OGH 4Ob537/87

OGH4Ob537/8729.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Mag. Herbert H***, Angestellter, 1170 Wien, Gschwandnergasse 36/18,

2. Elisabeth H***, Pensionistin, 1170 Wien,

Halirschgasse 14/27-28, beide vertreten durch Dr. Heinrich Roth, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Adolf K***, Kaufmann, 1170 Wien, Rupertusplatz 2, vertreten durch Dr. Wilhelm Schuster, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung (Streitwert gemäß § 10 Z 2 lit a RATG S 40.490,40, gemäß § 16 lit b GGG S 6.000,--) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 14. Jänner 1987, GZ 48 R 570/86-29, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 25. August 1986, GZ 6 C 491/85-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien die mit S 7.206,37 (darin enthalten S 518,77 Umsatzsteuer und S 1.500,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind die Eigentümer des Hauses Wien 17., Halirschgasse 14. Der Beklagte ist seit 1. Mai 1972 Mieter des in diesem Haus gelegenen Geschäftslokals, bestehend aus sieben Räumen mit den topographischen Bezeichnungen 3, 4 und 5. § 1 Z 4 des Mietvertrages vom 9. Mai 1972 lautet: "Der Mietgegenstand.....darf nur zum Betrieb eines Magazines und Büro verwendet werden." Der Beklagte betrieb damals den Obst- und Gemüsehandel und verwendete den Bestandgegenstand zur Lagerung von Obst und Gemüse, alten Möbeln, alten Geschäftseinrichtungen, Fahrrädern und Buchhaltungsunterlagen, nicht jedoch als Büro. Im Jahr 1979 verpachtete er sein Obst- und Gemüsehandelsunternehmen an seine geschiedene Ehefrau, die in der Folge vier Räume des Bestandobjektes mit Zustimmung der Hauseigentümer ebenfalls zur Einlagerung von Obst und Gemüse sowie einer Verpackungsmaschine verwendete. Im Jahr 1984 gab sie diese Räume an den Beklagten zurück. Seither benützt der Beklagte den Bestandgegenstand nur noch zum Lagern seiner alten Möbel und diverser Gegenstände wie Fahrräder, Autoreifen, Leerflaschen, Bücher, Christbaumschmuck und Gartenmöbel; auch Buchhaltungsunterlagen für die Jahre 1973 bis 1979 beließ er im Bestandobjekt. Während früher Obst und Gemüse im täglichen Rhythmus ein- bzw. ausgelagert wurden, sucht der Beklagte nunmehr die Bestandräumlichkeiten nur noch selten auf; daher sank auch der Stromverbrauch. Ende 1984 wurde das Telefon abgemeldet. Während des anhängigen Verfahrens brachte der Beklagte weitere ältere Einrichtungsgegenstände zur Lagerung in das Bestandobjekt. Die Kläger kündigten dem Beklagten das Bestandobjekt zum 31. Dezember 1985 auf; sie machen den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG geltend. Der Beklagte verwende die Geschäftsräumlichkeiten - wenn überhaupt - nur unregelmäßig als Lager bzw. überhaupt nicht. Er habe darin insbesondere weder Geschäftsunterlagen noch Waren. Die Rollbalken seien ständig geschlossen.

Der Beklagte wendete ein, er verwende das Geschäftslokal nach wie vor zum bedungenen Gebrauch. In dem gemieteten Magazin befänden sich zum Teil noch Gegenstände, die er bereits zu Beginn des Mietverhältnisses eingelagert habe; eine Änderung in der Verwendungsart sei nicht eingetreten.

Das Erstgericht hat die Aufkündigung als wirksam erkannt und dem Beklagten aufgetragen, den Klägern das Bestandobjekt geräumt zu übergeben. Der Beklagte habe die Art der Benützung des Bestandobjektes dadurch geändert, daß er dort jetzt keine Waren (Obst und Gemüse), sondern nur noch alte Gegenstände (Möbel und Geschäftseinrichtungen) im Bestandobjekt lagere. Aus der Bezeichnung des Beklagten im Mietvertrag (Lebensmittelhändler) und dem Zweck der Anmietung ergebe sich, daß die Bestandräume für die Lagerung von Gegenständen vermietet wurden, die im Zusammenhang mit der geschäftlichen Tätigkeit des Beklagten stehen; die nunmehrige Verwendung der Geschäftsräume zur Lagerung privater Gegenstände entspreche nicht dem Inhalt des Mietvertrages. Für die Buchhaltungsunterlagen, die der Beklagte dort noch verwahre, bestehe keine Aufbewahrungspflicht mehr; aus ihrem Vorhandensein könne daher nicht abgeleitet werden, daß die Lagerung zu geschäftlichen Zwecken erfolge.

