OGH 4Ob562/87

OGH4Ob562/8715.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Gernot Helmut K***, Baumeister, 1130 Wien, Dontgasse 6, vertreten durch Dr. Peter Getreuer, Rechtsanwalt in Wien, wider die Antragsgegnerin Verlassenschaft nach dem am 3. Juli 1985 verstorbenen Richard S***, diese vertreten durch Maria S*** und Gerhard S***, beide 1070 Wien, Lerchenfelder Gürtel 6-9, diese vertreten durch Dr. Ludwig Hötzl und Dr. Manfred Michalek, Rechtsanwälte in Wien, wegen Bestellung eines Verwalters infolge Revisionsrekurses der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 12. Mai 1987, GZ 43 R 173/87-18, womit infolge Rekurses der Antragstellerin der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 20. Jänner 1987, GZ 4 Nc 505/86-14, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Liegenschaft EZ 1617 des Grundbuches über die Katastralgemeinde Neubau mit dem Haus Wien 7., Lerchenfelder Gürtel 6, stand zur Hälfte im Eigentum des am 3. Juli 1985 verstorbenen Richard S*** und zu je einem Viertel im Eigentum des Antragstellers und des Ing. Franz G***. Nach dem Tod des Hälfteeigentümers haben seine Witwe Maria S*** und sein Sohn Gerhard S*** bedingte Erbserklärungen abgegeben; ihnen wurde die Besorgung und Verwaltung des Nachlasses übertragen. Mit Kaufvertrag vom 8. Jänner 1986 verkaufte Ing. Franz G*** seinen Viertelanteil an den Antragsteller, dessen Hälfteeigentum in der Folge verbüchert wurde (ON 1, 3 und 7).

Verwalterin der Liegenschaft war die Brigitte T*** Gesellschaft mbH gewesen. Mit Schreiben vom 11. Februar und 3. Juni 1985 haben Richard S*** und Ing. Franz G*** die Verwaltungsvollmacht aufgekündigt.

Das Handelsgericht Wien hat im Zuge eines von der Antragsgegnerin gegen die Brigitte T*** Gesellschaft mbH angestrengten Prozesses der letzteren mit einstweiliger Verfügung für die Dauer des Rechtsstreites, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1988, die Verwaltungstätigkeit für die Liegenschaft untersagt; die einstweilige Verfügung erwuchs in Rechtskraft (ON 1 und 3).

Am 4. November 1985 vereinbarten die erbserklärten Erben nach Richard S*** mit Ing. G***, künftig die Hausverwaltung gemeinschaftlich zu führen.

Mit der Behauptung, zwischen den Parteien bestehe zwar kein Zweifel, daß ein "gemeinsamer" Verwalter zu bestellen sei, strittig sei aber, ob die Antragsgegnerin die Verwaltung zusammen mit Ing. Franz G*** führen oder ein behördlich konzessionierter Verwalter bestellt werden solle, begehrt der Antragsteller, für die Liegenschaft unter Enthebung der Verwalter Maria S***, Gerhard S*** und Ing. Franz G*** bis zur rechtskräftigen Erledigung des Verfahrens 28 Cg 232/86 des Handelsgerichtes Wien einen geeigneten gemeinsamen Verwalter zu bestellen.

Die Antragsgegnerin trat diesem Antrag unter Hinweis darauf entgegen, daß die Mehrheit der Eigentümer im November 1985 rechtsgültig beschlossen habe, sich die Verwaltung selbst vorzubehalten.

