OGH 6Ob630/87 (6Ob631/87)

OGH6Ob630/87 (6Ob631/87)30.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anneliese E***, im Haushalt, Gutau 190, vertreten durch DDr. Gunter Peyrl, Rechtsanwalt in Freistadt, wider die beklagte Partei Friedrich E***, Verlader, Gutau 97, vertreten durch Dr. Peter Wiesauer und Dr. Helmuth Hackl, Rechtsanwälte in Linz, wegen Leistung des gesetzlichen Unterhaltes (Streitwert S 180.000,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 19. November 1986, GZ 14 R 76/86-52, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Freistadt vom 11. Juni 1986, GZ 1 C 12/85-39, im stattgebenden Teil abgeändert wurde und infolge Rekurses der klagenden Partei gegen den in die Urteilsausfertigung aufgenommenen Beschluß auf Zurückweisung der von der klagenden Partei gegen das erstinstanzliche Urteil in dessen abweisenden Teil erhobenen Berufung in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht stattgegeben. Das angefochtene Urteil wird als Teilurteil bestätigt.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 6.225,45 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten an Umsatzsteuer S 565,95) binnen 14 Tagen zu ersetzen. Dagegen wird der Anfechtung des berufungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses stattgegeben, Punkt b der in die Ausfertigung des Berufungsurteiles aufgenommenen Beschlußentscheidung aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der Klägerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.

Die auf die Anfechtung des Zurückweisungsbeschlusses entfallenden Kosten sind Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Entscheidungsgründe:

Die von den Streitteilen zu Ende des Jahres 1963 geschlossene Ehe besteht dem Bande nach aufrecht. Seit den ersten Monaten des Jahres 1985 ist über Klage des Mannes ein Scheidungsverfahren anhängig. Die Frau widersetzte sich dem Scheidungsbegehren nicht, strebte aber den Ausspruch des überwiegenden Verschuldens des Mannes an. Im Oktober 1985 nahm die Frau unter der Zusage des Mannes, daraus keine Eheverfehlung abzuleiten, in derselben Landgemeinde, in der das als Ehewohnung benützte Haus steht, eine abgesonderte Wohnung. Seither leistet der Mann seiner Frau keine Unterhaltszahlungen. Bis dahin zahlte er ihr monatlich S 4.000,--, nur im März 1985 hatte er in Anrechnung der von ihm bezahlten Fernsprechgebühren bloß S 2.000,-- geleistet.

Mit der am 1. April 1985 angebrachten Klage begehrte die Klägerin einen monatlichen Unterhaltsbetrag von S 5.000,-- (nach Klagseinschränkung ab Oktober 1985 und restliche S 1.000,-- für die Monate April bis September 1985).

Nach ihrem Vorbringen habe sie seit jeher ordnungsgemäß den Haushalt geführt, wegen unzureichender Unterhaltsleistungen des Beklagten eine Teilzeitbeschäftigung als Reinigungsfrau mit einem monatlichen Einkommen von S 1.200,-- angenommen, diesen Arbeitsplatz aber mit Ende März 1985 wieder verloren. Der Beklagte beziehe aus unselbständiger Arbeit ein durchschnittliches Monatseinkommen von S 16.000,--.

Der Beklagte wendete vor allem eine Verwirkung des Unterhaltsanspruches ein. Er machte geltend, die Ehe sei seit Jahren zerrüttet, weil sich die Klägerin jeder ehelichen Gemeinsamkeit entziehe. Sie bezeichne sich in der Nachbarschaft als geschieden, besorge für den Beklagten keinerlei hausfrauliche Arbeiten, verbringe ihre Freizeit ohne den Beklagten außer Haus, verweigere dem Beklagten in dem als Ehewohnung gewidmeten, im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Eigenheim die Benützung aller Räume mit Ausnahme eines Schlafraumes, sie verwehre ihm auch die Telefonbenützung. Sie verweige sich ihm körperlich und unterhalte Beziehungen zu anderen Männern.

Von dieser Bestreitung der aufrechten Unterhaltspflicht abgesehen, wendete der Beklagte ein, der Klägerin seit Juli 1984 (bis September 1985) monatlich S 4.000,-- geleistet zu haben und damit ausreichend für den Unterhalt aufgekommen zu sein, zumal er überdies die Kosten des Wohnens im Eigenheim einschließlich Rundfunk- und Fernsprechgebühren allein getragen habe. Die Klägerin habe für sich die ausschließliche Telefonbenützung in Anspruch genommen, auf die Ankündigung, den Anschluß abzumelden, habe die Klägerin dem Beklagten zugesagt, die Fernsprechgebühren zu tragen und den Beklagten ermächtigt, sich die ihm vorgeschriebenen Gebühren bei seinen Unterhaltszahlungen abzuziehen. Im Sinne dieser Absprache habe er für März 1985 nur S 2.000,-- überwiesen.

