Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte und widerklagende Partei ist schuldig, der klagenden und widerbeklagten Partei die mit S 5.657,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 514,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die am 27. August 1951 geborene Klägerin und Widerbeklagte (im folgenden: Klägerin) und der am 2. September 1952 geborene Beklagte und Widerkläger (im folgenden: Beklagter) haben am 30. Juni 1979 vor dem Standesamt Pöndorf die beiderseits erste Ehe geschlossen. Die Klägerin brachte die am 1. März 1972 unehelich geborene Tochter Petra B*** in die Ehe mit. Der Ehe entstammt der am 7. März 1980 geborene Sohn Josef Peter. Beide Streitteile sind österreichische Staatsbürger; ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten sie in Pöndorf.
Die Klägerin begehrte mit der am 30. April 1985 zu Protokoll gegebenen Klage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden des Beklagten. Sie brachte in dieser und während des Verfahrens vor, der Beklagte trinke regelmäßig und sei seit eh und je dem Alkohol mehr zugetan als seiner Familie. Er sei nur selten zu Hause, verbringe seine Freizeit zum Beispiel im Cafe "Treff" in Schneegattern, welches als Bordell geführt werde, und in Diskotheken, von wo er regelmäßig betrunken heimkehre. Der Beklagte behandle die Klägerin und ihre uneheliche Tochter lieblos und beschimpfe sie. Er habe die Klägerin auch geschlagen und leiste seit Klagseinbringung keinen Unterhalt mehr. Der Beklagte stehe "offensichtlich total unter der Herrschaft seiner Eltern" und habe es sich gemeinsam mit diesen offenbar zum Ziel gesetzt, der Klägerin das Leben zur Hölle zu machen. Da die Klägerin auch von ihrem Schwiegervater geschlagen worden sei, sei das Zusammenleben mit dem Beklagten und dessen Eltern im Hause der Schwiegermutter für die Klägerin geradezu gefährlich geworden, so daß sie mit Genehmigung des Bezirksgerichtes Frankenmarkt die Ehewohnung verlassen habe.
Der Beklagte bestritt die ihm zur Last gelegten Eheverfehlungen und begehrte seinerseits mit der am 17. Mai 1985 eingebrachten Widerklage die Scheidung der Ehe aus dem Verschulden der Klägerin. Er behauptete, die Klägerin verweigere ihm seit Ende Jänner 1985 den ehelichen Geschlechtsverkehr und sei auch "für acht Wochen" aus dem gemeinsamen Schlafzimmer ausgezogen. Die Klägerin empfange den Beklagten bei seiner Rückkehr von der täglichen Arbeit regelmäßig mit Beschimpfungen und Schreien. Sie zerstöre durch ihr unverträgliches Verhalten die früher guten Beziehungen zu allen Nachbarn und vernachlässige den Haushalt. Die Klägerin habe die Ehewohnung am 22. Mai 1985 verlassen und am 22. November 1985 nahezu den gesamten Hausrat verbracht.
Die Streitteile gingen übereinstimmend von einer unheilbaren Zerrüttung ihrer Ehe aus, behaupteten allerdings, daß diese jeweils aus dem alleinigen Verschulden des anderen Teiles herbeigeführt worden sei.
