OGH 1Ob617/87

OGH1Ob617/8715.7.1987

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Redl als weitere Richter in der Ausfolgungssache nach der am 31.Mai 1983 verstorbenen Helena S***, zuletzt wohnhaft gewesen Lissabon, Rua Ataide 9, infolge Revisionsrekurses des 1. Cyril de A***, Moulin sans Souci, Alto do Arneiro, Malveira da Serra, Portugal, nunmehr Wien 19.,Felix-Mottl-Straße 27/2, und 2. Patrick de A***, Rua Ataide 9, Lissabon, beide vertreten durch Dr.Alfred Richter Rechtsanwalt in Wien gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 12. März 1987, GZ. 43 R 854-856/86-35, womit die Beschlüsse des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24.Oktober 1986 und vom 2. Dezember 1986, GZ. 9 A 692/85-26,32 bestätigt wurden, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die portugiesische Staatsbürgerin Helena S***, geboren am 25.Juni 1888 in Kistelek, Ungarn, ist am 31.Mai 1983 in Lissabon verstorben. Pavel (Paul) S*** und Dr.Peter F*** beantragten auf Grund des von der Ersten Notariellen Kanzlei in Lissabon ausgestellten Erbscheins die Einleitung des Ausfolgungsverfahrens in Ansehung des in Österreich befindlichen beweglichen Nachlasses der Verstorbenen. Cyril de A*** und Patrick de A*** brachten vor (ON 8, 23), daß ihnen auf Grund eines Testaments der Helena S***

vom 23.Juni 1982, in dem sie als Alleinerben ihren (dann vor ihr verstorbenen) Sohn Filipe de B***-S***, dessen uneheliche Söhne sie seien, bestimmt hatte, Ansprüche als Erben zustünden. Helena S*** sei zu Unrecht der in Österreich befindliche Nachlaß ihres vorverstorbenen Sohns Dr.Filipe de B***-S*** dessen Abtretung sie begehrten, eingeantwortet worden. Sie beantragten das Testament der Helena S*** vom 23.Juni 1982 kundzumachen, die im Inland befindlichen Nachlaßwerte zu sperren und das Nachlaßvermögen erst auszufolgen, bis ihre Ansprüche befriedigt oder sichergestellt sind. Das Erstgericht wies die Anträge des Cyril de A*** (ON 8) mit Beschluß vom 15.Juli 1986 (ON 18) mangels Erbenstellung des Einschreiters ab. Aus einer vom Erstgericht eingeholten Auskunft des Zentralmeldeamtes vom 9.Oktober 1986 ergab sich, daß Cyril de A*** unter der von ihm angegebenen Anschrift Wien 7.,Zieglergasse 18, nicht gemeldet ist. Mit dem Beschluß vom 24.Oktober 1986 (ON 26) wies das Erstgericht die gegen den Beschluß vom 15.Juli 1986 erhobene Vorstellung des Cyril de A*** und die Anträge des Patrick de A*** ab. Die Vorstellung sei nicht gerechtfertigt, weil sich aus der Auskunft des Zentralmeldeamtes ergebe, daß Cyril de A*** unter der von ihm angegebenen Anschrift nicht gemeldet sei; auch Patrick de A*** komme Antragslegitimation nicht zu. Der gegen diesen Beschluß erhobenen Vorstellung des Patrick de A*** gab das Erstgericht mit Beschluß vom 2.Dezember 1986 (ON 32) nicht Folge. Das Rekursgericht gab dem gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 24. Oktober 1986 (ON 26) erhobenen Rekurs des Cyril de A*** und dem gegen den Beschluß des Erstgerichtes vom 2.Dezember 1986 (ON 32) erhobenen Rekurs des Patrick de A*** nicht Folge. Gemäß § 23 Abs.2 AußStrG habe die inländische Behörde die Abhandlung und die Entscheidung über streitige Erbansprüche in Ansehung des im Inland befindlichen beweglichen Nachlasses eines Ausländers der zuständigen ausländischen Behörde zu überlassen und sich auf die Sicherung des Nachlasses und die in den § 137 bis 139 AußStrG vorgesehenen Vorkehrungen zu beschränken, wenn der Verstorbene einem Staat angehört, der den gleichen Grundsatz befolgt, oder im Inland weder einen Wohnsitz noch eine Niederlassung hat. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Gemäß § 137 AußStrG habe jedoch das inländische Gericht auf Verlangen derjenigen Erben oder Vermächtnisnehmer, welche österreichische Staatsbürger oder in dem österreichischen Staat sich aufhaltende Fremde sind, mit der Ausfolgung des Nachlasses des verstorbenen Ausländers oder des zu ihrer Bedeckung erforderlichen Teils in das Ausland solange innezuhalten, bis über ihre Ansprüche durch die dortigen Gerichtsbehörden rechtsgültig entschieden sei. Voraussetzung für die Antragstellung im Sinne des § 137 AußStrG sei, daß der Antragsteller, der die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitze, sich zumindest im Inland aufhalte. Ein inländischer Aufenthaltsort des Patrick de A*** sei nicht einmal behauptet worden. Der inländische Aufenthaltsort des Cyril de A*** sei zunächst mit Wien 7.,Zieglergasse 18, angegeben worden; auf Grund der vom Erstgericht gepfolgenen Erhebungen stehe jedoch fest, daß der Rekurswerber unter dieser Anschrift niemals gemeldet gewesen sei. Er selbst führe hiezu im Rekurs aus, er habe unter der angegebenen Anschrift keine Wohnung gehabt. Daraus sei jedoch nur der Schluß zu ziehen, daß sich der Rekurswerber im Zeitpunkt seiner Antragstellung und im Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Beschlüsse in einem Hotel aufgehalten habe. Die Meldung unter der Anschrift Wien 19.,Felix-Mottl-Straße 27/2, sei erst am Tage der erstgerichtlichen Beschlußfassung erfolgt. Der bloß vorübergehende Aufenthalt im Inland, wie er damit bescheinigt sei, reiche jedoch nicht aus, um den Antragsteller Befugnisse gemäß § 137 AußStrG einzuräumen. Hiezu sei ein stärkerer Nahebezug zum Inland erforderlich, der vom Rekurswerber weder behauptet noch bescheinigt worden sei.

