OGH 5Ob502/87

OGH5Ob502/873.11.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*** D*** & CO, Griesgasse 11, 5020 Salzburg, vertreten durch Dr. Ernst Pallauf, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Sieglinde M***, Kaufmann, Eduardgasse 16/15, 1180 Wien, vertreten durch Dr. Peter Scheichelbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 117.762,96 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 6. November 1986, GZ 1 R 157/86-25, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 27. März 1986, GZ 29 Cg 578/84-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

In Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen wird die Beklagte schuldig erkannt, der Klägerin binnen 14 Tagen den Betrag von S 59.729,-- samt 13 % Zinsen p.a. seit 12. November 1981 zu bezahlen und die mit S 3.997,35 (einschließlich S 600,-- Barauslagen und S 308,85 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Das Zinsenmehrbegehren von 1 % von S 59.729,-- seit 12. November 1981 und von 14 % von S 59.729,-- vom 19. Jänner 1977 bis 11. November 1981 wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Inhaberin eines Blumengeschäftes hat am 10. Dezember 1976 durch ihren damaligen Anwalt Dr. F*** sechs von ihr ausgestellte und von dem Bezogenen Ing. Erhard P*** angenommene Wechsel über je S 10.000,-- mit Fälligkeit am 10. Jänner 1977 bei der klagenden Bank zum Diskont eingereicht. Diese brachte ihr am 7. Jänner 1977 den abgerechneten Betrag von S 59.729,-- auf dem Konto Nr. 44 917 gut. Am 12. Februar 1981 hat die Beklagte diesen Betrag von ihrem Konto abgehoben. Der von der klagenden Bank bei Fälligkeit der Wechsel am 10. Jänner 1977 angesprochene Wechselannehmer lehnte die Einlösung der Wechsel ab; in dem dann von der klagenden Bank gegen ihn angestrengten Wechselprozeß (AZ 31 Cg 21/79 des Erstgerichtes) unterlag der Wechselschuldner; die Entscheidung erwuchs am 3. März 1980 in Rechtskraft. Bereits im August 1977 hatte die Klägerin Exekution zur Sicherstellung ihrer Wechselforderung gegen den Wechselschuldner Ing. P*** erwirkt. Am 3. März 1980 wurde ihr die Fahrnisexekution zur Befriedigung der Wechselforderung bewilligt. Der Exekutionsvollzug blieb in der Folge ergebnislos, weil am 25. Juni 1980 das Büro des Schuldners versperrt war, am 16. Oktober 1980 der Schlosser das Spezialschloß an diesem Büro nicht öffnen konnte, am 25. Mai 1981 drei nicht zugängige Spezialschlösser an der Bürotür angebracht waren, am 21. September 1981 die Gewahrsame des Verpflichteten an diesem Büro nicht mehr bescheinigt werden konnte, gleiches am 20. Dezember 1983 der Fall war und am 13. Juni 1984 der Verpflichtete an zwei angegebenen Adressen nicht wohnte. Forderungspfändungen vom 24. März 1980 und vom 11. Jänner 1982 blieben ebenfalls ergebnislos. Konkursanträge vom 14. Juli 1980 und vom 28. Juni 1982 wurden abgewiesen, weil im ersten Fall nicht die Zahlungsunfähigkeit als bescheinigt angesehen, im zweiten Fall keine Gläubigermehrheit angenommen wurde.

Am 12. November 1981 forderte die Klägerin die Beklagte schriftlich auf, den von ihrem Konto Nr. 44 917 aus der szt. Wechselabrechnung abdisponierten Betrag wieder auf diesem Konto anzuschaffen. Diese Aufforderung beantwortete die Beklagte in ihrem Brief vom 25. November 1981 mit der Bitte um Bekanntgabe, auf Grund welcher Rechtslage die Klägerin den Kaufpreis für die Wechsel nun zurückfordere, und dem Hinweis, daß ihr eine Erledigung nicht möglich sei.