Das Berufungsgericht hat die Aufkündigung aufgehoben, das Klagebegehren abgewiesen und ausgesprochen, daß der von der Abänderung betroffene Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht jedoch S 300.000,-- übersteige und die Revision zulässig sei. Es verneinte das Vorliegen der gerügten Aktenwidrigkeit und der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes mit Ausnahme jener, die Zweitklägerin habe im Frühjahr 1985 anläßlich einer gemeinsamen Besichtigung der Geschäftsräume mit dem Beklagten festgestellt, daß das Bestandobjekt größtenteils leer gestanden sei. Zu Unrecht habe das Erstgericht den bedungenen Verwendungszweck einschränkend dahin ausgelegt, daß nur die Nutzung als Gemüsemagazin bedungen gewesen sei; nach dem klaren Wortlaut des Mietvertrages, zu dessen Inhalt die Parteien keinen von der Urkunde abweichenden Sachverhalt behauptet haben, sei der vereinbarte Verwendungszweck - neben der nie ausgeübten Nutzung als Büro - die uneingeschränkte Nutzung als Magazin gewesen. Tatsächlich habe der Beklagte die Räume, je nach seinen Bedürfnissen, als Magazin benützt. Daher komme der Frage keine Bedeutung zu, ob der Beklagte jetzt nur noch wertlose Sachen, die nicht mit der geschäftlichen Tätigkeit im Zusammenhang stehen, einlagere. Da der Beklagte die Mieträume vertragskonform verwende, komme es auf die Intensität der Benützung etwa restlicher Räumlichkeiten im Objekt nicht an.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf den Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gestützte Revision der Kläger mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen; hilfsweise stellen die Kläger auch einen Aufhebungsantrag.

Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist berechtigt.

Die Kläger machen den Revisionsgrund nach § 503 Abs 1 Z 4 ZPO geltend. Der Beklagte habe das Magazin für geschäftliche Zwecke gemietet; jetzt benütze er es nur noch zur Lagerung alten Gerümpels und daher nicht mehr vertragskonform.

Nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG liegt ein wichtiger Grund zur Kündigung des Mietvertrages vor, wenn die vermieteten Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet werden, es sei denn, daß der Mieter nur vorübergehend wegen Urlaubs, Krankheit oder Kuraufenthalts abwesend ist. Dagegen war der Kündigungsgrund nach § 19 Abs 2 Z 14 MG dann gegeben, wenn der vermietete Geschäftsraum nicht zur Befriedigung regelmäßiger geschäftlicher Betätigung verwendet wurde. Aus dieser Formulierung hatte die Rechtsprechung abgeleitet, daß für den Kündigungsgrund ein dauernder und völliger Mangel eines schutzwürdigen Interesses des Mieters an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses entscheidend sei; ein solcher Mangel sei bei einem Geschäftslokal nur bei völligem Stillstand jeder regelmäßigen geschäftlichen Betätigung gegeben. Auf die Intensität der restlichen Benützung und auf die Zweck- und Widmungsmäßigkeit der geschäftlichen Tätigkeit komme es nicht an (MietSlg 32.406 ua; Derbolav in Korinek-Krejci, Handbuch zum Mietrechtsgesetz 446).

Durch die nunmehrige Formulierung des § 30 Abs 2 Z 7 MRG "zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung" sollte einer Umwandlung von Räumlichkeiten, die zu regelmäßiger geschäftlicher Betätigung gemietet worden sind, in nicht gleichwertige Verwendungsformen entgegengewirkt werden (JAB in 880 BlgNR 15. GP 5). Der Mieter hat jetzt die gemieteten Geschäftsräume grundsätzlich zu dem ausdrücklich oder stillschweigend bedungenen Vertragszweck zu verwenden. Verwendet er sie zu einem anderen Zweck, dann ist die Gleichwertigkeit zu prüfen. So ist etwa die Verwendung eines Gassenlokals, das für Zwecke des Verkaufs vermietet wurde, zu bloßen Magazinzwecken der im Vertrag bedungenen geschäftlichen Betätigung nicht gleichwertig (Würth-Zingher2 Anm. 10 zu § 30 MRG; 7 Ob 608/85). Die Gleichwertigkeit ist am Wesen des Kündigungsgrundes nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG, nämlich des Wegfalles eines schutzwürdigen Interesses des Mieters an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses, zu prüfen. Verlegt der Mieter seinen Geschäftsbetrieb anderswohin und benützt er den Mietgegenstand nur noch für minderwertige Zwecke, als Archiv, Lager oder Abstellraum, dann ist Gleichwertigkeit nicht gegeben; wurde der Mietgegenstand aber von Anfang an nur für periphere und nicht für zentrale Zwecke des Geschäftsbetriebes verwendet, dann kann die Verwendung zu anderen peripheren Zwecken nicht schaden (Derbolav aaO 447). Fehlt aber eine regelmäßige geschäftliche Tätigkeit, so ist der Kündigungsgrund verwirklicht (Würth in Rummel, ABGB, Anm. 34 zu § 30 MRG). Hinsichtlich der Beurteilung eines Bestandverhältnisses als Geschäftsraummiete nach der Parteienabsicht hat das MRG nichts geändert (MietSlg 35.369). So hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, daß die Umwidmung nur zur geschäftlichen Nutzung vermieteter Räume in Räume, die überwiegend Wohnzwecken dienen, den Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 7 MRG verwirklicht (1 Ob 572/87). Der Kündigungsgrund ist daher auch dann gegeben, wenn ein gekündigter Geschäftsraum nur noch als Rumpelkammer oder zur Lagerung von Gegenständen benützt wird, die mit der geschäftlichen Betätigung des Mieters in keinem Zusammenhang stehen (MietSlg 31.440). Bei Lagerräumen setzt regelmäßige geschäftliche Betätigung das regelmäßige Holen und Bringen von Lagergegenständen voraus (MietSlg 25.351 ua).