Der gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Da das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes bestätigte, ist der Revisionsrekurs nur mit den in § 16 AußStrG verfügten Beschränkungen zulässig, somit nur wegen offenbarer Gesetzwidrigkeit, Aktenwidrigkeit und Nullität. Die Rechtsmittelwerber erblicken eine offenbare Gesetzwidrigkeit des angefochtenen Beschlusses darin, daß Maßnahmen der Nachlaßsicherung (§§ 23 Abs.2, 28 AußStrG) unterblieben und ihnen zu Unrecht die Legitimation zu Anträgen gemäß den §§ 137 ff AußStrG verweigert worden sei. Nach ständiger Rechtsprechung ist der Rechtsmittelgrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit auf materiellrechtliche Verstöße beschränkt. Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ausländische Staatsbürger zu Anträgen in einen von einem österreichischen Gericht durchgeführten Ausfolgungsverfahren legitimiert sind, gehört dem Verfahrensrecht an. Der zu Unrecht erfolgte Ausschluß von der Antragstellung würde aber eine Nichtigkeit begründen, da dies einer Rechtsverweigerung gleichkäme (vgl. EFSlg.47.265, 47.242 u.a.).

Der bewegliche inländische Nachlaß von Ausländern, die in Österreich weder einen Wohnsitz noch eine Niederlassung haben, unterliegt gemäß § 23 Abs.2 AußStrG nicht der inländischen Jurisdiktion, wenn der Heimatstaat die Jurisdiktion ausübt. Bei Fehlen der inländischen Abhandlungsjurisdiktion hat das Gericht den beweglichen inländischen Nachlaß dem Heimatstaat des Erblassers auszufolgen und sich zuvor auf die Nachlaßsicherung (§ 28 AußStrG) und die Vorkehrungen gemäß den §§ 137, 138 und 139 AußStrG zu beschränken (Schwimann, Internationales Zivilverfahrensrecht 20;

