Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 14.739,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 1.339,95 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Im Zuge des Umbaues des Kurzentrums Bad Tatzmannsdorf erhielt der Gemeinschuldner von der Kur-Bad Tatzmannsdorf Aktiengesellschaft (im folgenden Bauherr) unter anderem den Auftrag zur Lieferung von 7 CO2-Trockengas-Badekabinen (im folgenden nur Badekabinen). Der Ausschreibung des Bauherrn lag ein von der beklagten Partei stammender Ausschreibungstext zugrunde, wonach sieben Badekabinen eines bestimmten Modells für halbsitzende Lagerung der Patienten eingebaut werden sollten. Der Gemeinschuldner hatte vereinbarungsgemäß die Badekabinen bei der beklagten Partei zu bestellen. Als Liefertermin an den Bauherrn war der Dezember 1980 vorgesehen. Die von der beklagten Partei gelieferten Badekabinen entsprachen nicht der Bestellung und waren für einen Kurbetrieb, wie ihn der Bauherr unterhält, nicht geeignet, weshalb der Gemeinschuldner die Annahme ablehnte. Der Bauherr setzte dem Gemeinschuldner eine Nachfrist bis 10.5.1982 und erklärte dann den Vertragsrücktritt.
Der Masseverwalter begehrt Schadenersatz in der Höhe der Differenz zwischen dem mit der beklagten Partei vereinbarten Kaufpreis und dem Abnahmepreis, den der Bauherr zu zahlen gehabt hätte.
Das Erstgericht sprach im zweiten Rechtsgang der klagenden Partei S 471.469,98 s.A. zu und wies das Mehrbegehren von S 313.719,45 s.A. ab. Nach den Feststellungen des Erstgerichtes, soweit sie für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung sind, versuchten nach Beanstandung der Badekabinen und Ablehnung ihrer Übernahme durch den Bauherrn der Gemeinschuldner, sein Angestellter Ing. D*** und sein rechtsfreundlicher Vertreter Dr. Alfred P*** vergeblich zwischen der beklagten Partei und dem Bauherrn zu vermitteln. Ing. D*** wies die Geschäftsführerin der beklagten Partei darauf hin, daß für den Fall einer nicht ordnungsgemäßen Lieferung allfällige Ansprüche des Gemeinschuldners resultieren könnten. Auch im folgenden Schriftverkehr wurde auf allfällige Ansprüche des Gemeinschuldners verwiesen, unter anderem auf den Schaden an entgangenem Gewinn. Die Ansprüche des Gemeinschuldners wurden aber nie präzisiert. Für die beklagte Partei war auch nicht erkennbar, daß dem Gemeinschuldner für den Fall der Nichtabwicklung des Geschäftes ein Gewinnentgang von mehr als 1 Mill. S droht. Der beklagten Partei war auch der zwischen dem Gemeinschuldner und dem Bauherrn vereinbarte Kaufpreis unbekannt.
Der Gemeinschuldner erklärte der beklagten Partei nie den Rücktritt vom Vertrag unter Verzicht auf die Geltendmachung allfälliger Schadenersatzansprüche. Nachdem der Bauherr die Lieferung der bestellten Badekabinen verlangt und seinerseits einen Vertragsrücktritt angekündigt hatte, verlangte Dr. Alfred P*** namens des Gemeinschuldners mit Schreiben vom 11.1.1982 von den damaligen rechtsfreundlichen Vertretern der beklagten Partei eine ordnungsgemäße Lieferung der bestellten Badekabinen bis längstens 22.1.1982. In diesem Schreiben findet sich auch ein Passus, wonach für den Fall der nicht fristgerechten Lieferung schon jetzt der Rücktritt vom Vertrag erklärt werde. Nachdem der Bauherr dem Gemeinschuldner mit Schreiben vom 11.5.1982 den Rücktritt vom Vertrag erklärt hatte, nahm Dr. Alfred P*** in seinen Schreiben vom 16.7. und 28.9.1982 Bezug auf einen erfolgten Vertragsrücktritt, wobei er namens des Gemeinschuldners zum Ausdruck bringen wollte, daß nunmehr eine allfällige Lieferung der beklagten Partei nicht mehr angenommen werden könne, weil der Bauherr vom Auftrag bereits zurückgetreten sei. Daß aufgrund dieses Vertragsrücktrittes auf die Geltendmachung allfälliger Ersatzansprüche verzichtet werde, brachte der Gemeinschuldner der beklagten Partei gegenüber nie, weder ausdrücklich noch schlüssig, zum Ausdruck. Auch die beklagte Partei verstand die Mitteilungen des Gemeinschuldners über den Vertragsrücktritt nur in dem Sinn, daß eine Lieferung nicht mehr erfolgen könne, ohne daß damit aber beabsichtigt gewesen wäre, einen Verzicht auf allfällige Schadenersatzansprüche zum Ausdruck zu bringen. Die beklagte Partei vertrat weiterhin den Standpunkt, ohnedies bestellungsgemäß geliefert zu haben. Die handelsübliche Gewinnspanne beim Kauf und Weiterverkauf von Badekabinen lag im Jahre 1982 bei etwa 30 %.
