Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.829,75 (darin S 257,25 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin, welche eine gebürtige Philippinin ist und die deutsche Sprache im Wort nur mangelhaft und in der Schrift überhaupt nicht beherrscht, war bei der Beklagten seit 4. März 1981 als Stubenmädchen beschäftigt.
Mit der Behauptung, sie habe mit Schreiben vom 15. November 1984 ihren berechtigten Austritt erklärt, begehrte sie letztlich den der Höhe nach unbestrittenen Betrag von S 35.150,50 brutto sA an Kündigungsentschädigung und Abfertigung. Nachdem sie auf betriebliche Mißstände hingewiesen und die Bezahlung von Überstunden gefordert hätte, sei ihr vorerst die Entlassung angedroht worden. Am 9. November 1984 sei sie vom Personaldirektor der Beklagten vorgeladen und zur Unterfertigung eines Schriftstückes gedrängt worden, von dem sie zufolge mangelnder Deutschkenntnisse angenommen habe, daß es eine Kündigung durch die Beklagte enthalte. Eine Aufklärung über den Inhalt der Erklärung sei nicht erfolgt. Erst im nachhinein habe sie erfahren, daß sie damit die einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses bestätigt habe. Dieses Verhalten der Beklagten habe ihren Austritt gerechtfertigt.
Die Beklagte beantragte, die Klage abzuweisen. Sie habe den vorzeitigen Austritt der Klägerin nicht veranlaßt. Das Arbeitsverhältnis sei vielmehr über Wunsch der Klägerin mit 9. November 1984 einvernehmlich aufgelöst worden. Die geltend gemachten Ansprüche stünden ihr nicht zu.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es traf im wesentlichen folgende Feststellungen:
Am 7. November 1984 wandte sich der Gatte der Klägerin schriftlich an die Generaldirektion der Beklagten, wobei er verschiedene Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz, das Arbeitsruhegesetz, das Arbeitsverfassungsgesetz und den Kollektivvertrag aufzeigte und die ausstehende Entlohnung für Feiertagsarbeit und Überstunden urgierte. Dieses Schreiben langte am 9. November 1984 bei der Beklagten ein. Noch am selben Tag wurde die Klägerin daraufhin zum Personaldirektor der Beklagten, Raimund R***, gerufen. Im Büro des Personaldirektors waren bereits ihre unmittelbaren Vorgesetzten, die Abteilungsleiterin Adelheid P*** und deren Assistentin Maria M*** anwesend. Alle drei Personen sprachen in Deutsch auf die Klägerin ein. Deren Bitte, mit ihr in englischer Sprache zu reden, blieb unbeachtet.
Aus der Art, wie mit ihr gesprochen wurde, gelangte die Klägerin zur Ansicht, daß ihr Arbeitsverhältnis beendet werden sollte. Im übrigen blieb ihr der Inhalt der Äußerungen unklar. Schließlich legte ihr der Personaldirektor Raimund R*** eine bereits mit der Maschine vorgeschriebene Erklärung, in der lediglich das Datum handschriftlich eingesetzt wurde, des Inhalts vor, daß in einer Unterredung zwischen Herrn Dir. R*** und der Klägerin festgehalten worden sei, daß das Dienstverhältnis der Letztgenannten auf Wunsch des Dienstnehmers per 9. November 1984 einvernehmlich zur Auflösung gebracht werde. Die Klägerin versuchte zwar, den Text zu lesen, sie konnte ihn aber nicht verstehen. Da ihr alle drei anwesenden Personen erklärten, sie könne ruhig unterschreiben, es stünde nichts Schlechtes darin, unterfertigte sie die Urkunde in der Meinung, sie bestätige damit die Kenntnisnahme der mündlichen Kündigung durch die Beklagte. Nach der Unterfertigung des Schriftstücks wurde die Klägerin von Adelheid P*** aus dem Haus gewiesen.
Die Klägerin rief weinend ihren Ehegatten an und teilte ihm die vermeintliche Kündigung mit den Worten "They quit me" ("Sie haben mich gekündigt") mit. Erst ihr Ehegatte klärte sie in der Folge über den wahren Inhalt der von ihr unterfertigten Urkunde auf. Der Klagevertreter wies mit Schreiben vom 15. November 1984 die Beklagte darauf hin, daß keine Willensübereinstimmung zu einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses vorliege und die Klägerin wegen des Verhaltens der Beklagten ihren vorzeitigen Austritt erkläre.
Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß die Klägerin mangels ausreichender Sprachkenntnisse weder den Sinn der Unterredung noch die Bedeutung der von ihr unterschriebenen Erklärung verstanden habe. Sie habe daher weder ausdrücklich noch schlüssig einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zugestimmt. Andererseits stehe fest, daß das Gespräch mit dem Personaldirektor und den unmittelbaren Vorgesetzten der Klägerin unter Umständen vor sich gegangen sei, aus denen diese Personen einwandfrei erkennen hätten können, daß die Klägerin dem Gespräch nicht folgen konnte und daß sie eine solche Erklärung nicht abgeben wollte. Dennoch hätte der vom Personaldirektor zur Unterschrift vorgelegte Aktenvermerk zum nachmaligen "Beweis" eines vom tatsächlichen Willen der Klägerin abweichenden Vorganges dienen sollen. Bei einem solchen Verhalten der Organe der Beklagten sei der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr zumutbar gewesen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es billigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes und führte ergänzend aus, daß es zwischen den Streitteilen zu keiner Willensübereinstimmung über eine einvernehmliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses gekommen sei. Auch das dem Zugang des Schreibens des Klagevertreters nachfolgende Verhalten der Beklagten habe bestätigt, daß sie sich das sprachliche Unvermögen der Klägerin zunutze machen und den der Klägerin unterlaufenen Irrtum zu ihrem Nachteil ausnützen habe wollen. Ein derartiges Vorgehen zerstöre das Vertrauensverhältnis und mache es dem Arbeitnehmer unmöglich, das Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne einer Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Klägerin beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Beklagte bezweifelt in ihrer Rechtsrüge nicht mehr, daß es zufolge Dissenses am 9. November 1984 zu einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses zwischen den Streitteilen nicht gekommen ist. Sie macht aber weiterhin geltend, daß die Klägerin grundlos ausgetreten sei, und erhebt im Revisionsverfahren überdies den Einwand, daß der Austritt verspätet erfolgt sei. Soweit sich die Beklagte gegen die Würdigung ihres der Austrittserklärung nachfolgenden Verhaltens durch das Berufungsgericht wendet, ist ihr beizupflichten, daß es bei der Beurteilung der Berechtigung des Austrittes auf eine allfällige nachträgliche Zerstörung des Vertrauensverhältnisses nicht ankommt. Dieser Einwand trifft aber nicht den Kern der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichtes. Dieses wies vielmehr lediglich abschließend darauf hin, daß die Beklagte auch nach dem aufklärenden Schreiben des Klagevertreters auf ihrem ungerechtfertigten Standpunkt beharrte und somit den Eindruck verstärkte, sie habe die mangelnde Sprachkenntnis der Klägerin dazu ausnützen wollen, um ihr Schaden zuzufügen. Im übrigen geht die Revisionswerberin nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, soweit sie ausführt, es sei zu keinem Fehlverhalten ihrer Organe gekommen. Nach den maßgeblichen Feststellungen drängten der unbestritten für Personalangelegenheiten zuständige Personaldirektor und die beiden unmittelbaren Vorgesetzten die Klägerin dazu, eine vorbereitete Erklärung zu unterfertigen, obwohl sie einwandfrei erkennen konnten, daß die Klägerin nicht in der Lage war, dem Gespräch zu folgen, und daß sie einer einvernehmlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht zustimmen wollte. Diese Vorgangsweise legt zwangsläufig den Schluß nahe, daß es den genannten Personen allein darum ging, der Klägerin deren im Falle einer Arbeitgeberkündigung berechtigten Ansprüche abzuschneiden. Als sie dann unter der fälschlichen Behauptung, im Text "stehe nichts Schlechtes drin", die Unterschrift erlangt hatten, wurde die Klägerin des Hauses verwiesen.
Nach § 82 a lit d GewO 1859 kann ein Arbeitnehmer die Arbeit vor Ablauf der vertragsmäßigen Zeit verlassen, wenn ihm der Arbeitgeber die bedungenen Bezüge ungebührlich vorenthält oder andere wesentliche Vertragsbestimmungen verletzt. Eine Vertragsverletzung ist dann wesentlich, wenn die weitere Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses unter den gegebenen Umständen nicht mehr zumutbar ist (Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser Arbeitsrecht I2 229; Mayer-Maly-Marhold, Österreichisches Arbeitsrecht I 191; Krejci in Rummel ABGB § 1162 Rz 24; Martinek-Schwarz AngG6 572; Arb. 6.683, 7.644, 10.210 ua). Durch das der Beklagten zuzurechnende Verhalten ihrer für Personalangelegenheiten zuständigen Arbeitnehmer wurde nicht nur die eine Rechtspflicht aus dem Arbeitsverhältnis darstellende Fürsorgepflicht (Schwarz-Löschnigg Arbeitsrecht 234 f) in gröblicher Weise verletzt, da der Klägerin eine für sie nachteilige Vereinbarung unterschoben werden sollte, sondern es kam dadurch auch zu einem weiteren Eingriff in ihre arbeitsvertraglichen Rechte, daß sie - ähnlich einer Entlassung - ohne jede Berechtigung des Hauses verwiesen wurde. Daß die für die Beklagte handelnden Personen an dieser Vorgangsweise ein Verschulden im Sinne des § 84 GewO 1859 traf, ergibt sich entgegen der Ansicht der Revisionswerberin schon aus den Feststellungen. Der Austritt der Klägerin erfolgte daher zufolge der schwerwiegenden Verletzung des Arbeitsvertrages berechtigt. Die Austrittserklärung ist auch nicht als verspätet anzusehen, da in den maßgeblichen Zeitraum ein Wochenende fällt und es der Klägerin gerade wegen des auf die Kürzung ihrer Ansprüche abzielenden Verhaltens ihrer Vorgesetzten nicht verwehrt werden konnte, sich schon zur Verfassung der Austrittserklärung eines Rechtsbeistandes zu versichern. Im übrigen wurde dieser Einwand in den Vorinstanzen nicht erhoben. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ist in den §§ 50 und 41 ZPO begründet.
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