Der Erstrichter wies den Antrag - nach Durchführung eines Beweisverfahrens - zurück. Ob ein Verwalter zu bestellen sei, müsse bei Uneinigkeit der Miteigentümer auf dem Prozeßweg geklärt werden. Im vorliegenden Fall hätten sich die Mehrheitseigentümer die Hausverwaltung selbst vorbehalten. Nunmehr sei der Antragsteller - als Hälfteeigentümer - der Meinung, daß die Bestellung eines Dritten zum Hausverwalter im Interesse aller Beteiligten gelegen wäre. Da zwischen den Eigentümern noch keine Vereinbarung darüber zustande gekommen sei, ob die Hausverwaltung von ihnen selbst oder durch einen zu bestellenden Hausverwalter erfolgen solle, sei der Antrag vorerst zurückzuweisen. Erst nach Klärung der Frage, ob die Liegenschaft im Interesse aller Beteiligten durch einen Dritten verwaltet werden solle, könne allenfalls bei gleichbleibenden Eigentumsverhältnissen ein Verwalter gerichtlich bestellt werden.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem vom Antragsteller gegen diesen Beschluß erhobenen Rekurs Folge und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Aus § 833 ABGB ergebe sich, daß eine gemeinschaftliche Verwaltung der gemeinsamen Sache nur dann vorliege, wenn daran alle Miteigentümer beteiligt seien, auch wenn in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung die Mehrheit - nach Anteilen - für die Willensbildung entscheide. Die Vereinbarung der damaligen Mehrheitseigentümer vom 4. November 1985 sei bereits eine Verwalterbestellung und kein Beschluß auf Selbstverwaltung durch sämtliche Teilnehmer gewesen, weil der Antragsteller daran nicht beteiligt gewesen sei. Ing. Franz G*** habe seine Mitwirkung an der Hausverwaltung auch nach seinem Ausscheiden als Miteigentümer beibehalten, sei also derzeit als Fremder an der Hausverwaltung beteiligt. Schließlich sei die Hausverwalterbestellung vom 4. November 1985 auch zu dem Zweck erfolgt, einen Ersatz für die frühere Hausverwalterin Brigitte T*** Gesellschaft mbH zu schaffen; schon damals habe es sich also nur um einen Wechsel in der Person des Hausverwalters gehandelt. Das gleiche gelte für den vorliegenden Antrag. Der Verwalterbestellung vom 4. November 1985 liege daher kein "Vertrag" zugrunde, sondern lediglich ein Beschluß der Eigentümermehrheit.

Nach § 836 ABGB entscheide dann, wenn ein Verwalter der gemeinschaftlichen Sache zu bestellen sei, über dessen Auswahl die Mehrheit, komme eine solche nicht zustande, der Richter im Außerstreitverfahren. Da der vorliegende Antrag auf einen Wechsel in der Person des Verwalters gerichtet sei, falle er in die Zuständigkeit des Außerstreitverfahrens. Die Bildung einer Mehrheit der Miteigentümer sei bei den jetzigen Eigentumsverhältnissen nicht mehr möglich.

Rechtliche Beurteilung

Der von der Antragsgegnerin gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Nach Ansicht der Antragsgegnerin liege auf Grund der Vereinbarung vom 4. November 1985 - entgegen der Meinung des Rekursgerichtes - sehr wohl eine Selbstverwaltung der Miteigentümer vor; der Übergang von einer solchen gemeinsamen Verwaltung zur Fremdverwaltung sei jedoch dem Streitrichter zugewiesen. Ein Einverständnis der Miteigentümer darüber, ob ein Verwalter zu bestellen sei, liege nicht vor und habe auch innerhalb der letzten drei Jahre nie bestanden. Der Außerstreitrichter wäre jedoch nur dann zur Entscheidung berufen, wenn ein solches Einverständnis bestünde. Dem kann nicht zugestimmt werden:

In welchem Verfahren eine Rechtssache zu behandeln und zu erledigen ist, richtet sich nicht narh der Bezeichnung durch die Partei, sondern nach dem Inhalt des Begehrens und des Vorbringens der Partei (§ 40 a JN). Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Sache in das Außerstreitverfahren oder auf den ordentlichen Rechtsweg gehört, ist nach ständiger Rechtsprechung von den Behauptungen des Antragstellers, nicht aber von den Einwendungen des Antragsgegners oder den Feststellungen auszugehen, die das Gericht auf Grund der durchgeführten Beweise trifft (MietSlg. 36.722 mwN; MietSlg. 37.493/15 uva). Der Antragsteller hat die Enthebung der bisherigen Verwalter und die Bestellung eines neuen Verwalters verlangt und in diesem Zusammenhang behauptet, zwischen den Streitteilen bestehe darüber Einigkeit, daß ein gemeinsamer Verwalter zu bestellen sei, lediglich die Person des Verwalters sei umstritten. Der Antrag ist demnach nicht auf die Klärung der Frage gerichtet, ob ein Verwalter der gemeinschaftlichen Sache zu bestellen ist, was nach ständiger Rechtsprechung im Rechtsstreit zu klären wäre (MietSlg. 34.105 mwN; kritisch Klang2 III 1117; Jensik, Miteigentum - Wohnungseigentum 28; Gamerith in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 836). Schon aus diesem Grund war die Zurückweisung des Antrages durch den Erstrichter nicht berechtigt. Macht nämlich ein Antragsteller nach seinen Behauptungen einen Anspruch mit Recht im Außerstreitverfahren geltend und stellt sich dann heraus, daß die Voraussetzungen dafür fehlen, dann ist das Begehren im Außerstreitverfahren, wenn auch abschlägig, zu erledigen (MietSlg. 20.659, 36.722 uva).

