OGH 14Os120/87

OGH14Os120/8721.10.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Oktober 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Lachner und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Thoma als Schriftführer, in der Strafsache gegen Marion M*** und eine andere wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Marion M*** und die Berufung der Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten Carmen S*** gegen das Urteil des Kreisgerichtes Leoben als Jugendschöffengericht vom 19.Dezember 1986, GZ 18 Vr 547/86-18, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Kodek, und des Verteidigers der Angeklagten Carmen S***, Dr. Wechsler, jedoch in Abwesenheit der beiden Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird Folge gegeben und der Ausspruch, wonach die über die Angeklagte Carmen S*** verhängte Geldstrafe gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehen wird, aus dem Urteil ausgeschaltet. Gemäß § 390 a StPO fallen den beiden Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die am 25.September 1968 geborene Carmen S*** und die am 3.März 1967 geborene Marion M*** des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs 1 und Abs 2 Z 1 StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie am 8. März 1986 in Graz in Gesellschaft als Beteiligte durch Verbringen eines Damenmantels aus dem Jugend-Shop in ein WC des Kaufhauses K*** & Ö*** durch Carmen S***, während Marion M***

eine Verkäuferin ablenkte, versucht, fremde bewegliche Sachen, nämlich einen Damenmantel im Wert von 1.960 S, der genannten Firma mit dem Vorsatz wegzunehmen, Carmen S*** hiedurch unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Nur die Angeklagte M*** bekämpft den Schuldspruch mit einer auf die Z 5, 9 lit a und 10 (richtig nur 9 lit a) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der keine Berechtigung zukommt.

Im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) führt die - ihre Täterschaft leugnende - Beschwerdeführerin gegen das Ersturteil unter dem Gesichtspunkt einer unzureichenden bzw. widersprüchlichen Begründung im wesentlichen ins Treffen, die Konstatierung, wonach sie sich vor der Verkäuferin so aufgestellt habe, daß deren Sicht und Möglichkeit, Carmen S*** zu beobachten, möglichst eingeschränkt gewesen sei, lasse die Aussage der Zeugin Christine G*** unberücksichtigt, derzufolge das Anprobieren des Mantels durch S*** und das Gespräch zwischen der Angeklagten M*** und der Verkäuferin nicht gleichzeitig gewesen sei. Die Urteilsannahme hinwieder, wonach sie und die Mitangeklagte S*** in dem in Rede stehenden Warenhaus schon "negativ aufgefallen" seien, basiere überhaupt auf "Mystifikationen".

Entgegen dem bezüglichen Beschwerdevorbringen konnten jedoch die Tatrichter beweiswürdigend (§ 258 Abs 2 StPO) aus der für glaubwürdig erachteten Aussage der Zeugin G*** (vgl. S 50, 70) über das von ihr beobachtete Verhalten der beiden Angeklagten ohne Verstoß gegen die Denkgesetze oder allgemeine Lebenserfahrung den Schluß ziehen (S 89, 90, 93), daß das Aufstellen der Beschwerdeführerin vor der Verkäuferin im Jugend-Shop und deren - von der Angeklagten selbst gar nicht in Abrede gestellte (vgl. S 40, 68 f) - Befragung über Preis und Qualität von Strickröcken zu dem Zweck erfolgte, die Aufmerksamkeit und Beobachtungsmöglichkeit der Verkäuferin einzuschränken und der Mitangeklagten S*** hiedurch das Verlassen des (im 4.Stockwerk gelegenen) Jugend-Shops zu ermöglichen, wobei diese nach den vom Erstgericht auch insoweit für glaubwürdig erachteten Angaben der genannten Zeugin (vgl. S 50, 70), keineswegs zur Rolltreppe "eilte", wie dies die Beschwerdeführerin behauptet (S 67), sondern sich mit dem anprobierten Mantel "langsamen Schrittes" vom Kleiderständer in Richtung Rolltreppe begab. Daß aber das Anprobieren des Mantels durch S*** und das Gespräch der Beschwerdeführerin mit der Verkäuferin zeitlich zusammenfielen, hat das Erstgericht gar nicht festgestellt; es hat vielmehr mit einer jeden Zweifel ausschließenden Eindeutigkeit zum Ausdruck gebracht (S 90), daß das in Rede stehende Gespräch während des der Zeugin G*** - vgl. deren Aussage S 50, 70, 72 - aufgefallenen Bemühens der Angeklagten S*** stattfand, unbemerkt zur Rolltreppe zu gelangen. Von einem insoweit behaupteten Widerspruch kann daher keine Rede sein. Es findet aber auch die Urteilsannahme, wonach die beiden Angeklagten der hausinternen Überwachung schon vor diesem Besuch "negativ aufgefallen" waren, in der Aussage der (in dem in Rede stehenden Warenhaus als Hausdetektivin beschäftigten) Zeugin Christine G*** sowohl vor dem Untersuchungsrichter (vgl. S 49, 50) als auch in der Hauptverhandlung (S 69, 72 iVm S 80) volle Deckung. Im übrigen betrifft dieser vom Schöffengericht zudem nur illustrativ herangezogene Umstand keine im Sinn des relevierten Nichtigkeitsgrundes entscheidende Tatsache.

