OGH 4Ob554/87

OGH4Ob554/8730.6.1987

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*** T*** CORP., FL-9497 Triesenberg, Liechtenstein, P.O.B. 1216, vertreten durch Dr. Peter Posch und Dr. Ingrid Posch, Rechtsanwälte in Wels, wider die beklagte Partei S*** KG, 4614 Marchtrenk, Roseggerstr. 81, vertreten durch Dr. Gerhard Hoyer, Rechtsanwalt in Wels, wegen sfr 10.060,72 (S 84.409,44) infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 6.Februar 1987, GZ 5 R 186/86-18, womit infolge Berufung beider Parteien das Urteil des Kreisgerichtes Wels vom 4.August 1986, GZ 7 Cg 194/85-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 4.243,80 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 385,80 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu zahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte von der Beklagten sfr 12.840,50 in österreichischen Schilling zum Devisenbriefkurs der Wiener Börse am Zahlungstag. Sie habe der Beklagten auf deren Bestellung vom 15. Dezember 1983 eine Dichtungsplatte und eine Kiste Compound-Material geliefert und fakturiert; die Ware sei unbeanstandet übernommen worden.

Die Beklagte wendete ein, der Vertreter der Klägerin habe den zu derartigen Bestellungen nicht bevollmächtigten Angestellten der Beklagten Manfred N*** mit der unrichtigen Behauptung in Irrtum geführt, wegen der Bestellung von der Geschäftsleitung in Marchtrenk an ihn verwiesen worden zu sein. Darüber hinaus sei der Beklagten trotz der zugesagten Lieferung "frei Haus" von der P*** Speditions- und Transportgesellschaft mbH Einfuhrumsatzsteuer und Vorlageprovision verrechnet, dennoch aber von der Klägerin der volle Preis in Rechnung gestellt worden. Da die Lieferung nicht einmal in der angebotenen Form erfolgt sei, habe die Beklagte die Spedition die Ware am 6.Juni 1984 wieder abholen lassen.

Das Erstgericht gab der Klage mit einem Betrag von sfr 10.061,72 statt und wies das Mehrbegehren von sfr 2.779,78 ab. Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Teile nicht Folge und bestätigte das Ersturteil; es sprach aus, daß die Revision nicht zulässig sei.

Das Erstgericht ging im wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Firmensitz, Verwaltung, kaufmännische Leitung und Einkauf der Beklagten befinden sich in Marchtrenk. Im Werk Haid I war etwa die Hälfte der Dienstnehmer der Beklagten beschäftigt; Manfred N*** war dort technischer Betriebsleiter. Werksintern war Manfred N*** berechtigt, Bestellungen bis etwa S 5.000 aus eigenem zu tätigen. Die Klägerin vertreibt unter anderem Dichtungsplatten und dazu gehörig Compound Stopfmaterial. Diese Produkte werden unter anderem zur Abdichtung von Flanschen verwendet, und zwar speziell bei Nahrungsmittelfabriken. Joel B***, ein für die Klägerin tätiger selbständiger Handelsvertreter, ließ seine Sekretärin Ende 1983 in Marchtrenk anrufen und erbat den technischen Leiter der Beklagten. Er wandte sich bei Verkäufen ähnlicher Art immer an den technischen Leiter, weil dieser am besten zu beurteilen vermag, wie weit das Material zu gebrauchen ist und welche Menge benötigt wird. Von der Zentrale in Marchtrenk wurde er an einen Mann im Werk Haid verwiesen. Am 15.Dezember 1983 erschien Joel B*** im Werk Haid I und erreichte schließlich den technischen Betriebsleiter Manfred N***. B*** erläuterte die Vorzüge des von ihm zu verkaufenden Produktes an Hand eines in mehreren Sprachen abgefaßten Prospektes. Er hatte dieses Gespräch mit der Vorstellung seiner Person begonnen, mit dem Beifügen, daß man ihn von Marchtrenk hieher an Manfred N*** verwiesen habe; eine Bemerkung, die Geschäftsleitung habe eine Bestellung bereits genehmigt oder befürwortet, machte er nicht. Manfred N*** hatte allerdings den Eindruck, der Vertreter der Klägerin habe bereits über eine mögliche Bestellung mit einer maßgeblichen Person der Firmenleitung gesprochen. Nach etwa 20 Minuten entschloß er sich zu einer Bestellung, wobei er sich im klaren war, was und welche Menge er bestellte. Über einen Endpreis wurde nicht gesprochen, zumal sich die Preisangabe auf dem Bestellschein auf das spezifische Gewicht bezieht und fertigungsbedingt der genaue Endpreis erst nach Herstellung der Ware feststeht. Der von Manfred N*** unterfertigte und mit der Stampiglie "S*** KG, programmierte Agrartechnik, Schlächterei: Stelzhamerstraße 6, A-4053 Haid" versehene Bestellschein enthielt in sfr angegebene Preise sowie den Zusatz "Free house customs taxes included". Manfred N*** war wohl klar, daß er das Limit von ca. S 5.000 überschritt, er hatte aber völlig übersehen, daß sich der Preis auf sfr und nicht auf österreichische Schilling bezog.