Das Erstgericht schied die Ehe aus dem Verschulden beider Teile und sprach aus, daß den Beklagten das überwiegende Verschulden treffe. Es stellte im wesentlichen folgenden Sachverhalt fest:
Die Ehewohnung befand ich im Hause der Schwiegereltern der Klägerin in Pöndorf, Bergham 9, wo die Schwiegereltern eine Küche und ein Schlafzimmer zur Verfügung hatten und die Eheleute die restlichen Zimmer, insbesondere eine eigene Küche und ein eigenes Wohnzimmer, unentgeltlich benützten. Die Ehe verlief bereits 1981 nicht mehr harmonisch. Der Beklagte brachte damals eine Ehescheidungsklage ein, die Klägerin zog vorübergehend zu ihren Eltern. Der Beklagte geriet in Alkoholabhängigkeit, er unterzog sich vom 5. Juli bis 14. August 1981 einer Alkoholentziehungskur. Ende 1981 führten die Eheleute eine Versöhnung herbei, doch unterblieb der geplante Umzug in eine OKA-Betriebswohnung. Der Beklagte nahm die ihm für zwei Jahre nach der Entwöhnungskur verordneten Antabustabletten nur ca. sechs Monate lang ein. Er suchte einmal monatlich den Klub der anonymen Alkoholiker in Vöcklabruck auf. Ein Alkoholkonsum bis März 1984 war nicht feststellbar, doch blieb der Beklagte im Verlaufe des Jahres 1983 nach den Treffen in Vöcklabruck mehrmals bis gegen drei Uhr morgens aus. Am jeweils folgenden Sonntag ruhte er sich tagsüber bis gegen Abend auf dem Sofa liegend aus. Auf die Aufforderung der Klägerin, fortzufahren, gab er an diesen Tagen entweder keine Antwort oder forderte sie auf, Verwandtenbesuche alleine zu absolvieren.
An einem Samstag Abend im März 1984 fuhr der Beklagte mit dem Auto alleine weg. Gegen sechs Uhr morgens des nächsten Tages traf die Klägerin den Beklagten alkoholisiert in dem vor dem Gasthaus Bahn in Pöndorf abgestellten Auto liegend an. Er und das Auto waren durch Erbrochenes verschmutzt. Im Juni oder Juli 1984 nahm der Beklagte an einer Autobusfahrt der OKA teil und suchte nach der Rückkehr ein Gasthaus in Frankenmarkt auf. Danach trat er mit dem von seinem Vater finanzierten und von beiden Eheleuten benützten PKW eine Fahrt nach Straßwalchen an, wo er wiederum ein Gasthaus besuchte. Dabei wurde der PKW auf dem Parkplatz von dritter Seite beschädigt. Aus Ärger darüber und "um den Schadensfall zu regulieren", entschloß sich der Beklagte daraufhin, nicht heimzukehren, sondern eine Diskothek in der Nähe von Salzburg zu besuchen. Eine Verständigung der Klägerin unterblieb. Diese und ihr Schwiegervater leiteten daraufhin am folgenden Morgen eine erfolglose Suche ein. Der Beklagte kehrte mit dem PKW erst gegen 23 Uhr 45 in leicht alkoholisiertem Zustand heim. Die Klägerin machte ihm wegen seines Ausbleibens Vorhalte.
Im Sommer 1984 suchte der Beklagte mit Hubert B*** dreimal das Lokal "Treff" in Schneegattern auf, welches im Erdgeschoß als Kaffeehaus, im Obergeschoß als Bordell geführt wird. Dort konsumierte der Beklagte Alkohol. Hubert B*** ging einmal mit einer Prostituierten aufs Zimmer. Ob dies auch der Beklagte getan hat, war nicht feststellbar.
