OGH 9ObA35/87

OGH9ObA35/8715.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Dietmar Strinitzer und Walter Benesch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Ilse H***, Vertragsbedienstete, Ebensee, Langwies 65, vertreten durch Dr. Helfried Krainz und Dr. Bernhard Aschauer, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Herbert H***, Inhaber einer Bleikristallschleiferei, Ebensee, Hauptstraße 10, vertreten durch Dr. Wilfried Mayer, Rechtsanwalt in Gmunden, wegen 30.332 S sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 4.März 1987, GZ 13 Ra 41/87-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Bad Ischl vom 17.Juli 1986, GZ Cr 115/85-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.829,75 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 257,25 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit 1.Oktober 1971 im Betrieb des Beklagten beschäftigt. Im Spätherbst 1982 erhob die Klägerin gegen den Beklagten die Scheidungsklage. Im Mai 1986 wurde die Ehe der Streitteile geschieden. Hiebei schlossen sie einen Vergleich über die vermögensrechtlichen Folgen der Scheidung ab. Den Abfertigungsanspruch der Klägerin nahmen sie aus.

Die Klägerin begehrt vom Beklagten 30.332 S brutto als Abfertigung aus der Beendigung des Dienstverhältnisses zum 31. Oktober 1984. Sie sei nach Einbringung der Scheidungsklage gegen den Beklagten im Dezember 1982 unter Weiterzahlung ihrer Bezüge als Angestellte dienstfrei gestellt worden. Bei den Vergleichsverhandlungen im Scheidungsverfahren habe der Beklagte die Auflösung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin und deren Verzicht auf jeden Unterhaltsanspruch angestrebt. Die Klägerin habe sich daher um einen anderen Arbeitsplatz bemüht und sei dabei vom Beklagten auch durch konkrete Vorschläge unterstützt worden. Mitte Oktober 1984 habe sie ein neues Dienstverhältnis begründet. An der vorzeitigen Auflösung des Dienstverhältnisses mit dem Beklagten, der sie bei der Gebietskrankenkasse abgemeldet habe, treffe sie kein Verschulden.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage und bestritt, die Klägerin dienstfrei gestellt zu haben; sie habe ohne sein Wissen eine andere ganztägige Arbeit angenommen. Dies sei als vorzeitiger Austritt ohne wichtigen Grund zu werten. Er habe wohl für die Klägerin eine andere Stelle gesucht, aber nicht gewußt, daß sie hinter seinem Rücken ein anderes Arbeitsverhältnis begonnen habe. Außer Streit gestellt wurde, daß die Klägerin vom 1.Oktober 1971 bis 31.Oktober 1984 im Betrieb des Beklagten als Angestellte beschäftigt war.

Das Erstgericht wies die Klage ab und stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Die Klägerin hat seit Dezember 1982 bis einschließlich September 1984 im Betrieb des Beklagten keine Arbeitsleistungen mehr erbracht. Während dieser Zeit wurden die monatlichen Gehaltszahlungen von brutto 7.583 S fortgesetzt, sodaß auf diese Weise auch der Unterhaltsanspruch der Klägerin abgedeckt wurde. Im Mai 1984 bewarb sich die Klägerin um einen Posten im Landeskrankenhaus Bad Ischl. Ab 1. Oktober 1984 nahm sie dort die Arbeit als Vertragsbedienstete im Sanitätshilfsdienst auf. Die Bewerbung um diesen Posten erwähnte sie gegenüber dem Beklagten anläßlich einer Verhandlung beim Kreisgericht Wels, teilte ihm aber den Dienstantritt nicht mit. Der Beklagte zahlte noch für Oktober 1984 das Entgelt weiter und erfuhr erst von anderen Personen, wo die Klägerin arbeitet. Das Verhalten der Klägerin wertete er als vorzeitigen Austritt. Bei den Vergleichsverhandlungen während des Ehescheidungsverfahrens sollte auf Grund eines Vergleichsentwurfes vom 1.September 1983 das Dienstverhältnis einvernehmlich aufgelöst werden und die Klägerin auf alle Ansprüche aus der Auflösung des Dienstverhältnisses verzichten. Zum Abschluß dieses Vergleiches, der 17 Punkte enthielt, kam es nicht. Der Vertreter des Beklagten nahm in einem Schreiben vom 13.Februar 1984 auf weitere Vorschläge zur vergleichsweisen Bereinigung Bezug. Dabei führte er bezüglich des Dienstverhältnisses aus, daß dieses unter Dienstfreistellung der Klägerin noch bis 30. Juni 1987 fortgesetzt werden könnte, die Klägerin aber auf alle sich aus der Auflösung allenfalls ergebenden Ansprüche verzichten müsse. Der Beklagte hätte nichts dagegen gehabt, wenn die Klägerin nach der Scheidung in seinem Betrieb weiter gearbeitet hätte, aber auch nichts dagegen, daß sie sich um eine andere Arbeit umsah. Das Erstgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Außerstreitstellung, die Klägerin sei bis 31.Oktober 1984 in seinem Betrieb als Angestellte beschäftigt gewesen, sei nicht bindend, weil dem Gericht das Gegenteil der dieser Außerstreitstellung zugrundeliegenden Tatsachen im Zuge des Prozesses bekannt geworden sei. Ein Arbeitsverhältnis im Sinne einer hauptsächlichen Inanspruchnahme der Arbeitnehmerin durch die zu verrichtende Arbeit liege nicht mehr vor. Die Weiterzahlung des Gehaltes habe den Zweck gehabt, der Klägerin Unterhalt zu gewähren. Im Zeitpunkt der Abmeldung von der Gebietskrankenkasse am 31.Oktober 1984 habe daher ein aufrechtes Arbeitsverhältnis nicht mehr bestanden. Gemäß § 916 Abs.1 ABGB gelte nicht mehr der simulierte Angestelltendienstvertrag, sondern die dissimulierte Unterhaltsvereinbarung. Mit dem Antritt der Arbeit der Klägerin per 1. Oktober 1984 sei das Unterhaltsproblem bereinigt worden. Ein Abfertigungsanspruch stehe der Klägerin, abgesehen von der Beurteilung als Scheinarbeitsverhältnis, auch deshalb nicht zu, weil sie durch Antritt einer anderen Arbeit ohne Wissen des Beklagten schlüssig vorzeitig ausgetreten sei, ohne daß ein wichtiger Grund im Sinne des § 23 Abs.7 AngG vorgelegen habe.

