OGH 1Ob650/87

OGH1Ob650/872.9.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Kodek und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich F***, geboren am 29. November 1942 in Senftenbach, ÖBB-Bediensteter, Senftenbach, Berg 23, vertreten durch Dr. Walter Hasibeder, Rechtsanwalt in Ried i.I., wider die beklagte Partei mj. Birgit Johanna F***, geboren am 21. Juni 1971 in Senftenbach, Schülerin, Wels, Wimpassingerstraße 59, vertreten durch den Kollisionskurator Dr. Ulrich T***, dieser vertreten durch Dr. Hertha Eva Schreiber, Rechtsanwalt in Wels, wegen Bestreitung der ehelichen Geburt, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 12. November 1986, GZ R 1024/86-32, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 22. April 1986, GZ 5 C 1527/85-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger und Margaretha geb. S*** schlossen am 21. November 1964 die Ehe. Durch die Eheschließung wurde die am 20. Juli 1964 geborene Sabine legitimiert. Während der Ehe wurden Petra, 31. März 1970, Birgit, 21. Juni 1971, und Bernadette, 30. Jänner 1973, geboren. Die Ehe des Klägers wurde mit Urteil des Kreisgerichtes Ried i.I. vom 30. September 1974, 1 Cg 435/74-5, rechtskräftig aus dem Verschulden beider Teile geschieden. Mit rechtskräftigem Urteil des Kreisgerichtes Ried i.I. vom 30. Oktober 1978, 1 Cg 306/78-12, wurde ausgesprochen, daß die mj. Petra und Bernadette F*** keine ehelichen Kinder des Klägers sind. In diesem Verfahren gab seine geschiedene Gattin am 25. September 1978 als Zeugin an, der Kläger habe erst ungefähr im Mai 1978 erfahren, daß sie mit ihrem jetzigen Mann (Herbert R***) schon im Jahr 1969 und in den darauffolgenden Jahren sexuelle Kontakte gehabt habe. Früher habe sie ihm von diesen Sachen nichts erzählt, er habe daher auch davon nichts wissen können. Aufgrund der Verteilung der Blutgruppen und der Serumeigenschaften ist der Kläger auch als Vater der Beklagten auszuschließen.

Mit der am 13. Mai 1985 eingebrachten Klage bestreitet der Kläger die Ehelichkeit der am 21. Juni 1971 geborenen Beklagten. Ungeachtet der erfolgreichen Bestreitung der Ehelichkeit der mj. Petra und Bernadette sei er früher der Meinung gewesen, daß er der Vater der Beklagten sei. Nunmehr habe sich das Kind aber derart entwickelt, daß sich die Ähnlichkeitsmerkmale weitgehend ausgeprägt hätten. Es zeige sich, daß die Beklagte offensichtlich nicht sein Kind sei. Er habe jedenfalls sehr erhebliche Bedenken, völlige Klarheit könne nur durch Einholung eines Blutgruppengutachtens erreicht werden.

