OGH 3Ob36/87

OGH3Ob36/879.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Petrasch als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hule, Dr. Klinger, Dr. Angst und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei V*** ZUR F*** DES L*** W*** UND DES G*** R***,

Salzburg, Anton-Wildgans-Straße 21-23, vertreten durch Dr. Herwig Liebscher, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die verpflichtete Partei K***-Wäsche-Versand-Gesellschaft mbH, Lustenau, Kaiser Franz-Joseph-Straße 8, vertreten durch Dr. Bernhard Kessler, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Erwirkung von Unterlassungen, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 18. Februar 1987, GZ. 2 R 33/87-10, womit der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 1. Dezember 1986, GZ. 7 Cg 365/86-3, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die betreibende Partei hat die Kosten des Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Mit einstweiliger Verfügung vom 7. November 1986 wurde der verpflichteten Partei aufgetragen, es im geschäftlichen Verkehr ab sofort zu unterlassen, neben Waren unentgeltliche Zugaben und Prämien wie insbesondere Makramee-Deckchen anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, wenn die Gewährung von unentgeltlichen Zugaben von einer Mindestbestellung von 1.500 S abhängig gemacht wird. Aufgrund dieser einstweiligen Verfügung bewilligte das Erstgericht (Titelgericht) die Exekution gemäß § 355 EO. Das Gericht zweiter Instanz änderte diesen Beschluß dahin ab, daß der Exekutionsantrag abgewiesen wurde. Es sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes 300.000 S übersteigt. Grundlage der einstweiligen Verfügung war ein Weihnachtskatalog der verpflichteten Partei (Beilage D), den diese an zahlreiche Haushalte in Österreich versendete und dem das Begleitschreiben vom 14. Oktober 1986 (Beilage F) sowie ein Gewinn- und Bestellschein (Beilage E) beilagen.

Grundlage der Exekutionsbewilligung war die Behauptung der betreibenden Partei, die verpflichtete Partei habe am 21. November 1986 einen Katalog (Beilage K) nebst einem Begleitschreiben vom 21. November 1986 (Beilage G), einem Prospekt (Beilage H), einer Gewinn- und Bestellkarte (Beilage I) und einem Kuvert (Beilage L) versendet.

In allen diesen Urkunden wird für den Fall einer Bestellung von Waren zur Ansicht im Wert von mindestens 1.500 S als Geschenk ein Makramee-Deckchen versprochen. Im Gegensatz zu den erstgenannten Schriftstücken (Beilage D bis F) wird jedoch in den späteren Schriftstücken (Beilage G bis L) deutlicher als früher klargestellt, daß man das Geschenk auch behalten dürfe, wenn man nichts kaufe, sondern vom Rückgaberecht Gebrauch mache.

Das Erstgericht war der Auffassung, daß die einstweilige Verfügung lediglich auf eine Mindestbestellung von 1.500 S abstelle, gleichgültig, ob es sich im einzelnen Fall auch nur um eine bloße "Ansichtsbestellung" verbunden mit einem Umtausch- oder Rückgaberecht innerhalb einer bestimmten Frist handle. Die Hervorhebung, man könne das Geschenk behalten, wenn man vom Rückgaberecht Gebrauch mache, ändere nichts daran, daß das Geschenk weiterhin von einer Bestellung von Waren im Wert von mindestens 1.500 S abhängig gemacht werde.

Das Gericht zweiter Instanz war der Ansicht, der Exekutionstitel müsse bei Unklarheiten zum Nachteil der betreibenden Partei ausgelegt werden. Der verpflichteten Partei sei in der einstweiligen Verfügung die Gewährung des strittigen Geschenkes nur für den Fall einer bestimmten Mindestbestellung verboten worden, worunter eine bloße Bestellung zur Ansicht aber nicht falle.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der betreibenden Partei ist nicht berechtigt. Die Auffassung des Gerichtes zweiter Instanz entspricht der ständigen neueren Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (ÖBl 1979, 12 mit zustimmender Glosse von Schönherr; ÖBl 1985, 49; MuR 1986 H 6 S 22). Danach liegt keine Zugabe im Sinne des § 1 Abs 1 ZugabenG vor, wenn der Interessent ausdrücklich und hinreichend deutlich darauf hingewiesen wird, daß er die ihm zugleich mit der bestellten Ware unentgeltlich zugesandte Nebenware auch dann behalten könne, wenn er die Ware selbst innerhalb der Ansichtsfrist zurücksendet und damit von einem Kauf Abstand nimmt. Da der Exekutionstitel im vorliegenden Fall die verba legalia des Zugabengesetzes enthält, ist auch bei der Prüfung der Frage, ob ein Verstoß gegen diesen Exekutionstitel vorliegt, von diesem gesetzlichen Zugabenverbot auszugehen.

An der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes wurde kürzlich Kritik geäußert (Gladt in ÖBl 1987, 33). Auch dann, wenn der angesprochene Interessent das Geschenk bei Ausübung eines Rückgaberechtes behalten könne, liege der nötige Zusammenhang zwischen der "Bestellung" einer Ware und dem "Gratisgeschenk" vor. Nach Ansicht des erkennenden Senates ist aber bei Auslegung eines Exekutionstitels, der im Sinne der herrschenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes erlassen wurde, zugunsten der verpflichteten Partei zumindest im Zweifel von dieser Rechtsprechung auszugehen. Ein allfälliges Überdenken der Rechtsprechung zur Auslegung des Begriffes der Zugabe nach § 1 Abs 1 ZugabenG könnte nur in einem Titelverfahren stattfinden.

Im vorliegenden Fall hat die verpflichtete Partei in ihren nach Erlassung der einstweiligen Verfügung herausgegebenen Werbematerialien deutlich und unmißverständlich darauf hingewiesen, daß ein Besteller das Geschenk auch dann behalten dürfe, wenn er vom Recht auf Rückgabe der bestellten Waren Gebrauch mache, während dies in den durch Erlassung der einstweiligen Verfügung zugrundeliegenden Werbematerial nicht der Fall war. Damit hat sich die verpflichtete Partei aber an das im Exekutionstitel ausgesprochene Verbot gehalten. Entgegen der Ansicht der betreibenden Partei und des Erstgerichtes kann der einstweiligen Verfügung nicht entnommen werden, daß diese vor allem auf die Höhe des Wertes der Bestellung abstelle. Die Worte "wenn die Gewährung von unentgeltlichen Zugaben von einer Mindestbestellung von 1.500 S abhängig gemacht wird", betonen vielmehr neben dem Begriff einer Mindesthöhe der Bestellung gleich deutlich die Begriffe "Zugabe", "Bestellung" und "Abhängigmachung".

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 78 EO iVm §§ 40 und 50 ZPO.

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