Der Beklagte ging bis Ende 1984 ein- bis zweimal monatlich am Wochenende alleine fort. Die Eheleute waren bis Ende 1984 zumindest zwei- bis dreimal wöchentlich bei den Nachbarn S***. Nach dem sich aber die Klägerin bei anderen Nachbarn abfällig über Anna S*** und deren Eltern geäußert und sich dort auch über den Beklagten und ihre Schwiegereltern beklagt hatte, stellten die Nachbarn S*** nach einem Streit den Kontakt zur Klägerin Weihnachten 1984 ein. Der Beklagte besuchte sie aber weiterhin zwei- bis dreimal wöchentlich ab ca. 18 Uhr. Dies wurde dem Beklagten von der Klägerin ebenso vorgehalten wie seine Kreditaufnahme bei der OKA, für die die Klägerin die Bürgschaft übernommen hatte. Die Klägerin wollte vom Beklagten über die Verwendung des Geldes Auskunft haben. Der Beklagte bemängelte das von der Klägerin zubereitete Essen. Sie hatte mehrfach nach der gegen 16 Uhr 30 erfolgenden Rückkehr des Beklagten von der Arbeit kein warmes Abendessen vorbereitet, sondern verwies auf Vorräte in der Tiefkühltruhe. Daraufhin suchte der Beklagte seine Eltern auf, da ihm dies zu lange dauerte. Es kam auch vor, daß sich die Klägerin bei Rückkunft des Beklagten von der Arbeit noch bei den Schwiegereltern aufhielt und nicht unverzüglich mit der Zubereitung des Essens begann. In zwei Fällen lehnte der Beklagte zubereitete Mehlspeisen der Klägerin ab. Er hielt ihr vor, daß sie zuwenig zusammenräume, zumal im Wohnzimmer Wäsche zum Bügeln unaufgeräumt verblieben war. Hierüber entstanden gegen Jahresende 1984 bis Mai 1985, in welchem Monat nahezu täglich gestritten wurde, Auseinandersetzungen. Zuletzt empfing die Klägerin den Beklagten bei seiner Rückkunft von der Arbeit mit Schreien. Der Beklagte ging diesen Auseinandersetzungen dadurch aus dem Weg, daß er entweder seine Eltern aufsuchte oder wegfuhr. Nach solchen Streitigkeiten suchte der Beklagte gegen Ende 1984 mehrmals das Cafe "Treff" auf. Um den Jahreswechsel 1984/85 besuchte der Beklagte drei- bis viermal das Gasthaus F***, wo er ein- bis zweimal Alkohol bis zur Volltrunkenheit konsumierte. Im Februar 1985 holte einmal Klaus S*** den Beklagten, der nicht mehr stehen konnte, ab und transportierte ihn mit dem Auto nach Hause.
Gegen Jahresende 1984 (an anderer Stelle des Ersturteiles heißt es: "anfangs 1985") gab der Beklagte der Klägerin gegenüber zu, drei- bis viermal im Cafe "Treff" gewesen zu sein. Nachdem die Eheleute bis Mitte Jänner 1985 regelmäßig geschlechtlich miteinander verkehrt hatten, verweigerte daraufhin die Klägerin den ehelichen Verkehr. Sie zog zunächst für drei Wochen aus dem Schlafzimmer aus, wobei sie gegenüber den Schwiegereltern äußerte, sie lege sich "zu dieser Sau" nicht mehr hinein, und lehnte in der Folge den vom Beklagten gewünschten Verkehr ab. Sie legte in der Nacht den Sohn Josef zu sich ins Bett, um den ehelichen Verkehr zu hindern. Der Beklagte kam einmal im Februar 1985 gegen 4 Uhr früh alkoholisiert nach Hause. Er war volltrunken und hatte den Standort des PKWs vergessen.
Im Jänner oder Februar 1985 half die Klägerin bei einem Hausball im Gasthaus F*** aus, wo sie seit Oktober 1984 täglich eineinhalb Stunden vormittags Reinigungsarbeiten verrichtete. Dem Beklagten, der diesen Hausball auch besuchen wollte, sagte sie, daß er dort nichts verloren habe. Auf Grund dieser Äußerung lieferte der Beklagte die Klägerin gegen 19 Uhr 30 vor dem Gasthaus ab und suchte daraufhin Gasthäuser in Frankenmarkt und St. Georgen auf. Er trank zunächst eine Flasche Bier, wozu er eine Antabustablette einnahm. Im Auto konsumierte er eine weitere Flasche Bier, wozu er eine weitere Antabustablette einnahm. Gegen ein Uhr früh erschien der Beklagte alkoholisiert im Gasthaus F***, wo er die Klägerin beim Tanz mit einem anderen Manne antraf. Als der Beklagte dies unterbinden wollte, kam es zu einem Handgemenge, bei welchem die Klägerin in einen unbeabsichtigten Schlag des Beklagten geriet. Als der Beklagte, der am Vortag alkoholisiert gewesen war, in den Semesterferien 1985 beabsichtigte, mit dem Sohn Pepi einen Faschingszug aufzusuchen, äußerte die Klägerin: "Meinst du vielleicht, ich laß dir den Buben, daß du dich woanders auch noch ansaufst". Der Beklagte kündigte daraufhin an, er werde eine Flasche Wein holen und sich "ansaufen". Daraufhin entbrannte ein Streit um die Flasche, welche am Boden zerbrach. Die Klägerin rutschte aus und verletzte sich an Hand und Knie durch Splitter.