Seiner rechtlichen Beurteilung legte das Erstgericht mangels Nachweises der Wahl österreichischen Rechtes durch die Parteien, der Rechtsansicht des Obersten Gerichtshofes in seinem Aufhebungsbeschluß ON 32 folgend, deutsches Sachrecht zugrunde. Danach sei der Gemeinschuldner berechtigt gewesen, von der beklagten Partei Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder vom Vertrag zurückzutreten. Einen Vertragsrücktritt unter Verzicht auf Schadenersatzansprüche habe der Gemeinschuldner nie erklärt. Ein solcher Vertragsrücktritt könne nur dann angenommen werden, wenn der diesbezügliche Wille des Gemeinschuldners eindeutig und bestimmt zum Ausdruck gebracht werde, denn in der Regel werde der Gläubiger den für ihn günstigeren Schadenersatzanspruch wählen. Für den Rücktritt vom Vertrag werde sich der Gläubiger nur dann entscheiden, wenn eine eigene Gegenleistung höherwertiger sei als die ausgebliebene Leistung des Schuldners und ihm daher ein Schaden ohnedies nicht entstanden sei. Im geschäftlichen Verkehr werde daher der Begriff des Rücktrittes üblicherweise nicht im Sinne seines gesetzestechnischen Inhaltes verstanden, sodaß auch bei Verwendung dieses Ausdruckes im allgemeinen noch nicht davon ausgegangen werden könne, daß damit auf die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen verzichtet werde. Im vorliegenden Fall sei dem Gemeinschuldner ein besonders hoher Schaden entstanden. Die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen, wenn auch ohne Benennung der Höhe, sei der beklagten Partei wiederholt angekündigt worden. Der Gemeinschuldner habe mit der Verwendung des Wortes Rücktritt in dem Schreiben an die beklagte Partei nur zum Ausdruck gebracht, daß nach Vertragsrücktritt des Bauherrn die Lieferung der wiederholt urgierten bestellten Badekabinen nunmehr nicht mehr entgegengenommen werden könne, ein Verzicht auf Ersatzansprüche sei damit aber nicht beabsichtigt gewesen. Ein solcher Verzicht sei auch von der beklagten Partei nicht angenommen worden. Mangels eines Vertragsrücktrittes habe die klagende Partei Anspruch auf Ersatz des Nichterfüllungsschadens. Dieser bestehe in dem dem Gemeinschuldner entgangenen Gewinn von 30 % des Einkaufspreises bzw. S 157.730,53. Mit dem Eintritt dieses Schadens habe die beklagte Partei rechnen müssen. Den die handelsübliche Gewinnspanne übersteigenden Schaden von S 627.438,90 hätten jedoch beide Parteien zu gleichen Teilen zu tragen, weil beide zur Entstehung dieses Schadens in gleicher Weise beigetragen hätten.
Das Berufungsgericht gab der gegen das Ersturteil erhobenen Berufung des Klägers nicht, der Berufung der beklagten Partei dagegen teilweise Folge und änderte das Ersturteil dahin ab, daß es dem Kläger S 458.324,10 s.A. zusprach und das Mehrbegehren abwies. Das Berufungsgericht stellte abweichend vom Erstgericht fest, daß die handelsübliche Gewinnspanne nur 25 % betragen habe, übernahm im übrigen die Feststellungen des Erstgerichtes und teilte auch dessen Rechtsansicht. Ausgehend von der geringeren Gewinnspanne kam das Berufungstericht zu einem geringeren Schadensbetrag. Gegen die Entscheidung der zweiten Instanz richtet sich die Revision der beklagten Partei aus den Anfechtungsgründen der unrichtigen Beweiswürdigung und Tatsachenfeststellung und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens. Hilfsweise stellt die beklagte Partei einen Aufhebungsantrag.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Überprüfung der Beweiswürdigung der Vorinstanzen ist dem Obersten Gerichtshof entzogen, sodaß auf die Beweisrüge nicht einzugehen ist.