Das Erstgericht gab dem Unterhaltsbegehren im Teilbetrag von S 4.000,-- monatlich statt und wies das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren monatlichen Betrages von S 1.000,-- ab. Dabei hob es die Prozeßkosten gegenseitig auf.

Am 14. Tag der Rechtsmittelfrist brachte die Klägerin zunächst einen Kostenrekurs zur Postaufgabe, am 28. Tag nach der Zustellung des Urteiles dann eine gegen die Abweisung des S 4.000,-- übersteigenden monatlichen Mehrbegehrens von S 1.000,-- gerichtete Berufung. Der Beklagte erhob gegen den stattgebenden Teil des erstinstanzlichen Urteils Berufung.

Das Berufungsgericht wies die Berufung der Klägerin wegen Verbrauchs ihres Anfechtungsrechtes durch den Kostenrekurs zurück. In Stattgebung der Berufung des Beklagten änderte das Berufungsgericht das erstinstanzliche Urteil in dessen stattgebenden Teil im Sinne einer vollständigen Klagsabweisung ab. Dazu sprach das Berufungsgericht aus, daß die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO vorläge.

Seiner Sachentscheidung legte das Berufungsgericht in Ergänzung der erstinstanzlichen Tatsachenfeststellungen aufgrund des Inhaltes der in der Berufungsverhandlung zur Verlesung gebrachten Scheidungsakten samt angeschlossenen Strafakten im wesentlichen folgenden Sachverhalt zugrunde:

Der Bekagte ist Vater einer vor der Eheschließung mit einer anderen Frau gezeugten Tochter und hat der Klägerin vor der Eheschließung von diesem unehelichen Kind erzählt. Er wünschte auch ein eheliches Kind, die Klägerin ängstigte sich vor einer Schwangerschaft. Als sie im vierten oder fünften Ehejahr einen Abortus hatte, war auch sie darüber unglücklich. Nach ihrem Abortus empfand die Klägerin im Verhalten des Beklagten einen Mangel an Zärtlichkeit, es fiel ihr schwer, geschlechtlich mit dem Beklagten zu verkehren, sie fühlte sich vom Beklagten vor allem in sexueller Hinsicht vernachlässigt. Als sich der Beklagte infolge eines schweren Bandscheibenleidens zur geschlechtlichen Enthaltsamkeit genötigt sah, führte das bei der Klägerin bereits eingewurzelte Gefühl sexueller Vernachlässigkeit zu hysterischen Ausbrüchen und Schreikämpfen, die oft stundenlang währten.

Im Jahre 1982 verbrachte die Klägerin einen Italienurlaub ohne den Beklagten. Seither verweigert sie sich ihm körperlich völlig, ihre Ablehnung des Beklagten verstärkte sich ebenso wie ihre Neigung zu Schreiexzessen, bei denen sie den Beklagten wüst beschimpfte. Die Klägerin wurde im Zuge ihrer hysterischen Ausbrüche wiederholt gegen den Beklagten tätlich. Andererseits hielt sie ihm aber immer wieder vor, daß er sie geschlagen hätte. Tatsächlich war es einmal dazu gekommen, daß der Beklagte die Tür des von ihm benützten Zimmers schließen, die Klägerin dies aber verhindern wollte und der Beklagte ihr deshalb einen Stoß versetzte, wodurch sie einen Bluterguß am rechten Oberarm erlitt.

Der Beklagte mußte als Schichtarbeiter wiederholt gegen 3 Uhr 30 morgens aufstehen. Hauptsächlich weil sich die Klägerin dadurch gestört fühlte, nächtigten die Streitteile seit 6 oder 7 Jahren in getrennten Schlafräumen. Die Klägerin verwehrte dem Beklagten dann aber den Aufenthalt in den übrigen Räumen des gemeinschaftlichen Hauses, mit dessen Bau die Streitteile im zweiten Ehejahr begonnen und den sie nach 14 oder 15 Jahren beendet hatten. Die Klägerin trieb den Beklagten mit der Äußerung in den von ihm benützten Schlafraum: "Putz Dich hinauf in Dein Zimmer, es gehört Dir ohnedies nichts".