Mit allen weiteren - teils verfehlt auch im Rahmen der Rechtsrüge (Z 9 lit a) vorgebrachten - Argumenten schließlich unternimmt die Beschwerde - die in diesem Zusammenhang sowohl Passagen der Urteilsbegründung als auch einzelne Verfahrensergebnisse unvollständig und aus dem Zusammenhang gerissen wiedergibt - bloß den im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren unzulässigen und daher unbeachtlichen Versuch, nach Art und Zielsetzung einer Schuldberufung die Richtigkeit anderer als der für die Angeklagte M*** ungünstigen erstinstanzlichen

Schlußfolgerungen wahrscheinlich zu machen.

Die Mängelrüge (Z 5) erweist sich daher in keine Richtung hin

als zielführend.

Es versagt aber auch die Rechtsrüge (Z 9 lit a), mit der die Angeklagte einwendet, (strafbarer) Versuch der Tat im Sinn des § 15 StGB liege deshalb noch nicht vor, weil Carmen S*** zu einem Zeitpunkt beanstandet (und ihr der Mantel abgenommen) wurde, zu dem sie das Kaufhaus noch nicht verlassen hatte.

Damit vermengt die Beschwerde jedoch die Kriterien für die Abgrenzung zwischen Versuch und Vollendung mit jenen, die für die Beurteilung der Tat als strafbarer Versuch (und nicht bloß als idR straflose Vorbereitungshandlung) maßgebend sind. Die Tat ist versucht, sobald der Täter seinen Entschluß, sie auszuführen (oder einen anderen dazu zu bestimmen), durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt (§ 15 Abs 2 StGB). Im vorliegenden Fall haben die beiden Angeklagten nach den hier allein maßgebenden Urteilskonstatierungen im gegenseitigen Einverständnis nicht bloß eine nach Überwindung der entscheidenden Hemmstufe gesetzte ausführungsnahe Handlung vorgenommen, sondern durch die seitens der Mitangeklagten S*** erfolgte Ansichnahme des Mantels und das anschließende Verlassen des Jugend-Shops sogar schon mit der Ausführung der geplanten Straftat selbst begonnen, sodaß ihr Verhalten zu Recht als Diebstahlsversuch beurteilt wurde. Soweit die Beschwerdeführerin auch im Rahmen der Rechtsrüge jedes Einverständnis und gemeinsame Zusammenwirken mit der Mitangeklagten S*** in Abrede stellt, geht sie nicht von den gegenteiligen Urteilsannahmen aus und bringt solcherart den materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht zur gesetzmäßigen Darstellung; der Sache nach unternimmt sie vielmehr abermals den unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der tatrichterlichen Beweiswürdigung.