Schwimann, NZ 1979, 103; Köhler, Internationales Privatrecht3 128). Dem Revisionsrekurs ist darin beizupflichten, daß § 23 Abs.2 AußStrG von der Sicherung des Nachlasses und von den in den §§ 137 bis 139 AußStrG vorgesehenen Vorkehrungen spricht. Die Bestimmung des § 23 Abs.2 AußStrG regelt jedoch nicht, wem im Verfahren auf Sicherung des Nachlasses Parteistellung zukommt. Die Sicherung des Nachlasses bedarf keines Antrages und ist daher von Amts wegen durchzuführen. Parteistellung wird zudem jenen Personen zuzuerkennen sein, die in dem vor der zuständigen ausländischen Behörde geführten Verfahren als Erbberechtigte anerkannt ist. Daß dies bei den Revisionsrekurswerbern der Fall wäre, wurde von ihnen nicht dargetan. Im übrigen könnte Parteistellung nur jenen Personen zustehen, die auch nach § 137 AußStrG antragsberechtigt wären, da höchstens diejenigen, die sich gegen die Ausfolgung des Nachlasses in das Ausland zur Wehr setzen können, an Sicherungsmaßnahmen Interesse haben können, zu den im § 137 AußStrG aufgezählten Personen gehören die Revisionsrekurswerber aber nicht. Gemäß § 137 AußStrG ist die Ausfolgung eines für die Anspruchssicherung ausreichenden Nachlaßteils an das Ausland auf Antrag der Erben und Vermächtnisnehmer, welche "in dem österreichischen Staate sich aufhaltende Fremde" sind, so lange aufzuschieben, bis über deren Ansprüche im Heimatstaat des Erblassers entschieden wurde (Schwimann a. a.O. 104). Das Gesetz scheint die Befugnis von Ausländern zu Anträgen gemäß den §§ 137, 138 AußStrG an den schlichten Aufenthalt im Inland zu knüpfen. Es kann aber wohl nicht Sinn der Regelung sein, Ausländern, die im Inland etwa nur zum Zwecke, um damit ihre Parteistellung zu begründen, vorübergehend Aufenthalt nehmen, eine weitreichende Einflußmöglichkeit auf das vom österreichischen Gericht durchzuführende Ausfolgungsverfahren einzuräumen. Köhler a. a.O. 129, FN 36 und Schwimann, NZ 1979, 104 vertreten daher mit Recht die Auffassung, daß diese Befugnis nur Ausländern zusteht, die sich dauernd im Inland aufhalten. Ein Aufenthalt des Patrick de A*** im Inland wurde weder behauptet noch bescheinigt. Da Patrick de A*** im Verfahren stets nur seinen Aufenthaltsort in Lissabon bekanntgab, konnte es nicht Aufgabe des Gerichts sein, nach einem inländischen dauernden Aufenthalt des Patrick de A*** zu forschen. Cyril de A*** gab seine Anschrift im Schriftsatz vom 18.April 1986 (ON 8) mit "Moulin sans Souci, Alto do Arneiro, Malveira da Serra, Portugal, zur Zeit 1070 Wien, Zieglergasse 18" an, doch ergab eine Anfrage an das Zentralmeldeamt, daß er unter der Wiener Anschrift nicht gemeldet ist (ON 22). Im Zeitpunkt der Beschlußfassung des Erstgerichtes über die von Cyril de A*** gestellten Anträge war daher ein dauernder inländischer Aufenthalt nicht bescheinigt. Erst im Rekurs gegen den Beschluß des Erstgerichtes, womit seiner Vorstellung nicht Folge gegeben wurde, legte Cyril de A*** einen Meldezettel vor, wonach er seit 24.Oktober 1986 unter der Anschrift Wien 19.,Felix-Mottl-Straße 27, gemeldet ist. Das Rekursgericht hat aber den erstgerichtlichen Beschluß nach der Sachlage im Zeitpunkt seiner Erlassung zu überprüfen (EFSlg.47.073 u.a.). § 10 AußStrG ermöglicht es zwar, im Rekurs neue Tatsachen und Beweismittel vorzubringen, wenn diese Umstände bereits vor Erlassung des erstgerichtlichen Beschlusses vorgelegen sind und vom Erstgericht erwogen werden konnten (EFSlg.44.520 u.a.). Auf die mit 24.Oktober 1986 auch als erst erfolgt nachgewiesene Wohnungsnahme des Cyril de A*** in Wien war demnach nicht Bedacht zu nehmen; sie konnte die Annahme eines schon im Zeitpunkt der Beschlußfassung des Erstgerichtes bestandenen dauernden Aufenthalts des Cyril de A*** im Inland nicht rechtfertigen. Stehen den Rechtsmittelwerbern aber Befugnisse gemäß § 137 AußStrG nicht zu, können sie sich auch nicht darauf berufen, daß das Erstgericht Sicherungsmaßnahmen (§ 28 AußStrG) zu ihren Gunsten nicht verfügt habe.

Nur am Rande sei erwähnt, daß die Revisionsrekurswerber die Erbberechtigung nach ihrem angeblichen unehelichen Vater kaum ausreichend dargetan haben dürften, da sie nur eine sogenannte Offenkundigkeitsurkunde nach Art.311-3 Code Civil vorlegten, der Art.756 Code Civil aber dahin verstanden wird, daß eine Beerbung auf Grund unehelicher Verwandtschaft voraussetzt, daß die uneheliche Abstammung, welche die Verwandtschaft vermittelt, gesetzmäßig durch Anerkennung oder Urteil festgestellt ist (Ferid-Bergmann, Int.Erbrecht, Frankreich Rz 94; Klingelhöffer in RabelsZ 1972, 720; vgl. auch Madlener, Das französische Familienrecht nach dem Gesetz vom 3.Jänner 1972, FamRZ 1972, 336, 342 f).

Demzufolge ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

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