Mit der am 18. September 1984 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrte die klagende Bank die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der Betragssumme aller sechs diskontierten Wechsel samt Zinsen sowie sämtlicher Prozeß- und Exekutionskosten, die ihr bei der Inanspruchnahme des Wechselhauptschuldners Ing. P*** erwachsen seien, d.s. insgesamt S 117.762,96 samt 14 % Zinsen aus S 60.000,-- vom 19. Jänner 1977 bis 28. Dezember 1983, aus S 117.762,96 seit 29. Dezember 1983. Sie brachte vor, die Beklagte habe sich verpflichtet, im Falle der Uneinbringlichkeit der Wechselforderungen beim Akzeptanten Ing. P*** unverzüglich den Betrag von S 60.000,-- samt Anhang zuzüglich Prozeß- und Exekutionskosten zu bezahlen.

Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete im wesentlichen ein, die Klägerin habe die sechs Wechsel über S 60.000,-- insgesamt von ihr gekauft und es sei keine zusätzliche Vereinbarung getroffen worden; ein allfälliger Gewährleistungsanspruch der Klägerin sei verjährt und diese Einrede treffe auch auf alle sonstigen Ansprüche der Klägerin zu. Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Es nahm die von der Klägerin behauptete Zahlungsvereinbarung nicht als erwiesen an, beurteilte den Sachverhalt als Wechselankauf durch die Klägerin und führte weiters aus:

Gemäß § 1397 hafte die Beklagte als Forderungsüberträger sowohl für die Richtigkeit als auch für die Einbringlichkeit der Wechselforderungen bis zur Höhe des ihr zugekommenen Entgelts. Die Richtigkeit der Wechselforderungen sei im Wechselprozeß der Klägerin gegen den Wechselhauptschuldner Ing. P*** erwiesen worden. Es sei jedoch die Einbringlichkeit (Eintreibbarkeit) dieser Forderung gegen Ing. P*** frühestens mit der Rechtskraft des Urteils, spätestens aber dann prästiert, wenn die Uneinbringlichkeit erkennbar geworden sei, und dieser Zeitpunkt läge mehr als drei Jahre, jedenfalls aber auch mehr als sechs Monate vor Klageeinbringung; diese Gewährleistungsfrist sei hier anzuwenden, wie Iro in den JBl 1977, 465 zutreffend ausgeführt habe.

Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und erklärte die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für zulässig.

Zur Begründung seiner Entscheidung führte dieses Gericht im wesentlichen an:

Die behauptete Haftungsvereinbarung, auf die sich die Klage stütze, sei nicht erwiesen, weil Dr. F*** hiezu von der Beklagten nicht bevollmächtigt gewesen sei. Es verbleibe deshalb lediglich die Haftung der Beklagten aus dem Wechselkauf. Die Ansprüche im Sinne des Art. 70 Abs 2 WG seien längst verjährt. Allerdings hafte die Beklagte auch aus dem Forderungskauf im Sinne des § 1397 ABGB für die Richtigkeit und Einbringlichkeit der Forderung bis zur Höhe des erhaltenen Betrages. Die Frage der Richtigkeit der Forderung sei bereits im rechtskräftig beendeten Wechselprozeß der Klägerin gegen Ing. P*** beantwortet worden. Es bleibe jedoch die Beantwortung der Frage ihrer Einbringlichkeit offen. Ing. P*** habe von Beginn an jegliche Zahlungsaufforderung der Klägerin aus den sechs Wechseln bestritten. Von welcher Intensität und Richtigkeit die von der Klägerin seit der Erlangung eines Exekutionstitels gegen Ing. P*** unternommenen Eintreibungsversuche auch immer gewesen seien, insgesamt ließen sie jedoch klar erkennen, daß die Urteilsschuld samt Nebengebühren vom Verpflichteten trotz jahrelanger Eintreibungsversuche nicht einmal teilweise habe hereingebracht werden können. Die Uneinbringlichkeit dieser Forderung sei demnach jedenfalls zu einem Zeitpunkt eingetreten, der sicherlich bereits in jener Zeit liege, als sogar Konkursanträge gegen den Schuldner der Abweisung anheimgefallen seien.

