OGH 3Ob586/87

OGH3Ob586/8716.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Dr. Angst als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Franz S***, Pensionist, und 2. Helga S***, Pensionistin, beide

5082 Grödig, Gartenstraße 18 und vertreten durch Dr. Günther Stanonik und Dr. Leopold Hirsch, Rechtsanwälte in Salzburg, wider die beklagte Partei Engelbert S***, Pensionist,

5541 Altenmarkt 47, vertreten durch Dr. Karl Ludwig Vavrovsky, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Aufhebung eines Kaufvertrages und restl. S 1,216.404,-- s.A (Streitwert im Revisionsverfahren S 1,216.404,--), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 31. August 1987, GZ 1 R 47/87-55, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 18. Dezember 1986, GZ 8 Cg 93/86-48, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 19.412,52 (darin S 1.764,77 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte hatte die Liegenschaft EZ 118 KG Neuberg mit dem 1949 errichteten Jugendheim "S*** HOF" in Filzmoos durch Zuschlag erworben. Er errichtete zu dem erst 1973 fertiggestellten Haus 1975 einen Zubau und verpachtete das Jugendheim. Als am 19.2.1979 wegen Erkrankung eines Gastes aus einer Jugendgruppe der Heimbetrieb vom Amtsarzt gesperrt und ein Mangel an der Wasserversorgungsanlage festgestellt worden war, entschloß sich der Beklagte zum Verkauf der Liegenschaft. Er betraute einen Immobilienmakler, der einen Kaufvertrag mit den beiden Klägern vermittelte. Wahrheitswidrig versicherte er bei den Vertragsgesprächen anläßlich der Besichtigung des Jugendheimes, die Kläger könnten den Betrieb sofort aufnehmen, und verschwieg ihnen, daß er von der Behörde darauf hingewiesen worden war, es müßten erst die Mängel behoben und die wasserrechtliche Bewilligung für die Trinkwasserversorgung und Abwasserbeseitigung erwirkt werden. Im Vertrauen auf die Zusagen des Beklagten kauften die Kläger die Liegenschaft um S 3,850.000,--, nahmen zur Ankaufsfinanzierung einen Hypothekarkredit von S 3,571.200,-- in Anspruch und eröffneten im Juni 1979 den Betrieb des Jugendheimes.

Schon zwei Wochen später untersagte die Behörde den Betrieb. Nun erst erfuhren die Kläger, daß die für die Erteilung der Konzession erforderliche wasserrechtliche Bewilligung fehlte. Sie erhielten erst am 19.11.1979 die Konzession, zugleich aber wurden wasserrechtliche Auflagen erteilt. Da die Nächtigungen hinter den Erwartungen zurückblieben, Aufwendungen zur Sanierung der Trinkwasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlage entstanden und die Zinsenlast drückend war, gerieten die Kläger immer mehr in finanzielle Bedrängnis und mußten schließlich hinnehmen, daß die Liegenschaft zur Hereinbringung der Forderungen der Finanzierungsbank neuerlich zwangsversteigert wurde. Am 3.6.1983 war das Jugendheim wegen Einsturzgefahr gesperrt worden, weil Teile der Holztramdeckenkonstruktionen durchgemorscht waren. Die Liegenschaft wurde am 29.6.1983 der betreibenden Bank, deren Forderungen mehr als S 4,100.000,-- betrugen, um das Meistbot von S 2,000.000,-- zugeschlagen.

Am 17.6.1983 brachten die Kläger gegen den Beklagten die auf Aufhebung des Kaufvertrages und auf Zahlung von S 1,942.244,-- gerichtete Klage ein.

Im ersten Rechtsgang wies das Erstgericht das Klagebegehren ab, weil aus Verschulden der Kläger die Zurückstellung des Kaufobjektes unmöglich geworden sei.