Bei einem dieser Vorfälle sagte die Klägerin unter Bezugnahme auf den Alkoholkonsum des Beklagten "bist schon wieder angesoffen gewesen, du Schwein". Der Beklagte bezeichnete seinerseits die Klägerin als "faule Krucker" und "faule Drecksau", sowie unter Hinweis auf das uneheliche Kind als "Hure". Der Beklagte hielt der Klägerin und ihrer Tochter mit den Worten "freßt's nur recht, schaut's eh recht schlecht aus" Übergewichtigkeit vor. Die Klägerin hielt dem Beklagten vor, daß er Petra nicht möge. Jedoch war eine Benachteiligung der Petra B*** gegenüber dem Sohn Josef durch den Beklagten nicht feststellbar. Die Klägerin selbst verwendete ihrer Tochter gegenüber den Ausdruck "wamperte Sau". Der Beklagte äußerte am 16. April 1985 gegenüber einer Beamtin der Jugendwohlfahrtsbehörde, daß er die Klägerin, falls diese von ihm weggehen wolle, nicht aufhalten werde.
Mit Einbringung ihrer Scheidungsklage teilte die Klägerin dem Beklagten mit, daß sie am 15. Mai 1985 "weg sei", womit sie ihren bevorstehenden Auszug andeutete. Am Muttertag (12. Mai 1985) nahm sie bereits ihr gehörige Bettwäsche zu ihren Eltern mit. Am 21. Mai 1985 wollte die Klägerin ihr Gmundner Keramik-Geschirr sowie ein Speiseservice mit dem PKW zu ihren Eltern nach Wolfsegg wegbringen. Dem Beklagten erklärte sie, sie müsse bei ihren Eltern Papiere abholen. Als ihr Schwiegervater die Absicht der Klägerin bemerkte, verweigerte er ihr die Benützung des Autos. Die Klägerin telefonierte mit der Gendarmerie, wobei ein Beamter den Josef M*** sen. aufforderte, einen Streit zu vermeiden. Als die Kklägerin noch mit dem Richter Dr. F*** telefonieren wollte, versuchte ihr Schwiegervater sie vom Telefon wegzuzerren. In der folgenden Auseinandersetzung rutschte die Klägerin aus und stürzte. Eine von Josef M*** sen. oder vom Beklagten der Klägerin direkt zugefügte Verletzung war nicht feststellbar. Der Beklagte zog die Klägerin von seinem Vater weg.
Am 22. Mai 1985 zog die Klägerin für drei Wochen in das Frauenhaus nach Linz. In der Folge wohnte sie in der Wohngemeinschaft "Alleine mit dem Kind". Sie bezog S 4.500,-- Sozialhilfe, die Kinderbeihilfe von S 2.400,-- für zwei Kinder und S 2.000,-- monatliche Alimente für Petra B***, welche für Internatskosten aufgingen. Petra B*** befindet sich seit drei Jahren im Internat der Schulschwestern in Vöcklabruck, der Sohn Josef weist Sprachschwierigkeiten und einen Entwicklungsrückstand auf. Er wurde vom 20. Oktober 1984 bis 9. Mai 1985 über Veranlassung der Klägerin in Straßwalchen regelmäßig logopädisch betreut. Nach dem Auszug der Klägerin erfolgte die logopädische Betreuung in Linz. Im Mai 1985, als nahezu täglich Streitigkeiten zwischen den Eheleuten stattfanden, nahm der Beklagte zirka zweimal wöchentlich das Abendessen bei den Nachbarn ein. Die Klägerin fuhr bis April 1985 mit dem Auto zu ihrer Arbeit in das Gasthaus F*** in Untermühlen. Danach wurde ihr die Verwendung des Autos verweigert und sie benutzte das Fahrrad, wobei sie allerdings erst gegen zwölf Uhr mittags heimkehrte. Ab Mitte März 1985 nahm die Klägerin den Sohn Josef in das Gasthaus mit. Die Schwiegereltern waren nicht mehr bereit, diesen zu beaufsichtigen, weil ihnen die Klägerin vorgeworfen hat, daß er durch sie so nervös geworden sei. Im Mai 1985 verzögerte die Klägerin ihre Heimkehr bis zum