Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Revisionsrekurses sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Mit der am 10. September 1985 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die klagende Partei die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen von (Klageeinschränkung AS 11) S 16.953,-- s.A.
Die Zahlung von Mitgliedsbeiträgen, und zwar von S 30.718,99 s.A., begehrte die klagende Partei auch mit der am 14. Oktober 1985 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingelangten Klage AZ 15 Cg 254/85. Der Beklagte erhob in der hiezu erstatteten Klagebeantwortung die Einrede der Streitanhängigkeit, da der behauptete anspruchsbegründende Sachverhalt völlig ident mit jenem der beim Erstgericht eingebrachten Klage sei. Die klagende Partei zog daraufhin mit dem am 27. November 1985 beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingelangten Schriftsatz die Klage unter Anspruchsverzicht zurück.
Der Beklagte brachte in der Tagsatzung vom 27. November 1985 auch im gegenständlichen Verfahren vor, die klagende Partei habe beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu 15 Cg 254/85 eine Klage eingebracht, der ein identer anspruchsbegründender Sachverhalt zugrunde liege, und beantragte in der Tagsatzung vom 4. Juni 1986 die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Klage, da die klagende Partei im Verfahren 15 Cg 254/85 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien die Klage unter Anspruchsverzicht zurückgezogen habe.
Mit Beschluß vom 1. September 1986, ON 12, wies das Erstgericht die Klage zurück. Die Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht begründe ein in sinngemäßer Anwendung des § 240 Abs. 3 ZPO wahrzunehmendes Prozeßhindernis.
Das Rekursgericht behob die Entscheidung des Erstgerichtes und trug diesem die Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund auf. Es sprach aus, daß der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei. Die beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingebrachte Klage AZ 15 Cg 254/85 wäre nach Eintritt der Streitanhängigkeit im gegenständlichen Verfahren von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens zurückzuweisen gewesen. Habe die klagende Partei auf den beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien geltend gemachten Anspruch bei Zurücknahme der Klage verzichtet, könne dies nur als Verzicht auf den "zuviel", nicht auch auf den ursprünglich geltend gemachten Anspruch angesehen werden. Nach § 237 Abs. 4 ZPO werde durch die Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht nur jede weitere Klageführung bezüglich desselben Anspruches ausgeschlossen.
Die Zurücknahme bilde daher kein Prozeßhindernis für das bereits anhängige Verfahren.
Rechtliche Beurteilung
Dem vom Beklagten gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobenen Revisionsrekurs kommt keine Berechtigung zu. Der Beklagte beharrt auf seinem Standpunkt, die klagende Partei habe nicht auf einen zuviel geltend gemachten Anspruch verzichtet, sie habe vielmehr einen identen Anspruch zweimal eingeklagt. Der Anspruchsverzicht könne sich daher nur auf denselben Anspruch beziehen. Aus der Klagerücknahme unter Anspruchsverzicht ergebe sich ein Verzicht auf gerichtlichen Rechtsschutz für alle Zukunft. Der Oberste Gerichtshof vermag diese Ansicht im Ergebnis nicht zu teilen. Es ist zwar richtig, daß die Zurücknahme der Klage unter Verzicht auf den Anspruch im Sinne des § 237 Abs. 4 ZPO nach Lehre und Rechtsprechung ein in sinngemäßer Anwendung des § 240 Abs. 3 ZPO wahrzunehmendes Prozeßhindernis bildet (SZ 57/204). Bei der Beurteilung, ob eine Zurücknahme der Klage unter Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch im Sinne des § 237 Abs. 4 ZPO erfolgt, und ob daher ein derartiges Prozeßhindernis gegeben ist, dürfen allerdings die Umstände nicht außer Betracht bleiben, unter denen die Zurücknahme der Klage "unter Anspruchsverzicht" erklärt wurde. So wurde in der Erklärung, die Klage "unter Verzicht auf den derzeit zufolge Zession nicht zustehenden Anspruch" zurückzuziehen, ihrem Inhalt nach keine Klagerücknahme unter Anspruchsverzicht im Sinne des § 237 Abs. 4 ZPO gesehen, weil ein solcher Verzicht die Behauptung des Bestehens derartiger Rechte voraussetzen würde (3 Ob 653/80). Im Ergebnis nicht anders verhält es sich im vorliegenden Fall. Wäre bei dem soeben erwähnten Verfahren ohne Zurücknahme der Klage ein die Klage wegen Fehlens der Aktivlegitimation abweisendes Sachurteil ergangen, wäre hier die beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zu 15 Cg 254/85
eingebrachte Klage wegen Streitanhängigkeit zurückzuweisen gewesen (§ 233 Abs. 1 ZPO). Da, wie aus dem Akt 15 Cg 254/85 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien hervorgeht, die Zurücknahme der Klage "unter Anspruchsverzicht" wegen der Streitanhängigkeit des gegenständlichen Verfahrens erfolgte, kann darin nicht ein Verzicht auf den behaupteten Anspruch überhaupt, sondern nur auf die ein zweites Mal erfolgte Geltendmachung dieses Anspruchs und daher keine Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht im Sinne des § 237 Abs. 4 ZPO gesehen werden. Diese Zurückziehung kann keine weiteren Folgen haben als eine beschlußmäßige Zurückweisung der Klage wegen Streitanhängigkeit (vgl. SZ 57/204 und 3 Ob 653/80). Die beschlußmäßige Zurückweisung der beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien eingebrachten Klage hätte aber auf den gegenständlichen Rechtsstreit keinerlei Auswirkungen haben können. Es besteht daher kein Anlaß, der Zurückziehung jener Klage andere Folgen beizumessen. Mit Recht hat deshalb das Rekursgericht dem Erstgericht aufgetragen, das Verfahren unter Abstandnahme von dem gebrauchten Zurückweisungsgrund fortzusetzen, sodaß dem Revisionsrekurs ein Erfolg versagt bleiben mußte.
Die Kostenentscheidung erfolgte nach § 52 ZPO.
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