Den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes hat der Oberste Gerichtshof am 22.1.1986 zu 3 Ob 568/85 bestätigt und schon abschließend festgehalten, daß die Kläger den Kaufvertrag vom 28.5.1979 mit Erfolg nach § 870 ABGB anfechten können, weil sie der Beklagte durch List zum Abschluß dieses Vertrages veranlaßt hatte, ein Verzicht auf die Vertragsaufhebung nicht anzunehmen sei und die infolge der Zwangsversteigerung eingetretene Unmöglichkeit einer Rückabwicklung durch die Naturalrestitution der Geltendmachung des Rechtes auf Vertragsanfechtung nicht entgegensteht, weil sie dann eben dem Verkäufer den Wert des Kaufgegenstandes ersetzen müssen. Zugleich war in dieser Entscheidung eine Korrektur der für die Ermittlung der in Rückabwicklung des Kaufvertrages wechselseitig zu erbringenden Leistungen vorgegebenen Richtlinien erfolgt. Das Erstgericht hat im zweiten Rechtsgang zu I.1.) ausgesprochen, daß der Kaufvertrag vom 28.5.1979 aufgehoben wird, zu I.2.) den Beklagten verhalten, den Klägern S 1,252.244,-- sA zu bezahlen, und zu II.) das Mehrbegehren von S 690.000,-- und ein Zinsenmehrbegehren abgewiesen.

Diesem Urteil lagen im wesentlichen die folgenden ergänzenden Feststellungen zugrunde: Durch die Verzögerung der Fertigstellung des Gebäudes von 1949 bis 1973 waren bei Kaufvertragsabschluß Schäden an den Holztramdecken vorhanden, die zum Vermorschen führten. An der Nordwestecke des Bauwerks war es zu Setzungen gekommen, die noch nicht zum Stillstand kamen. Die Ursache der Setzung liegt entweder in einem vor 1979 eingeleiteten Vermorschen der Pfahlgründung oder in einem schon bei deren Errichtung vorgefallenen Baufehler. Der Wert der Liegenschaft lag am 31.5.1979 mit Berücksichtigung aller zur Behebung der damals vorhandenen Mängel erforderlichen Aufwendungen bei S 2,190.000,--, der Wert des Inventars betrug S 500.000,--. Die Kläger haben an den Beklagten den Kaufpreisteilbetrag von S 3,380.000,-- bezahlt. Sie wendeten im Zusammenhang mit dem Kauf S 136.290,-- an Vermittlungsprovision, S 269.541,-- an Grunderwerbssteuer, S 71.230,-- an Vertragserrichtungskosten und S 85.183,-- an Eintragungsgebühr auf. Bei der rechtlichen Beurteilung hielt sich das Erstgericht an die überbundenen Rechtsansichten, verneinte daher ein Mitverschulden der Kläger an der Unmöglichkeit der Zurückstellung des Kaufgegenstandes und zog von den Aufwendungen der Kläger den an die Stelle der Liegenschaft getretenen Wert zur Zeit der Übergabe an sie ab, in welchem sich die damals vorhandenen und später entdeckten Baumängel entsprechend niederschlugen. Der Beklagte habe den Klägern den empfangenen Kaufpreisteilbetrag zurückzustellen und den Klägern die Aufwendungen zu ersetzen, die unterblieben wären, hätte sie der Beklagte nicht listig zum Vertragsabschluß veranlaßt. Die Kläger wieder müßten an den Beklagten anstelle des Kaufgegenstandes deren Wert zurückstellen.

Das Berufungsgericht gab der nur vom Beklagten und nur gegen den dem Zahlungsbegehren stattgebenden Teil des Urteils des Erstgerichtes teilweise Folge: Es hob das Urteil in Ansehung einer Zinsenteilforderung wegen Streitanhängigkeit als nichtig auf und wies insoweit die Klage zurück, bestätigte die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung von S 1,216.404,-- samt stufenweisen Zinsen und wies in Abänderung des Ersturteils ein weiteres Mehrbegehren im Kapitalsbetrag von S 35.840,-- und an Zinsen ab, weil außer Streit gestellt war, daß die Kläger an den Beklagten nur den Kaufpreisteilbetrag von S 3,344.160,-- (und nicht S 3,380.000,--) bezahlt hatten.