Mit dem Einwand schließlich, eine (nach Meinung der Beschwerdeführerin hier aktuelle) versuchte Beihilfe sei nicht strafbar, verkennt die Beschwerde - abgesehen davon, daß die Strafbarkeit des (vollendeten) sonstigen Tatbeitrags iSd § 12 dritter Fall StGB (bloß) voraussetzt, daß der geförderte unmittelbare Täter auf dem Weg zur Tatbegehung objektiv das Versuchsstadium erreicht hat (vgl. Leukauf-Steininger Kommentar2 § 12 RN 41) - das Wesen der (deliktsspezifischen Sonder-)Täterschaftsform nach § 127 Abs 2 StGB (wie auch nach § 143 erster Fall StGB), nämlich der Verübung der Tat "in Gesellschaft eines oder mehrerer Beteiligter (§ 12)", zu der es genügt, daß einer der Tatgenossen ("Beteiligten") zum Unternehmen des anderen zur Tatzeit und am Tatort oder in dessen Nähe ("Gesellschaft") in irgendeiner Weise - zur Erreichung des gemeinsamen Zieles, mag dieses Einverständnis auch ohne vorherige Verabredung erst (spontan) bei der Tatbegehung zustandegekommen sein - beiträgt, auch wenn sein eigenes Verhalten, isoliert betrachtet, der gesetzlichen Umschreibung der Tathandlungen des Diebstahls (Raubes) nicht unmittelbar entspricht und ohne die bezeichnete deliktsspezifische Sonderregelung dem zweiten oder dritten Fall des § 12 StGB zuzuordnen wäre (Leukauf-Steininger aaO § 12 RN 14, § 127 RN 74, § 143 RN 7 und die dort zitierte Judikatur). All diese Voraussetzungen sind nach den Urteilsfeststellungen des Jugendschöffengerichts auch in Ansehung der Angeklagten M*** gegeben, weshalb der Schuldspruch wegen versuchten Gesellschaftsdiebstahls frei von Rechtsirrtum erfolgte. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Jugendschöffengericht verurteilte die beiden Angeklagten nach §§ 37 Abs 1, 127 Abs 2 StGB, Carmen S*** unter weiterer Anwendung des § 11 Z 1 JGG zu Geldstrafen, und zwar Carmen S*** zu 100 Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit 50 Tage Ersatzfreiheitsstrafe und Marion M*** zu 60 Tagessätzen, für den Fall der Uneinbringlichkeit 30 Tage Ersatzfreiheitsstrafe; die Höhe des einzelnen Tagessatzes wurde bei der Angeklagten S*** mit 20 S und bei der Angeklagten M*** mit 80 S festgesetzt. Gemäß § 43 Abs 1 StGB wurden diese Strafen bei beiden Angeklagten unter Bestimmung einer je dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Mit ihrer Berufung strebt die Staatsanwaltschaft hinsichtlich der Angeklagten S*** die Ausschaltung der gewährten bedingten Strafnachsicht an.

Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht hinsichtlich dieser Angeklagten zwei Vorverurteilungen als erschwerend, hingegen den Umstand, daß es beim Versuch blieb, als mildernd. Die Berufung ist begründet.

Angesichts des Umstands, daß Carmen S*** bereits zwei Vorverurteilungen wegen (Gesellschafts-) Diebstahls (von zwei Jacken aus einem Warenhaus) und (versuchter) Entwendung (einer Packung Augencreme aus einem Drogeriemarkt) aufweist und die aus diesem Anlaß vom Kreis- bzw. Bezirksgericht Leoben über sie verhängten Sanktionen ohne Erfolg blieben, bedarf es - entgegen der Meinung des Erstgerichtes - zur Erreichung der Strafzwecke bei der die rechtlich geschützten Werte des Eigentums offensichtlich sehr gering einschätzenden Angeklagten S*** jedenfalls der Vollstreckung der verhängten (mit 2.000 S ohnedies niedrig ausgemessenen) Geldstrafe. Der Berufung der Staatsanwaltschaft war sohin Folge zu geben und die bedingte Strafnachsicht bei Carmen S*** aus dem Ersturteil auszuschalten.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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