Abend, um den Kontakt mit dem Beklagten und den Schwiegereltern zu vermeiden. Sie hatte sich zunächst bei den Schwiegereltern über den Beklagten beklagt, als diese aber in der Folge zu ihm hielten, verschlechterte sich ihr Verhältnis zu den Schwiegereltern, wobei sie zuletzt von Josef M*** sen. mit "Krucker, Drecksau" beschimpft wurde. Am 22. November 1985 holte die Klägerin sämtliches Geschirr des mit dem Beklagten geführten Haushaltes sowie sämtliches Besteck, die gemeinsam geschenkt erhaltene Bettwäsche, sowie die ihr gehörigen Einrichtungsgegenstände (Schlafzimmereinrichtung, Lampenschirm, Bett des Gästezimmers) ab. Sie nahm auch einen vom Beklagten über die OKA gekauften Staubsauger mit.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß sich die wechselseitigen Beschimpfungen als Verstoß gegen die Pflicht zur anständigen Begegnung darstellten, wobei aber das wiederholte Ausbleiben des Beklagten, verbunden mit der Alkoholisierung, schwere Verfehlungen seien, die zu berechtigten Vorhaltungen der Klägerin Anlaß gegeben hätten. Die zunehmende Häufigkeit der Alkoholisierung des Beklagten sei für die Entfremdung der Eheleute durch dauernde Streitigkeiten ab Jahresende 1984 von wesentlicher Bedeutung gewesen. Die Verweigerung des ehelichen Verkehrs durch die Klägerin erscheine auf Grund der Alkoholisierungen des Beklagten, seiner zugegebenen Besuche in einem als Bordell geführten Lokal und in Anbetracht der zunehmenden ehelichen Konflikte gerechtfertigt. Demgegenüber sei die Vernachlässigung des Haushaltes durch die Klägerin nicht als gröblich anzusehen. Der Auszug der Klägerin sei nach bereits eingetretener unheilbarer Zerrüttung der Ehe erfolgt und falle daher nicht entscheidend ins Gewicht. Das Verschulden des Beklagten am Scheitern der Ehe überwiege erheblich.
Der Berufung des Beklagten gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Urteil keine Folge. Es übernahm die Feststellungen des Erstgerichtes als unbedenklich und führte rechtlich im wesentlichen aus, das Erstgericht habe zutreffend das Gesamtverhalten beider Teile dahin beurteilt, daß das Verschulden des Beklagten an der Zerrüttung der Ehe überwiege. Der Beklagte habe nämlich seine Freizeit immer mehr außerhalb der Familie verbracht, sich dem Alkohol zugewendet und wiederholt ein Gastlokal besucht, dessen Geschäftszweck nicht bloß die Ausschank von Getränken, sondern auch die Förderung gewerblicher Unzucht gewesen sei. Wenn sich die Klägerin daraufhin schließlich dem Beklagten verweigert habe, so könne dies nicht als grundlos bezeichnet werden. Ebensowenig könne aus der Fortsetzung des Geschlechtsverkehrs zwischen den Eheleuten bis Jänner 1985 eine Verzeihung des vorangegangenen Verhaltens des Beklagten erschlossen werden. Eine übermäßige Zanksucht der Klägerin sei nicht erwiesen. Daß die Klägerin zuletzt den Beklagten mit Schreien empfangen habe, wenn er von der Arbeit heimgekommen sei, habe - ebenso wie ihre Äußerungen zu den Schwiegereltern - seine tieferen Ursachen im vorangegangenen Verhalten des Beklagten gehabt. Die wiederholten Beschimpfungen seien als milieubedingte Unmutsäußerungen zu qualifizieren und hätten im übrigen von beiden Teilen in gleicher Weise stattgefunden. Der Vorwurf einer groben und dauernden Vernachlässigung ihrer Hausfrauenpflichten könne die Klägerin