In der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung führte die Klägerin aus, daß zwischen den Streitteilen niemals eine Absprache über eine Widmung der Gehaltszahlungen als Unterhaltsleistungen getroffen worden sei. Dies könne allenfalls ein Motiv des Beklagten für die Aufrechterhaltung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin gewesen sein. Das Arbeitsverhältnis habe nicht durch Austritt der Klägerin, sondern durch einvernehmliche Auflösung geendet, weil sich die Klägerin mit Billigung des Beklagten, der eine Lösung des Arbeitsverhältnisses angestrebt habe, eine andere Arbeit gesucht habe.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil im klagsstattgebenden Sinn ab.

Es ging davon aus, daß zwar eine schlüssige einvernehmliche Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglich sei; dies sei in der Rechtsprechung bei jahrelanger Nichtbeschäftigung des Arbeitnehmers, Unterlassung der Anbietung der Dienste und Nichtinanspruchnahme von Entgelt angenommen worden. Im Falle der Dienstfreistellung durch den Beklagten ergebe sich die Weiterzahlung des Entgeltes als rechtliche Pflicht und habe die Klägerin weiterhin die Entgeltzahlungen in Anspruch genommen. Darüber hinaus seien beide Streitteile davon ausgegangen, daß das Dienstverhältnis noch einer Auflösung bedürfe; dafür spreche auch der Umstand, daß der Beklagte einen Verzicht der Klägerin auf allfällige Ansprüche aus der Auflösung dieses Arbeitsverhältnisses für erforderlich gehalten habe. Es sei daher in Übereinstimmung mit der vorerwähnten Außerstreitstellung vom aufrechten Bestand des Arbeitsverhältnisses während der Zeit des Unterbleibens der Arbeitsleistung der Klägerin auszugehen. Gehe man vom übereinstimmenden Vorbringen der Streitteile aus, wonach der Beklagte mit der Arbeitssuche der Klägerin einverstanden gewesen sei und sich sogar selbst um einen anderen Arbeitsplatz für die Klägerin bemüht habe, dann lasse dies den Schluß auf eine übereinstimmend gewollte Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu, die zu jenem Zeitpunkt wirksam geworden sei, als es der Klägerin gelungen sei, tatsächlich eine andere Stelle zu finden. Damit sei aber die Annahme einer anderen Beschäftigung durch die Klägerin nicht als schlüssiger Austritt zu werten. Die Vergleichsgespräche stünden dem nicht entgegen, weil der damals vorgeschlagene Vergleich nicht zustandegekommen sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit einem auf die Wiederherstellung der erstgerichtlichen Entscheidung abzielenden Antrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Begründung des angefochtenen Urteils ist zutreffend (§ 48 ASGG). Der Hinweis des Revisionswerbers auf die Entscheidung ArbSlg.8.502 geht schon insofern fehl, als dort nur der Arbeitnehmer eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses anstrebte, während hier auch der Beklagte zu erkennen gab, daß er an einer Lösung interessiert sei. Darüber hinaus wurde dort das schriftliche Ersuchen des Arbeitnehmers, das Arbeitsverhältnis zum 31.März einvernehmlich zu lösen und unter Berücksichtigung der besonderen persönlichen Verhältnisse die Abfertigung ausnahmsweise zuzuerkennen, vom Arbeitgeber mit Schreiben vom 19.März damit beantwortet, daß er dieses Ersuchen (neuerlich) ablehne. Dem Ersuchen um einvernehmliche Lösung könne nur unter der Voraussetzung zugestimmt werden, daß der Arbeitnehmer auf seinen Abfertigungsanspruch verzichte. Mit Schreiben vom 24.März teilte daraufhin der Arbeitnehmer mit, daß er zur Kenntnis nehme, daß die Gewährung einer Abfertigung abgelehnt werde, er ersuche um einvernehmliche Auflösung zum 15.April. Mit Schreiben vom 7.April stimmte daraufhin der Arbeitgeber dem Ansuchen um einvernehmliche Auflösung zum 15.April unter Verzicht auf den Abfertigungsanspruch zu. Ganz im Gegensatz zu diesem Sachverhalt wurden hier die im Rahmen des Scheidungsverfahrens erstatteten Vergleichsvorschläge vom 1.September 1983 sowie vom 13.Februar 1984 von der Klägerin nicht angenommen. Die Begründung eines neuen Arbeitverhältnisses mit 1.Oktober 1984 kann gemäß § 862 ABGB schon wegen des zeitlichen Abstandes jedenfalls nicht als schlüssige Annahme der zitierten Vergleichsanbote gewertet werden. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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