Sie verfolgte den Beklagten oft durch das ganze Haus und den Garten und ließ ihm keine Ruhe, bis er wegging oder seinen Schlafraum aufsuchte.

Der Beklagte fand sich öfters, als er von seiner Schichtarbeit nach Hause kam, durch die Klägerin ausgesperrt, so daß er gezwungen war, im Auto zu übernachten.

Während eines Krankenstandes mußte der Beklagte in einem im Vorhaus aufgestellten Bett ruhen. Einem Besucher klagte er, die Klägerin versperre alle Zimmer, unterlasse die Raumheizung und versorge ihn nicht.

Die Klägerin lehnte nicht nur Einladungen des Beklagten zu gemeinsamen Wanderungen und Bertouren ab, sondern auch die Aufforderung, ihn während einer Kur für eine Woche zu besuchen, und überhaupt jeden sonstigen Urlaubsvorschlag. Sie vermeinte, es nicht einen Tag mit dem Beklagten allein aushalten zu können. Sie schätzte die Gesellschaft der Arbeitskollegen des Beklagten gering und bezeichnete diesen selbst als "primitiven Voestler". Die Klägerin verrichtete schon längere Zeit keinerlei Hausarbeiten für den Beklagten, er mußte sich selbst versorgen und auch selbst die Wäsche waschen. Dies begründete die Klägerin damit, daß sie vom Beklagten nicht ausreichend Unterhalt bekäme.

Wie schon vorher mehrfach, ging die Klägerin im Frühjahr 1984 häufig ohne den Beklagten aus.

Während das durchschnittliche monatliche Einkommen des Beklagten in den 12 Monaten vor der Klagserhebung in der Größenordnung von S 18.500,-- gelegen und in den beiden folgenden Monaten leicht gesunken war, hatte die Klägerin anläßlich der Öffnung einer Sparkassenfiliale eine Anstellung als Aushilfskraft für die Raumpflege angetreten, wegen ausgedehnter Benützung des Telefons zu privaten Zwecken, wegen Verbrauches alkoholischer Getränke des Filialleiters und Unregelmäßigkeiten in der Arbeitsverrichtung wurde das Arbeitsverhältnis aber zum 31. März 1985 gelöst. Bereits im Februar 1985 hat die Klägerin für einen Mann, den sie seit ihrer Jugend kennt, die Verrichtung von Haushaltsarbeiten übernommen. Daraus entwickelte sich ein intimes Verhältnis. Die Klägerin blieb teilweise mehrere Tage und Nächte im Haus des erwähnten Mannes. In den Monaten März und April 1985 hatte sie mit diesem Mann regelmäßig Geschlechtsverkehr. Auch noch im Mai 1985 blieb sie über das Wochenende bei diesem Mann. Dieser brach seinerseits, angeblich auf Betreiben seines Sohnes, das Liebesverhältnis mit der Klägerin ab.

Die Klägerin leidet an vegetativer Dystonie. Sie zeigt Symptome einer Hysterie im medizinischen Sinn, wäre aber imstande, ihre Ausbrüche zu steuern. Die erhöhte Reizbarkeit und verminderte Fähigkeit zu angemessenen Verhaltensweisen im Sinne der Hysterie stellen keine geistige Störung im Sinne des § 50 EheG dar. Mit dem Vertrag vom 18. Februar 1986 haben die Streitteile das in ihrem gleichteiligen Eigentum gestandene Haus um S 1,2 Mio verkauft. Der auf die Klägerin entfallende Anteil des Kaufpreises wurde ihr am Tag des Vertragsabschlusses bar ausbezahlt. Der Kaufpreisanteil des Beklagten war von den Käufern binnen zwei Monaten zu zahlen. Die Klägerin hat für die seit Oktober 1985 benützte Wohnung monatlich einen Mietzins von rund S 1.900,-- zu bezahlen. Das Erstgericht hatte aus dem von ihm zugrunde gelegten Sachverhalt gefolgert, daß die Klägerin nach den Lebensverhältnissen in einer sogenannten Hausfrauenehe ihren partnerschaftlichen Beitrag zunächst durch ihre Haushaltsführung geleistet habe und nach § 94 Abs. 2 ABGB gegenüber dem erwerbstätigen Ehemann unterhaltsberechtigt gewesen sei. Die Klägerin habe zwar durch ihre ehebrecherische Beziehung schwere Eheverfehlungen begangen, für die sie auch im eherechtlichen Sinn verantwortlich zu machen sei. Der Beklagte habe aber, nachdem ihm diese Verfehlungen seiner Ehefrau bekannt geworden seien, nicht nur den Aufwand für das Wohnen im gemeinschaftlichen Eigenheim weiter getragen, sondern auch weiterhin monatlich S 4.000,-- an die Klägerin bezahlt und damit Unterhaltsbeiträge erbracht, die nach der Leistungsfähigkeit des Mannes dem Umfang des notdürftigen Unterhaltes der Klägerin entsprochen hätten. Auf diesen Umfang sei der Unterhaltsanspruch der Klägerin wegen ihrer schweren Eheverfehlungen zu beschränken, weil den festgestellten Umständen des vorliegenden Falles "eine dem § 68 EheG nachempfundene Lösung im Rahmen des § 94 ABGB" am ehestens entspräche. Die gesonderte Wohnungnahme durch die Klägerin habe den Beklagten nicht zu einer Einstellung seiner Unterhaltsleistungen berechtigt.

