OGH 10ObS129/87

OGH10ObS129/8715.12.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag. Engelmaier und Dr. Kellner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Joklik und Dr. Klenner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Aloisia K***, 8020 Graz, Idlhofgasse 74, vertreten durch Dr. Harald Hohenberg, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei P*** D*** A***, 1092 Wien,

Rossauerlände 3, vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten, wegen Rückforderung S 1.499,20 infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 2. September 1987, GZ 8 Rs 1103/87-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 26.März 1987, GZ 34 Cgs 33/87-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Revisionswerberin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 26.September 1986 setzte die beklagte Partei die mit Bescheid vom 10.März 1975 zur Invaliditätspension gewährte Ausgleichszulage ab 1.Mai 1986 auf monatlich S 5.413,20 herab und forderte den für die Zeit vom 1.Mai 1986 bis 30.Juni 1986 entstandenen Überbezug im Betrag von S 1.449,20 gemäß § 107 Abs. 1 ASVG zusammen mit dem für die Zeit vom 1.Oktober 1983 bis 31. Dezember 1983 gestundeten Überbezug von S 2.522 zurück. Gegen diesen Bescheid mit Ausnahme der Rückforderung des gestundeten Überbezuges von S 2.522 - hierüber ist ein gesondertes Verfahren anhängig - richtet sich die vorliegende Klage. Das Erstgericht wies das Klagebegehren die beklagte Partei sei schuldig, die Rückforderung eines Betrages von S 1.499,20 in monatlichen Raten von je S 70 zu unterlassen ab und erkannte die klagende Partei schuldig, der beklagten Partei den Überbezug von S 1.499,20 in monatlichen Raten zu je S 70 am Ersten eines jeden Monates zurückzuzahlen. Es stellte fest, daß die Klägerin seit 22. März 1973 eine Invaliditätspension zuzüglich Kinderzuschuß für 4 Kinder und eine Ausgleichszulage samt Richtsatzerhöhung für 4 Kinder (Walter, Alois, Waltraud und Heidemarie) bezog. Der am 30. Juli 1968 geborene Sohn der Klägerin Alois K*** befindet sich seit 3.April 1986 bei der Firma Albin S*** OHG mit einer monatlichen Lehrlingsentschädigung von S 2.962,70 in einer Lehre. Die Klägerin hat den Beginn des Lehrverhältnisses der beklagten Partei unter Vorlage einer Kopie des Lehrvertrages mit Schreiben vom 19. Mai 1986 gemeldet.

Rechtlich vertrat das Erstgericht die Auffassung, durch die Lehrlingsentschädigung des Sohnes Alois sei der Richtsatz für einfach verwaiste Kinder überschritten, sodaß ein Anspruch auf Richtsatzerhöhung ab 1.Mai 1986 nicht mehr gegeben und ein Überbezug von S 1.499,20 für die Monate Mai und Juni 1986 entstanden sei. Da die Klägerin die gemäß § 40 ASVG erforderliche Meldung an den Versicherungsträger über den Beginn des Lehrverhältnisses ihres Sohnes nicht binnen 2 Wochen gemeldet habe, sei sie zur Rückzahlung der Überbezüge verpflichtet.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge und bestätigte das Ersturteil mit der Maßgabe, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig

a) der klagenden Partei ab 1.Juli 1986 die zur Invaliditätspension gewährte Ausgleichszulage mit der Richtsatzerhöhung für den Sohn der klagenden Partei Alois K*** in der gesetzlichen Höhe zu bezahlen und

b) die Rückforderung des für die Zeit vom 1.Mai 1986 bis 30. Juni 1986 an die klagende Partei zur Auszahlung gebrachten Richtsatzerhöhungsbetrages für den Sohn der klagenden Partei Alois K*** im Betrag von S 1.499,20 zu unterlassen, abgewiesen und die klagende Partei schuldig erkannt wurde, der beklagten Partei den Überbezug von S 1.499,20 ab Vollstreckbarkeit des Urteiles in gleichen, aufeinander folgenden Raten von je S 70 am Ersten eines jeden Monates mit fünftägigem Respiro zurückzuzahlen. Das Berufungsgericht erachtete gerügte Verfahrensmängel für nicht gegeben und führte rechtlich aus, die Verletzung der Meldevorschriften setze nur leichte Fahrlässigkeit voraus; es genüge, daß der Leistungsempfänger entgegen einer ausdrücklichen Belehrung gehandelt habe. Die Klägerin sei, wie sich aus dem Pensionsakt ergebe, mehrfach - unter anderem im Zusammenhang mit einer bereits unterlaufenen Verletzung der Meldevorschriften - ganz besonders eindringlich über ihre Meldepflichten belehrt worden. Auch die verspätete Vorlage des Lehrvertrages ohne Bekanntgabe der Bezüge sei nur auf Grund eines Schreibens der beklagten Partei vom 24. April 1986 im Zusammenhang mit der Weitergewährung des Kinderzuschusses erfolgt. Das Ersturteil sei daher zu bestätigen, allerdings mit der angeführten Maßgabe, weil durch den Umfang der Anfechtung der Bescheid auch hinsichtlich der Höhe der Ausgleichszulage ab 1.Juli 1986 außerkraft getreten sei. Nur gegen die Verurteilung zum Rückersatz von S 1.499,20 richtet sich die Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