Die nach allgemeiner Ansicht als Gewährleistungsanspruch beurteilte Haftung der Beklagten gemäß § 1397 ABGB hätte von der Klägerin innerhalb der dabei zur Anwendung kommenden Frist des § 933 ABGB gerichtlich geltend gemacht werden müssen. Entgegen der auf Wolff in Klang2 VI 320 gestützten oberstgerichtlichen Rechtsprechung (zuletzt 1 Ob 222/71, vorher 1 Ob 193/61), wonach § 933 ABGB nicht anzuwenden sei, sondern die Verjährung nach § 1489 ABGB Platz greife, folge das Berufungsgericht den dazu sehr ausführlich gehaltenen und begründeten Darlegungen Iros (Probleme der Haftung des Zedenten, JBl 1977, 449 ff, insbes. 465 f), der überzeugend darlege, warum auch beim Forderungskauf die Präklusivfrist des § 933 ABGB und nicht etwa eine lange Verjährungsfrist für die Richtigkeits- und Einbringlichkeitshaftung des Forderungsverkäufers zur Anwendung zu kommen habe. Der Autor orientiere sich an der Frage, welches Ereignis zeitlich die Gewährleistungsfrist in Gange setze, und komme zu dem Ergebnis, daß auch in Kauffall für Sachmängel prinzipiell mit der für die Wahrnehmbarkeit typisierten Ablieferung, bei Rechtsmängeln ohnehin auf die Erkennbarkeit abgestellt werde. Dieses Kriterium könne auch für den Forderungskauf zwanglos herangezogen werden, zumal etwaige Bedenken wegen der Kürze der Präklusivfrist nicht nur auf Forderungskäufe zuträfen und diesen deshalb insoweit keine Sonderstellung zukomme. Im Zeitpunkt der Einbringung der vorliegenden Klage sei aber die sechsmonatige Frist des § 933 ABGB (§ 1397 ABGB) längst verstrichen gewesen.

Die Revision sei zuzulassen gewesen, weil das Berufungsgericht in der zuletzt aufgezeigten Rechtsfrage des materiellen Rechts von der zuletzt bekannten Rechtsprechung des Höchstgerichtes abgewichen sei.

Die klagende Bank bekämpft die Entscheidung des Berufungsgerichtes nur hinsichtlich der Teilforderung von S 59.729,-- samt Anhang mit Revision und begehrt in erster Linie die Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne der Stattgebung der Klageteilforderung von S 59.729,-- samt Anhang; in zweiter Linie wird die Aufhebung des bekämpften Urteiles und die Zurückverweisung der Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung "an die Unterinstanz" beantragt.

Die Beklagte begehrt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil zwar nicht die vom Berufungsgericht relevierte Rechtsfrage, wohl aber die Beantwortung der Frage der Haftung des Wechseleinreichers gegenüber dem Wechseldiskontgeber, der nach Zahlungsverweigerung des Wechselhauptschuldners von seinem Rückbelastungsrecht nach den AGBKr Gebrauch macht, als erheblich zur Beantwortung gestellt ist. Die Revision ist auch berechtigt.

Die klagende Bank hat ihren Klageanspruch, der u.a. auch auf Erstattung des aus den gekauften Wechseln der Beklagten auf Konto gutgebrachten Abrechnungsbetrages samt Zinsen gerichtet ist und in diesem Umfange - nach Teilrechtskraft der Urteile der Vorinstanzen hinsichtlich des übrigen Klagebegehrens - allein noch zur Erledigung offensteht, vor allem auch auf vertragliche Verpflichtung der Beklagten als Wechseldiskontnehmerin gestützt. Dazu gehört freilich auch die Verpflichtung der Wechseldiskontnehmerin aus den kraft anerkannten Handelsbrauches (§ 346 HGB) im geschäftlichen Verkehr von Kaufleuten und Handelsgesellschaften mit Banken zur Anwendung

kommenden AGBKr (JBl 1974, 261 = HS 8228;