Aber auch auf Grund des vom Erstrichter festgestellten Sachverhaltes liegen die Voraussetzungen für eine Entscheidung im Außerstreitverfahren vor:

Das Gesetz betrachtet die Selbstverwaltung durch die Teilhaber als den Normalfall, die Verwaltung durch einen hiezu bestellten Verwalter hingegen als die Ausnahme (§ 833 ABGB; Jensik aaO 25; Gamerith aaO Rz 3 zu § 833; MietSlg. 27.100 ua). Selbstverwaltung bedeutet aber - im Gegensatz zu den Rechtsmittelausführungen der Antragsgegnerin - die gemeinsame Verwaltung durch alle Teilhaber (Jensik aaO 25). Auch in SZ 2/44 hat der Oberste Gerichtshof keinen anderen Standpunkt eingenommen, sondern nur ausgesprochen, daß die Mehrheit der Miteigentümer berechtigt ist, ohne Abhaltung einer Versammlung sämtlicher Miteigentümer und ohne Notwendigkeit einer Abstimmung aller Miteigentümer den Beschluß zu fassen, in Hinkunft selbst die Verwaltung zu führen. In einem solchen Fall liegt aber keine gemeinsame Verwaltung (= Selbstverwaltung) der Miteigentümer vor.

Die die Antragsgegnerin vertretenden erbserklärten Erben und der frühere Vierteleigentümer Ing. G*** haben mit ihrer Vereinbarung vom 4. November 1985 zum Ausdruck gebracht, daß das gemeinsame Haus nicht von allen Miteigentümern gemeinsam verwaltet werden solle, sondern daß eine besondere Verwalterbestellung erforderlich sei. Daß sie damals selbst Miteigentümer (oder Anwartschaftsberechtigte) waren, spricht nicht dagegen; auch ein Teilhaber kann als Verwalter bestellt werden (Gamerith aaO Rz 4 zu § 836; MietSlg. 34.105). Über die Auswahl des Verwalters entscheidet nach der Rechtsprechung die - absolute - Stimmenmehrheit, gezählt nach Anteilen (MietSlg. 34.105; Gamerith aaO Rz 2 zu § 836). Kommt eine Mehrheit nicht zustande, dann entscheidet der Richter im außerstreitigen Verfahren (Gamerith aaO); das ist insbesondere bei uneinigen Hälfteeigentümern der einzige Ausweg (LGZ Wien in MietSlg. 26.055;

Gamerith aaO Rz 4).

Im Zeitpunkt der Abmachung vom 4. November 1985 hatte die Antragsgegnerin zusammen mit Ing. G*** die Mehrheit der Anteile;

bei Schluß der Verhandlung erster Instanz waren beide Parteien Hälfteeigentümer. Eine Mehrheitsentscheidung kommt nunmehr, wie das Rekursgericht zutreffend hervorgehoben hat, nicht mehr in Frage. Dem Antragsteller, der die Enthebung der von den seinerzeitigen Mehrheitseigentümern durch die Vereinbarung vom 4. November 1985 berufenen Verwalter anstrebt, ohne aber die Wiedereinführung der Selbstverwaltung zu fordern, blieb nur der Weg ins Außerstreitverfahren (MietSlg. 28.069 ua; Gamerith aaO Rdz 6), ist doch der Außerstreitrichter zur Enthebung des bisherigen und zur Bestellung eines neuen Verwalters ohne Rücksicht darauf zuständig, ob der (die) bisherige(n) Verwalter vom Gericht oder von den Miteigentümern bestellt worden ist (sind) (MietSlg. 28.069 ua) oder ob ein verwaltender Miteigentümer durch einen Fremden (oder umgekehrt) ersetzt werden soll (MietSlg. 26.054 ua). Auch wenn über die Entfernung des bisherigen Verwalters Streit besteht und sich weder für die Belassung noch für die Enthebung des bisherigen Verwalters eine Mehrheit bildet, ist darüber im außerstreitigen Verfahren zu entscheiden (Gamerith aaO Rz 6).

Der angefochtene Beschluß war demgemäß zu bestätigen.

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