Das Berufungsgericht wertete dagegen aufgrund der von ihm erweiterten Sachverhaltsgrundlagen das Gesamtverhalten der Klägerin als "massive Eheverfehlungen", die ihr auch, vor allem was das ehewidrige Verhältnis anlange, persönlich vorzuwerfen seien. Das Unterhaltsbegehren der Klägerin sei daher im Sinne des § 94 Abs. 2 ABGB ein Rechtsmißbrauch. Die erstrichterliche Einschränkung des Unterhaltsanspruches aus Billigkeitsgründen entbehre einer rechtlichen Grundlage.

Die Klägerin ficht das abändernde Berufungsurteil unter Geltendmachung des Anfechtungsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem auf Wiederherstellung des Urteiles erster Instanz "bzw." auf vollinhaltliche Klagestattgebung gerichteten Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Gleichzeitig bekämpft sie den berufungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß mit dem Rechtsmittelantrag auf dessen ersatzlose Aufhebung.

Der Beklagte strebt die Bestätigung des angefochtenen Berufungsurteiles an.

1.) Zum berufungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschluß:

Das Prozeßgericht hat dem Unterhaltsbegehren der Klägerin nur im monatlichen Teilbetrag von S 4.000,-- stattgegeben und das auf Zahlung eines weiteren monatlichen Betrages von S 1.000,-- gerichtete Mehrbegehren abgewiesen. Dabei hat es die Prozeßkosten gegeneinander aufgehoben.

Eine Prozeßpartei in der Lage der Klägerin mochte sich zwar sofort darüber im klaren sein, daß sie sich selbst auf der Grundlage der erstinstanzlichen Sachentscheidung mit einer Kostenaufhebung anstelle der ihrer Ansicht nach geboten gewesenen verhältnismäßigen Kostenteilung nicht zufrieden geben wollte, sie mochte sich aber andererseits über eine Anfechtung der Sachentscheidung selbst noch nicht schlüssig gewesen sein.

