OGH 12Os62/87

OGH12Os62/876.8.1987

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.August 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Rzeszut als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Sailler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Egon W*** wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch als Jugendschöffengericht vom 19. März 1987, GZ 21 Vr 116/87-10, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Tschulik und des Verteidigers Dr. Oehlzand jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die durch sein Rechtsmittel verursachten Kosten des Verfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 26.Mai 1969 geborene Fahrzeugfertigerlehrling Egon W*** der in Tateinheit begangenen Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (A/ des Urteilsspruches) und des unbefugten Gebrauches von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB (als Beteiligter gemäß § 12 StGB dritter Täterschaftsform; Pkt. B/ des Urteilsspruches) schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, am 1.November 1986 (sohin in noch jugendlichem Alter) in Dornbirn im einverständlichen Zusammenwirken mit den abgesondert verfolgten Otto W***, Martin G***, Christian S***, Ulrich B*** und Wolfgang F*** andere mit Gewalt zu Duldungen genötigt zu haben, indem sie den Thomas E*** vom Führersitz seines PKWs ins Freie zerrten, ihn ebenso wie Claudia M*** in den Fond des Wagens drängten und solcherart die beiden Letztgenannten zum Mitfahren und den Thomas E*** überdies zur Überlassung seines PKWs veranlaßten (A/). Ferner wird ihm angelastet, durch diese Tat dazu beigetragen zu haben, daß der abgesondert verfolgte Christian S*** das erwähnte Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, ohne Einwilligung des Berechtigten Thomas E*** in Gebrauch nahm (B/).

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte Egon W*** mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Zu Unrecht erblickt der Beschwerdeführer eine Verletzung seiner Verteidigungsrechte im Sinne des ersterwähnten Nichtigkeitsgrundes in der Abweisung seines Antrags auf zeugenschaftliche Einvernahme der abgesondert verfolgten Mittäter zum Beweis dafür, daß er gegenüber Thomas E*** und Claudia M*** keinerlei Gewalt ausgeübt, ihnen auch nicht gedroht und andere nicht hiezu bestimmt habe, ferner zum Nachweis, auch nicht dazu beigetragen zu haben, daß das Fahrzeug in Gebrauch genommen wurde (AS 75, 76): Das Erstgericht hat dem Beschwerdeführer ohnehin nicht unterstellt, selbst (körperliche) Gewalt ausgeübt, eine Drohung geäußert oder andere zu solchen Handlungen bestimmt zu haben, sondern den Schuldspruch wegen Nötigung darauf gegründet, daß der jugendliche Angeklagte und die fünf abgesondert Verfolgten im einverständlichen Zusammenwirken durch ihr gemeinsames Auftreten als Übermacht die Zeugen M*** und E*** zur Duldung der gegenständlichen Autofahrt gezwungen haben. Ob die Mitwirkung des Angeklagten W*** hieran allenfalls nur als (psychischer) Tatbeitrag im Sinne des dritten Falles des § 12 StGB zu qualifizieren gewesen wäre, kann angesichts der rechtlichen Gleichwertigkeit der in dieser Bestimmung angeführten Täterschaftsformen dahingestellt bleiben (vgl. Mayerhofer-Rieder2, § 12 StGB, ENr. 1-3 sowie 6-8 uva).

Des vom Beschwerdeführer überdies angestrebten Nachweises, keinen (persönlichen) Beitrag zum Vergehen nach § 136 Abs 1 StGB geleistet zu haben, hat es schon deshalb nicht bedurft, weil ihm insoweit - der Rechtsansicht des Erstgerichtes (und der Anklagebehörde) zuwider - sogar nach seinen eigenen Einlassungen, wonach er und seine Komplizen gemeinsam gegen den Willen des Fahrzeughalters die Fahrt antraten, unmittelbare Täterschaft zur Last liegt; denn mehrere Personen, die gemeinsam ein Fahrzeug aus dem gleichen Vorsatz unbefugt in Gebrauch nehmen, haften sämtliche als Mittäter, auch wenn nur einer von ihnen mit der Lenkung und sonstigen Bedienung des Fahrzeugs befaßt war (vgl. Leukauf-Steininger2, § 136 StGB, RN 34; Mayerhofer-Rieder2, ENr. 17 zu dieser Gesetzesstelle). Im Hinblick auf die bereits oben zitierte Rechtsprechung zu § 12 StGB kann aber das Vergreifen des Erstgerichtes hinsichtlich der Täterschaftsform (auch hier) auf sich beruhen.