nach den Feststellungen nicht treffen. Die Klägerin habe die eheliche Gemeinschaft auch nicht grundlos aufgegeben, zumal der Beklagte durch sein Verhalten davor schon sein Desinteresse an der Aufrechterhaltung einer dem Wesen der Ehe entsprechenden Lebensgemeinschaft bekundet und erklärt habe, daß er seine Frau nicht aufhalten werde, wenn sie von ihm weggehen wolle. Die Verbringung des Hausrates durch die Klägerin sei erst nach völliger Zerrüttung der Ehe geschehen und müsse auch deshalb in einem milderen Licht gesehen werden, da die auf die Sozialhilfe angewiesene Klägerin diese Gegenstände des täglichen Lebens benötigt habe.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Beklagten aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf dessen Abänderung im Sinne eines Ausspruches des überwiegenden Verschuldens der Klägerin, hilfsweise auf gleichteiligen Verschuldensausspruch. Die Klägerin stellt in ihrer Revisionsbeantwortung den Antrag, dem Rechtsmittel des Beklagten nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Nach § 60 Abs 2 EheG ist das überwiegende Verschulden eines Teiles nur dann auszusprechen, wenn sein Verschulden erheblich schwerer wiegt als das des anderen. Der Unterschied der beiderseitigen Verschuldensanteile muß augenscheinlich hervortreten (EFSlg 41.281 bis 41.284, 43.691, 46.243 uva.), sodaß es subtiler Abwägungen nicht bedarf (Schwind, Eherecht2, 251). Für die beiderseitige Verschuldensabwägung ist das Gesamtverhalten beider Ehegatten maßgebend (EFSlg 43.684, 46.230, 46.231, 48.815, 48.816). Vor allem ist darauf Bedacht zu nehmen, welcher Ehegatte den entscheidenden Beitrag zur unheilbaren Zerrüttung der Ehe geleistet hat und wie weit spätere Eheverfehlungen des einen Ehegatten Folge der bereits durch das Verschulden des anderen Ehegatten heraufbeschworenen Zerrüttung der Ehe waren (EFSlg 43.679, 46.234 bis 46.236, 48.818 bis 48.820; 1 Ob 583, 584/86). Die Ursächlichkeit der Verfehlungen für den Eintritt der unheilbaren Zerrüttung ist von ausschlaggebender Bedeutung (EFSlg 41.271, 43.677, 43.680; 1 Ob 669/86). Daß das schuldhafte Verhalten eines Teiles das des anderen nach sich gezogen hat, führt regelmäßig zur Annahme, daß dem Beitrag des Ersteren größeres Gewicht beizumessen ist (EFSlg 38.780, 41.294, 41.295, 46.259, 48.838 ua.). Eheverfehlungen, die in den Zeitraum nach dem Eintritt der völligen Zerrüttung der Ehe fallen, spielen bei der Verschuldensabwägung keine entscheidende Rolle (EFSlg 43.688, 46.237, 48.829). Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen entgegen der Meinung des Beklagten zutreffend erkannt, daß er durch sein Gesamtverhalten die Zerrüttung der Ehe nicht bloß eingeleitet, sondern zu deren Eintritt auch den maßgeblichen Beitrag geleistet hat. Er hat nämlich nach den Feststellungen, nachdem Ende 1981 eine erste ernste Ehekrise durch Versöhnung zunächst überwunden worden war und er seine Alkoholabhängigkeit durch eine erfolgreiche Entziehungskur bekämpft hatte, im Verlaufe des Jahres 1984 wieder damit begonnen, alleine auszugehen und dem Alkohol zuzusprechen. Nachdem es zwei konkrete "Umfaller" im März und Sommer 1984 gegeben hatte, kam es um die Jahreswende 1984/85 zu mehreren Alkoholexzessen. Der Beklagte gestand der Klägerin auch seine mehrfachen Besuche im Cafe "Treff" ein. Er hat