Zur Entscheidung über die Wahrnehmung einer verfahrensrechtlichen Anfechtungsmöglichkeit steht dem durch die Entscheidung Beschwerten grundsätzlich die volle Dauer der Rechtsmittelfrist zu Gebote, im falle einer Urteilsanfechtung mittels Berufung daher gemäß § 464 Abs. 1 ZPO eine Frist von vier Wochen. Im Falle der Anfechtung des Urteils in der Hauptsache würde die Anfechtung im Kostenpunkt, die ja vom aufrechten Bestand der Sachentscheidung abhängig ist, zu einem echten Eventualrechtsmittelbegehren. Formell wäre eine solche Anfechtung im Kostenpunkt in die Berufungsschrift aufzunehmen und könnte daher in dieser Verbindung auch innerhalb der vierwöchigen Berufungsfrist geltend gemacht werden. Solange eine mit der Bekämpfung der Sachentscheidung verbundene Eventualanfechtung im Kostenpunkt noch möglich ist, kann der Kostenausspruch nicht in Rechtskraft erwachsen. Nun bestimmt aber § 55 ZPO, daß die im Urteil enthaltene Entscheidung über den Kostenpunkt ohne gleichzeitige Anfechtung der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung, d.h. im Rahmen einer unbedingten selbständigen Bekämpfung, nur mittels Rekurs angefochten werden kann. Eine solche Anfechtung unterläge der 14-tägigen Rechtsmittelfrist des § 521 Abs. 1 ZPO. Die aus der Regierungsvorlage unverändert in das Gesetz übernommene Regelung des § 55 ZPO entsprang ausschließlich prozeßökonomischen Erwägungen (EB zu §§ 52 bis 55 ZPO, Mat I. Band, 217). Die Regelung sollte keinesfalls bewirken, daß die Überlegungsfrist eines Rechtsmittelswerbers zum Entschluß seiner Anfechtung in der Hauptsache auf eine kürzere Spanne als die für die Anfechtung in der Hauptsache offenstehende Rechtsmittelfrist verkürzt werde. Genau das würde aber eintreten, wenn der Rechtsmittelwerber im eingangs angenommenen Fall sich zwar in seiner Absicht sicher wäre, die Entscheidung im Nebenausspruch über den Kostenersatz anzufechten, in seinem Entschluß zur Anfechtung der Entscheidung in der Hauptsache aber noch nicht. Würde er nämlich die 14-tägige Frist zum selbständigen Kostenrekurs verstreichen lassen und sich dann innerhalb der restlichen Berufungsfrist dazu entschließen, die Entscheidung in der Hauptsache unangefochten zu lassen, liefe er Gefahr, daß ihm in unkritischer Anwendung der §§ 55, 521 ZPO ein erst in der zweiten Hälfte der Berufungsfrist erhobener Kostenrekurs als verspätet zurückgewiesen würde.

Der theoretisch denkbare Hinweis auf die Möglichkeit, (gegen die eigene Überzeugung) eine Berufung in der Hauptsache (etwa wegen angeblicher Nichtigkeit) zu erheben, in dieser auch die Anfechtung im Kostenpunkt auszuführen und (tunlichst noch vor Zustellung der Berufungsschrift an den Prozeßgegner) die Berufung in der Hauptsache wieder zurückzunehmen, wäre der Sache nach nichts weiter als das Aufzeigen einer Umgehungsmöglichkeit, die aber überdies gebührenrechtlich die Pauschalgebührenpflicht nach TP 2 GGG auslöste.

Die Klägerin hat bei der dargelegten Verfahrenslage am 14. Tag der Rechtsmittelfrist einen selbständigen Kostenrekurs erhoben, ohne sich dabei zur Anfechtung in der Hauptsache ausdrücklich zu erklären.

Auch bei Anerkennung des Grundsatzes der Einmaligkeit der Anfechtungshandlung wäre wegen des erwähnten Eventualcharakters einer Anfechtung im Kostenpunkt, solange der Bestand der in der Hauptsache ergangenen Entscheidung nicht feststeht, bei der Beurteilung, ob die bloße Teilanfechtung zur Rechtskraft der nicht angefochtenen Teile der Entscheidung führt, nicht auf den in SZ 28/152 unter einem anderen Gesichtspunkt hervorgehobenen Vorbehalt späterer Anfechtung des Urteiles in der Hauptsache abzustellen, sondern auf einen ausdrücklichen Verzicht auf eine solche Anfechtung. Da ein solcher ausdrücklicher Verzicht fehlt und als Prozeßerklärung auch nicht etwa durch schlüssiges Verhalten ersetzbar wäre, blieb der Klägerin ungeachtet ihres Kostenrekurses das Recht, das Urteil in der Hauptsache mit Berufung anzufechten, gewahrt (so auch die Ansicht des den Grundsatz der Einmaligkeit des Rechtsmittels verteidigenden P.G. Mayr, JBl. 1981, 458 ff, 520 ff, 528 in V/7; und die Kommentarmeinung von Fasching IV, 26 in Anm. 24 zur Rechtslage vor der ZVN 1983, deren Erweiterung der Verbesserungsmöglichkeiten für die hier zu lösende Problemstellung ohne Belang ist).

Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen den abweisenden Teil des Urteiles erster Instanz zu Unrecht zurückgewiesen. Diese Entscheidung war ersatzlos aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der Klägerin unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufzutragen.

2.) zur Hauptsache:

Das Prozeßgericht hat dem Unterhaltsbegehren auf Zahlung von S 4.000,-- monatlich stattgegeben, weil es den gesetzlichen Ehegattenunterhalt der Klägerin aus Billigkeit im Ausmaß ihres notdürftigen Unterhaltsbedarfes als aufrecht beurteilte, das Berufungsgericht hat auch dieses Teilbegehren abgewiesen, weil es Rechtsmißbrauch annahm.