Mit der Rechtsrüge strebt der Angeklagte seinen Freispruch nach § 259 Z 4 StPO an; auch hierin kann ihm jedoch nicht beigepflichtet werden.

Mangelnde Strafwürdigkeit einer (von Amts wegen zu verfolgenden, mit Geldstrafe, mit nicht mehr als einjähriger Freiheitsstrafe oder mit einer solchen Freiheitsstrafe und Geldstrafe bedrohten) Tat ist nur bei Vorliegen sämtlicher im § 42 Abs 1 StGB angeführten Voraussetzungen gegeben, sohin dann, wenn erstens die Schuld des Täters gering ist, zweitens die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und drittens eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Täter von strafbaren Handlungen abzuhalten oder der Begehung strafbarer Handlungen durch andere entgegenzuwirken. Der Schuld- und Unrechtsgehalt der zwei Deliktstatbestände verwirklichenden Tat - die durch die Ausnützung zahlenmäßiger und körperlicher Überlegenheit gegenüber einem Paar, welches sich in keiner Weise herausfordernd verhalten hatte, und durch besonders beunruhigende Begleitumstände (Nachtzeit, entlegener Tatort, Alkoholisierung der Täter, Ungewißheit der Opfer über Ziel und Zweck der Fahrt) charakterisiert war - liegt keineswegs unter dem in den betreffenden Strafdrohungen typisierten Maß; er ist vielmehr schon jenem des nach § 99 Abs 1 StGB mit drei Jahren Freiheitsstrafe bedrohten Vergehens der Freiheitsentziehung - wenigstens (vgl. hiezu insbesondere Leukauf-Steininger2, § 99 StGB, RN 20) - angenähert. Der zufällige Umstand, daß sich die Tat nach der Feier eines Polterabends ereignete, läßt sie gleichfalls nicht im milderen Licht erscheinen, zumal sich, der Ansicht des Beschwerdeführers zuwider, hieraus noch kein erkennbarer Sinnzusammenhang mit der Ausübung anerkannten Brauchtums ergibt. Angesichts der nicht als gering zu wertenden Schuld des Täters kann von der Prüfung, ob auch das Ausmaß der materiellen Folgen der Tat (der Beschädigungen am Fahrzeug) die Annahme mangelnder Strafwürdigkeit ausschließt (§ 42 Abs 1 Z 2 StGB), Abstand genommen werden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Egon W*** war sohin zu verwerfen.

Das Jugendschöffengericht hat den Ausspruch über die verwirkte Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren vorläufig aufgeschoben.

Dagegen richtet sich die Berufung der Staatsanwaltschaft, mit welcher die Verhängung einer (bedingt nachzusehenden) angemessenen Geld- oder Freiheitsstrafe angestrebt wird.

Die Berufung ist nicht berechtigt.

Bei einer vergleichenden Abwägung der Strafbarkeit der an der Tat Beteiligten ist der Angeklagte nur als ein "Mitläufer" anzusehen und fällt der von ihm zu vertretende Schuld- und Unrechtsgehalt nicht sonderlich ins Gewicht. Im Hinblick auf seine soziale Integration (vgl. S 62 und ON 8) und sein strafloses Vorleben ist dem Schöffengericht darin beizupflichten, daß der Schuldspruch allein genügen werde, um den Angeklagten von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten. Der Ausspruch über die Strafe kann auch ohne Nachteil für die Rechtsordnung unterbleiben, weil sich der Unrechtsgehalt der Tat und die Schuld des Angeklagten in einem angemessenen Rahmen halten (vgl. Leukauf-Steininger, Nebengesetze2, § 13 JWG, Entsch.Nr. 2).

Der Berufung der Staatsanwaltschaft war daher ein Erfolg zu versagen.

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