Die Beklagte wendete ein, die Bestreitungsklage sei verfristet. Ähnlichkeitsmerkmale zum Kläger hätten schon längere Zeit gefehlt, dies sei nicht erst im letzten Jahr erkennbar gewesen. Der Kläger habe sich bereits vor Jahren Dritten gegenüber geäußert, die Beklagte sei nicht seine Tochter.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, der Kläger habe weder zur Zeit des Bestreitungsverfahrens im Jahre 1978 noch in der Folge bis zur Einbringung dieser Klage mit seiner geschiedenen Gattin darüber gesprochen, ob die Beklagte sein Kind sei. Er habe im Jahre 1978 keine Zweifel daran gehabt, daß er der Vater der Beklagten sei, zumal er in der Empfängniszeit mit seiner Gattin geschlechtlich verkehrt habe. Die Beklagte habe nach der Scheidung bis April 1984 beim Kläger gewohnt. Nach ihrem Auszug habe der Kläger die Beklagte erstmals im Jänner 1985 gesehen. Damals sei dem Kläger aufgefallen, daß ihm die Beklagte überhaupt nicht ähnlich sehe.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahin, daß eine Verfristung nur dann eingetreten wäre, wenn die geschiedene Gattin des Klägers Handlungen gesetzt hätte, die beim Kläger Zweifel an seiner Vaterschaft hätten wecken müssen. Diese habe den Kläger, der in der kritischen Zeit mit ihr geschlechtlich verkehrt habe, aber eher darin bestärkt, daß er der Vater der Beklagten sei. Die Klage sei daher rechtzeitig erhoben worden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Der Kläger habe sein Bestreitungsrecht rechtzeitig ausgeübt. Vor Jänner 1985 müsse die Kenntnis genügend beweiskräftiger, für die Unehelichkeit des Kindes sprechender Umstände verneint werden. Nur allein deshalb, weil sich im Jahre 1978 die Unehelichkeit der Kinder Petra und Bernadette herausgestellt habe, könne noch lange nicht gesagt werden, daß dies beim Kläger auch gegenüber der Beklagten ernsthafte Bedenken gegen seine Vaterschaft habe erwecken müssen. Schlußfolgerungen, daß auch die Beklagte nicht vom Kläger stamme, wären bestenfalls dem Bereich ernsthafter Bedenken zuzuordnen gewesen, keinesfalls hätten sie aber die Kenntnis genügend beweiskräftiger Umstände bewirken können. Bloß wegen mangelnder Ähnlichkeit bestehende Zweifel seien im allgemeinen nicht geeignet, die Frist des § 156 ABGB in Gang zu setzen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist nicht berechtigt.

Die Jahresfrist für die Erhebung der Bestreitungsklage beginnt gemäß § 156 Abs 2 ABGB mit dem Zeitpunkt, in dem der Mann Kenntnis von Umständen erlangt, die für die Unehelichkeit des Kindes sprechen. Nach ständiger, von der Lehre gebilligter Rechtsprechung beginnt die Frist erst in dem Zeitpunkt zu laufen, in dem diese Kenntnis zweifelsfrei ist. Dem bekannt gewordenen Sachverhalt muß eine solche große Beweiskraft zukommen, daß der Mann die Unehelichkeit des Kindes als höchstwahrscheinlich ansehen muß und erwarten kann, seiner Beweispflicht im Bestreitungsprozeß nachkommen zu können (EFSlg 43.300, 40.810, 38.328 uva; Wentzel-Plessl in Klang2 I/2, 111; Gschnitzer-Faistenberger, Familienrecht2 98). Entgegen den Ausführungen in der Revision begann die Frist nicht bereits im Jahr 1978 zu laufen. Daß dem Kläger wegen der starken Unähnlichkeit der Kinder Petra und Bernadette zu ihm Bedenken an seiner Vaterschaft kamen, die sich in der Folge als berechtigt herausstellten, bedeutete noch nicht, daß eben dieselben Zweifel auch für die Beklagte, die immerhin bei ihm verblieb, galten. Solche Zweifel mußten ihm auch nicht aufgrund der Aussage seiner geschiedenen Gattin im damaligen Bestreitungsprozeß kommen, sie habe bereits seit 1969 sexuelle Kontakte mit Herbert R*** unterhalten. Immerhin steht fest, daß der Kläger in der Empfängniszeit mit seiner Gattin geschlechtlich verkehrte. Der bloße vage Verdacht, die Gattin des Klägers habe nicht nur in der Empfängniszeit der Kinder Petra und Bernadette, sondern möglicherweise auch während der Empfängniszeit für die Beklagte mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt, hat, zumal sie mögliche Zweifel des Klägers an der Vaterschaft niemals bestärkte, den Lauf der Bestreitungsfrist nicht in Gang gesetzt.

Der Revision ist der Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Barauslagen sind nicht zuzuerkennen, da der Kläger Verfahrenshilfe genießt.

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