Der Rechtsmißbrauch betrifft den Grund des gesetzlichen Unterhaltsanspruches und ist keine bloße Frage der Bemessung. Der Beschwerdegegenstand übersteigt S 15.000,--, der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, übersteigt S 300.000,-- nicht. Das Berufungsgericht hat die Revisionszulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO mit Recht als gegeben angenommen, weil die Auslegung des Begriffes "Mißbrauch des Rechtes" im § 94 Abs. 2 ABGB zwar immer von den konkreten Umständen des Einzelfalles abhängt, die für deren Gewichtung maßgebenden Kriterien aber aus der Mehrzahl der zur Entscheidung vorgelegten Fälle gefunden und formuliert werden müssen.

Rechtliche Beurteilung

Vorweg ist der Ansicht des Berufungsgerichtes beizupflichten, daß sich in den geltenden gesetzlichen Regelungen über den Unterhaltsanspruch von Ehegatten bei aufrechter Ehe kein tragfähiger Ansatz für die vom Erstgericht vertretene Ansicht findet, daß schwere Eheverfehlungen eines Ehegatten zwar nicht zur völligen Verwirkung des Unterhaltsanspruches ausreichen, aber doch zu dessen Schmälerung führen könnten (EFSlg. 36.976).

Eine rechtsmißbräuchliche Geltendmachung des Unterhaltsanspruches im Sinne des § 94 Abs. 2 ABGB ist dann anzunehmen, wenn aus dem Gesamtverhalten des unterhaltsfordernden Ehegatten auf seinen völligen Verlust des Ehewillens oder doch eine dem nahekommende Verflüchtigung des Ehewillens zu schließen und ihm sein Verhalten auch zum eherechtlichen Verschulden anzurechnen ist (EFSlg. 37.542). Gerade das ist nach dem zugrundezulegenden Sachverhalt anzunehmen. Wenn auch zur Prozeßbehauptung des Beklagten, die Klägerin hätte sich in der Nachbarschaft als geschieden und damit aller eherechtlichen Verpflichtungen ledig ausgegeben, keine Feststellung getroffen wurde, so läßt doch das festgestellte Gesamtverhalten der Klägerin gar keine andere Deutung zu, hat sie doch zuletzt ihrem Ehemann nicht nur jeden Beistand verweigert, von der anständigen Begegnung ganz zu schweigen, jede Bemühung um eine gemeinsame Lebensgestaltung unterlassen und die eheliche Treue in einem von ihr gesuchten ehewidrigen Verhältnis gebrochen, so daß die getrennte Wohnungsnahme nur noch ein äußerer Ausdruck der durch das Verhalten der Klägerin zerrütteten ehelichen Lebensgemeinschaft war. Die eherechtliche Verantwortlichkeit der Klägerin für ihre Verhaltensweisen ist nicht zu verneinen. Die in der Revision hiezu gerügten Feststellungsmängel liegen nicht vor, da die Einsicht der Klägerin in die Ehewidrigkeit ihres ehebrecherischen Verhältnisses und die Fähigkeit, sich dieses Umganges zu enthalten, ausdrücklich festgestellt wurde.

Die tatsächlichen Leistungen des Beklagten trotz voller Kenntnis der ehewidrigen Verhaltensweisen seiner Ehefrau sind nicht als schlüssiges Anerkenntnis seiner Unterhaltsverpflichtung dem Grunde nach zu werten, sondern als Erfüllung eines möglicherweise angenommenen moralischen Gebotes, dem zwar als unwürdig angesehenen, aber noch in seinem Hause wohnenden langjährigen Lebenspartner, solange des Lebensnotwendigste zukommen zu lassen, als er nicht aus eigenem Entschluß, für die Öffentlichkeit erkennbar alle seine Lebensbereiche in einer abgesondert genommenen Wohnung selbstherrlich und ohne Rücksicht auf den Ehepartner zu gestalten versucht.

Die Beurteilung des Berufungsgerichtes ist daher frei von einer nach § 503 Abs. 2 ZPO qualifizierten unrichtigen rechtlichen Sachbeurteilung.

Der Revision war ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO (Kostenbemessungsgrundlage allerdings nur S 144.000,--), der Ausspruch über die Kosten der Anfechtung des berufungsgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses auf § 52 ZPO.

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