Hinsichtlich der Anwendung deutschen Sachrechtes und des danach dem Gemeinschuldner wegen Lieferung eines aliud durch die beklagte Partei zustehenden Wahlrechtes, Schadenersatz wegen Nichterfüllung zu verlangen oder vom Vertrag zurückzutreten, kann auf die Ausführungen im Aufhebungsbeschluß des Obersten Gerichtshofes vom 28.11.1985, ON 32, verwiesen werden. Die dem Gläubiger nach § 326 BGB zustehenden Möglichkeiten des Vertragsrücktrittes und des Schadenersatzanspruches wegen Nichterfüllung sind als alternative Rechtsbehelfe ausgestaltet und können nicht miteinander kombiniert werden. Durch den Rücktritt vom Vertrag bleiben nur bereits vorher begründete Ersatzansprüche des Gläubigers aus culpa in contrahendo oder aus der Verletzung von Neben- und Schutzpflichten sowie aus unerlaubter Handlung unberührt, auf das Erfüllungsinteresse gerichtete Ersatzansprüche - solche Ansprüche sind Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites - werden durch den Rücktritt ausgeschlossen (Emmerich in Münch. Komm. Rdz 28 f zu § 325 mwN; NJW 1979, 762). Hat sich der Gläubiger für den Rücktritt entschieden, und diesen dem Schuldner gegenüber auch erklärt, ist er nach ständiger Rechtsprechung an die getroffene Wahl gebunden (Emmerich aaO Rdz 20 mit Nachweisen aus der Rechtsprechung; und Rdz 71 zu § 326). Im Schrifttum wird diese Praxis zwar überwiegend abgelehnt (vgl. Emmerich aaO Rdz 21 zu § 325), die Rechtsprechung ist dem jedoch - soweit überblickbar - bisher nicht gefolgt, legt jedoch bei der Auslegung der Erklärungen des Gläubigers wegen des mit dem Rücktritt verbundenen Verlustes der Ersatzansprüche einen strengen Maßstab an. Gefordert wird, daß der Wille zum Rücktritt in der Erklärung eindeutig zum Ausdruck kommen muß. Im Zweifel ist die Erklärung des Gläubigers nicht als Rücktrittserklärung aufzufassen (Emmerich aaO Rdz 26; Palandt46 Rdz 5 zu § 325). Selbst dem Ausdruck Rücktritt soll nach der Verkehrsauffassung nicht die gesetzestechnische Bedeutung zukommen, und zwar auch dann, wenn ein Rechtsanwalt das Schreiben verfaßt hat (NJW 1982, 1280). Entscheidende Bedeutung kommt daher der Auslegung des Schreibens des Rechtsanwaltes des Gemeinschuldners vom 11.1.1982 zu, weil sich lediglich daraus die Ausübung des Wahlrechtes des Gemeinschuldners im Sinne eines Vertragsrücktrittes ergeben könnte. In diesem Zusammenhang kommt allerdings der von der Revision aufgeworfenen Frage, ob diese Erklärung nach § 133 BGB oder nach § 157 BGB auszulegen ist, keine entscheidende Bedeutung zu, weil sich der Anwendungsbereich beider Bestimmungen deckt (Palandt aaO Rdz 1 zu § 157). Nach den von der Lehre und der Rechtsprechung daraus entwickelten Auslegungsgrundsätzen sind empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte und der ihm erkennbaren Umstände im Einzelfall verstehen mußte. Der Erklärungsempfänger ist nach Treu und Glauben gehalten, unter Berücksichtigung aller ihm erkennbaren Umstände mit gehöriger Aufmerksamkeit zu prüfen, was der Erklärende gemeint hat (Palandt aaO Rdz 4 zu § 133; vgl. auch Mayr-Maly in Münch. Komm. Rdz 27 zu § 133 und Rdz 2 zu § 157). Nach diesen Grundsätzen fällt im vorliegenden Fall ins Gewicht, daß der Gemeinschuldner im Zusammenhang mit den Bemühungen, die der Bestellung entsprechenden Badekabinen von der beklagten Partei zu erhalten, wiederholt auf allfällige finanzielle Ansprüche hinwies und zuletzt (Beilage VI) Schadenersatz an entgangenem Gewinn für den Fall ankündigte, daß die beklagte Partei auf ihrem Standpunkt, vertragsgemäß geliefert zu haben, beharrt und der Bauherr wo anders bestellt; ferner daß das Schreiben vom 11.1.1982 vom österreichischen Rechtsanwalt des Gemeinschuldners an die österreichischen Rechtsanwälte der beklagten Partei gerichtet und diesem Schreiben für die Adressaten erkennbar die österreichische Rechtsordnung zugrunde gelegt war. Unter Berücksichtigung dieser Umstände konnte dann aber nach den oben dargelegten Grundsätzen die Erklärung des rechtsfreundlichen Vertreters des Gemeinschuldners nicht als Rücktritt im Sinne des § 326 BGB mit den damit verbundenen Rechtsfolgen verstanden werden. Die Richtigkeit der Schadensteilung durch die Vorinstanzen wird von der Revision nicht in Zweifel gezogen.
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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