Das Berufungsgericht setzte sich eingehend mit der Mängel- und Beweisrüge des Beklagten auseinander, traf in Ergänzung des Beweisverfahrens nur Feststellungen über die Zeitpunkte, zu denen den Klägern der Aufwand an Vermittlungsgebühr, Grunderwerbssteuer, Vertragserrichtungskosten und Eintragungsgebühren entstand (und damit jeweils der Zinsenlauf einsetzte), und über die Höhe der von den Klägern an den Beklagten auf den Kaufpreis geleisteten Teilzahlungen, übernahm aber sonst die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes als Ergebnis eines mängelfrei befundenen Verfahrens und einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Es führte dazu auch aus, der Vernehmung der Zeugen Hans Peter W***, Balthasar S*** und Hermann G*** als Zeugen habe es nicht bedurft, weil sie vom Beklagten zum Beweis seiner tatsächlichen Angabe geführt wurden, Setzungsrisse seien vom letzten Pächter und bei der Besichtigung des Kaufobjektes nicht festgestellt worden. Darauf komme es aber nicht an, denn der Sachverständige habe schlüssig begründet, daß die Ursachen der - allenfalls erst später erkennbar

gewordenen - Setzungen vor der Übergabe an die Kläger vorhanden waren. Ein weiteres Sachverständigengutachten habe der Beklagte nicht beantragt. Wann die Setzungen wahrnehmbar wurden, sei bedeutungslos, in seiner rechtlichen Beurteilung hielt sich das Berufungsgericht im Rahmen der durch den Beschluß des Obersten Gerichtshofes vom 22.1.1986 zu 3 Ob 568/85 überbundenen Richtlinien für die Rückabwicklung und billigte das Vorgehen des Erstgerichtes, daß der Beklagte den empfangenen Kaufpreisteilbetrag zurückzustellen habe, den Anspruch auf Zahlung des unberichtigt gebliebenen Restkaufpreises verliere und den Klägern für die nachteiligen Folgen Genugtuung zu leisten, also die Aufwendungen zu ersetzen habe, die vermieden worden wären, wäre es nicht durch die listige Irreführung zum Kaufabschluß gekommen. Die Kläger hätten dem Beklagten an Stelle der Liegenschaft, die sie nicht zurückstellen könnten, den Geldbetrag zu erstatten, der dem Wert der Liegenschaft bei Abschluß des Kaufvertrages und der unmittelbar darauf stattgefundenen Übergabe in die Gewahrsame der Kläger mit Ende Mai 1979 entspreche. In seiner nur gegen den bestätigenden Teil des Urteils des Berufungsgerichtes, soweit er nämlich zur Zahlung von S 1,216.404,-- samt Zinsen verhalten wurde, erhobenen Revision begehrt der Beklagte die Abänderung oder allenfalls Aufhebung nur aus dem Grunde des § 503 Abs 1 Z 2 ZPO.

