel berücksichtigt werden. Da jedoch auch von einem Hilflosen erwartet werden müsse, daß er einen Standard hält, der unter nicht hilflosen Beziehern gleich hoher Einkommen im selben Lebenskreis üblich sei, sei bei der Schätzung des notwendigen Dienstleistungsaufwandes mindestens dieser Standard zugrunde zu legen.
Daraus folgt, daß die in großstädtischen Verhältnissen lebende Klägerin nicht hilflos im Sinne des § 105 a ASVG ist. Die Klägerin braucht im wesentlichen für die gründliche Körperpflege und die gründliche Reinigung insbesondere der Wohnung, aber auch für alle anderen schwereren Arbeiten im Zusammenhang mit der Besorgung ihres Haushaltes sowie zum Überqueren von Straßen fremde Hilfe. Dabei ist zu berücksichtigen, daß größere Lebensmittelmengen und schwere sonstige Bedarfsgegenstände nicht täglich eingeholt werden müssen und daß auch die schweren Haushaltsarbeiten nicht täglich anfallen. Dies gilt auch für das Bereitstellen des Brennmaterials, weil die Klägerin über eine Gasetagenheizung verfügt. Unter diesen Umständen ist auszuschließen, daß für die erforderlichen Dienstleistungen im Monatsdurchschnitt mehr als 2.750 S aufgewendet werden müssen. So hoch wäre nämlich etwa der monatliche Durchschnitt des im Jahre 1986 gebührenden Mindesthilflosenzuschusses. Für die beim allfälligen Überqueren von Fahrbahnen erforderliche kurzfristige Hilfe sind keine Kosten einzusetzen, weil solche Dienste auch von fremden Menschen grundsätzlich unentgeltlich geleistet werden.
Der Revision war daher nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASGG.
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