Die Klägerin übermittelte am 23.Dezember 1983 eine Auftragsbestätigung an das Werk in Haid. Etwa im Februar 1984 lieferte sie die Ware und legte gleichzeitig die Rechnung vom 15. Februar 1984, welche der Beklagten etwa Anfang März 1984 zukam. In dieser Rechnung war erstmals der Endbetrag (Klagebetrag) angeführt.

Bei allen Bestellungen eines Betiebsleiters oder technischen Leiters ist bei der Beklagten vorgesehen, daß ein sogenannter interner Bestellschein geschrieben wird. Manfred N*** fertigte einige Tage nach der Bestellung einen derartigen internen Bestellschein und übermittelte ihn mit dem Bestellschein in Durchschrift nach Marchtrenk. Die Beklagte erhielt am 4.Mai 1984 von der Firma P*** auch eine Rechnung über ausgelegte Einfuhrumsatzsteuer Vorlageprovision etc. im Gesamtbetrag von S 23.322,40. Die Beklagte ließ am 6.Juni 1984 die Sendung mit einem Begleitschreiben zurückgehen, wobei darauf hingewiesen wurde, daß die Bestellung nicht rechtswirksam zustande gekommen sei und im übrigen sogar die zugesagten Bedingungen (frei Haus) nicht eingehalten worden seien. Diesen Standpunkt hatte der Beklagtenvertreter bereits mit Schreiben vom 10.Mai 1984 an die Klägerin und am 11.Mai 1984 an P*** dargetan.

Das Berufungsgericht übernahm diese Feststellungen und ergänzte sie dahin, daß die von der Klägerin am 23.Dezember 1983 übermittelte Auftragsbestätigung (Confirmation of order), welche deutlich lesbar die Worte "ordered by: Herrn N***" enthielt, vom Werk Haid gleich nach Einlangen mit der internen Post nach Marchtrenk gesandt wurde. Auf Grund des Hinweises "Ordered by Herrn N***" wäre eine Zuordnung nach Rücksprache mit diesem möglich gewesen. Die Beklagte reagierte auf diese Auftragsbestätigung nicht, sondern erstmals nach Erhalt der Ware mit Schreiben vom 10.Mai 1984.

Manfred N*** fertigte den internen Bestellschein erst am 15.3.1984 und sandte ihn an die Zentrale in Marchtrenk; vorher hatte er der Geschäftsleitung von dieser Bestellung keine Mitteilung gemacht.

Rechtlich kamen die Vorinstanzen zu dem Ergebnis, daß die Beklagte mit dem Zugehen der Auftragsbestätigung Kenntnis vom Vertragsabschluß durch Manfred N*** erhalten habe; durch ihr Schweigen habe die Beklagte das Geschäft genehmigt. Die der Beklagten von der Firma P*** in Rechnung gestellten Kosten brachte das Erstgericht vom Klagebetrag in Abzug. Dem Einwand der Beklagten, die Klägerin habe durch die vereinbarungswidrige Nichtzahlung der Einfuhrumsatzsteuer nicht bestellungsgemäß geliefert, und dem daraus in der Berufung der Beklagten gefolgerten Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 1052 ABGB entgegnete das Berufungsgericht, daß die Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung von Steuern und Zöllen nicht die Leistung der Klägerin, sondern deren Preis betreffe; auch wenn man die Verpflichtung der Klägerin zur Begleichung der Zölle und Abgaben als äquivalente Nebenpflicht ansehe, bestünde keinerlei sachliche Rechtfertigung zur Zurückbehaltung einer höheren Leistung als des dieser Abgabe entsprechenden Betrages.

Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes erhobene außerordentliche Revision ist gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, weil zu der von der Beklagten relevierten Frage des materiellen Rechtes, ob die vereinbarungswidrige Belastung des Käufers mit vom Käufer zu tragenden Kosten ein Leistungsverweigerungsrecht im Sinne des § 1052 ABGB begründet, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliegt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

Das Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 1052 ABGB kommt nur dort in Frage, wo eine Kompensation wegen Fehlens der Voraussetzungen des § 1438 ABGB nicht möglich ist. Das ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des § 1438 ABGB ("so entsteht, insoweit sich die Forderungen gegenseitig ausgleichen, eine gegenseitige Aufhebung der Verbindlichkeiten, welche schon für sich die gegenseitige Zahlung bewirkt"), sondern auch aus dem Gesichtspunkt, daß die gänzliche Verweigerung der Leistung bei Kompensabilität der nicht erbrachten Gegenleistung als unverhältnismäßig und damit als schikanös im Sinne des § 1295 Abs 2 ABGB angesehen werden müßte. Zieht man in Betracht, daß die Klägerin ihre Leistung nicht von einer überhöhten Gegenleistung abhängig machte, sondern mit der Lieferung der Ware im voraus geleistet hatte, dann konnte die Beklagte die von ihr gemäß § 440 Abs 1 und § 442 HGB dem Frachtführer geschuldeten, von der Klägerin nicht getragenen Auslagen zahlen und gegen die Kaufpreisforderung der Klägerin aufrechnen. Wäre die von der Klägerin nicht gezahlte Einfuhrumsatzsteuer nach Ablieferung der Ware ausschließlich von der Beklagten geschuldet worden, dann stünde der Beklagten diesbezüglich schon vor Bezahlung eine Interessenforderung in Höhe der von ihr an den Frachtführer zu erbringende Leistung zu, die gleichfalls kompensabel wäre (siehe SZ 24/274); aber auch dann, wenn die Beklagte die auch von ihr geschuldete Geldleistung an den Dritten nicht erbrachte, so daß es zu keinem Erwerb dieser Forderung gemäß § 896 ABGB kam, ist im Hinblick darauf, daß es sich jeweils um Geldleistungen handelt, ein Zurückbehaltungsrecht lediglich bezüglich des dieser auch von ihr geschuldeten Geldleistung entsprechenden Kaufpreisteiles zuzubilligen. Die von Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 21 zu § 918 unterstellte Äquivalenz von Nebenleistungen zur in Geld zu erbringenden Gegenleistung ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn es sich um eine vom Verkäufer zu erbringende Geldleistung handelt, die ebenso vom Käufer erbracht werden könnte, nicht aber schon im Fall einer vom Verkäufer als Nebenleistung zu erbringenden vertretbaren Handlung. Die Zurückbehaltung der gesamten Leistung (des Kaufpreises) hat nämlich vor allem den Zweck, auf den Schuldner der Nichtgeldleistung (Veräußerer) Druck auszuüben und ihn zu einer umgehenden Verbesserung zu bestimmen, um den Erwerber der undankbaren Aufgabe zu entheben, die Beseitigung der Mängel (oder die Erbringung der Nebenleistung) durch einen Dritten zu erreichen (siehe auch SZ 53/63). Besteht die Nebenleistung aber in einer an einen Dritten zu erbringenden Zahlung, dann fällt dieser Grund für eine Zurückbehaltung des gesamten Kaufpreises weg. Schließlich sei auch noch darauf hingewiesen, daß die zur Aufrechnung mit Geldschulden in inländischer Währung berechtigende Gleichartigkeit bei unechten Fremdwährungsschulden vorliegt (EvBl 1980/30). Soweit sich die Beklagte mit ihrer Revision dagegen wendet, daß die Vorinstanzen ihr nicht ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich des gesamten Kaufpreises gemäß § 1052 ABGB zugebilligt haben, ist sie daher nicht im Recht.

Hingegen entspricht die von der Revisionswerberin gleichfalls bekämpfte Ansicht des Berufungsgerichtes, die Beklagte habe dadurch, daß sie der an sie weitergeleiteten Auftragsbestätigung nicht widersprach, die Bestellung durch ihren Angestellten Manfred N*** genehmigt, der vom Berufungsgericht zutreffend dargestellten Judikatur des Obersten Gerichtshofes, so daß bezüglich dieser Rechtsfrage die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht zulässig ist.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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