Die Kläger beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Der Beklagte erblickt den geltend gemachten Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens zunächst darin, daß auch das Berufungsgericht von der Vernehmung der Zeugen Hans Peter W***, Balthasar S*** und Hermann G*** absah, obwohl deren Aussagen das Ergebnis des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.Ing.Jürgen Peter J*** widerlegen hätten können. Das Berufungsgericht hätte von Amts wegen einen weiteren Sachverständigen beizuziehen oder aber darauf hinzuwirken gehabt, daß der Beklagte ein weiteres Gutachten beantragt, denn durch diese Beweisergänzung wäre hervorgekommen, daß die Setzungen eine Folge der Straßenregulierung nach einem Hochwasser im Jahr 1959 und der damals eingetretenen Geländeveränderungen seien und nicht auf Mängel bei der Bauerrichtung zurückgeführt werden könnten. Daß der Setzungsriß erst nach dem Verkauf im Jahr 1979 eintrat, werde durch das mit der Revision vorgelegte Privatgutachten bewiesen. Der Beklagte übersieht nicht nur, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine Bekämpfung der das Vorliegen behaupteter Verfahrensmängel erster Instanz verneinenden Entscheidung des Berufungsgerichtes unstatthaft ist (SZ 27/4; SZ 22/106; SZ 50/14; MietSlg. 35.800 uva.), sondern auch, daß er in erster Instanz nicht nur keine weitere Begutachtung durch einen anderen Sachverständigen, vielmehr nur eine ergänzende Befragung des Gutachters beantragt, sondern auch deren Unterbleiben nicht als Verfahrensmangel gerügt hat (MietSlg. 36.793 ua.). Dem Berufungsgericht selbst ist ein Verfahrensmangel nicht unterlaufen, denn es hat keine Beweise aufgenommen, die die Frage der Bauwerksmängel berühren, und in der Begründung seiner Beurteilung der als unbedenklich befundenen Beweiswürdigung des Erstgerichtes auch keine Umwürdigung vorgenommen. Wenn es infolge dieser Billigung der erstinstanzlichen Beweiswürdigung und Übernahme der Tatsachenfeststellungen eine weitere Beweisergänzung ablehnte und meinte, es sei kein anderer Sachverständiger zu vernehmen, stellt dies einen der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogenen Akt der Beweiswürdigung dar (Fasching, ZPR Rz 1910; MietSlg. 37.773 ua.). Daß schließlich schon das Neuerungsverbot die Berücksichtigung des mit der Revisionsschrift vorgelegten Gutachtens hindert, versteht sich von selbst. Der Beklagte verkennt aber überhaupt die Bedeutung der Wahrnehmbarkeit von Gebäudeschäden und ihrer Ursachen, denn auch dann, wenn die nach Übernahme des Kaufobjektes durch die Kläger aufgetretenen Setzungsrisse auf früher vorgenommene Geländeveränderungen zurückzuführen wären, würde der Mangel beim Kauf und der Übergabe vorhanden gewesen sein und den bei der Rückabwicklung maßgebenden Verkehrswert gemindert haben. Dem Umstand, daß Setzungsrisse vor der Übergabe nicht aufgetreten waren, kommt also keine Bedeutung zu, so daß auch die Bekundungen vor Zeugen, bis 1979 seien keine Schäden sichtbar gewesen, nichts am Ergebnis ändern könnten.

Wenn der Beklagte weiters meint, das Berufungsgericht hätte eine Beweisergänzung vorzunehmen gehabt, aus der sich ergeben hätte, daß er irrtümlich angenommen habe, es bedürfe keiner wasserrechtlichen Bewilligung, es fehle daher an einer listigen Irreführung der Kläger, so ist ihm zu erwidern, daß darüber schon im ersten Rechtsgang abschließend entschieden worden war, er deshalb auch folgerichtig den Erfolg des auf Aufhebung des Vertrages wegen List gerichteten Klagebegehrens unbekämpft ließ, im Anwaltsprozeß aus Parteiaussagen kein prozessual beachtliches Vorbringen zu entnehmen ist und im übrigen das zur Unzulässigkeit der Bekämpfung von Verfahrensmängeln in erster Instanz Gesagte auch hier zutrifft. Es ist daher verfehlt, daraus, daß der Beklagte bei der Vernehmung als Partei am 4.10.1983 angab, er habe die Mängel an der Kläranlage durch Einholung einer chemisch-bakteriologischen Untersuchung des Wassers schon vor Erteilung des Vermittlungsauftrages zum Verkauf der Liegenschaft behoben, und daß auf diese Aussage nicht Bedacht genommen wurde, einen Revisionsgrund abzuleiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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