Die beklagte Partei hat sich am Revisionsverfahren nicht beteiligt.

Der Revision kommt keine Berechtigung zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Behauptung in der Revision "gemäß ständiger Judikatur seien gutgläubig verbrauchte Rentenleistungen bzw. Sozialansprüche nicht rückforderbar" trifft keineswegs zu. § 107 ASVG bestimmt vielmehr, daß der Sozialversicherungsträger zu Unrecht erbrachte Geldleistungen zurückzufordern hat, wenn der Zahlungsempfänger bzw. der Leistungsempfänger den Bezug durch bewußt unwahre Angaben, bewußte Verschweigung maßgeblicher Tatsachen oder Verletzung der Meldevorschriften (§ 40) herbeigeführt hat oder wenn der Zahlungsempfänger bzw. Leistungsempfänger erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührt. Die Verletzung von Meldevorschriften bildet daher einen eigenen Rückforderungstatbestand, dessen Verwirklichung den Versicherungsträger zur Rückforderung verpflichtet (arg: der Versicherungsträger hat ...... zurückzufordern).

Der Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß zur Verletzung der im § 40 ASVG normierten Meldevorschriften leichte Fahrlässigkeit genügt (Germann-Rudolf-Teschner-Fürböck ASVG 46. Erg.-Lfg. § 107 Anm. 2 a; Pichler, die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Geldleistungen im Sozialversicherungsrecht, ZAS 1967, 103) und der Klägerin jedenfalls eine Sorgfaltsverletzung anzulasten ist, muß beigepflichtet werden. Für die Rückforderung genügt es, wenn der Sozialversicherungsträger die objektive Verletzung einer Meldevorschrift beweist. Sache des Versicherten ist es, nachzuweisen, daß ihn ein Verschulden an der Verletzung der Meldevorschrift trifft. Der Leistungsempfänger ist verpflichtet, jenen Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit anzuwenden, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten angewendet werden kann. Die Unkenntnis der gesetzlichen Bestimmungen über die Meldepflicht vermag den Leistungsempfänger regelmäßig nicht zu entschuldigen !§ 2 ABGB . Bei der Beurteilung dieser Fragen sind die allgemeinen bürgerlich-rechtlichen Verschuldensmaßstäbe der §§ 1294 und 1297 ABGB heranzuziehen. Hat der Leistungsempfänger trotz ausdrücklicher Belehrung die Meldung unterlassen, so begründet dies regelmäßig ein Verschulden !Pichler aaO .

Es trifft nun keineswegs zu, daß der Klägerin, weil sozialversicherungsrechtliche Probleme so kompliziert seien, eine rechtzeitige Meldung nicht zumutbar gewesen wäre: Sie mußte, wie sich aus dem Anstaltsakt ergibt, durch Jahre hindurch immer wieder von der beklagten Partei aufgefordert werden, ihren Verpflichtungen zum Nachweis der Berechtigung zu gewährender Kinderzuschüsse und Richtsatzerhöhungen nachzukommen und wurde nicht nur im Rahmen der Belehrung über Rechte und Pflichten in erflossenen Bescheiden sondern auch in einem persönlich an sie abgefaßten Schreiben vom 3. April 1984, nachdem sie bereits Meldepflichten verletzt hatte und ihr der rückgeforderte Betrag gestundet worden war, ganz eindringlich auf die Folgen der Verletzung der Meldepflicht hingewiesen. Auch die verspätete Meldung erfolgte im vorliegenden Fall erst über Auffoderung durch die beklagte Partei. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Revisionskosten beruht auf § 77 Abs. 1 Z 2 lit. b ASVG.

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