damit schwere Eheverfehlungen gesetzt (vgl. EFSlg 43.610, 48.745), welche die festgestellten Auseinandersetzungen zwischen den Eheleuten ausgelöst, und die Zerrüttung der bereits vorbelasteten Ehe beschleunigt und schließlich unheilbar gemacht haben. Dazu kommt, daß der Beklagte der Klägerin nach den Feststellungen auch im wesentlichen unbegründete Vorwürfe bezüglich der Essenszubereitung und des Zusammenräumens gemacht hat. Denn nur die dauernde und grobe Vernachlässigung des Haushaltes stellt eine schwere Eheverfehlung nach § 49 Abs 1 EheG dar (vgl. EFSlg 22.710, 24.957, 29.509, 46.171 ua.). Auch kann keine Rede davon sein, daß die Klägerin diese Eheverfehlungen des Beklagten etwa nicht als ehezerstörend empfunden und/oder sie dem Beklagten verziehen hätte. Aus der Tatsache allein, daß die Eheleute bis Mitte Jänner 1985 regelmäßig geschlechtlich miteinander verkehrt haben, ist eine Verzeihung im Sinne des § 56 EheG nicht abzuleiten. Eine solche liegt in der Vollziehung des Geschlechtsverkehrs nur dann, wenn aus dem Gesamtverhalten des gekränkten Ehegatten hervorgeht, daß er dadurch unzweideutig zum Ausdruck bringen wollte, die Eheverfehlungen des anderen nicht mehr als solche zu empfinden (Pichler in Rummel, ABGB, Rdz 2 zu § 56 EheG; EFSlg 29.601, 36.376, 38.763, 48.805, 48.806; RZ 1978/51 uva.). Der dem Beklagten oblegene Beweis hiefür (EFSlg 34.022) wurde nicht erbracht. Ebenso zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß nur die grundlose Ablehnung des ehelichen Verkehrs eine schwere Eheverfehlung zu begründen vermag (EFSlg 33.920, 43.624 ua.). Die Klägerin hatte aber triftige Gründe, als sie ab Mitte Jänner zunächst für drei Wochen aus dem Schlafzimmer auszog und auch in der Folge den ehelichen Verkehr ablehnte. Hatte ihr der Beklagte doch erst jetzt seine Besuche im Cafe "Treff", welches auch einen Bordellbetrieb führt, gestanden. Wie die nachfolgenden Ereignisse und das dann begonnene beiderseitig eskalierende streitsüchtige und ehewidrige Verhalten unter Einbeziehung desjenigen des Schwiegervaters der Klägerin zeigen, war die Ehe schon zu diesem Zeitpunkt völlig zerrüttet, so daß die ab diesem Zeitpunkt beiderseitig gesetzten Eheverfehlungen nicht mehr entscheidend ins Gewicht fallen. Das gilt insbesondere auch für das Verlassen der Ehewohnung durch die Klägerin am 22. Mai 1985 und deren spätere Verbringung von Hausratsgegenständen am 22. November 1985. Hiezu hat bereits das Berufungsgericht mit Recht darauf verwiesen, daß die Verbringung der Hausratsgegenstände im Hinblick auf die finanziell beengte Lage der Klägerin in einem milderen Lichte gesehen werden muß.
Bei Gegenüberstellung der den Streitteilen anzulastenden Eheverfehlungen waren daher diejenigen des Beklagten für die negative Entwicklung der Ehe wesentlich bedeutsamer als diejenigen der Klägerin, die sich weitgehend nur als Folge seines ehewidrigen Verhaltens darstellen. Es kann aus diesem Grunde in der Auffassung des Berufungsgerichtes, daß das Verschulden der Klägerin gegenüber jenem des Beklagten weitgehend in den Hintergrund tritt und daher das überwiegende Verschulden des Beklagten an der Scheidung der Ehe auszusprechen war, keine Fehlbeurteilung erblickt werden. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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