Da die Parteien eine vom schriftlichen Mietvertrag abweichende Absicht nicht behauptet haben, ist der Gehalt der schriftlichen Willenserklärung über die Art der Miete und den Verwendungszweck im Wege der rechtlichen Beurteilung durch Auslegung zu ermitteln (EvBl 1980/99; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 23 zu § 914). Im Mietvertrag ist ausdrücklich angeführt, daß die Geschäftsräume nur zum Betrieb eines Magazins und Büros verwendet werden dürfen. Der Beklagte hat also nicht, wie das Berufungsgericht meint, Räume zur beliebigen Lagerung diverser (privater) Gegenstände gemietet, sondern Räumlichkeiten für geschäftliche Zwecke (Geschäftslokal) und zwar als Magazin - den ebenfalls bedungenen Verwendungszweck als Büro hat er nie ausgeübt - für den seinerzeit von ihm betriebenen Obst- und Gemüsehandel. Zu diesem Zweck verwendete er auch die gemieteten Räumlichkeiten durch die Lagerung von Obst und Gemüse. Nunmehr benützt er aber die Räumlichkeiten ausschließlich zur Lagerung privater Gegenstände, die mit seiner geschäftlichen Tätigkeit - den Handel mit Obst und Gemüse übt er nunmehr nicht mehr aus, der Betrieb ist an seine geschiedene Ehefrau verpachtet - in keinerlei Zusammenhang stehen. Die Lagerung von Buchhaltungsunterlagen, für die keine Aufbewahrungspflicht mehr besteht und die daher nicht mehr laufend benötigt werden, vermag daran nichts zu ändern (MietSlg 29.377). Der Beklagte hat auch nicht vorgebracht, daß er in naher Zukunft in den Räumlichkeiten wieder eine Magazinstätigkeit für geschäftliche Zwecke aufnehmen werde; dieses schutzwürdige Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietvertrages hätte aber er zu behaupten und zu beweisen gehabt (Würth in Rummel aaO). Da er die zu Magazinszwecken gemieteten Geschäftsräume somit nicht mehr für geschäftliche Zwecke benötigt, kommt es nicht darauf an, ob die (geschäftliche) Lagerung alter Möbel und dergleichen der (geschäftlichen) Lagerung von Obst und Gemüse gleichwertig wäre.

Die Auffassung des Beklagten, die Benützung der Räumlichkeiten entspreche dem Vertragszweck, weil er die schon bisher in den Räumlichkeiten gelagerten Möbel weiterhin dort belassen habe, trifft nicht zu; der Beklagte übersieht, daß er das Lokal als Geschäftsraum zu Magazinszwecken gemietet hat und nunmehr keine geschäftliche Magazinstätigkeit mehr entfaltet. Auch der Hinweis auf MietSlg 37.440 ist nicht zielführend: In dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof lediglich ausgesprochen, daß der Verkauf gebrauchter Gegenstände dem Verkauf von Elektrogegenständen gleichwertig ist, weil es nicht auf die Gleichwertigkeit der verkauften Gegenstände ankommt.

Da dem Beklagten mangels einer geschäftlichen Betätigung in den als Magazin vermieteten Räumen das schutzwürdige Interesse an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses fehlt, war in Stattgebung der Revision der Klägerin das Urteil des Erstgerichtes wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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