BankArch 1974, 281, 283 = HS 8227; Kramer in Straube, HGB, Rz 11 zu

§ 346 mwH), denn die Beklagte ist Kaufmann gemäß § 1 Abs 2 Z 1 HGB, so daß die gesetzliche und hier unwiderlegt gebliebene Vermutung des § 344 Abs 1 HGB für die Zugehörigkeit des Wechseldiskontgeschäftes mit der klagenden Bank, die Kaufmann gemäß § 1 Abs 2 Z 4 iVm § 6 Abs 1 HGB ist, zum Betriebe ihres Handelsgewerbes spricht. Nach der deshalb als Bestandteil des Wechseldiskontgeschäftes der Parteien, dessen Kausalgeschäft übereinstimmend als Wechselkauf angegeben wird, anzuwendenden Bestimmung des Punktes 54 Abs 2 der AGBKr steht der Wechseldiskontgeberin als Bank bei Nichtzahlung des diskontierten Wechsels durch den Wechselhauptschuldner (Akzeptanten) bei Fälligkeit des präsentierten Wechsels das Recht zur Rückbelastung des Wechseldiskontnehmers zu. Die Rechtsnatur dieses Rückbelastungsrechtes mangels Zahlung bei Fälligkeit ist zwar umstritten (vgl. dazu die Darstellung des Meinungsstandes bei Canaris in BankVertrR Rdn 1550 mwH; für den österreichischen Rechtsbereich unklar Schinnerer-Avancini in Bankverträge3 II, 64 FN 328); es ist aber die Festlegung in der einen oder anderen Richtung der widerstreitenden Meinungen, nämlich vertragliches Rücktrittsrecht der diskontgebenden Bank (RGZ 142, 23 ff; BGHZ 59, 197 ff; BGH WM 1963, 507 ff; Baumbach-Hefermehl, WuSchG Rz 21 zu Art. 11 WG) oder vertragliche Garantiehaftung des Diskontnehmers (Stauder WM 1968, 566 f, Schönle, Bank- und Börsenrecht2, § 14, II, 1) entbehrlich, weil eine besondere, kurze Verjährungsfrist weder aus der vertraglichen Rückabwicklungsverpflichtung im Sinne des § 1435 ABGB (Rummel in Rummel, ABGB, § 1435, Rz 2; zur Verjährung vgl. die unter Nr. 27 zu § 1478 ABGB in der MGA 232 abgedr. E.) noch aus der Garantiehaftung (Koziol, Der Garantievertrag, 50 D) der Durchsetzung des Klageanspruches hindernd entgegensteht, so daß die Verjährung nur nach § 1478 ABGB in Betracht kommen könnte. Für die Anwendung der besonderen Gewährleistungsnorm des § 1397 ABGB bleibt hier kein Raum, denn der Vertragsanspruch der klagenden Bank geht jedenfalls dem gesetzlichen Gewährleistungsrecht vor.

Die Beklagte ist nach der Aktenlage spätestens mit der Verständigung durch die klagende Bank von der Ausübung des Rückbelastungsrechtes und der gleichzeitig ergangenen Aufforderung zur Anschaffung des Betrages von (richtig) S 59.729,-- (anstatt S 60.000,--) am 12. November 1981 in Zahlungsverzug geraten. Die Klägerin hat nach § 353 HGB bereits ab diesem Tage Anspruch auf Zahlung von Zinsen. Sie hat sich in der Klage zur Begründung des Begehrens von 14 % Zinsen p.a. auch darauf berufen, daß sie während der Zeit der Zahlungssäumnis der Beklagten jederzeit diesen Zinssatz bei der Gewährung von Krediten hätte erzielen können. Das Erstgericht hat dazu unbekämpft festgestellt, daß die Klägerin bei Kreditgewährung im Jänner 1977 bis heute 10 bis 14 % Zinsen und 3 % Verzugszinsen hätte verrechnen können. Demnach kann der Klägerin in Ermangelung des Schuldlosigkeitsbeweises der Beklagten im Sinne des § 1298 ABGB gemäß Art. 8 Nr. 2 der 4. EVzHGB der erwiesene Mindestsatz von 10 % Zinsen und 3 % Verzugszinsen für die Zeit ab dem 12. November 1981 zugesprochen werden.

Aus den dargelegten Erwägungen war in Stattgebung der zulässigen und berechtigten Revision der klagenden Bank spruchgemäß zu entscheiden.

Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz beruht auf den §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO, jener über die Kosten des Revisionsverfahrens auf den §§ 43 Abs 2 erster Fall und 50 ZPO.

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